Kolonien

Gast schrieb:
Gibt es heute noch Kolonien ?
Laut Marx'scher Kolonien-Definition handelt es sich dabei um ein politisch, wirtschaftlich und kulturell von einem "Mutterland" abhängiges Gebiet. Da fallen mir auf Anhieb einige ein. Aber die zu nennen wäre jetzt aktuelle Tagespolitik und damit hier fehl am Platze ...
Bye
Suedwester
 
Deutsche Kolonien damals

FAZ: "Zensur für Afrika": Anfang Dezember wollte die kleine Truppe nach Afrika fliegen: Auf Initiative der Schweiz sollte das Stück "N'Dongo revient" des Genfer Autors Dominique Ziegler im Rahmen der kulturellen Außenpolitik in Burkina Faso gezeigt werden. Es handelt von einem korrupten schwarzen Diktator und den Machenschaften der früheren Kolonialmächte. In Genf und Paris wurde es lange gespielt. Unvermittelt hat die sozialdemokratische Schweizer Außenministerin Micheline Calmy-Rey jetzt die Tournee gestoppt - offensichtlich auf Druck der Franzosen, die im Stück nicht ganz fälschlicherweise eine ätzende Kritik ihrer Afrika-Politik und eine Beleidigung ihrer Präsidenten ausmachen.
Dominique Ziegler spricht von Zensur. Ungeklärt bleibt die Frage, wieso die Franzosen überhaupt informiert waren - auch über die Absage, bevor diese öffentlich bekannt wurde. Noch unverständlicher ist die Tatsache, daß die Schweiz nachgab. Möglicherweise kam der Widerstand aus Bern selber. Der Autor ist der Sohn von Jean Ziegler und dieser ein Freund der linken Außenministerin Calmy-Rey, die vom Stück begeistert ist. Calmy-Rey wurde wohl innerhalb der bürgerlichen Regierung zum Rückzug angehalten: Im Rahmen der laufenden Neuorganisation der Kulturpolitik sind die Aktivitäten des Außenministeriums unter Beschuß geraten...

Na ja - das ist die Fortsetzung der Kolonoialpolitik :)
Was habe ich da gestern im zdf alles gelernt, bzgl. deutscher Kolonialpolitik - verbunden mit einigen Fragen:

Der Auslöser/Grund für die Reichstagswahl 1907 sei die deutsche Kolonoialpolitikgewesen?

1914 begann nicht nur der Weltkrieg sondern auch die Offensive Deutschlands in Ostafrika?

Welche Kolonien verlor Deutschland durch die Bestimmungen des Versailler Vertrags? Alle? Auch Namibia?

War SÜDafrika auch mal deutsche Kolonie?

Das Bismarck-Archipel ist das heutige NeuGuinea? Was wollten wir denn damit?? Australien angreifen??

Na ein VORBILD hatten wir ja in Afrika:Vorbeck. Er verteidigte in legendären Schlachten die deutschen Interessen gegen die Brits. Und auch die Interessen der Ostafrikaner... die ihn heute noch verehren.

Hmmm...
auch Rommel wird glaube ich noch heute verehrt.. wahrscheinlich lieben die Afrikaner DEUTSCHE Ordnung..?
Und sehr interessant fand ich die Feststellung, dass die europ. Juden ursprünglich gar nicht ins KZ sollten, sondern nach Madagaskar verlegt (deportiert) werden... aber man konnte Madagaskar nicht gegen die Brits einnehmen.
Man stelle sich vor, die Juden wären -nach Einnahme Madagaskars- dorthin übersiedelt... dann wäre DAS das neue Israel geworden, und wir hätten Ruhe in Nahost!
 
Und was hat das (zumindest der 2. Teil) jetzt mit der Ausgangsfrage zu tun?
 
Multivista schrieb:
Was habe ich da gestern im zdf alles gelernt, bzgl. deutscher Kolonialpolitik - verbunden mit einigen Fragen:

Der Auslöser/Grund für die Reichstagswahl 1907 sei die deutsche Kolonoialpolitikgewesen?
Nachdem der Haushalt mit höreren Ausgaben für die Kolonien - hauptsächlich nach den Aufständen 1904/06, militärbegründet - abgelehnt wurde, wurde der Reichstag aufgelöst und es kam zu Neuwahlen, den sogenannten "Hottentottenwahlen".
Näheres hier:
http://de.wikipedia.org/wiki/Hottentottenwahl

Multivista schrieb:
1914 begann nicht nur der Weltkrieg sondern auch die Offensive Deutschlands in Ostafrika?
Wohl weniger Offensive, als Defensive: Die Engländer griffen Deutsch-Ostafrika an.
Multivista schrieb:
Welche Kolonien verlor Deutschland durch die Bestimmungen des Versailler Vertrags? Alle? Auch Namibia?
Ja, alle. Namibia gab es damals so noch nicht. Es hieß Deutsch-Südwestafrika. Erst seit der Unabhängigkeit 1990 gibt es Namibia.
Multivista schrieb:
War SÜDafrika auch mal deutsche Kolonie?
Südafrika war britische Kolonie, nie deutsch.

Multivista schrieb:
Das Bismarck-Archipel ist das heutige NeuGuinea? Was wollten wir denn damit?? Australien angreifen??
1. Nein, das Bismarck-Archipel ist auch heute noch das Bismarck-Archipel. Schau mal in den Atlas.
2. Über die Frage, was man mit den Kolonien wollte, lässt sich viel debattieren. Reicht es dir, wenn ich dir erzähle, daß man dort vorrangig Kobra (getrocknetes Kokosfleisch) zur Ölverarbeitung (z.B.Margarine) ausfuhr?
3. Australien wollte man sicher nicht angreifen. Mit einer mickrigen Polizeitruppe von ein paar Dutzend Mann wäre das kaum möglich gewesen. Ausser einem kleinen Marinegeschwader gab es da sonst kein ordentliches Militär in der Ecke.

Multivista schrieb:
Na ein VORBILD hatten wir ja in Afrika:Vorbeck. Er verteidigte in legendären Schlachten die deutschen Interessen gegen die Brits. Und auch die Interessen der Ostafrikaner... die ihn heute noch verehren.
Lettow-Vorbeck wird in Ostafrika weniger verehrt, als in den Ländern seiner ehemaligen Gegner, wie Südafrika und GB.

Multivista schrieb:
Hmmm...
auch Rommel wird glaube ich noch heute verehrt.. wahrscheinlich lieben die Afrikaner DEUTSCHE Ordnung..?
Rommel wird in Nordafrika, meines Wissens, weniger verehrt. Er hinterließ dort bei den Arabern auch weniger Eindruck. Er baute dort schließlich nichts auf, sondern führte dort wenige Jahre Krieg. Die einzige Parallele sehe ich darin, daß auch er, vor allem bei seinen Kriegsgegnern, als ritterlicher Offizier geehrt wird.
 
Arne schrieb:
Rommel wird in Nordafrika, meines Wissens, weniger verehrt. Er hinterließ dort bei den Arabern auch weniger Eindruck. Er baute dort schließlich nichts auf, sondern führte dort wenige Jahre Krieg. Die einzige Parallele sehe ich darin, daß auch er, vor allem bei seinen Kriegsgegnern, als ritterlicher Offizier geehrt wird.
Im Fernsehen lief mal eine Doku, da waren sie bei einem Scheich in der Oase Siwa (deutsch besetzter Teil Ägyptens). Bei dem hing an der Wand immer noch ein Bild von Rommel und er hat in dem Interview auserordentlich positiv über Rommel gesprochen. Rommel hat bei den Ägyptern immer noch einen guten Ruf. Die Deutschen waren dort wahrscheinlich nicht lange genug, um einen schlechten Eindruck zu machen.
 
Andronikos schrieb:
Im Fernsehen lief mal eine Doku, da waren sie bei einem Scheich in der Oase Siwa (deutsch besetzter Teil Ägyptens). Bei dem hing an der Wand immer noch ein Bild von Rommel und er hat in dem Interview auserordentlich positiv über Rommel gesprochen. Rommel hat bei den Ägyptern immer noch einen guten Ruf. Die Deutschen waren dort wahrscheinlich nicht lange genug, um einen schlechten Eindruck zu machen.

Eine "Freund der Deutschen" :S findet man überall.

Da gilt insbes. die Devise: der Feind meines Feindes ist mein Freund.

Viele Buren in Südafrika finden Deutschland super, weil sie a) gegen die Briten, b) gegen die Juden vorgingen. Gibt auch einige Mexikaner, die Hitler mochten, weil er gegen die USA kämpfte.

So werden die Ägypter sich wohl von den Deutschen die Unabhängigkeit von England erhofft haben. Der Gegenbeweis fehlt natürlich ... :fs:
 
Zur Anfangsfrage könnte man antworten, dass der Irak im Moment soetwas wie eine Kolonie ist,. Es gibt eine amerikanische Besatzung und amerikanische Firmen haben sich stark in die irakische Ölwirtschaft eingeklinkt, zudem stellen die USA die jetzige Regierung auf die Beine.

Ogion
 
Hmmm ... ist zwar aktuelle Politik ... aber, für Kolonien gilt ja (wieder je nach Definition) (1) politische, (2) kulturelle und (3) wirtschaftliche Abhängigkeit.

Irak:
1. - ja
2. - Ist im Aufbau. Lang lebe Coca Cola.
3. - Hmmm ... kann ich nicht beurteilen, ist aber wahrscheinlich.

Wie sieht / sah das in anderen Ländern aus? Einige gewagte Thesen:

DDR
1. Ja.
2. Ja.
3. Ja.
(Diese ziemlich frühe Erkenntnis vor etwa 25 Jahren war für mich sogar der Auslöser, mich intensiver mit dem Thema Kolonialismus zu beschäftigen)

BRD
1. Bedingt, in der Anfangszeit sicher mehr.
2. dito
3. dito
Also eine "Halbkolonie"? Frage: In wie weit fördert Globalisierung eine neue Form von "sanften" Kolonialismus? (gehört aber glaube ich auch nicht hierher)

"Neue Bundesländer" Anfang der 1990er (ist ja schon historisch)
1. Ja, auch wenn jetzt die "Ossis" in der Regierung sitzen
2. Ja, es gab ja faktisch nix eigenes mehr, Produktion und insbesondere Konsumption waren auf "Import und Export" Richtung Altbundesländer ausgerichtet.
3. Ich persönlich habe den Zusammenbruch des kulturellen "Undergrounds" der DDR als Verlust erlebt, dessen entstandene Lücke nicht durch die importierte Industriekultur ersetzt werden konnte.
Für mich persönlich also auch ein klares Ja.

Solche Beispiele lassen sich wie zu Anfang des Threads schon gesagt sicher zu hauf finden, ich hab' nur mal die uns am nächsten liegenden herausgepickt ...

Bye
Suedwester
 
Suedwester schrieb:
Hmmm ... ist zwar aktuelle Politik ... aber, für Kolonien gilt ja (wieder je nach Definition) (1) politische, (2) kulturelle und (3) wirtschaftliche Abhängigkeit.

Hmm, also die Satellitenstaaten des Kalten Krieges in die Kolonien-Schublade zu werfen, erscheint mir sehr gewagt... :grübel:
 
Arne schrieb:
Hmm, also die Satellitenstaaten des Kalten Krieges in die Kolonien-Schublade zu werfen, erscheint mir sehr gewagt... :grübel:

Gewagt? Mehr noch: unzulässig!

Inwiefern sich die Strukturen ähneln, das könnte man untersuchen. Aber Besatzung = Kolonisierung? Das ist einfach falsch.

Der Begriff der Kolonie wurde ja auch nicht auf die napoleonischen Eroberungen angewandt! Eine Kolonie ist keine Besatzungszone und auch nicht nur ein Einflussgebiet.

Eine Kolonie basiert auf einem rechtlichen, zwischenstaatlichen Abhängigkeitsverhältnis, dem ein diesbezüglicher Vertrag oder zumindest eine Proklamation (wenn das Gebiet unbewohnt oder ohne Autorität war) vorausgeht. Es setzt die dauerhafte Anerkennung des Abhängigkeitsverhältnisses durch beide Seiten sowie durch die Staatengemeinschaft voraus und hat weitreichende offizielle Implikationen.

Eine Annektion (z.B. Elsass/Lothringen 1871, Saarland 1945) oder eine Besatzung (Irak 2003, BRD 1945) sind hingegen etwas ganz anderes.
 
Arne schrieb:
Hmm, also die Satellitenstaaten des Kalten Krieges in die Kolonien-Schublade zu werfen, erscheint mir sehr gewagt... :grübel:

Rein subjektiv (!) habe ich es aber so empfunden :) Wie schon gesagt, auch hier gilt wieder, das je nach zu Grunde liegender Definition ein und das selbe völlig verschieden bewertet werden kann. Und die Punkte der oben genannten Marx'schen Definition passen (sind ja auch schön allgemein gehalten, fiel mir auf, als wir damals im Geschichtsunterricht beim "Panthersprung" waren) im gegebenen Fall ...

Bye
Suedwester
 
Vielen Dank, Arne
für die hilfreichen Antworten!
Wie kann ich diese beiden Aussagen noch zusammenbringen?
"Südafrika war britische Kolonie,
nie deutsch."
und:
"Lettow-Vorbeck wird in Ostafrika weniger verehrt, als in den Ländern seiner ehemaligen Gegner, wie Südafrika..."
-------------------------------------------

Noch ein paar weitere Gedanken, die ich aus der jüngsten zdf-Sendung heraus, aufnahm und s o verarbeitete:

Sansibar war ja auch deutsch. Es wurde eingetauscht gegen Helgoland. War das ein guter Tausch? Wenn ja – für wen und warum?

Die Kirchen waren in den Kolonialgebieten die „Leuchttürme“ der Eroberer!
Die Afrikaner sagten: „Erst Missionare, dann Händler und schließlich das Militär“

Na ja, die „Conditio Humana“ wird ja nach Hobbes (und Machiavelli) bestimmt durch den Konflikt, nicht von der Harmonie, damit also von der Macht.

In den Kirchen wurden ja subversiv auch die Bibelsprüche „Dein REICH komme“ über den Altar gehängt.

Den „Wilden“ mußte ja schlüssiger weise auch der „Segen“ der Zivilisation verabreicht werden. Das hieß damals nicht „Moderne“ sondern Knechtschaft und Ausbeutung durch die von Gott eingesetzte Obrigkeit.

Auf der "Kongo-Konferenz" wurde dann Afrika aufgeteilt o h n e daß Afrikaner
überhaupt gefragt wurden oder gar zur
Konferenz eingeladen waren.
Die Grenzziehungen nahmen denn auch keine Rücksicht auf „kulturelle“ Begebenheiten, es waren ja eh nur "Wilde", die als Sklaven dienten und nach Amerika lukrativ
„durchgehandelt“ werden konnten.

Und China?
China war damals schon mit 600 Mio.
Menschen als riesiger Markt
ausgespäht worden, was dazu führte, daß man Teile des Reiches dort günstig (die Machthaber dort "über den Tisch ziehend“)
erwarb.

Der Boxer-Aufstand folgte.
Die „Boxer“ waren ein Geheimbund.
Welche kulturellen, religiösen oder politischen Ziele verfolgte diese Gruppe?

War es DER Lettow-Vorbeck in China, der dann nach der Niederlage nach Afrika wechselte und dort so erfolgreich wirken konnte?

Die Deutschen bezeichneten sich (Kaiser Wilhelm II.) selbst schon als Hunnen. Später nannte Churchill die Deutschen so. Das ist passend, denn die Deutschen benahmen sich auch wie eben diese
Hunnen aus Asien, die ja mit rohester Gewalt ihre Feldzüge führten.

Einwände gegen diese Gedanken? Korrekturen? Ergänzungen?

Danke!
Multi aus Frankfurt
 
Multivista schrieb:
Wie kann ich diese beiden Aussagen noch zusammenbringen?
"Südafrika war britische Kolonie, nie deutsch."
und:
"Lettow-Vorbeck wird in Ostafrika weniger verehrt, als in den Ländern seiner ehemaligen Gegner, wie Südafrika..."
Ich bin zwar nicht Arne, aber ich versteh Deine Frage nicht. Wo siehst Du den Widerspruch?

Multivista schrieb:
Auf der "Kongo-Konferenz" wurde dann Afrika aufgeteilt ohne, dass Afrikaner überhaupt gefragt wurden oder gar zur Konferenz eingeladen waren.
Die Grenzziehungen nahmen denn auch keine Rücksicht auf „kulturelle“ Begebenheiten, es waren ja eh nur "Wilde", die als Sklaven dienten und nach Amerika lukrativ "durchgehandelt" werden konnten.
Solche Aufteilungen, ohne die Betroffenen zu konsultieren gab es auch später noch, ich erinnere bloß an das Stichwort Appeasement, ist also nicht bloß rassistsich motiviert zu erklären. Mein eigentlicher Widerspruch bezieht sich auch eher auf den Sklavenhandel.
Dieser wude nämlich schon 1807 abgeschafft, 1880 verbot Spanien die Sklaverei auf Kuba und schon (im Verhältnis zur Kongo-Konferenz) 1865 hatten die Amerikaner die Sklaverei abgeschafft. Die Kongo-Konferenz fand aber erst 1884/5 statt.

Multivista schrieb:
Der Boxer-Aufstand folgte.
Die „Boxer“ waren ein Geheimbund.
Welche kulturellen, religiösen oder politischen Ziele verfolgte diese Gruppe?
In wie weit die Boxer organisiert waren (Geheimbund) weiß ich nicht, aber - so zumindest in der westlichen Literatur - ihr herausragendes Ziel war es, die westlichen und christlichen Einflüsse in China zu verdrängen.

Multivista schrieb:
War es DER Lettow-Vorbeck in China, der dann nach der Niederlage nach Afrika wechselte und dort so erfolgreich wirken konnte?
Welche Niederlage :confused:.
 
Multivista schrieb:
Noch ein paar weitere Gedanken, die ich aus der jüngsten zdf-Sendung heraus, aufnahm und s o verarbeitete:

Vor ich jetzt hier und etwas dazu sage, versuche doch bitte ein Thema auf einmal zu behandeln. Das macht das Antworten einfacher, man verliert nicht so schnell den Überblick. Zudem wäre es nett, wenn dann nicht so Pauschlaurteile in einem Satz abgehakt werden ... ein wenig Hintergrund zur Aussage, und die Aussage wird unhaltbar.

Glaube mir, wenn ich jetzt sage, dass ein Historiker, der einen Sachverhalt beschreibt, seine Worte sehr genau wählen wird. Daher rate ich Dir: suche Dir für Deine Pauschalsätze eine akzeptable Quelle und argumentiere darauf aufbauend.

Multivista schrieb:
Sansibar war ja auch deutsch. Es wurde eingetauscht gegen Helgoland. War das ein guter Tausch? Wenn ja – für wen und warum?

Beide Parteien sind das Tauschgeschäft ja freiwillig eingegangen. Welchen Vorteil sich die Briten erhofften, weiss ich nicht. Würde man den Maßstab anlegen, welche der Inseln langfristig wichtiger war, dann war der Tausch für die Deutschen günstig. Aber das heisst ja nicht, dass er für die Briten "ungünstig" war. Das ist ja das schöne an Tauschgeschäften: beide können gewinnen.

Multivista schrieb:
Die Kirchen waren in den Kolonialgebieten die „Leuchttürme“ der Eroberer! Die Afrikaner sagten: „Erst Missionare, dann Händler und schließlich das Militär“

"Leuchttürme", die aber stets ihre Unabhängigkeit suchten. Im Kongo waren die Kirchen die lautesten Ankläger gegen die Menschrechtsverletzungen. Dass sie zu den Protagonisten des europäischen Kulturexports zählten, und einige Afrikaner sie als "Vorhut" für weitere Europäer (mit weniger rechtschaffenen Zielen) sahen, das kann man durchaus sagen. Aber die meisten Afrikaner erkannten die Zusammenhänge auch erst nachdem das Unheil über sie gekommen war.

Multivista schrieb:
Na ja, die „Conditio Humana“ wird ja nach Hobbes (und Machiavelli) bestimmt durch den Konflikt, nicht von der Harmonie, damit also von der Macht.

:grübel:

Multivista schrieb:
In den Kirchen wurden ja subversiv auch die Bibelsprüche „Dein REICH komme“ über den Altar gehängt.

Subversiv? Glaube ich nicht. Die Missionare waren passionierte Christen, die es als Dienst am Herrn sahen, den verlorenen Seelen Afrikas das Paradies zu ermöglichen. Das hat nichts oder nur wenig mit der Vorbereitung Afrikas auf die bevorstehende Eroberung zu tun.

Multivista schrieb:
Den „Wilden“ mußte ja schlüssiger weise auch der „Segen“ der Zivilisation verabreicht werden. Das hieß damals nicht „Moderne“ sondern Knechtschaft und Ausbeutung durch die von Gott eingesetzte Obrigkeit.

Da musst Du zwischen den einzelnen Kolonialmächten und den jeweiligen Akteuren unterscheiden. Den Engländern ging es vor allem um strategische Vorteile, Zivilisationsexport, Beendigung der Sklaverei und um Handelsinteressen. Im Kongo (und soweit ich weiss, in den arabischen Teilen Afrikas oder in den portugisischen Kolonien) war Sklaverei Methode für den Profit.

Multivista schrieb:
Auf der "Kongo-Konferenz" wurde dann Afrika aufgeteilt o h n e daß Afrikaner überhaupt gefragt wurden oder gar zur Konferenz eingeladen waren.
Die Grenzziehungen nahmen denn auch keine Rücksicht auf „kulturelle“ Begebenheiten, es waren ja eh nur "Wilde", die als Sklaven dienten und nach Amerika lukrativ „durchgehandelt“ werden konnten.

Das ist gänzlich falsch. Der Sklavenhandel war bereits Anfang des 19. Jhds. in vielen Staaten verboten, in den USA wurde die Sklaverei nach dem Bürgerkrieg gänzlich abgeschafft. Die Kongokonferenz hatte damit garnichts zu tun.

... ( P.S. Der Don war schneller :winke: )
 
Zuletzt bearbeitet:
Mercy schrieb:
Vielleicht wäre es auch nützlich, zumal bei Fernsehsendungen, auf Kritiken zu achten, zB:
Menschenfresser und barbusige Mädchen: Ein ZDF-Film und ein Buch verkitschen und verharmlosen den deutschen Kolonialismus in skandalöser Weise.
Von JÜRGEN ZIMMERER
http://www.sueddeutsche.de/kultur/artikel/933/64869/

Das der "sehr kolonialkritische" Historiker Zimmerer sich über einen Beitrag echauffiert, der sich um emotionslose Sachdarstellung im Gegensatz zu ideologischer Hetze bemüht - wundert mich nicht.
Wenn er dann aber behauptet, daß:
Graichen und Gründer versuchen – wie viele andere in der Debatte um den deutschen Kolonialismus – diesen als positive Epoche in die deutsche Nationalgeschichte zurückzuholen.
kann ich vor Verwunderung nur den Kopf schütteln. Das kann man doch nur mit der "richtigen Brille" dort drin finden! Ob da einer böse ist, weil er die Produktion nicht federführend leiten durfte, statt dem Professor Gründer?:grübel:

Das ZDF kann sich insofern auf die Schulter klopfen: Wenn von Kolonialkritikern und Apologeten beiderseits Kritik kommt, hat man die objektive Mitte getroffen...
 
Zuletzt bearbeitet:
Arne schrieb:
Das ZDF kann sich insofern auf die Schulter klopfen: Wenn von Kolonialkritikern und Apologeten beiderseits Kritik kommt, hat man die objektive Mitte getroffen...
Ok, die kolonialkritische Position haben wir. Wo ist die der Apologeten? :p
 
Multivista schrieb:
Sansibar war ja auch deutsch. Es wurde eingetauscht gegen Helgoland. War das ein guter Tausch? Wenn ja – für wen und warum?
Pope schrieb:
Beide Parteien sind das Tauschgeschäft ja freiwillig eingegangen. Welchen Vorteil sich die Briten erhofften, weiss ich nicht. Würde man den Maßstab anlegen, welche der Inseln langfristig wichtiger war, dann war der Tausch für die Deutschen günstig. Aber das heisst ja nicht, dass er für die Briten "ungünstig" war. Das ist ja das schöne an Tauschgeschäften: beide können gewinnen.

Nein. Sansibar war nie deutsch! Dieser Quatsch taucht immer wieder auf. Sansibar wurde von Engländern wie auch den Deutschen begehrt, war aber nie deutsch. Im Helgoland-Sansibar-Vertrag verzichtete das Deutsche Reich (unter anderem) nur darauf sich dort weiter zu engagieren.

Die beste, jüngere Klarstellung zum Helgoland-Sansibar-Vertrag ist von Dr. Burkhard Vieweg. Ich darf auf die Internet-Seite von hier aus nicht verlinken, du findest die URL aber problemlos mit den ensprechenden Suchworten bei Google.



(Von den vielen anderen Fragen scheint ja alles abgearbeitet zu sein....)

Multivista schrieb:
Der Boxer-Aufstand folgte.
Die „Boxer“ waren ein Geheimbund.
Welche kulturellen, religiösen oder politischen Ziele verfolgte diese Gruppe?
Guck mal da rein:
www.boxeraufstand.de und http://de.wikipedia.org/wiki/Boxeraufstand

War es DER Lettow-Vorbeck in China, der dann nach der Niederlage nach Afrika wechselte und dort so erfolgreich wirken konnte?
Der chinesischen Niederlage? Paul von Lettow-Vorbeck war (unter anderem) in China und in Deutsch-Ostafrika.

Die Deutschen bezeichneten sich (Kaiser Wilhelm II.) selbst schon als Hunnen. Später nannte Churchill die Deutschen so.
Nein. Die Deutschen bezeichneten sich nicht so, KWII sagte in seiner sogenannten "Hunnenrede" nur, daß man die Deutschen später ebenso fürchten sollte:
Wie vor tausend Jahren die Hunnen unter ihrem König Etzel sich einen Namen gemacht, der sie noch jetzt in der Ueberlieferung gewaltig erscheinen läßt, so möge der Name Deutschland in China in einer solchen Weise bestätigt werden, daß niemals wieder ein Chinese es wagt, etwa einen Deutschen auch nur scheel anzusehen.

Näheres siehe:
http://de.wikipedia.org/wiki/Hunnenrede

Multivista schrieb:
Das ist passend, denn die Deutschen benahmen sich auch wie eben diese Hunnen aus Asien, die ja mit rohester Gewalt ihre Feldzüge führten.

Ich unterstelle dir jetzt mal, daß du nicht viel über die Kriegführung des deutschen Ostasiatischen Expeditionskorps im Rahmen der internationalen Truppenverbände im Boxeraufstand weißt.
Wenn du auf den späteren ersten Weltkrieg, während dem Churchill im Rahmen der Propaganda diesen Terminus aufgriff, abspielst, würde ich gern mal ein paar nachweisliche Beispiele von dir bekommen, wo sich die Deutschen wie Hunnen verhalten haben...Aber bitte in einem Thread zu Ersten Weltkrieg.
 
Zuletzt bearbeitet von einem Moderator:
Arne schrieb:
..., würde ich gern mal ein paar nachweisliche Beispiele von dir bekommen, wo sich die Deutschen wie Hunnen verhalten haben...Aber bitte in einem Thread zu Ersten Weltkrieg.

Prooootest: Ich finde das Hunnen-feindlich! :fs:
 
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