1885 erlebte der russisch-englische Gegensatz einen Höhepunkt, der mit den Begriffen "russian scare" und "The Great Game" verbunden ist. Ausgangspunkt war die Südexpansion des Russischen Reiches, die in Afghanistan/vor Indien auf englische Interessen traf.
Der "russian scare" zeigte seltsame Auswüchse, so wurde eine russische Expansion im Pazifik heißgeredet. In einer etwas skurrilen Folge wurden Befestigungsanlagen selbst auf Neuseeland angelegt:
Coastal fortifications of New Zealand - Wikipedia, the free encyclopedia
The Great Game - Wikipedia, the free encyclopedia
Eine andere Folge waren die publizistischen Aktivitäten in England, die den Blick auf die unzureichend erscheinende Flotte richteten. Dies traf den Nerv der Seemacht England, die zu Land dem Russischen Reich nicht gewachsen zu sein schien:
Simon, Werner: Die Britische Militärpolitik in Indien 1878-1910
Jaeckel, Horst: Die Nordwestgrenze in der Verteidigung Indiens 1900-1908 und der Weg Englands zum russisch-britischen Abkommen von 1907
In England ebneten die Diskussionen 4 Jahre später den Weg zum Naval Defence Act von 1889:
Naval Defence Act 1889 - Wikipedia, the free encyclopedia
Das Bauprogramm sah 10 Linienschiffe (plus 18 Torpedoboote) vor, sowie 42 Kreuzer für den globalen Einsatz und Schutz britischer Handelslinien. Die Linienschiffe der Royal Sovereign-Klasse waren die größten ihrer Zeit, inspiriert auch durch Pressemeldungen neuer italienischer "Monster"-Schiffe. Neben der weiteren kontinuierlichen Steigerung des Marinehaushaltes (der nach 1871 etwa 10 Mio. GBP betragen hat, dann aber bereits von 11 Mio. in 1881 auf 13,2 Mio. 1887 gestiegen war) wurde ein Sonderbetrag von 20 Mio. GBP für 4 Jahre für die Neubauten vorgesehen.
Victorian Royal Navy - Wikipedia, the free encyclopedia
Angestrebt war die Sicherung des Two-Power-Standards, also die Überlegenheit der englischen über die als Gegner gesehenen französischen und russischen Flotten. Der Rüstungswettlauf war in vollem Gange, die Neubaukosten der englischen Flotten stiegen bis 1896 um das 2,5-fache des Niveaus 10 Jahre zuvor (Finanzjahr 1895/96 in GBP):
Großbritannien 18,7 Mio.
Frankreich 10,8 Mio.
Rußland 6,1 Mio.
USA 5,1 Mio.
Deutsches Reich 4,8 Mio.
Italien 3,8 Mio.
Japan 1,1 Mio.
Inklusive der in Bau befindlichen Linienschiffe betrug das Verhältnis zu den anderen Flotten (-> Naval Annual, englische Zählweise):
Großbritannien: 52
Frankreich: 31
Rußland: 18
Italien: 17
Deutschland: 15
Nach der Papierlage war damit der Two-Power-Standard umgesetzt worden. Bzgl. Rußlands herrschte dennoch erheblicher Unsicherheit, da nicht klar war, wie die Seemacht Großbritannien in einem Landkonflikt in Südasien oder Fernost gegen das Russische Reich vorgehen sollte. Daran änderte auch die Marine-Rüstung wenig. Um 1900 befand sich Großbritannien daher auf der Suche nach strategischen Verbündeten, der erste fand sich in Form von Japan. Dieses Bündnis erschien Großbritannien ideal, da russische und japanische Interessen in Korea und China aufeinander prallten.