Bayerisch Schwaben

G

Gast

Gast
Ich frage mich, weshalb heute das Gebiet von Bayerisch Schwaben (Augsburg, Kempten, Neu-Ulm) zu Bayern gehört und nicht zu (Baden-) Württemberg.

Vom Dialekt und von der Art der Menschen würde ich es eher in Württemberg ansiedeln als in Bayern. Und die Bezeichnung als Regierungsbezirk Schwaben deutet ja auch darauf hin.

Kennt sich jemand in der Historie diesbezüglich aus?

Hat Bayrisch Schwaben irgendwann mal zu Württenberg gehört, bevor es vor 200 Jahren Teil vom Königreich Bayern wurde?
 
Im Frieden von Lunéville (1801) musste Bayern die linksrheinischen Gebiete (Rheinpfalz) sowie die Herzogtümer Jülich und Berg abtreten. Im Gegenzug erhielt Bayern unter anderem Ostschwaben.
 
Hier noch eine Buchempfehlung:

Heinze, Stefan; Die Region Bayerisch-Schwaben. Studien zum schwäbischen Regionalismus im 19. und 20. Jahrhundert
 
Gast schrieb:
Ich frage mich, weshalb heute das Gebiet von Bayerisch Schwaben (Augsburg, Kempten, Neu-Ulm) zu Bayern gehört und nicht zu (Baden-) Württemberg.

Die Schwaben sind traditionell großzügige Menschen. Zur Not verleihen sie auch dauerhaft ganze Landstriche an befreundete Völker.:D :D :D

Gast schrieb:
Vom Dialekt und von der Art der Menschen würde ich es eher in Württemberg ansiedeln als in Bayern. Und die Bezeichnung als Regierungsbezirk Schwaben deutet ja auch darauf hin.

Nnnnjjjjjein. Nicht unbedingt. In einigen Teilen des Regierungsbezirks Schwaben wird nicht unbedingt "reines Schwäbisch" geredet (v.a. im Allgäu nicht). Aber ich weiß, was du meinst: Der Lech war lange Zeit eine Sprachgrenze (des Alemannischen zum Bairischen).

Gast schrieb:
Hat Bayrisch Schwaben irgendwann mal zu Württenberg gehört, bevor es vor 200 Jahren Teil vom Königreich Bayern wurde?

Nicht, dass ich wüsste. Württemberg profitierte selbst enorm vom Reichsdeputationshauptschluss, indem es zahlreiche reichsfreie Städte hinzugewinnen konnte. Zusätzlich noch das Gebiet um Vorderösterreich.
Ich kenne das historische Württemberg geographisch als in etwa das, was es heute auch ist (inkl. der freien Reichsstädte und Vorderösterreich; Ausnahme davon eigentlich nur Mömpelgard als linksrheinische Besitzung).
Bairisch-Schwaben mag zwar mundartlich eng mit Württemberg-Schwaben verwoben sein, historisch/politisch gesehen jedoch eher nicht. (Da ist das Trennende größer denn das Einigende)
 
Leopold Bloom schrieb:
Bairisch-Schwaben mag zwar mundartlich eng mit Württemberg-Schwaben verwoben sein, historisch/politisch gesehen jedoch eher nicht. (Da ist das Trennende größer denn das Einigende)

Dem ist nur beizupflichten. Was vielleicht noch erwähnenswert ist, ist die Tatsache, dass das Gebiet des heutigen Bayerisch-Schwabens einem Fleckenteppich glich. Nach dem Ende der Stauferzeit gab es keine übergreifende Herzogsherrschaft mehr. Der Bischof und das Domkapitel von Augsburg sowie einige oberschwäbische Abteien erlangten die Reichsunmittelbarkeit. Hier eine kleine Auswahl von ehemaligen Territorien:

Hochstift Augsburg; Reichsstädte Augsburg, Lindau, Memmingen, Donauwörth, Kaufbeuren, Nördlingen, Dinkelsbühl; Reichsstifte Kempten, Ottobeuren, Lindau, Roggenburg; Reichsabtei Kaisheim, Irsee, Wettenhausen, Ursberg, Elchingen; Reichskartause Buxheim; Markgrafschaft Burgau, Graschaften Oettingen; Herrschaft Hohenschwangau; Grafschaft Thannhausen, Edelstetten, Schwabegg, Bregrenz usw.
 
Zuletzt bearbeitet:
Leopold Bloom schrieb:
Die Schwaben sind traditionell großzügige Menschen. Zur Not verleihen sie auch dauerhaft ganze Landstriche an befreundete Völker.:D :D :D
verleihen?
Leopold Bloom schrieb:
Ich kenne das historische Württemberg geographisch als in etwa das, was es heute auch ist (inkl. der freien Reichsstädte und Vorderösterreich; Ausnahme davon eigentlich nur Mömpelgard als linksrheinische Besitzung).
Bitte etwas bescheidener: du meinst den Teil, den nicht die Süd-Württemberger und auch nicht die Badener als Mitgift zum heutigen Ländle eingebracht haben.
 
Leopold Bloom schrieb:
Die Schwaben sind traditionell großzügige Menschen. Zur Not verleihen sie auch dauerhaft ganze Landstriche an befreundete Völker.:D :D :D



Nnnnjjjjjein. Nicht unbedingt. In einigen Teilen des Regierungsbezirks Schwaben wird nicht unbedingt "reines Schwäbisch" geredet (v.a. im Allgäu nicht). Aber ich weiß, was du meinst: Der Lech war lange Zeit eine Sprachgrenze (des Alemannischen zum Bairischen).



Nicht, dass ich wüsste. Württemberg profitierte selbst enorm vom Reichsdeputationshauptschluss, indem es zahlreiche reichsfreie Städte hinzugewinnen konnte. Zusätzlich noch das Gebiet um Vorderösterreich.
Ich kenne das historische Württemberg geographisch als in etwa das, was es heute auch ist (inkl. der freien Reichsstädte und Vorderösterreich; Ausnahme davon eigentlich nur Mömpelgard als linksrheinische Besitzung).
Bairisch-Schwaben mag zwar mundartlich eng mit Württemberg-Schwaben verwoben sein, historisch/politisch gesehen jedoch eher nicht. (Da ist das Trennende größer denn das Einigende)

Die Geschichte ist deutlich komplizierter, zum heutigen Württemberg gehören weite Gebiete des fränkischen Sprachraumes, Grenze ist knapp nördlich Stuttgart so etwa am Asperg. Während z. b. das bayerische Schwaben nie zu Württemberg gehörte. Das bayerische Schwaben war 1800 ein typischer Teil Südwestdeutschlands, jeder Ort hatte seinen eigenen Herrn, Reichsstädte, klerikale Gebiete, Ritterschaftlich, kleinere Territorialherrschaften usw. usf. Dass im Allgäu kein reines Schwäbisch gesprochen wird, halte ich eher für ein Gerücht, es sei denn man könnte das "Reine Schwäbisch" definieren, was ich für unmöglich halte.
Dass die Ober- + Niederbayern es geschafft haben die ganzen Oberpfälzer, Franken, Schwaben usw. usf. problemlos einzugliedern verwundert mich allerdings.
Den Württembergern ist dies wohl mit den Franken und den Kurpfälzern gelungen, bis heute aber nicht mit den Südbadensern.

Grüße Repo
 
Repo schrieb:
Dass die Ober- + Niederbayern es geschafft haben die ganzen Oberpfälzer, Franken, Schwaben usw. usf. problemlos einzugliedern verwundert mich allerdings.

Na so ganz problemlos ging es wohl nicht, doch du hast recht, große Schwierigkeiten tauchten nicht auf. Über das Verhältnis Franken-Altbayern dürften die meisten wohl informiert sein, deshalb beschränke ich mich jetzt auf Schwaben.

Der evangelische Teil Schwabens war froh über die Ankoppelung an Bayern und damit "an einen Fürsten überzugehen, unter dessen weiser Regierung Handel und Künste blühen..." Die Katholiken waren jedoch missvergnügt, weil sie aufgrund der Säkularisation herbe Einbussen zu verzeichnen hatten. Auflehnung gegen die bayerische Herrschaft gab es 1806 beim Rekrutenaufstand in Weissenhorn bei Ulm.
 
Zuletzt bearbeitet:
Mercy schrieb:

Zur Not nehmens wirs auch. Ehe die Leut staaten- und heimatlos werden...:winke:

Mercy schrieb:
Bitte etwas bescheidener: du meinst den Teil, den nicht die Süd-Württemberger und auch nicht die Badener als Mitgift zum heutigen Ländle eingebracht haben.

Ich bin Süd-"Württemberger". Ond d´Badenzer hend no ganz andrsch agschnidda.


Repo schrieb:
Dass im Allgäu kein reines Schwäbisch gesprochen wird, halte ich eher für ein Gerücht, es sei denn man könnte das "Reine Schwäbisch" definieren, was ich für unmöglich halte.

Sagen wirs mal so: Es ist in einigen Gegenden näher am "Schweizerisch-Vorarlbergischen", denn am Schwäbischen. Und mit der Mobilisierung ist auch die einstige Sprachgrenze Lech deutlich aufgeweicht worden.
 
Mercy schrieb:
Was ist denn da passiert?

Es gab eine königliche Anordnung über eine Rekrutenaushebung. Die Bevölkerung reagierte mit Unruhen und offenen Tätlichkeiten gegen die neue Herrschaft. Bayern zog daraufhin Soldaten von der Innfront ab, um die Aushebung zu erzwingen. Mehr ist mir leider nicht darüber bekannt, aber vielleicht schau ich für dich nächste Woche mal in die Uni-Bib. (Obwohl da aus Kostengründen bis 9. Januar die Heizung abgestellt ist. :bussi:)
 
Mercy schrieb:
verleihen?

Bitte etwas bescheidener: du meinst den Teil, den nicht die Süd-Württemberger und auch nicht die Badener als Mitgift zum heutigen Ländle eingebracht haben.

Korrektur Mercy, die Hauptstadt Südwürttembergs war/ist Tübingen Altwürttembergischer Besitz seit dem Spätmittelalter. Mein Lebensmittelpunkt wurde 1410 endgültig württembergisch. Defacto schon 100 Jahre früher.
Der Raum Tuttlingen ebenfalls Uraltwürttemberg. Das Kloster Zwiefalten, obwohl kath. längst württem. Landeshoheit.
Du meinst vermutlich Oberschwaben Ravensburg, Weingarten, Leutkirch Tettnang. Dort gabs aber wie bei den Bajuwaren nie ein Problem. Die gabs nur in Mergentheim, hoch im Norden.
Württemberg hat aber außer Mömpelgard auch im Elsaß einiges verloren, ich erinnere hier nur mal an das schöne Reichenweiher.
(Am Rande und OT die Familie Peugeot kommt aus Mömpelgard und ist heute noch Mitglied des dortigen Ablegers der Württembergischen Landeskirche, die einzige französische Autofirma mit Niveau hat also auch württ. Wurzeln)

Grüße Repo
 
Zuletzt bearbeitet:
Ich hab das Gefühl, das hier ne Verwechslung vorliegt.
Zwar gilt Stuttgart als Metropole der Schwaben und als das "Ländle" wird meistens Württemberg angesehen, aber mit dem Herzogtum Schwaben hat das wenig zu tun.
Die Württemberger waren nach dem Ende der Staufer in der Lage sich einige derer ehemaliger Besitztümer unter den Nagel zu reißen, aber eben nicht alles.
Ne nette Karte dazu hat die Wiki parat: Link
Alles weitere ist ja schon besprochen worden.

@Repo:
Laut Wikipedia wurde die Burg und die Stadt Tübingen 1342 von den Pfalzgrafen zu Tübingen an Württemberg verkauft. ;)
 
eden schrieb:
@Repo:
Laut Wikipedia wurde die Burg und die Stadt Tübingen 1342 von den Pfalzgrafen zu Tübingen an Württemberg verkauft. ;)

Mercy sprach von Südwürttemberg als württ. Neuland. Was höchstens teilweise stimmt.
Wie sprach der Pfalzgraf von Tübingen: "Im Schönbuch ums Kloster da hab´ ichs gejaidt (Jagdrecht) behalt ich nur dieses ist mirs ums andere nicht Leid."
War im spätmittelalter, Stuttgart gehört gar nicht viel länger den Württembergern. Vorher saßen die in Beutelsbach, oder auch in Grüningen bei Riedlingen, wo sie auch die Hirschstangen her haben.

Grüße Repo
 
Mercy schrieb:
Es ging um Vorderöstereich. :winke:

Verstehe ich nicht. Du widersprichst Leo als er Vorderösterreich nennt und schreibst von den "Süd-Württembergern"

Zitat Leo:Ich kenne das historische Württemberg geographisch als in etwa das, was es heute auch ist (inkl. der freien Reichsstädte und Vorderösterreich; Ausnahme davon eigentlich nur Mömpelgard als linksrheinische Besitzung). Zitatende
darauf die Antwort Mercy: Bitte etwas bescheidener: du meinst den Teil, den nicht die Süd-Württemberger und auch nicht die Badener als Mitgift zum heutigen Ländle eingebracht haben. Zitatende

Grüße Repo
 
Repo schrieb:
Korrektur Mercy, die Hauptstadt Südwürttembergs war/ist Tübingen
Korrektur: Regierungssitz war Bebenhausen nördlich von Tübingen, in dem auch das Landes-Parlament tagte...
Damit hatte Südwürttemberg die kleinste Landes-"Hauptstadt" überhaupt - bei Parlamentstagung verdoppelte sich die Zahl der Orts-Anwesenden.
 
Zuletzt bearbeitet:
Lungos schrieb:
Korrektur: Regierungssitz war Bebenhausen nördlich von Tübingen, in dem auch das Landes-Parlament tagte...
Damit hatte Südwürttemberg die kleinste Landes-"Hauptstadt" überhaupt - bei Parlamentstagung verdoppelte sich die Zahl der Orts-Anwesenden.


Eher Ergänzung als Korrektur. Hauptstadt der Niederlande ist auch unbestritten Amsterdam, obwohl Regierungssitz Den Haag ist. :autsch:
 
Lukrezia Borgia schrieb:
Eher Ergänzung als Korrektur. Hauptstadt der Niederlande ist auch unbestritten Amsterdam, obwohl Regierungssitz Den Haag ist. :autsch:
Sorry, aber Tübingen war Verwaltungsstadt des Bundeslandes Südwürttemberg-Hohenzollern. Sitz des Landesparlaments war Bebenhausen.

Klar kann man sich darum streiten ob Verwaltungsstadt = Landeshauptstadt...

Nachtrag:
Zumindest war es damals nach Aussage meiner Großmutter wichtig, dass Tübingen eben nicht offizielle Hauptstadt war, weil es weitaus größere Städte als Tübingen in diesem Bundesland gab und diese ebenfalls Hauptstadt werden wollten... Deshalb hatte man sich damals dann auf Bebenhausen als Parlamentssitz verständigt...
 
Zuletzt bearbeitet:
Zurück
Oben