Russlanddeutsche unter Stalin

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Wie erging es den Russlanddeutschen unter Stalin?

Ethnische Minderheiten hatten es unter der kommunistischen Diktatur ohnehin schwer, die Deutschen aber ab 1941 ganz besonders, weil Deutschland die Sowjetunion angriff. Unter dem Vorwand der Kollaboration wurden mehrere Wolgadeutsche(und wie die deutschen Minderheiten alle heißen) verfolgt.

Das ist grob gesagt alles was ich dazu weiß.

Wer kann das was ich beschrieben hab weiter präzisieren.
Wie viele Deutsche in der SU waren betroffen?
Wurden sie ab 1941 systematisch verfolgt oder erst zu einem späteren Zeitpunkt?
Hielt die Unterdrückung länger als bis 1945 an?
Wurden die Deutschen in der SU von der nationalsozialistischen oder kommunistischen Propaganda erwähnt?
 
Viele Informationen habe ich auch nicht über dieses Thema.
Grundsätzlich muss man zwischen zwei Gruppen von Deutschen unterscheiden, die sich 1941 in der Sowjetunion aufhielten:

1. diejenigen Deutschen, die v.a. im 18./19. Jahrhundert nach Russland umsiedelten und dort schon lange Zeit lebten. Besonders die sog. Wolgadeutschen, aber auch im Baltikum gab es wohl noch deutsche Minderheiten.

2. die deutschen kommunistischen Flüchtlinge, die ab 1933 in die Sowjetunion emigrierten, darunter auch wichtige KP-Funktionäre. Soweit ich weiß, bestand nahezu die komplette frühe Parteiführung der DDR aus solchen Emigranten.

Die Deutschlandpolitik u. Propaganda der Sowjetunion ist differenziert zu sehen. Der Hitler/Stalinpakt 1939 hatte teils negative Konsequenzen für die zweite Gruppe. Habe mal gelesen, dass nach dem Polenfeldzug einige kommunistische Emigranten sogar an die SS ausgetauscht wurden, und auch, dass manche Kommunisten plötzlich interniert wurden.

Die Propaganda gegenüber Deutschland während des Krieges ist ebenfalls differenziert zu sehen. Gerade 1942/1943 vertrat die Sowjetunion die Haltung, dass die nationalsozialistische Regierung nicht für das gesamte deutsche Volk stehe. In diese Zeit fällt auch die Gründung des "Nationalkomitees Freies Deutschland". Zudem bereitete sich die SU wie keine andere allierte Macht auf die Nachkriegsordnung vor. Man kann durchaus sagen, dass die Grundlagen des Systems der DDR wie auch das politische Programm von deutschen Kommunisten (Gruppe Ulbricht) schon während der Emigration, besonders 1944 entwickelt wurde.

Was die erste Gruppe betrifft, die deutsche Ethnie, die schon lange in Rußland lebte: Die hatten während der Kriegsjahre in der Tat nichts zu lachen, wenn man vielleicht auch nicht direkt von einer Verfolgung sprechen kann. Ich denke, dass sie in der Propaganda der Zeit kaum eine Erwähnung fanden. Was klar ist, ist dass diese Gruppen während und nach des Krieges in großem Maße umgesiedelt wurden. Viele der heutigen Aussiedlerfamilien lebten ja dann auch in Regionen wie Kasachstan oder Tadschikistan.
 
Das Thema hatten wir schonmla kurz angerissen.
http://www.geschichtsforum.de/showthread.php?t=1647&highlight=russlanddeutsche

Was möchtest du genau wissen? Zur Zeit habe ich nicht den Nerv Romane darüber zu schreiben, aber konkrete Fragen beantworte ich gern, ich habe mein Diplom über dieses Thema geschrieben!

Ab dem Einmarsch der Wehrmacht war jeder Deutsche in der SU in Arrest bzw. in der Trudarmia (Zwangsarbeitsarmee). Aussnahme waren Personen über 65, unter 12 und Mutter bis 6 Wochen nach der Geburt des Kindes. Sie verloren all ihre Güter, Vieh und Konten und waren verpflichtet an den ihren zugewiesenen Siedlungsräumen (Ural, Sibirien, Transbaykalien) zu bleiben. In den 50er dürften sie in wärmere Gebiete Zentralasiens abwandern und sich seblstständig dort um Arbeit kümmern. Ihre Heimat durften sie bis zur Wende nicht betreten. Offiziell wurden die Russlanddeutschen bereits 1964 rehabilitiert, aber es wurde nie publik gemacht, erst unter Gorbatschow.

Also stelle Konkrete Fragen, ich liefere Zahlen und Quellen.!
 
Na das klingt doch schonmal gut :)

Ich hab ein bisschen in der wikipedia gestöbert
http://de.wikipedia.org/wiki/Geschichte_der_Russlanddeutschen

Dort bin ich etwas verwundert, da einerseits von 700.000 Opfern, an anderer Stelle von 300.000 Opfern gesprochen wird. Ist das ne Ungenauigkeit in der Wikipedia, sind das Mehrfachnennungen? Wenn man beides Zusammenrechnet, wären von 1.2 Mio Russlanddeutschen nur 1 Mio übrig geblieben. Das erscheint mir dann ja doch sehr viel, wenn man bedenkt, dass die Menschen zwar schlecht behandelt, aber nicht systematisch verfolgt wurden.

Dann wüsste ich noch gerne, ob denn etwas an der Behauptung dran war, dass die Deutschen zur Kollaboration mit der Wehrmacht neigten. Gab es unter den Russlanddeutschen nennenswert viele, die tatsächlich zur Wehrmacht übertraten, Sprengstoffanschläge verübten etc?

Wenn die Russlanddeutschen dies nicht taten, dann geschahen die Deportationen wohl, weil Stalin irgendeinen Erfolg gegen die Deutschen vorweisen wollte. Wenn man die Wehrmacht an der Front nicht mehr aufhalten konnte, dann knüpfte man sich eben wehrlose Opfer vor.

Deshalb wüsste ich gerne, ob die Deportation der Russlanddeutschen in der sowjetischen Presse Erwähnung fanden, oder ob man versuchte die Morde und Unterdrückungen geheim zu halten.

Wenn man dies tat, dann musste die Naziführung natürlich darüber informiert sein. Und die hatte ein Interesse daran Verbrechen Stalins aufzudecken - erstens weil es von eigenen Verbrechen ablenkte, zweitens, weil man in der deutschen Bevölkerung Stimmung machen konnte, drittens, weil man so auf die USA einwirken konnte. Dort herrsche ein starker Antikommunismus vor. Während des Jahres 1941 gab es in der Politik Stimmen, die einen Kriegseintritt gegen D befürworteten, aber große Teile der Bevölkerung dachten, dass man so der SU vieles erleichtern würde. Wenn man die Amerikaner über solche Verbrechen informieren konnte(damals hatte der Holocaust noch nicht begonnen) konnte man vielleicht Stimmung machen.

Ebenso haben sich die Nazis ja 1943 verhalten, als das Massaker von Katyn publik wurde. Damit wollte man ebenfalls das Bündnis der Angloamerikaner mit den Russen sprengen.


Wie du siehst, spekulier ich grade wild herum ;)
 
Wenn die Russlanddeutschen dies nicht taten, dann geschahen die Deportationen wohl, weil Stalin irgendeinen Erfolg gegen die Deutschen vorweisen wollte. Wenn man die Wehrmacht an der Front nicht mehr aufhalten konnte, dann knüpfte man sich eben wehrlose Opfer vor.

Ich denke, Stalin wollte verhindern, dass die Deutschen überhaupt in die Möglichkeit kamen, zu kollaborieren. Mir ist nicht bekannt, dass Volksdeutsche im Vergleich zu Ukrainern, Tataren etc. in größerem Maße kollaborierten.

Deshalb wüsste ich gerne, ob die Deportation der Russlanddeutschen in der sowjetischen Presse Erwähnung fanden, oder ob man versuchte die Morde und Unterdrückungen geheim zu halten.

Wieder weiß ich nichts genaues, aber ich könnte mir vorstellen, dass das eher unter der Decke blieb. Die Sowjetunion wollte sich in der Propaganda ja besser darstellen als die Nazis, deren Verbrechen im Land ja offensichtlich waren. Ich weiß aber nicht, inwieweit vielleicht auf lokaler/regionaler Ebene antideutsche Stimmung erzeugt wurde.

Wenn man die Amerikaner über solche Verbrechen informieren konnte(damals hatte der Holocaust noch nicht begonnen) konnte man vielleicht Stimmung machen.

Kann mich auch nicht erinnern, dass das in der deutschen Propaganda (da weiß ich etwas mehr) zum großen Thema gemacht worden wäre. Ich denke, damit hätte man nicht viel Sympathien erzeugen können, vor allem wegen des NS-Regimes selbst, aber auch, weil es vor dem Hintergrund des Krieges vielleicht wenig Aufsehen erregt hätte. Selbst die USA internierten ja die auf Hawaii lebenden Japano-Amerikaner zeitweise (was man freilich von der Art der Vorgehensweise nicht mit dem Vorgehen gegenüber der Deutschen vergleichen kann).
 
Zitat:"Gab es unter den Russlanddeutschen nennenswert viele, die tatsächlich zur Wehrmacht übertraten"

Eher im Gegenteil, sie meldeten sich Reihenweise zur roten Armee, in der Hoffung als Dolmetscher nützlich zu sein, aber sie wurde ausnahmslos Deportiert.

In der Presse wurde eigentlich nichts darüber erwähnt, aber es muß gesagt werden das die Deutschen nicht das einzige Volk waren die deportiert wurde. Offiziell wurde die Deportation als Notevakuierung bezeichnet um die deuschen Sowjetbürger vor Übergriffen der Russen zu schützen.
Diejenigen RU-deutschen die in den Wehrmachtsbereich gerieten erging es auch nicht anders, sie wurden nach Westen deportiert. Viele von ihnen auch ins KZ, da sie sich weigerten Waffendienst zu verrichten, denn die westlchen Kolonien waren überwiegend von Mennoniten besiedelt.
 
askan schrieb:
Zitat:"Gab es unter den Russlanddeutschen nennenswert viele, die tatsächlich zur Wehrmacht übertraten"

Eher im Gegenteil, sie meldeten sich Reihenweise zur roten Armee, in der Hoffung als Dolmetscher nützlich zu sein, aber sie wurde ausnahmslos Deportiert.

Interessant, hast Du da mehr dazu?

Ich weiß nur, dass zahlreiche deutsche Kommunisten als Dolmetscher dienten (z.B. der Bruder von Markus Wolf, dem Leiter der Spionageabteilung der Stasi).

In der Presse wurde eigentlich nichts darüber erwähnt, aber es muß gesagt werden das die Deutschen nicht das einzige Volk waren die deportiert wurde. Offiziell wurde die Deportation als Notevakuierung bezeichnet um die deuschen Sowjetbürger vor Übergriffen der Russen zu schützen.

Inoffiziell befürchtete man wohl eine "Fünfte Kolonne".

Diejenigen RU-deutschen die in den Wehrmachtsbereich gerieten erging es auch nicht anders, sie wurden nach Westen deportiert. Viele von ihnen auch ins KZ, da sie sich weigerten Waffendienst zu verrichten, denn die westlchen Kolonien waren überwiegend von Mennoniten besiedelt.

Ich dachte immer, die seien als "Volksdeutsche" in den Warthegau umgesiedelt worden.
 
Ich kannte persönlich einen älteren Herr, der ursprünglich der deutschen Minderheit im Baltikum angehörte (Litauen wenn ich nicht irre) selber aber in Leningrad geboren wurde und aufwuchs.

1941 (noch vor dem Angriff der Wehrmacht) versuchte er sich zu Fuss vom Acker zu machen und lief hinter der Grenze direkt in eine deutsche Panzerdivision in Bereitschaftsstellung. Diese hat ihn, angesichts seiner Kenntnisse von Land, Leuten und Sprache, gleich einkassiert und er blieb bei ihr den ganzen restlichen Krieg.

Mehrfach verletzt, ausgezeichnet und befördert, hatte er noch das Glück, am Ende von den Amerikanern gefangen zu werden und konnte später nach Argentinien auswandern.

Ich weiss nicht ob es noch viele ähnliche Fälle gab, der einzige wird es nicht gewesen sein.

Wo es m.W. eindeutig aktive Kolaboration von Volksdeutschen gab, war in Polen und Jugoslawien.
 
Zuletzt bearbeitet:
Die Baltendeutschen, also Deutschstämmige im Baltikum wurden zumeist schon vor 1941, also dem Krieg gegen die SU unter dem Motto "Heim ins Reich" nach Deutschland umgesiedelt, als diese Gebiete nach der Zerschlagung Polens 1939 zum russischen Einflußgebiet geschlagen worden ("Hitler-Stalin-Pakt").
Mein Schwiegervater, dessen Familie schon seit Jahrhunderten in Litauen lebte, wurde auch mit der ganzen Familie damals nach Westpreußen umgesiedelt.
 
Eigentlich schon, denn im Reichtags eine Weile gab es 2 Beobachterpläzte für die Vertreter der Deutschen in Rußland. Die Vorkriegsschikanen wurden ab und zu mal in der Presse erwähnt, ich glaube es war 1929 da gab es Unruhen in der Wolgarepublik die zur Folge haten das ca 30.000 Deutsche aus der SU auswandern durften, viele gingen ins Reich und die USA, einige Hundert siedelten sich in der Mandschurei bei Harbin an.

Der "Regierungschef" der Wolgarepublik war damals übrigens der spätere Berliner Bürgermeister Ernst Reuter, er bekam den Job von Lenin persönlich.


Ich habe etwas herausgefischt:

· Die übrigen Deutschen verblieben im Verband der Sowjetrepubliken und konnten viele Kolonien trotz Selbstschutztruppen nicht bewahren. So wurden zum Beispiel im Kaukasusgebiet, wo 121.000 Deutschstämmige wohnten, 41 Kolonien innerhalb weniger Monate zerstört.
· Nachdem 600.000 Deutsche im Schwarzmeergebiet die Ausrufung der Ukrainischen Volksrepublik erlebten, marschierten 1918 die deutschen Truppen in diese Gegend ein. Nach Abzug dieser wütete dort ein Bürgerkrieg und viele flüchteten nach Bessarabien. Durch diesen Krieg wurden die Deutschen immer mehr in eine deutsch – nationale Stimmung getrieben, die durch deutsche Kriegsgefangene, die sich in den Kolonien niedergelassen hatten, verstärkt wurde.
· Anders verlief die Entwicklung an der Wolga. Dieses Gebiet wurde durch das Dekret vom 19. Oktober 1918 autonom und als „Arbeitskommune des Gebietes der Wolgadeutschen„ bezeichnet. 1924 kam es daraufhin zur Gründung der „Autonomen Sozialistischen Sowjetrepublik der Wolgadeutschen„ (ASSRW), wodurch sich das kulturelle Leben dieses Gebietes wieder entwickeln konnte. Neue Schulen, Zeitungen und Verlage wurden gegründet und auch die Lehrerzahl wuchs enorm an. So stieg deren Anzahl von 771 im Jahre 1922 auf 3.217 im Jahre 1938 an .

Die Existenz der Wolgarepublik und kleiner nationaler Verwaltungseinheiten, die Rayons genannt wurden und in den anderen Gebieten der Sowjetunion entstanden, konnte die Menschen dennoch nicht vor staatlichen Übergriffen schützen . Stalin beabsichtigte, das Land innerhalb kürzester Zeit zu industrialisieren und entwickelte dafür einen Fünfjahresplan . Das Kapital dafür sollte aus den Erträgen der Landwirtschaft, die exportiert werden sollten, kommen. Um eine höhere Ausbeute dieser landwirtschaftlichen Erträge zu erzielen, wurden die landwirtschaftlichen Betriebe kollektiviert. Bis zum 1. Juli 1931 stand so zum Beispiel die Wolgarepublik zu 95% unter staatlicher Kontrolle, wobei der Landesdurchschnitt bei etwa 57,7% lag . Die Bauern, die dort lebten wurden zum Teil enteignet und nach Sibirien und in die Trockensteppen Mittelasiens verbannt. Dadurch kam es zu massiven Engpässen in der Lebensmittelversorgung. Um Abhilfe zu schaffen, wurden die übrigen Bauern zur „freiwilligen„ Abgabe ihrer gesamten Ernte zu 20 - 25 % des Marktpreises verpflichtet. Maßnahmen wie diese führten dazu, dass viele der deutschen Bauern ihre Höfe aufgaben und in andere Teile Russlands flohen. Hunderte wählten den Fluchtweg über Harbin in der Mandschurei nach China, um sich dort neu anzusiedeln .

1929 spitzte sich die Situation zu. Innerhalb weniger Monate kamen Hunderte deutsche Bauern, die sich um eine Ausreise nach Deutschland bemühten, nach Moskau. Als sich die deutsche Botschaft überfordert sah, wandte sie sich an die Regierung in Berlin. Die Reichsregierung sah sich nun veranlasst, die Deutschen in der Sowjetunion direkt zu unterstützen. Gleichzeitig setzte eine Kampagne der deutschen Presse ein, die den wachsenden Zustrom Deutscher aus Moskau zum Anlass nahm, die Hintergründe der Problematik zu beleuchten und die Politik Stalins anzugreifen . Im Verlauf der Verhandlungen wurde es diesen Bauern ermöglicht auszureisen. Weil hierdurch der Eindruck entstanden war, dass eine Ausreise prinzipiell möglich sei, strömten bis zu 13.000 Deutsche nach Moskau. Diese wurden trotz der Zusage der Sowjetregierung, die Bauern ausreisen zu lassen, durch das Innenministerium gewaltsam zurück in ihre Dörfer abtransportiert. Lediglich an die 5.000 konnten das Land auf legale Weise verlassen, sie wanderten nach Deutschland, aber auch nach Kanada, Paraguay und in die USA aus . Die große Mehrheit, die nicht ausreisen konnte, leistete passiven Widerstand, indem sie Teile ihrer Ernte versteckten und ihr Vieh schlachteten, bevor es registriert wurde. Dies führte zu einer weiteren Verschlechterung der wirtschaftlichen Lage und zum wachsenden Unmut der Regierung

Zu dieser Zeit ging die Regierung bei den „Säuberungen„ in erster Linie gegen Geistliche und vermutlich oppositionelle Intellektuelle vor, da diese Gruppen nach Meinung der Partei das Fortschreiten des „Sozialismus„ gefährdeten und das Volk gegen die Regierung aufbrachte. In der Folgezeit reichte ein bloßer Verdacht aus, um deportiert zu werden . Da in den deutschen Siedlungen hauptsächlich Pastoren das Lehramt führten, kam es in Folge der Säuberungen zum fast vollständigen Erliegen des Lehrbetriebs. Es wurde versucht, diesen Mangel mit Hilfe von russischen Lehrern auszugleichen, aber auch an diesen herrschte ein großer Mangel, weil die ideologischen Säuberungen jede Volksgruppe der UdSSR betraf. Diese Tatsachen und der Mangel an „linientreuer„ deutscher Literatur führten allmählich zur steigenden Russifizierung und Analphabetisierung der deutschen Bevölkerung . Dieses Vorgehen ist nicht auf eine besondere deutschfeindliche Haltung zurückzuführen, sondern erklärt sich aus den Zielen der damaligen Sowjetunion. Dieses war eine vollkommene Umgestaltung der Gesellschaft zu einer konformen „Sowjetgesellschaft„. Nationale Unterschiede und traditionelle Lebensweisen wurden bewusst unterdrückt und sanktioniert in der Hoffung, dass sie dadurch dauerhaft aufgegeben würden .


2.4 Der Zweite Weltkrieg und die Zeit danach

Die Machtergreifung Hitlers hatte auch Auswirkungen auf das Leben der Russlanddeutschen. So wurden 1934 alle Deutschen in der Sowjetunion zum „inneren Feind„ erklärt und von der Öffentlichkeit unbemerkt in Listen erfasst.

Den Kriegsausbruch erlebte die deutsche Bevölkerung Russlands als persönliche Tragödie. Auf der einen Seite standen patriotische Gefühle und Wut gegenüber der deutschen Aggression, und auf der anderen Seite das Bewusstsein, selbst Deutscher zu sein. Die ASSRW führte sehr schnell und gut organisiert alle Mobilmachungsmaßnahmen durch und stellte ihre Wirtschaft auf Kriegswirtschaft um. Doch obwohl die hohe Arbeitsleistung der deutschen Bevölkerung und die zahlreichen freiwilligen Meldungen zur Sowjetarmee die Loyalität der Deutschen zur Union der Sozialistischen Sowjetrepubliken (UdSSR) bezeugen, wurden sie der Verbindung zum nationalsozialistischen Regime verdächtigt . Im August 1941 wurden Kampf- und Sondereinheiten der Armee und des Volkskommissariat des Innern (NKWD), das für die Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung sowie für die Aufsicht über Gefängnisse und Straflager zuständig war, auf die Orte der Wolgarepublik verteilt. Die Verbindung zur Außenwelt wurde unterbrochen. Am 30. August wurde in der Regierungszeitung der Wolgarepublik „Nachrichten„ der Erlass des Präsidiums des Obersten Sowjets der UdSSR vom 28. August 1941 „Über die Übersiedlung der Deutschen, die in den Wolgarayons wohnen„ veröffentlicht. Darin wurde die Bevölkerung pauschal der Kollaboration mit Deutschland und der Vorbereitung von Anschlägen beschuldigt. Um ein Blutvergießen zu verhindern, habe das Präsidium des Obersten Sowjets es für notwendig gefunden, die gesamte deutsche Bevölkerung der Wolgarayons nach Sibirien und Kasachstan umzusiedeln.

Anfang September beschlagnahmten die Behörden die Wohnhäuser, das Vieh und Inventar. Die Bevölkerung wurde unter Mitnahme von geringen Lebensmittel- und Kleidungsvorräten an Bahnhöfen und Schiffsanlegestellen gesammelt und anschließend nach Osten transportiert. Das Gebiet der ASSRW teilten die Behörden unter Verletzung der Verfassungen der ASSRW und der Russischen Unionsrepublik am 7. September zwischen den Gebieten Saratov und Stalingrad auf. Gleichzeitig mit den etwa 400.000 Wolgadeutschen wurden etwa 80.000 Deutsche aus anderen Gebieten des europäischen Teils sowie rund 25.000 Personen aus Georgien und Aserbaidschan nach Sibirien und Mittelasien deportiert. Bis Ende 1941 wurden nach amtlichen Unterlagen 799.459 Personen mit 344 Zügen deportiert. In den Jahren 1942 bis 1944 folgten ihnen weitere etwa 50.000 Deutsche aus Leningrad und aus kleineren Siedlungsgebieten .

An den neuen Siedlungsorten erfüllte der Staat keine einzige Verpflichtung, die in den Direktiven über die Deportation erwähnt wurden. Der Verlust an Wohnung, Vermögen und Viehbestand wurde bis heute nicht kompensiert. Dazu kamen härteste materielle Entbehrungen und tiefe moralische Erniedrigungen aufgrund der Nationalität.

Die deutschen Schulen waren bereits 1935 aufgelöst worden und die deutsche Sprache wurde nicht mehr unterrichtet, so dass die Kinder der Verschleppten einen hohen Mangel an Bildung zu beklagen hatten .

Die Deportierten unterstanden in den Verbannungsorten der Aufsicht von Kommandanten des Innenkommissariats. Sie durften ihren Aufenthaltsort ohne Sondergenehmigung nicht verlassen und mussten sich regelmäßig beim Kommandanten melden. Durch die Auflösung der Siedlungen und die Trennung der einzelnen Gruppen innerhalb der Deutschen zerfiel die Sozialstruktur der Siedler und der Assimilationsdruck nahm zu .

Im Anschluss an die Deportation der Zivilbevölkerung wurden ab Oktober 1941 auch deutsche Soldaten von der Front abgezogen und Einheiten der „Arbeitsarmee„ zugeteilt . Diese Bezeichnung sollte suggerieren, dass man sich mit dem Einsatz in den Arbeitskolonnen der „Arbeitsarmee„ wie an der Front dem Feind entgegenwerfen und sein Land verteidigen würde.

Die arbeitsfähige deutsche männliche Bevölkerung wurde aus den Verbannungsorten ab Oktober 1941 durch die Kreiswehrersatzämter zur Arbeitsarmee einberufen. Ab 1942 wurden auch kinderlose Frauen und später auch Frauen, die keine Säuglinge hatten, zur Arbeitsarmee einberufen.

Die Trupps der mobilisierten Deutschen wurden beim Bau von Industrieanlagen, Bahnlinien, Straßen und Kanälen sowie im Bergbau eingesetzt. Allein zum Bau eines Rüstungsbetriebes in Solikamsk kamen 12.000 Deutsche. Die Gesamtzahl der Deutschen in der Arbeitsarmee wird auf etwa 100.000 Personen geschätzt.
 
Zuletzt bearbeitet:
Hallo!

Ich bin ein Russlanddeutscher.

Das was hier beschrieben wird stimmt überein.Ihr könnt euch jetzt vorstellen was die Russlanddeutschen damals erlebt haben.Meine halbe Familie ist in den Trudarmia (Zwangsarbeitsarmee) gestorben.

Und wenn wir jetzt zurück nach Deutschland kommen,dann werden wir als Ausländer oder als Russen betrachtet.Ich schätze,dass 80% der Deutschen gar nicht wissen wo der Unterschied zwischen Ausländern und Aussiedlern steckt.Es ist traurig für die deutsche Gesellschaft und da frage ich garnicht wie es um Integration in Deutschland steht.
 
danila schrieb:
Hallo!

Ich bin ein Russlanddeutscher.

Das was hier beschrieben wird stimmt überein.Ihr könnt euch jetzt vorstellen was die Russlanddeutschen damals erlebt haben.Meine halbe Familie ist in den Trudarmia (Zwangsarbeitsarmee) gestorben.

Und wenn wir jetzt zurück nach Deutschland kommen,dann werden wir als Ausländer oder als Russen betrachtet.Ich schätze,dass 80% der Deutschen gar nicht wissen wo der Unterschied zwischen Ausländern und Aussiedlern steckt.Es ist traurig für die deutsche Gesellschaft und da frage ich garnicht wie es um Integration in Deutschland steht.


Hallo,

schön dass Du da bist.
In Deutschland und im Forum.

Ich würde das aber nicht alles so negativ sehen, ich kenne etliche Fälle die ordentlich auf die Füsse gekommen sind, ein paar leben im Wodka-Delirium, lässt sich auch nicht beschönigen.
Aber ich denke wir können da schon unterscheiden.

Mein Sohnmacht diese Tage mündl. Abitur, sein bester Freund und Mitabiturient ist in Kaliningrad aufgewachsen.

Grüße Repo
 
Zitat:"ein paar leben im Wodka-Delirium"

In einem Land das im Alkoholverbrauch mit Russland gleichzieht ist das auch nichts besonderes.

Zitat:"Ich schätze,dass 80% der Deutschen gar nicht wissen wo der Unterschied zwischen Ausländern und Aussiedlern steckt.Es ist traurig für die deutsche Gesellschaft und da frage ich garnicht wie es um Integration in Deutschland steht."

Stimmt, das ist sehr traurig, besonders weil statistisch gesehen jeder 3. Bundesdeutsche selbst das einer Familie mit einer osteuropäischen Vergangenheit stammt. Früher klappte es mit der Integration besser, es wurde kaum bemerkt das jährlich hundertausende Deutsche aus Osteuropa in die BRD heimkehrten
 
askan schrieb:
Zitat:"ein paar leben im Wodka-Delirium"

In einem Land das im Alkoholverbrauch mit Russland gleichzieht ist das auch nichts besonderes.

Ich denke eher, dass die hier einfach leichter, zu leicht an den Wodka kommen.

Aber die genannten Zahlen glaube ich nicht.
Alle die kamen hatten eine zeitlang Probleme, die einen mehr, die anderen weniger.
Was ich zur Zeit als Problem sehe, ist die Abschottung, auch der jüngeren, die machen da echt einen Fehler. Da ist schon mal zu hören, dass die Deutschen hier (gemeint sind die eingeborenen) einen "schlechten Charakter" hätten.

Aber sonst, ich denke da spricht in 10 Jahren kein Mensch mehr von, dann ist dieses Integrations-Problem auch gelöst.

Grüße Repo
 
Repo schrieb:
Was ich zur Zeit als Problem sehe, ist die Abschottung, auch der jüngeren, die machen da echt einen Fehler. Da ist schon mal zu hören, dass die Deutschen hier (gemeint sind die eingeborenen) einen "schlechten Charakter" hätten.

Aber sonst, ich denke da spricht in 10 Jahren kein Mensch mehr von, dann ist dieses Integrations-Problem auch gelöst.

Grüße Repo

Ich muss da widersprechen! Ich selbst erlebe Ausgrenzung und Diskrimminierung! Für "Ausländer", an diesem Begriff klebt das Negative geradezu, ist es manchmal unmöglich mit bestimmen Leuten grün zu werden, Nachbarschaft, Job etc., oder sich beruflich zu etablieren.
Alles ist ja gut solange man einem nichts anmerkt. Aber sobald der andere merkt, dass du nicht 100% Deutsch bist, oder gar eingewandert, da geht das los.
Normalerweise würde ich mich als voll integriert bezeichnen, aber manchmal scheint einem eine Art Abneigung entgegen, so ein Gefühl" Der gehört nicht zu uns /hier her".
Ich z.B. spreche perfekt deutsch, habe einen deutschen Pass, habe eine für diese Gegend normale Hautfarbe und werde normalerweise sofort als Deutscher erkannt. Wenn Leute aber erfahren, dass meine Familie aus Polen kommt, dann gehen Witzeleien und Abneigung Hand in Hand.
Mein Lieblingsgetränk sei der Wodka, mein Beruf das "Auto klauen". Zwar mögen die Leute, wenn sie es zu mir sagen, dass nur scherzhaft meinen, so hört man manchmal doch eine Abneigung heraus. Wenn sie z.B. über irgendwelche "Türken"(oder gar "Kanaken"), Polaken", "Russn" oder "Itaker" reden und vergessen, dass ich das sehr kritisch beobachte, dann kommen Vorurteile raus. Sobald aber jemandem auffällt, dass ich daneben stehe und zuhöre, da wird sofort dichtgemacht, was auch eine Art des Auschlusses ist.
Dazu kommt im täglichen Leben noch, dass ich einen kleinen Sprachfehler habe und das "r" stark Rolle, bzw. betone. Hat nichts mit der Abstammung zu tun, sondern ist einfach ein Sprachfehler, den ich von meiner Oma geerbt habe. Aber die Leute bohren nach, wollen alles über dich wissen und wenn sie den scheinbaren Grund für das "r" gefunden haben, dann geht es los.

Einige Beispiele, die ich von Verwandten und Bekannten habe. So wurde z.B. meine Mutter mal gefragt, ob es nicht schwer gewesen sei, das Alphabet zu lernen, als sie nach Deutschland kam...oder ob es in Polen Städte mit einer Einwohnerzahl über 30 000 gäbe.

Roma Ligocka ("Das Mädchen im Roten Mantel") gibt am Ende des Buches auch ein schönes Beispiel. Sie wurde von Nachbarn gefragt, ob es in Polen Eisbären gäbe(oder so ähnlich, habe die Frage oder die Aussage nicht mehr so genau im Kopf). Das ist einfach dumm.

Genauso wie ich mir anhören mussen, dass Polen Russen seien, die nur weiter westlich wohnen würden und die dicksten Freunde seien. Ich meine, man kann nicht immer alle in einen Pott werfen.

Ich fürchte, das Problem mit der Integration werden wir noch über Jahre heraus haben. Oft sondern sich nicht die "Ausländer" ab (ich mag das Wort nicht), sondern sie werden nicht akzeptiert!
 
Repo schrieb:
Ich denke eher, dass die hier einfach leichter, zu leicht an den Wodka kommen.

Glaubst du in Russland oder woanders sei das schwerer? Schonmal Berichte über Alkoholschwarzverkauf in Moskau gesehen? Oder Schwarzbrennerei? Neinein, einfacher ist es hier auf keinen Fall...:(
 
Repo schrieb:
Aber sonst, ich denke da spricht in 10 Jahren kein Mensch mehr von, dann ist dieses Integrations-Problem auch gelöst.

Grüße Repo

Aber Repo. Mit dieser Aussage wäre ich vorsichtig. Es ist ja noch nicht mal das deutsch- deutsche Integrationsproblem gelöst und das nach 16 jahren
 
Meine Frau kam als ganz kleines Mädchen aus dem schönen Mecklenburg nach BW, Schwiegervater kam aus Westpreußen hat unterwegs Frau und Sohn verloren, Schwiegermutter aus Hinterpommern hat unterwegs Mann und den einen Sohn verloren, der andere Sohn wurde zu einem der 1. Mauertoten. (War bei Opa geblieben, der nicht mehr fliehen wollte, als Opa starb gabs schon die Mauer)

Ganze Stadtviertel sind damals entstanden, wo nur Flüchtlinge wohnten. Die Einheimischen wollten da durchaus auch wohnen, waren moderne Wohnungen, aber zuerst kamen die Flüchtlinge. Gab auch böses Blut damals.

Dann der Lastenausgleich, musste jeder hier sein Haus nochmals bezahlen. Kam auch keine Freude auf.

Und - sind die heute integriert oder nicht?

Also bitte, sei nicht so ungeduldig, in ein paar Jahren hat sich das.


Grüße Repo
 
Da kann ich nur zustimmen...aber wie kann man auch zu Integration und Frieden unter den verschiedenen Gruppen kommen, wenn das in der Presse immer wieder heiß aufbereitet wird?

Zeitungen titeln sich doch viel besser mit " Russlanddeutscher verletzt Schüler" als "Schüler verletzt" !!! Solgane so etwas nicht aufhört und die Differenz zwischen uns allen immer durch Schlagzeilen und Pressemitteilungen gefördert wird, solannge wird ein Zusammenleben nie gelingen.

Dasselbe mit "Ost-" und "West-" . Solange Arbeitslosenzahlen immer nach Ost und West differenziert werden, solange Schauspieler ehmalige ostdeutsche Schauspieler sind, solange jemand ostdeutsch geprägt ist, solange werden wir darauf rumreiten, was wir eigentlich bekämpfen wollen.
 
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