Bis 1914 lernten 90% der Reichsbevölkerung nur die Elementarschule kennen, die sich in drei Typen gliederte: die niedere Elementarschule, die zunächst als kostenfreie Armenschule fungierte; die mittlere, kostenpflichtige Elementarschule mit solider Grundausbildung; die höhere Elementarschule mit der Doppelfunktion einer qualitativ verbesserten Volksschule und der Vorbereitung auf die weiterführenden Schulen. Finanziert wurden diese Schulen aus dem Gemeindeetat und durch das Schulgeld der zahlungspflichtigen Eltern.
Der Realbesuch der schulpflichtigen Kinder lag 1871 zwischen 86 und 90%, um 1890 blieb die Zahl der Analphabeten unter 1%.
1864 gab es in den Volksschulen vier Altersklassen, 1911 bereits zehn. Die Anzahl der Schüler pro Klasse sank im selben Zeitraum von 72 auf 51, umgerechnet auf den Lehrer von 90 auf 53.
Von hundert Schülern gingen auch nach der Jahrhundertwende durchschnittlich 90% nur zur Volksschule, sechs bis sieben Prozent zu einer höheren Schule, zwei - drei Prozent besuchten sie bis zur Obersekundareife, nur ein bis zwei Prozent bis zur Oberprima und zum Abitur; in großen Städten konnte der Anteil der höheren Schüler bis auf sechzehn Prozent steigen. Am beliebtesten war das Gymnasium, ca. 60 % der „höheren“ Schüler lernten hier. Daneben konnte sich das Realgymnasium etablieren ( Realprogymnasien und Oberrealschulen, die zunächst nur ein eingeschränktes Abitursrecht besaßen).
Das Bildungsbürgertum stellte 30 - 50 % der Gymnasiasten und mit 70 - 80 % die Mehrzahl der Abiturienten. Die Kinder der bürgerlichen Mittelklasse der Kleingewerbetreibenden, der mittleren Beamtenschaft, der Mittelbauern und der Volksschullehrerfamilien stellten dagegen die Mehrheit an den Realgymnasien. Arbeiterkinder waren an diesen höheren Schulen sehr selten zu finden, der soziale Aufstieg der Arbeiter vollzog sich -wenn überhaupt- über mehrere Generationen (oft über den Beruf des Volksschullehrers).
(H.-U. Wehler, Deutsche Gesellschaftsgeschichte 1849 - 1914, München 1995, S.1192 ff.)