Frage zum Auslandsflottendienst

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Sehr geehrte Damen und Herren,

in einer Hausarbeit möchte ich die Thematik analysieren, zum Thema kaiserliche Marine und der Schutz der Kolonien in Übersee. Vor allem möchte ich dieses im Hinblick auf die deutsche Flottenpolitik zusammenstellen, die doch auch zum Schutz der Überseekolonien des Reiches dienen sollte.

Die Geschichte des Ostasiengeschwaders spielt dabei eine große Rolle und mich würde dabei interessieren, wie diese Außenstellen der Flotte strukturiert waren, Personell wie auch der Einsatz der Kriegsschiffe.
Einen Höhepunkt stellte wohl auch der Einsatz von großen Kriegsschiffen während des Boxeraufstandes 1900 dar.
War es üblich bei der kaiserlichen Marine, Schiffe der Stammgeschwader für den deutschen Küstenschutz auch im Ausland einzusetzen?
Gibt es Daten und Aufstellungen zu den einzelnen Auslandsgeschwadern?
In wie weit sahen die Handlungsvollmachten der Admiralität vor Ort aus?
Und wie wurde dieser Einsatz von Kriegsschiffen konstruktionsmäßig und politisch in die Flottengesetzte eingebunden oder wurden diese überhaupt berücksichtigt?
 
Zur Flottenpolitik gibt es hier im Forum eine Reihe von Diskussionen, auswahl:
http://www.geschichtsforum.de/f58/kolonien-und-kriegsschiffe-21136/
http://www.geschichtsforum.de/f58/flottenwettr-sten-motive-kaiserreich-23983/
http://www.geschichtsforum.de/f60/die-neue-seeherrschaft-im-zeitalter-der-dampfschiffe-18170/

Zur Marine/Kolonien ist auf die Publikationen von Walter Nuhn hinzuweisen, zB: Kolonialpolitik und Marine: Die Rolle der Kaiserlichen Marine bei der Gründung und Sicherung des deutschen Kolonialreiches 1884-1914

Zu den Folgen im Staatshaushalt: Teile der Ausgaben (außerhalb der Schiffsbauten, laufenden Personalkosten) wurden in spezielle "außerordentliche Posten" eingestellt. Dazu müßte man sicher tiefer recherchieren.
 
Danke für die Infos.

In den Beiträgen wird immer erwähnt, daß die Deutsche Flottenpolitik sich auf den Ausbau auf einer großen Flotte für die Heimatgewässer konzentrierte. Verstehe ich das richtig?
Bedeutet dies, daß es für den Auslandsdienst gar kein Konzept bei diesen Flottenplänen gab?
Aber als Begründung für den Schutz der Kolonien hieß es doch auch vom Kaiser "Und Bitternot uns eine Flotte tut" oder so ähnlich.
Wie sah es aus, mit Händlern, die den Schutz ihrer Handelsstationen forderten, kam die Initiative nicht von diesen gesellschaftlichen Ständen nach einer Flotte für den kolonialen Schutz in Form des deutschen Flottenvereins?
Das passt irgendwie alles nicht zusammen, auf der einen Seite die Schutzfunktion der Flotte in Übersee und auf der anderen Seite eine Schlachtflotte zum Heimatschutz.

Und wie ich gelesen habe, bestanden die personellen Führungsfunktionen der Admiralität noch aus Heeresoffizieren? Gab es kein Konzept für die strukturelle Personalplanung der Marine, vor allem der sich ständig im Einsatz befindlichen Schiffe auf den Überseestationen?
Oder war es gerade hier dienlich Offiziere mit Erfahrungen in Landgefechten einzusetzen?
 
In den Beiträgen wird immer erwähnt, daß die Deutsche Flottenpolitik sich auf den Ausbau auf einer großen Flotte für die Heimatgewässer konzentrierte. Verstehe ich das richtig?
Das ist richtig.
Die Präsenz einer großen Schlachtflotte in der Nordsee wurde mit einer Bindungswirkung für die britischen und französischen Schlachtschiffe verbunden.

Wenn Bismarck meinte, Kolonien würden gegen Frankreich bei Metz verteidigt, könnte man diese Hypothese (erst recht mit der Dreadnought-Revolution) auf die Kernflotten (=Schlachtflotten) übertragen. Dabei ist zu bedenken, dass ab 1906 die Zahl der großen Einheiten abnahm. Ende des 19. JH rechnete man zB britischerseits noch mit 70+ Linienschiffen als Hauptstreitkraft, da sind andere globale Verteilungen denkbar.


Bedeutet dies, daß es für den Auslandsdienst gar kein Konzept bei diesen Flottenplänen gab?
Mit den "Dreadnoughts" wäre eine Kolonialflotte - auch mangels geeigneter großer Häfen, Werftanlagen, Stützpunkte - auf deutscher Seite nur als "Kreuzerflotte" denkbar. Einen 20.000-Tonner kann man nicht irgendwo reparieren. Für beides, die Tirpitzsche Schlachtflotte einerseits im Wettrüsten mit Großbritannien und die Kreuzerflotte andererseits, war zu keinem Zeitpunkt Geld da. Man mußte sich also auf eines konzentrieren, und die strategischen Überlegungen der Nordseeflotte dominierten.


Das passt irgendwie alles nicht zusammen, auf der einen Seite die Schutzfunktion der Flotte in Übersee und auf der anderen Seite eine Schlachtflotte zum Heimatschutz.
Siehe oben, ein "mittelbarer" Schutz dadurch, dass die deutsche Schlachtflotte den Kern der britischen Marine auf sich zieht und damit die Kolonien entlastet.
 
Und wie ich gelesen habe, bestanden die personellen Führungsfunktionen der Admiralität noch aus Heeresoffizieren? Gab es kein Konzept für die strukturelle Personalplanung der Marine, vor allem der sich ständig im Einsatz befindlichen Schiffe auf den Überseestationen?
Oder war es gerade hier dienlich Offiziere mit Erfahrungen in Landgefechten einzusetzen?
Man muss sehen, welche Tradition die Marine in der preußisch/deutschen Geschichte hat. Während unter dem Großen Kurfüsten noch eine nennenswerte Brandenburgische Marine bestand, ließen seine Nachfolger diese Flotte verkommen. Bis 1848 kamen Bemühungen eine preußische Marine aufzubauen nicht wirklich vorwärts. Erst durch den Krieg um Schleswig-Holstein gegen Dänemark wurde in Deutschland der Wert einer Kriegsflotte erkannt. Als dann nach 1848 die preußische Marine aufgebaut wurde, stellte sich die Frage nach der Vergabe leitender Posten. Diese wurden in der Anfangzeit von einem heeresgedienten Hohenzollernprinzen (Prinz Adalbert) sowie ausländischen Seeoffizieren (Niederländer und Schweden) besetzt. Als dann Prinz Adalbert sowie der Admiral Schröder (mit holländischer Herkunft) wegen Reibereien mit dem Kriegsminister aus der Marineführung ausschieden, waren die in der preußischen Flotte ausgebildeten Marineoffiziere zu jung um einen Admiralsposten einnehmen zu können. Daher gab man Heeresoffizieren die Leitungsposition. Dies geschah also nicht aus aus grundsätzlichen Erwägungen sondern aus personeller Not.
 
Somit gab es also nie die Absicht, die Flotte zum Schutz der Kolonien aufzubauen, vor allem nicht mehr berücksichtigt wurde der Bau von Kriegsschiffen für den Typcharakter zum Auslandseinsatz ab den Zeitraum des Wettrüstens gegen England ab 1906.

Zuvor spielten aber noch typische Bauten mehr für den Charakter einer Flotte die dem Auslandseinsatz dienen sollte, bis die Flottengesetze 1899 und 1900 in Kraft traten. Der Charakter der Flotte änderte sich also mit der Ära Tirpitz, oder?

Kennt ihr noch Hinweise auf den Einsatz von Auslandsgeschwadern bzw. ab wann ein solches Geschwader in der kaiserlichen Marine geführt wurde. So war dies dass so genannte Ostasiengeschwader, aber es gab auch noch die Mittelmeerdivision. Waren diese Schiffe nur zum Schutz von deutscher Bevölkerung und zum Flagge zeigen im Einsatz, oder gab es auch politische Gründe?
 
Kennt ihr noch Hinweise auf den Einsatz von Auslandsgeschwadern bzw. ab wann ein solches Geschwader in der kaiserlichen Marine geführt wurde.

Wenn man Buchtitel wie diesen (So kam das Meer zu uns: die ... - Google Buchsuche) wörtlich nimmt, könnte man vermuten, dass es einschägige Aktivitäten schon seit den 20er Jahren des 19. Jh. gab. Aber das ist natürlich Unsinn. [1]

Auf den Weltmeeren zeigten sich preußische Schiffe erst seit den 50er Jahren. z. B. 1852 in Brasilien, 1854 in Algerien, 1859 in Ostasien, aber das war Einzelunternehmungen.

Nach Hildebrand/Röhr/Steinmetz (Die Deutschen Kriegsschiffe, Bd. 3, S. 69) führten "die sich ständig erweiternden Wirtschaftsinteressen in Ostasien [...] 1868 zur Errichtung einer ständigen 'Ostasiatischen Station'", bestehend aus den Korvetten "Hertha" und "Medusa".

Auch wieder nur "Polizeiaktionen" waren die Entsendungen von deutschen Schiffen nach Samoa und Haiti (1872) und aus Anlaß des spanischen Bürgerkrieges (1873/74). Mehr Dynamik kam erst hinein mit der Erwerbung von Kolonien in Afrika (ab 1884).


[1] 1825 bestand die preußische Marine gerade mal aus 2 Segelkanonenbooten und 6 Ruderkanonenschaluppen.
 
In meinen Recherchen habe ich festgestellt, daß es zum Auslandsgeschwader verschiedene Zeitabschnitte gibt und würde dies gern mal darlegen und hoffe dass ich damit richtig liege.

Unter der Flottenpolitik des Admiral Stosch wurde das Auslandsgeschwader gebildet, aus dem Grund heraus, um die Übersee Absatzmärkte gegenüber den anderen kolonialen Mächten zu verteidigen und die Einflusssphären des Reiches zu vergrößern.

Technisch waren zudem die Kriegsschiffe durch ihre Besegelung als Antrieb noch relativ bewegungsfrei von Kohlestationen.

Mit dem Admiral Caprivi beginnt eine Flottenpolitik, die sich auf den Heimatschutz bezieht, so werden kaum Schiffe gebaut, die für den Überseeeinsatz tauglich wären. Das Ostasiatische Auslandsgeschwader wird sogar Anfang der 1890iger Jahre aufgelöst.

Die Flottenpolitik hat bis Anfang der 1890iger Jahre einen Tiefpunkt erreicht, trotz der Amtsübernahme des Flottenbegeisterten Kaiser Wilhelm II und der stark beginnenden deutschen kolonialen Aktivitäten.
Wollte der Kaiser damit erreichen, daß die Wirtschaft seine Flottenpolitik unterstütz, weil gerade Sie den Schutz in Übersee benötigten, den es nun aber nicht mehr gab?
Konnte man so eine Welle der Begeisterung für eine Flotte hervorrufen?

Ein weiterer Zeitabschnitt stellt sich dann dar, mit dem Beginn des Aufbaus der deutschen Flotte nach einem genauen Bauprogramm. Zudem zwingen jede Menge politische Ereignisse, das deutsche Reich mit dem Einsatz von Kriegsschiffen in Übersee, um sich unter den Großmächten zu behaupten. Dabei spielen Probleme in den eigenen Kolonien eine Rolle, sowie diverse Kriege andere Mächte. Als Beispiel könnte man den chinesisch-japanische Krieg nennen, sowie den Boxeraufstand oder den spanisch-amerikanischen Krieg bis hin zum russisch-japanischen Krieg.

Der technische Aspekt für die Schiffe des Auslandsgeschwaders wird wohl ab den Flottengesetzten von 1900 kaum noch berücksichtigt, so werden große Kreuzer und auch kleine Kreuzer gebaut, die zumeist mehr für den Flottendienst geeignet sind, wie für einen Einsatz über längere Zeit z.B. in tropischen Gewässern.
Auch der Aufbau eines Netzwerkes von Kohlestationen gestaltet sich wohl als schwierig, da die meisten Kriegsschiffe ab 1900 kaum noch mit Segeln ausgerüstet waren.

Kennt jemand vielleicht einen Plan über die Aufstellung von Etappenschiffen für Kohle und Proviant im Kriegsfall für das Auslandsgeschwader? Oder gab es eine andere Planung, wie das Kreuzergeschwader im Kriegsfall agieren sollte?
 
Unter der Flottenpolitik des Admiral Stosch wurde das Auslandsgeschwader gebildet, aus dem Grund heraus, um die Übersee Absatzmärkte gegenüber den anderen kolonialen Mächten zu verteidigen und die Einflusssphären des Reiches zu vergrößern.
Der Hinweis auf die Sicherung der Absatzmärkte mag ein Teil der damaligen Wahrnehmung und öffentlichen Meinung gewesen sein.
Untersucht man dagegen die tatsächlichen deutschen Exyporte, liefen diese nicht in die "zu schützenden" Kolonien in Übersee, sondern in Bereiche außerhalb deutscher Einflusssphären (Europa, USA, Südamerika etc.). Der deutsche Export (und seine Sicherung) hatte nur vernachlässigbar wenig mit dem Kolonialreich zu tun.


Als Beispiel könnte man den ... den Boxeraufstand (nennen)
Dazu hat mich folgende Mail erreicht:
Ostasiengeschwader: Sep 1881 gebildte wurde, unter dem Namen Ostasiatisches Kreuzer-Geschwader. Erstes Flaggschiff war die gedeckte Korvette SMSA Stosch. Dazu die SMS Hertha, SMS Iltis und SMS Wolf. Ein feste Station gab es wohl noch nicht, so wurde u.a. auch Singapur als Station genutzt. Reparaturen wurden entweder in Japan, Honkong oder Kapstadt durchgeführt.
Ab der Gründung der Station in Tsingtau 1897 wird dies der ständige Sitz des Geschwaders. Ab 1900 bis 1909 war die SMS Fürst Bismarck Flaggschiff. Ein wichtiger Einsatzes des Geschwaders stellte u.a. der Einsatz bei den Internationalen Verbänden um den Boxeraufstand dar, wobei hier das Geschwader mit den vier Linienschiffen der Brandenburg-Klasse verstärkt wurde. Dies ist erstaunlich, da sie zu diesen Zeitpunkt den modernen Kern der Flotte darstellten und somit in der Heimat keine großen Einheiten zur Verfügung standen.



Auch der Aufbau eines Netzwerkes von Kohlestationen gestaltet sich wohl als schwierig, da die meisten Kriegsschiffe ab 1900 kaum noch mit Segeln ausgerüstet waren.
Die Zeit der Segelschiffe als beachtliche Kriegsschiffe ist 1900 vorbei. Für Kohlestationen - nehmen wir hier den Pazifik - waren die großen Entfernungen das Problem, noch 1914 waren die Karolinen vernachlässigt bzw. nicht so ausgebaut, angemessene Depots zu stellen.
Kohle ist auch nicht das einzige Problem: ausreichende Häfen bzw. Docks sind ebenfalls für eine Auslandsflotte wichtig, bei steigenden Schiffsgrößen. Wo sollte eine SMS Helgoland in deutschen Kolonien "gedockt" werden? Die Briten hatten ähnliche Probleme, allerdings eine Auswahl solcher Stützpunkte - siehe Singapur.


Oder gab es eine andere Planung, wie das Kreuzergeschwader im Kriegsfall agieren sollte?
Die Versorgung lief über Hilfsschiffe, Handelsschiffe als Kohletransporter, deren Zuordnung zur Versorgung des Geschwaders arrangiert werden mußte. Die Kleinen Kreuzer im Handelskrieg waren dagegen zeitweise in der Lage, sich aus den Kohletransporten aufgebrachter Handelsschiffe mit zu bedienen. Für ein ganzes Geschwader ist das problematisch.
http://www.geschichtsforum.de/400789-post41.html
 
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