Rovere schrieb:
Ich bin nicht wirklich ein Reuss-Experte (Wo sind die Thüringer hier?), weiss nur soviel dass dieser Fürst Heinrich XXII ein leidenschaftlicher Preussen-Hasser war und nach 1871 gegen jedes Gesetz gestimmt hat. Sogar gegen die Bismarckschen Sozialistengesetze (er war damals der einzige Fürst der eine Gegenstimme abgegeben hatte). Muss eine ziemlich schillernde Persönlichkeit gewesen sein, ich hoffe jemand weiss mehr drüber.
In Greiz im Schlossmuseum solls einiges über ihn zu sehen und hören geben.
Hier ist zumindest einer.
Zum Überleben der thüringischen Kleinstaaten gibt es unter diesem Thread bereits einige Informationen
http://www.geschichtsforum.de/showthread.php?t=628 (Repo hat sie ja schon zur Kenntnis genommen
.)
Die Reußen waren zeitweise extrem stark zersplittert: so gab es zwischenzeitlich R.-Burgk, -Obergreiz, - Untergreiz, -Rothenthal, - Dölau
(ä. Linie seit 1778 vereinigt [Greiz]) sowie R.-Gera, R.-Schleiz, R.-Lobenstein, R.-Saalburg, R.-Hirschberg, R.-Ebersdorf , R.-Selbitz (j. Linie 1848 vereinigt [Gera]). Bei der Landeszentrale für politische Bildung in Thüringen LZT gibt es Grafiken für die Landesteilungen der Ernestiner, Schwarzburger und Reußen:
http://www.thueringen.de/de/lzt/thueringen/regfuerst/reuss.gif.
Allerdings nicht alle gleichzeitig. Bekannt ist vielleicht Schloss Burgk mit der westlichsten Silbermannorgel an der Saale durch die Serie "Leben im MA" oder so ähnlich in der ARD(?). Die Territorien waren z.T. extrem klein, so daß es fraglich ist, ob man von eigener Landesherrschaft sprechen kann. Um sich einen Überblick über die Größe der reußischen Besitzungen insgesamt zu machen empfehle ich die Seite des Instituts für Europäische Geschichte in Mainz
http://www.ieg-maps.uni-mainz.de/ auf der man digitalisierte Karten ab etwa 1800 findet.
Bezüglich Heinrich XXII. habe ich nachgelesen in Reinhard Jonscher, Willy Schilling: "Kleine thüringische Geschichte":
1866 mußte die preussenfeindliche Regentin Caroline die Herrschaft an ihre beiden Söhne Georg und Heinrich abgeben und 200.000 Taler (für das kleine Land Reuß ä. Linie eine gewaltige Summe) zahlen. Reuß ä.L. hatte 1871 gerade mal 45.000 und 1910 73.000 Einwohner bei 316 km². Zum Vergleich: die Kleinstaaten hatten 1871 eine gute Million von 1,5 Mio. (mit preuß. Lendeteilen) und 1910 1,6 Mio. bei insgesamt 2,2 Mio. Einwohnern.
Aus dieser Demütigung soll Heinrichs (Regent 1866-1902) preußenfeindliche Haltung stammen. Er führte einen oft belächelten und glossierten Kampf gegen jeglichen Versuch gegen die Ausweitung der Reichskompetenz und eine Beschneidung einzelstaatlicher Rechte. Die Presse gab ihm den Beinamen "der Unartige". Mit dem preußischen Militarismus konnte er nichts abgewinnen und sorgte dafür, daß Greiz, als einzige Residenz in Thür., nicht Garnisonsstadt wurde. Im Lande selbst regierte streng konservativ (kein Staatsministerium wie in den anderen thür. Staaten als oberstes Regierungsorgan). Es gab ein extrem rückständiges Landtagswahlgesetz und eine ziemlich scharfe Vereins- und Versammlungsfreiheit. Nur in Reuß ä. Linie war bei den Reichtagswahlen für die Konservativen ein bemerkenswerter Zuspruch (neben preuß. Landesteilen). Allerdings gab es auch hier 1877 das erste Mandat für die Sozialdemokraten (insgesamt 16 Mandate für "Groß-Thüringen"). Bezüglich der Wahlen zumm Reichstag bot Thüringen ein differenziertes Bild (Konservative, Zentrum (kathol. Eichsfeld), National- und Linksliberale und Sozialdemokraten als Abgeordnete).
Allerdings dürfte auch die übehebliche oder abfällige Art der preußischen Regierungs-, Hof- und Militärkreise gegenüber den Kleinstaaten mit zu antipreußischer Stimmung beigetragen haben. Die bösen gängigen Namen "Zaunkönige" oder "Dorfkaziken" (Kazike - indian. Dorfvorsteher in Südamerika) für die Fürsten in den Kleinstaaten stehen für solche Haltungen.