Themenwoche "El Cid Campeador" – Dienstag | Der Gegenspieler: García Ordóñez

Ibn Bassām nennt García Ordóñez in der Daḫīra 'Schiefmaul', Das Poema de Mio Cid nennt ihn Crespo de Grañón, damit ist schon viel über sein Aussehen gesagt. Schiefmaul könnte auf einen Schlaganfall oder eine Kiefer-Gaumen-Spalte ('Hasenscharte' hinweisen), vielleicht auch eine Kriegsverletzung. Grañón ist eine der García Ordóñez zugewiesenen Grafschaften. Crespo bedeutet Locke. Dementsprechend dürfen wir annehmen, dass ein Lockenkopf sein herausragendes körperliches Merkmal war.

Allerdings ist die Bezeichnung 'Schiefmaul' auch als Charakterzug interpretiert worden. García Ordóñez ist bis heute der "Buhmann" der spanischen Geschichtsschreibung – geschuldet insbesondere durch die procidianische Überlieferung der Historia Roderici und des Poema de Mio Cid bzw. der abhängigen Texte. Dabei waren García Ordóñez und Rodrigo Díaz mal Freunde gewesen - so wenigstens Fletcher in The Quest for el Cid. Fletcher bezieht sich dabei auf die Unterschrift des comes von Nájera in der Carta de Arras (Heiratsvereinbarung) von Rodrigo Díaz und seiner Frau Jimena aus dem Jahr 1077. Der Bruch der Freundschaft sei durch die Konkurrenz der Adeligen untereinander am Hofe Alfonsos VI. ausgelöst worden.
Meines Erachtens ist die Interpretation der Unterschrift des García Ordóñez auf der Heiratsvereinbarungsurkunde des Rodrigo Díaz aber kein ausreichender Hinweise auf eine Freundschaft, denn seine Unterschriften sind auf Urkunden am Hofe Alfons VI. äußerst häufig. 63 Unterschriften von García Ordóñez zählt Andres Gambra im Corpus Diplomático de Alfonso VI. García Ordóñez erweist sich damit – wenn die historiographischen Quellen dies nicht schon täten, als einer der engsten Vertrauten von Alfonso VI. Nur der später verbannte Pedro Ansúrez taucht in mehr Dokumenten als Zeuge auf. Zwischen beiden und anderen Unterzeichnern königlicher Urkunden besteht ein großer Abstand in der Häufigkeit der Bezeugungen, was ihre häufige Anwesenheit am Hofe und damit auch ihre Partizipation bei der königlichen Meinungsbildung zeigt. Die enge Verbindung zwischen dem König und dem comes dauerte bis zum Tod des García Ordónez an, der 1108 in der Schlacht von Úcles starb, den Cid also um sechs Jahre überlebte. Die Umstände des Todes gereichen ihm zur Ehre: Als der wohl vierzehnjährige Thronfolger Sancho von den berberischen Almoravidenkämpfern bedrängt vom Pferd fiel, soll sich García Ordónez von seinem Pferd gestürzt und den Thronfolger mit seinem Körper bedeckt haben. Der in der sein Bild bis heute prägenden procidianischen Überlieferung als Feigling präsentierte García hätte damit sein Leben geopfert, obwohl er noch Chancen gehabt hätte, es zu retten. Sancho Alfónsez, dessen Mutter die Maurin Zaida* gewesen sein soll, nutzte dieses Opfer nichts.
An dieser Stelle muss dringend etwas eingeräumt werden: Ambrosio Huici Miranda veröffentlichte in einem Artikel über die Schlacht von Úcles, der auch in seinem Werk Las grandes batallas de la Reconquista (Tetuán/Tiṭwān 1956) veröffentlicht ist, muslimische Quellen, welche den Tod des Thronfolgers Sancho Alfónsez und seines Mentors García Ordóñez etwas anders erzählt; nicht weniger dramatisch, aber doch weitaus weniger pathetisch: Nach der Nam al-Ğumān waren Sancho Alfónsez und García Ordóñez nach der Niederlage vom Schlachtfeld geflohen und hatten in einer nahe gelegenen Burg Belinchón Zuflucht gesucht. Hier wurden sie von den dort lebenden Muslimen allerdings ermordet. Ein Brief des Gouverneurs von Granada Tamīm an seinen Bruder, den Emir der Almoraviden in Marokko spricht dagegen davon, dass der abgeschlagene Schädel des García Ordóñez auf dem Schlachtfeld gefunden worden sei, von Sancho Alfónsez ist hier nicht die Rede.

Die Feindschaft zwischen dem Cid und García Ordóñez beginnt 1079 mit der Schlacht von Cabra. Laut der Historia Roderici waren Ruy Díaz und García Ordóñez von Alfonso geschickt worden, die Tribute der muslimischen Königreiche Granada und Sevilla einzutreiben. Dann aber hätte der König von Granada, 'Abdallāh ibn Buluggīn, García Ordóñez überredet, Sevilla anzugreifen. Ruy Díaz habe noch Briefe geschrieben und an den Auftrag Alfonsos erinnert, Tribute einzutreiben, aber das habe nicht geholfen. Die Schlacht war siegreich, Rodrigo Díaz nahm García Ordóñez gefangen (nach dem Poema de Mio Cid, in dem der Beginn nicht erhalten ist, in dem die Schlacht aber am Ende der Handlung noch einmal erinnert wird, riss der Cid García Ordóñez bei dieser Gelegenheit einen Teil seines Bartes aus – den legt er zum Beweis bei einer Gerichtsverhandlung vor). Seitdem scheint jedoch García Ordóñes bei Alfonso gegen Ruy Díaz intrigiert zu haben, jedenfalls wurde dieser 1081 aus dessen Herrschaftsbereich verbannt.
Allerdings gibt es noch eine weitere wichtige Quelle zu berücksichtigen. Sie nennt weder die Schlacht von Cabra, noch erwähnt sie jemals Rodrigo Díaz. Es sind die 'Erinnerungen' jenes oben erwähnten 'Abdallāh ibn Buluggīn, des Königs, der García Ordóñez zu gebracht habe, Sevilla anzugreifen. Als 'Erinnerungen', so ist die Schrift des Königs von Granada in der Geschichtswissenschaft bekannt geworden. Eigentlich handelt es sich gattungsspezifisch aber um eine Rechtfertigungsschrift. 'Abdallāh war, wie im Übrigen sein Gegenspieler al-Mu'tamid auch, von den Almoraviden gefangen gesetzt und nach Āġmāt nahe Marrakuš verbracht worden, wo der König von Sevilla verarmt starb, 'Abdallāh nach eigenem Zeugnis aber den Umständen entsprechend gut lebte. 'Abdallāh beschreibt den Zerfall des Reiches Granada nach dem Tod seines Großvaters Bādīs, bevor er, interne Kämpfe überstanden, die Burgen und Städte zurückerobern konnte. Ausgerechnet Cabra, wo die Schlacht zwischen Granada/García Ordóñez und Sevilla/Cid stattfand, war aber eine Stadt, welche die ganze Zeit treu zu Granada und seiner zīrīdischen Königsfamilie stand. Die Schlacht fand demnach höchstwahrscheinlich also auf granadinischem Territorium statt, was – entgegen der Historia Roderici – für einen Angriff Sevillas spricht.


*Zaida war zunächst die Schwiegertochter des Königs von Sevilla, des Abbadiden al-Mu'tamid. Als dessen Sohn bei der Verteidigung Córdobas gegen die Almoraviden starb, kam sie – vielleicht auf diplomatischer Mission im Dienste ihres Schwiegervaters an den Hof Alfonsos VI. und wurde zunächst dessen Konkubine, nach dem Tod seiner Frau Constanze wurde sie seine Frau. Ihr christlicher Name ist umstritten, die Quellen sind einigermaßen verwirrend. Es hat sich aber die Auffassung durchgesetzt, dass Zaida bei ihrer Taufe den Namen einer ihrer Vorgängerin, Isabel annahm.
 
Die Feindschaft zwischen Rodrigo Díaz und García Ordóñez mussten - für mittelalterliche Fehden durchaus üblich - die Untertanen ausbaden. Eine der wenigen Stellen der Historia Roderici, in welcher der Verfasser auf Distanz zu seinem Sujet geht, ist die Kampagne gegen die Länderreien García Ordóñez' in der Rioja 1092. García Ordóñez "et omnium parentem suorum" vereinigten zwar ein Heer gegen den Cid, griffen den Cid aber nicht an und verteidigten die Ländereien der Rioja nicht gegen das plündernde Heer des Cid. Interessanterweise sind zwei Kapitel der Historia Roderici gestrichen worden, die aber noch in kastilischen Chroniken des 13. und 14. Jahrhunderts erhalten sind. Sie müssen also nach der Übernahme in die kastilischen Chroniken gestrichen worden sein. Es handelt sich um die Vorschichte und das Ergebnis der Kampgane gegen die Rioja von 1092. In der Crónica General ist die Seite, auf der das Ergebnis stand, herausgerissen worden, in der Crónica Particular ist die nachträgliche Reinigung offenbar vergessen worden. Demnach hatte König Alfonso selbst Valencia angegriffen, der Cid rächte sich, indem er in die kastilischen Länderreien einfiel und die Rioja, das seinem Erzfeind und Vertrauten des Königs uinterstellte Gebiet verwüstete. Nach dem Rachefeldzug des Cid soll Alfonso sich nach Auskunft der Crónica Particular geradezu gedemütigt haben, indem er sich beim Cid für den Überfall auf Valencia entschuldigte. Seinen Kotau kaschierte er damit, dass er Rodrigo Díaz den Überfall der Rioja "verzieh". Die Begründung für den Versuch dieser Rekonziliation liefert die Crónica Particular gleich mit: Er habe gesehen, dass seine Vasallen nicht in der Lage waren, Rodrigo Díaz die Stirn zu bieten und habe es vorgezogen, mit dem Cid in einem freundschaftlichen Verhältnis zu stehen.
 
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