Geschichtlicher Ueberblick der bulgarisch - deutschen Beziehungen

Bolgarin

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Die Beziehungen zwischen Bulgaren und Deutschen datieren bereits seit zwei Jahrtausenden. Bereits ihre Vorfahren, die antiken Thraker und Germanen, unterhielten im Roemischen Reiche Kontakte. Im 4. Jh. siedelte sich das ostgermanische Volk der Goten auf seinem Weg nach Westen fuer kurze Zeit in Thrakien und Moesien an. Ein Teil von ihnen blieb unter der Fuehrung des beruehmten Bischofs Wulfila (schuf mit seiner Uebertragung der Bibel ins Gotische die erste germanische Bibeluebersaetzung) fuer immer in Nordbulgarien. Die alten Germanen standen in sprachlicher und ethnischkultureller Hinsicht auch den alten Slawen nahe, die eine andere Komponente des bulgarischen Volkes ausmachten. Am aktivsten allerdings waren die Beziehungen zwischen germanischen Staemmen und Altbulgaren in dem riesigen geografischen Raum zwischen noerdlicher Schwarzmeerkueste, Balkanhalbinsel, Mitteleuropa, Italien… Antike Autoren erwaehnen Schlachten, aber auch Friedensvertraege zwischen Bulgaren und Goten, Gepiden, Bayern, Langobarden u. a. Staemmen. Germanische Chronisten vermerken Tapferkeit und Erfindungsgabe der Bulgaren. Die Beziehungen Bulgariens zum Frankenreich (8./9. Jh.) wurden gesaetzmaessig fortgesetzt durch die bulgarisch – deutsche Verbindung unter Khan Boris I, der 864 das Christentum zur Staatsreligion ausrief. Im 9. und 10. Jahrhundert tauschten Bulgarien und Deutschland mehrmals diplomatische Missionen aus. In der bulgarischen apokryphen Literatur setzt sich die Vorstellung von drei christlichen “Reichen” durch, naemlich “dem griechischen (Byzanz), dem alemannischen (Heiliges Roemisches Reich Deutscher Nation) und dem bulgarischen…”
Fortgesetzt wurden die Beziehungen auch waehrend der Kreuzzuege. Da kam es naemlich zu einem Buendnis zwischen den Zaren Peter und Assen mit Keiser Friedrich I Barbarossa (1189 – 1190). Deutsche Ritter beteiligten sich am Kampf gegen die osmanische Aggression, wobei zahlreiche von ihnen in der Schlacht bei Nikopolis fielen (1396). Im 13./14. Jh. siedelten sich saechsische Metallurgen in bulgarischen Gebieten an, die neue Technologien in die mittelalterliche bulgarische Wirtschaft einbrachten. Waehrend der Osmanischen Fremdherrschaft durchquerten deutsche und oesterreichische Reisende, Diplomaten, Militaerangehoerige und Gelehrte Bulgarien, darunter Johann Schiltberger, Stephan Gerlach und Hans Derwschmann. Im 19. Jh. besuchten zahlreiche Bulgaren deutsche Universitaeten und wandten dann die erworbenen Kenntnisse im modernen Bulgarien nach der Befreiung vom osmanischen Joch (1878) an. Das deutsche Vorbild industrieller Modernisierung und nationaler Vereinigung war von Anbeginn sehr ertsrebenswert fuer die Bulgaren. Wegen ihrer Disziplin und Kriegskunst wurden die Bulgaren von auslaendischen Beobachtern auch als “Preussen des Balkans” bezeichnet. Bulgaren und Deutsche waren im Ersten Weltkrieg verbuendet, der allerdings fuer beide Seiten ungluecklich ausgegangen ist. Die geopolitischen Gegebenheiten liessen Bulgarien auch im Zweiten Weltkrieg keine Wahl, doch das bulgarische Volk erhielt sich immerhin seine Wuerde, indem es gegen den Willen Hitlers seine judische Minderheit vor dem Untergang bewahrte. Nach 1945 unterhielt Bulgarien innerhalb des so genannten sowjetischen Blocks enge Verbindung zu Ostdeutschland (DDR). Bereits in den 60-er Jahren des 20. Jh. began auch die Zusammenarbeit mit der Bundesrepublik Deutschland, die zum Hauptwirtschaftspartner im Westen wurde. Gleichzeitig wurden Hunderttausende Touristen aus beiden Teilen Deutschlands durch die Schoenheiten der bulgarischen Gebirge und der Schwarzmeerkueste angezogen. Heute eroeffnen sich vor Bulgaren und Deutschen, die ja nun schon das dritte Jahrtausend unter Europas gemeinsamem Himmel leben, ungeahnte Moeglichkeiten fuer gegenseitiges Kennenlernen und Prosperitaet.
 
@ Bolgarin: Ich würde diese Beziehungen nicht zu früh ansetzen - Thraker sind keine Bulgaren und Goten noch keine Deutschen! Ohnehin ist die Frage, wie berechtigt es ist, im 4. Jahrhundert noch von "Thrakern" zu sprechen - zu diesem Zeitpunkt dürfte die Thracia längst völlig graekisiert gewesen sein. Abgesehen davon beherrschten die Bulgaren meines Wissens die Region Thrakien niemals völlig und auch nicht vor der Regierungszeit Zar Simeons I.
Zudem scheinen mir die Beziehungen zwischen dem deutschen Reich und dem Bulgarenreich nicht besonders eng gewesen zu sein. Der wichtigste Autor zu diesem Thema dürfte Liudprand von Cremona gewesen sein - er ist meines Wissens auch der einzige westliche Geschichtsschreiber, der das Bulgarenreich intensiver beschrieb. Er war königlicher Gesandter am byzantinischen Hofe. Persönlich dürfte er dem bulgarischen Reich negativ gegenüber gestanden haben - er beschwerte sich einmal darüber, dass ihm ein bulgarischer Gesandter an der Tafel des byzantinischen Kaisers Nikeforos vorgezogen wurde. Gleichzeitig propagierte er in seinen Werken die Dynastie der Lakapeniden, die gerade in ihren Anfängen heftige Kämpfe mit den Bulgaren wagte. Schließlich dürfte er die Bulgaren aber vor allem aus religiösen Gründen abgelehnt haben - er war Bischof der römischen Kirche, sie waren Orthodoxe. Dies äußert sich vor allem darin, dass er Zar Simeon, der ohne Zweifel ein großer Förderer der Kirche in seinem Reich war und wohl auch sehr religiös, als halben Heiden bezeichnet, der noch magische Künste erlernt habe.
 
@ Bolgarin: Ich würde diese Beziehungen nicht zu früh ansetzen - Thraker sind keine Bulgaren und Goten noch keine Deutschen! Ohnehin ist die Frage, wie berechtigt es ist, im 4. Jahrhundert noch von "Thrakern" zu sprechen - zu diesem Zeitpunkt dürfte die Thracia längst völlig graekisiert gewesen sein. Abgesehen davon beherrschten die Bulgaren meines Wissens die Region Thrakien niemals völlig und auch nicht vor der Regierungszeit Zar Simeons I.
Zudem scheinen mir die Beziehungen zwischen dem deutschen Reich und dem Bulgarenreich nicht besonders eng gewesen zu sein. Der wichtigste Autor zu diesem Thema dürfte Liudprand von Cremona gewesen sein - er ist meines Wissens auch der einzige westliche Geschichtsschreiber, der das Bulgarenreich intensiver beschrieb. Er war königlicher Gesandter am byzantinischen Hofe. Persönlich dürfte er dem bulgarischen Reich negativ gegenüber gestanden haben - er beschwerte sich einmal darüber, dass ihm ein bulgarischer Gesandter an der Tafel des byzantinischen Kaisers Nikeforos vorgezogen wurde. Gleichzeitig propagierte er in seinen Werken die Dynastie der Lakapeniden, die gerade in ihren Anfängen heftige Kämpfe mit den Bulgaren wagte. Schließlich dürfte er die Bulgaren aber vor allem aus religiösen Gründen abgelehnt haben - er war Bischof der römischen Kirche, sie waren Orthodoxe. Dies äußert sich vor allem darin, dass er Zar Simeon, der ohne Zweifel ein großer Förderer der Kirche in seinem Reich war und wohl auch sehr religiös, als halben Heiden bezeichnet, der noch magische Künste erlernt habe.
ja, man meint die Thraker als zukuneftiger bestandteil der heutigen bulgarischen nation und die Goten im sinne von Germanen.
Thrakien ist eigentlich seit dem 7. jahrhundert von bulgarischen slawen bevoelkert. ganz Thrakien. ob es ein teil des bulgarischen staates war ist eine andere frage, aber Bulgarien war immer danach bestrebt, vor allem im mittelalter, Thrakien zu besitzen.
ja, es stimmt, dass die nachkommen der Thraker hellenisiert waren.
das interessante ist, dass es mittelaterliche legenden ueber den bruder von Simeon den Grossen - Bojan gibt, die wirklich angeben, dass er sich mit okkultismus und zauberkunst beschaeftigt hat. eine version erklert so die herrkunft der russischen maercheninsel Bojan.
 
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Die geopolitischen Gegebenheiten liessen Bulgarien auch im Zweiten Weltkrieg keine Wahl, doch das bulgarische Volk erhielt sich immerhin seine Wuerde, indem es gegen den Willen Hitlers seine judische Minderheit vor dem Untergang bewahrte.
An der Art und Weise wie die jüdische Bevölkerung in Bulgarien und den bulgarisch besetzten Gebieten (Thrakien, Makedonien und Ostserbien) behandelt wurde, zeigt sich sehr deutlich die Misere in der Bulgarien, in der Zeit des Zweiten Weltkrieges, steckte. Unter starkem deutschem Druck wurde am 21. 1. 1941 das "Gesetz zum Schutz der Nation" vom Parlament verabschiedet und vom König Boris III. ratifiziert. Zuvor hatte es in vielen Teilen der bulgarischen Bevölkerung (Kirche, Künstler und Politiker) große Proteste gegen dieses Gesetz gegeben. Mit diesem Gesetz sollten die Juden ausgegrenzt werden und ihrer Rechte beraubt werden. Bulgarien verpflichtete sich auch 20.000 Juden zur Deportation bereitzustellen. Am 4. 3.1943 wurden über 11.000 Juden aus den bulgarisch besetzten Gebieten (Thrakien, Makedonien und Ostserbien) durch die bulgarischen Armee interniert und Ende März schließlich von Deutschen nach Treblinka transportiert. Um die Zahl von 20.000 Juden zu erreichen wurde nun versucht in Bulgarien selbst Juden zu internieren, um sie später deportieren zu können. Diese Versuche führten aber in der Zeit vom 9.3. bis 11.3.43 zu großen Protesten in Bulgarien. Sowohl die Kirche, die kommunistische Untergrundbewegung und Politiker (z.B. der stellv. Parlamentspräsident Dimitr Peschev) beteiligten sich am letztendlich erfolgreichen Widerstand. Die Internierung wurden abgebrochen und die Deportation nicht durchgeführt. Der allgemeine Widerstand der bulgarischen Gesellschaft rettete den bulgarischen Juden das Leben.
 
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Hallo,

mich interessiert Bulgariens Rolle von 1940 bis 1944.

Wenn man die deutschen Seite betrachtet, gab es vielfältige Bemühungen, Bulgarien (wie auch die Türkei) an der Seite der Achsenmächte in den Weltkrieg zu ziehen. Die bulgarische Rolle war dabei durchaus schwierig, man hatte zuvor von dem 2. Wiener Schiedsspruch profitiert und vormals rumänische Gebiete zugesprochen bekommen. Andererseits gab es von russischer Seite Interessen und Druck, 1940 Garantieverträge abzuschließen. Die SU ordnete das Land, auch aufgrund des Hitler-Stalin-Paktes vom 23.8.1939, in ihre "Interessensphäre" auf dem Balkan ein. Das Wechselspiel dauerte bis zum November nach dem Molotow-Besuch in Berlin, Besuch von König Boris (der nun wiederum die türkische Seite irritierte). Man saß hier zwischen allen Stühlen, wobei der bulgarischen Seite auch die deutsche Militärpräsenz in Rumänien klar war. In diesem Wechselspiel der Mächte gab Bulgarien dem Deutschen Reich nach, den Aufmarsch von Truppen gegen Griechenland zu gestatten und trat dem Dreimächtepakt D-IT-JP bei. Das Verhältnis zur Türkei war aber dabei durchaus problematisch, man befürchtete hier einen Krieg beim Durchmarsch deutscher Truppen nach Griechenland. Dieses hatte die Türkei noch Ende 1940 angekündigt, ist davon aber abgerückt, nachdem man eine dt.-russ. Verständigung in Berlin vermutet hat (zu Lasten der Türkei - der von Ribbentrop vorgeschlagene Viermächtepakt).

Kriegserklärungen wurden schließlich nach entsprechenden deutschen Gebietszusagen gegen Griechenland und Jugoslawien ausgesprochen, das Land beteiligte sich allerdings nicht - soweit ich weiß - mit Truppenkontingenten an dem deutschen Feldzug gegen die Sowjetunion. Es übernahm die Besetzung der annektierten griechischen Gebiete.

Meine Frage:
Gab es hier - und wenn ja, wann - deutsche Forderungen an Bulgarien, sich dem Feldzug gegen die Sowjetunion anzuschließen?

Grüße
Thomas
 
An der Art und Weise wie die jüdische Bevölkerung in Bulgarien und den bulgarisch besetzten Gebieten (Thrakien, Makedonien und Ostserbien) behandelt wurde, zeigt sich sehr deutlich die Misere in der Bulgarien, in der Zeit des Zweiten Weltkrieges, steckte.

Hallo,

eine Quelle dazu:
Rettung und Mord in genozidalen Entscheidungsprozessen - Bulgarien 1941 - 1943
digital verfügbare Dissertation: http://deposit.d-nb.de/cgi-bin/dokserv?idn=975445456

Grüße
Thomas
 
Hallo,

mich interessiert Bulgariens Rolle von 1940 bis 1944.

Wenn man die deutschen Seite betrachtet, gab es vielfältige Bemühungen, Bulgarien (wie auch die Türkei) an der Seite der Achsenmächte in den Weltkrieg zu ziehen. Die bulgarische Rolle war dabei durchaus schwierig, man hatte zuvor von dem 2. Wiener Schiedsspruch profitiert und vormals rumänische Gebiete zugesprochen bekommen. Andererseits gab es von russischer Seite Interessen und Druck, 1940 Garantieverträge abzuschließen. Die SU ordnete das Land, auch aufgrund des Hitler-Stalin-Paktes vom 23.8.1939, in ihre "Interessensphäre" auf dem Balkan ein. Das Wechselspiel dauerte bis zum November nach dem Molotow-Besuch in Berlin, Besuch von König Boris (der nun wiederum die türkische Seite irritierte). Man saß hier zwischen allen Stühlen, wobei der bulgarischen Seite auch die deutsche Militärpräsenz in Rumänien klar war. In diesem Wechselspiel der Mächte gab Bulgarien dem Deutschen Reich nach, den Aufmarsch von Truppen gegen Griechenland zu gestatten und trat dem Dreimächtepakt D-IT-JP bei. Das Verhältnis zur Türkei war aber dabei durchaus problematisch, man befürchtete hier einen Krieg beim Durchmarsch deutscher Truppen nach Griechenland. Dieses hatte die Türkei noch Ende 1940 angekündigt, ist davon aber abgerückt, nachdem man eine dt.-russ. Verständigung in Berlin vermutet hat (zu Lasten der Türkei - der von Ribbentrop vorgeschlagene Viermächtepakt).

Kriegserklärungen wurden schließlich nach entsprechenden deutschen Gebietszusagen gegen Griechenland und Jugoslawien ausgesprochen, das Land beteiligte sich allerdings nicht - soweit ich weiß - mit Truppenkontingenten an dem deutschen Feldzug gegen die Sowjetunion. Es übernahm die Besetzung der annektierten griechischen Gebiete.

Meine Frage:
Gab es hier - und wenn ja, wann - deutsche Forderungen an Bulgarien, sich dem Feldzug gegen die Sowjetunion anzuschließen?

Grüße
Thomas
Hallo,
soweit ich weiß, gab es diese Forderungen. In einer mir nicht mehr zur Verfügung stehenden Quelle, hatte ich entsprechende Hinweise gefunden. Die bulgarische Regierung war sich aber bewußt, das die Erfüllung der deutschen Forderungen nach einer Beteiligung am Feldzug gegen die Sowjetunion, einem politischen Selbstmord, gleichgekommen wäre. Die anhaltende Dankbarkeit der Bulgaren, für die Befreiung von osmanischer Fremdherrschaft durch die Russen 1877/1878, war wohl der Hauptgrund und verbot jede antisowjetische Aktion. Wahrscheinlich hätte die ohnehin starke kommunistische Untergrundbewegung großen zulauf erfahren und die Gefahr eines Sturzes der Regierung wäre sehr groß gewesen. Interessant ist, das Bulgarien gegenüber Deutschland, mit seiner militärischen Schwäche argumentierte. Die bulgarische Armee hatte in den Jahren 1941 bis 1944 ca.
250 000 Mann. Am 5.9.1944 erklärte die Sowjetunion Bulgarien den Krieg, bis zum 9.9.1944 besetzte die Rote Armee kampflos Bulgarien, am 8.9.1944 erklärte Bulgarien Deutschland den Krieg. Mit sowj. Unterstützung wurde die bulgarische Armee auf ca.
500 000 Mann aufgestockt und beteiligte sich am Krieg gegen Deutschland in Jugoslawien.
 
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