Frage zum 1. WK./Botschafterkonferenz usw.

Guilelmus

Neues Mitglied
Ich las folgendes:

Karl Max, Prince Lichnowsky - Wikipedia, the free encyclopedia
1914 Documents - World War I Document Archive
Prince Lichnowsky's Mission to London, Memoirs - World War I Document Archive
The guilt of Germany for the war of German aggression : Prince Karl Lichnowsky's memorandum; being the story of his ambassadorship at London from 1912 to August, 1914, together with Foreign Minister von Jagow's reply : Lichnowsky, Karl Max, Fu?rst v

(Hier las ich weitere interessante Beiträge zu diesem Thema
http://www.geschichtsforum.de/487299-post118.html )

Warum hat die Regierung der Deutschen Reiches die Vermittlungsvorschläge Großbritanniens/Botschafterkonferenz abgelehnt?

Nur fünf Minuten später sandte Reichskanzler Bethmann Hollweg ein Telegramm nach Wien, in dem er den Bundesgenossen noch energischer aufforderte, "die Verweigerung jedes Meinungsaustausches mit Rußland" zu unterlassen.
"Wir sind zwar bereit", fuhr er fort, "unsere Bündnispflicht zu erfüllen, müssen es aber ablehnen, uns von Wien leichtfertig und ohne Beachtung unserer Ratschläge in einen Weltbrand hineinziehen zu lassen."
Ist das nicht schizophren?
DER SPIEGEL 23/1964 - Jetzt oder nie - Die Julikrise 1914

Auch würde mich generell interessieren, warum es solch eine Haßpropaganda gegen England gab. Wegen der Seeblockade?
Gott strafe England - Wikipedia, the free encyclopedia

Wie groß war der Einfluß der Zentralstelle zur Erforschung der Kriegschuldfrage in der Weimarer Republik?
Centre for the Study of the Causes of the War - Wikipedia, the free encyclopedia

(Ich weiß, viele englischsprachige Verweise heute, ich konnte allerdings nicht so viel auf deutsch finden, für Verweise und Buchempfehlungen wäre ich dankbar.)
 
[...]
Auch würde mich generell interessieren, warum es solch eine Haßpropaganda gegen England gab. Wegen der Seeblockade?
Gott strafe England - Wikipedia, the free encyclopedia
[...]

Das betriff doch mehr den Zeitraum nach Kriegsbeginn. Die Engländer waren sehr schnell dabei, eine Blockade zu errichten. Ich würde hier nicht die Seeblockade im Vorfeld der Deutschen Seite betrachten, sondern hier haben wir es mit immer währenden Angst der Briten einer Invasion zu tun. Das die kaiserliche Marine allerdings mit der neuen Waffe des Ubootes gegen die "völkerrechtswidrige" Blockade, ebenfalls zu "völkerrechtswidrigen" Mitteln griff, konnte von den Engländern nicht vorhergesehen werden. Doch wurde diese neue offensive Art der Kriegsführung (Ubootkrieg) gegen die Zivilbevölkerung sehr gut als Haßpropaganda gegen das DR genutzt. Das die Blockade sich auch gegen die deutsche (und nicht nur die, auch anderer Nordseeanrainer waren betroffen) Zivilbevölkerung richtet wurde nur nebensächlich bewertet.

Hier eine Aussage mit klarer Ansage:
Mr. Runciman und Mr. Hurst, Justitiar im Foreign Office, haben Kröller erklärt, daß Deutschland ausgehungert werden müsse und wenn der Krieg drei Jahre dauert.
Carl Gneist, 3.September 1914

Link:http://www.geschichtsforum.de/f62/die-britische-fernblockade-1914-1918-a-20564/
 
Warum hat die Regierung der Deutschen Reiches die Vermittlungsvorschläge Großbritanniens/Botschafterkonferenz abgelehnt?

Da man den Krieg deutscherseits wollte, war eine Botschafterkonferenz kontraproduktiv. Allein die Kürze der Zeit zählte denn man hoffte die moralische Entrüstung ob des Attentats auf den österreichischen Erzherzogs in Europa hochzuhalten um Verständnis für das österreichische Vorgehen gegen Serbien zu erlangen. Durch eine langwierige Konferenz wäre eine nachfolgende "Handlung im Affekt" Österreich-Ungarns unglaubwürdig erschienen.

Bethmanns Ziel war es, Russland als "Verursacher" dastehen zu lassen um im Deutschen Reich "Geschlossenheit" für den Krieg zu erreichen. Dabei war sein Augenmerk auf die Sozialdemokraten gerichtet, deren Haltung zum Krieg (Zustimmung zu den Kriegskrediten im Parlament!) im großen Maße davon abhängig war ob man als Angreifer oder Angegriffener dastand! In diesem Sinne sollte Österreich-Ungarn nach Aussen Flexibilität zeigen die es eigentlich nicht hatte, es ging also um "großes Theater"

Siehe: "Der Sprung ins Dunkle", Dr. Dieter Hoffmann, Militzke Verlag, 2010
 
Das Deutsche Reich wollte vermeiden, besser dass das Auswärtige Amt und der Reichskanzler, dass es in Zuge einer Botschafterkonferenz der lokale Krieg zwischen Österreich-Ungarn und Serbien verhindert werden würde. Dieser Krieg war aus Sicht dieser Herrschaften dringend erforderlich, um Österreich-Ungarn außenpolitisch zu stärken, aber auch innenplitisch bei den zahlreichen Konflikten des Vielvölkerstaates nicht unwillkommen.

Eine Verhinderung des Krieges gegen Serbien würde zum einem Österreich-Ungarns Großmachtposition weiter schwächen und die Entente stärken. Zur Realisierung der Vermittlung wäre ein Fristverlängerung des Ultimatums erforderlich gewesen und genau hierüber hatte Jagow Österreich-Ungarn ganze zwei Stunden vor Ablauf in Kenntnis, ohne jegliche deutsche Unterstützung, gesetzt gehabt.

Allerdings ist auch anzumerken, dass Grey sein Vermittlungsvorschlag eine Kröte für die Deutschen enthielt. Russland sollte es während des Vermittlungsverfahrens nicht an einer Mobilmachung gehindert werden. Damit würde das Deutsche Reich den Vorteil seiner schnellen Mobilmachung verlieren. Dies hat Lichnowsky in seiner Depesche unterschlagen.

Am 26.Juli erfolgte Greys zweiter Vorschlag. Eine Viermächtekonferenz zwischen Italien, Frankreich, Großbritannien und dem Deutschen Reich sollte die Krise beheben. Erneut lehnte das Deutsche Reich ab. Bethmann kabelte an Lichnowsksy:“ An einer solchen Konferenz können wir uns nicht beteiligen, da wir Österreich nicht vor ein europäische Gericht ziehen können. (1)

Als Wilhelm II. Kenntnis von der serbischen Antwortnote bekam und er auf die britische Vermittlung eingehen wollte, wurde vom Auswärtigen Amt alles getan, um den Krieg zu bekommen. Wilhelm wurde hier ganz klar von Bethmann und Jagow ausgebremst.

Des Weiteren ist darauf hinzuweisen, das Frankreich den ersten Vermittlungsvorschlag Großbritanniens abgelehnt hatte.

(1) Julikrise, Dokument 96
 
Am 26.Juli erfolgte Greys zweiter Vorschlag. Eine Viermächtekonferenz zwischen Italien, Frankreich, Großbritannien und dem Deutschen Reich sollte die Krise beheben. Erneut lehnte das Deutsche Reich ab. Bethmann kabelte an Lichnowsksy:“ An einer solchen Konferenz können wir uns nicht beteiligen, da wir Österreich nicht vor ein europäische Gericht ziehen können.

Der Vorschlag war vermutlich unausgegoren, kam von Nicolson, der selber nicht an die Wirksamkeit glaubte. Die Grundidee war, die (aus britischer Sicht vermeindlichen) Streithähne auszugrenzen, der Unterstützung zu berauben bzw. zu isolieren, und damit die Krise zu meistern.

Der Augenblick war voll Dramatik. Am 24./25.71914 glaubte man in London, diese Krise ähnlich wie die vorhergehenden zu meistern, bzw. man wähnte sich sogar schon über den Berg (Vansittart). am 26.7.1914 kippte dieses Kartenhaus zusammen, und man wechselte ins andere Extrem: der Krieg könne nur noch mit massiven Mitteln verhindert werden.

Nicolsons Vorschlag einer Konferenz in London DEU/ITA/FRA/GB war eine Notlösung, um der massiven Reaktion (glasklare Drohung) auszuweichen. Diese hätte darin bestanden, dem Deutschen Reich eindeutig und abschreckend den britischen Kriegseintritt an der Seite FRA/RUS zu verstehen zu geben. Ziel: Verhinderung des Krieges, indem DEU seinen Bündnispartner in der Krise zurückpfeifen würde. Seinerseits wurde man in London von FRA gedrängt, eine Unterstützungszusage abzugeben, der man sich entzog. Dieses blieb recht folgenlos, während eine andere Gesprächsebene mit RUS als explosiv eingeschätzt wurde: man befürchtete, im Fall der Zurückweisung auch des massiven Drängens von Rußland auf britische Unterstützung in Konfrontationszeiten vor 1907 zurückzufallen. Diese "russische Drohung" war letzlich entscheidend für die globale Macht Großbritannien: man schwenkte - um einen Bruch mit Petersburg zu vermeiden - auf die Konfrontationslinie mit dem Deutschen Reich, um den Krieg zu verhindern, bei gleichzeitigem Erhalt der alten Abkommensstrukturen. Die Entscheidung war damit gefallen, aber die Konsequenz wurde zu weich verfolgt. Lediglich die indirekte Warnung an Berlin und Wien (umgekehrt das weiche Signal an Paris und Petersburg) wurde publiziert: Churchill hatte die Flotte in Bereitschaft versetzen lassen.

Diese auch ausdeutbare "Warnung" wurde indes nicht verstanden.
 
Auch würde mich generell interessieren, warum es solch eine Haßpropaganda gegen England gab. Wegen der Seeblockade?

Das ist in der Tat ein erstaunlicher Ablauf ab 1914, da man doch eher eine "Hasspropaganda" gegen den erklärten "Erbfeind" Frankreich hätte erwarten können.

Tatsächlich konzentrierte sich die öffentliche Meinung und Presse in Deutschland schon vor der Blockade mit dem Kriegsausbruch auf Großbritannien.

Einige Hinweise, trotz zT abweichender Thematik hier:
Wittek, Thomas: Auf ewig Feind? Das Deutschlandbild der britischen Massenmedien nach dem Ersten Weltkrieg
Geppert, Dominik: Pressekriege - Öffentlichkeit und Diplomatie in den deutsch-britischen Beziehungen 1896-1912
Schramm, Martin : Das Deutschlandbild in der britischen Presse 1912-1919
Rosenberger, Bernhard: Zeitungen als Kriegstreiber? - Die Rolle der Presse im Vorfeld des Ersten Weltkrieges
 
Auch würde mich generell interessieren, warum es solch eine Haßpropaganda gegen England gab. Wegen der Seeblockade?

In den Jahren unmittelbar vor dem Krieg hatte es eine scheinbare Entspannung im Verhältnis zwischen dem Deutschen Reich und Großbritannien gegeben. Sowohl die deutsche politische Führung als auch die deutsche Öffentlichkeit an sich hatten nicht erwartet, dass Großbritannien sich aktiv an einem Krieg beteiligen würde. Der Kriegseintritt wurde aufgrund dieser gravierenden Fehleinschätzungen demzufolge als hinterhältiger Verrat betrachtet. Während Russland und Frankreich schon lange als wahrscheinliche Feinde feststanden, konzentrierte sich der Unmut also vor allem auf das vermeintlich heimtückische England. Die Seeblockade und weitere Ereignisse während des Krieges verstärkten diese Haltung dann nur noch.
 
Weshalb war deiner Einschätzung nach die Entspannung zwischen Großbritannien und dem Deutschen Reich nur scheinbar?
 
Tatsächlich konzentrierte sich die öffentliche Meinung und Presse in Deutschland schon vor der Blockade mit dem Kriegsausbruch auf Großbritannien.

Aber sicher nicht im Zusammenhang einer Seeblockade. Die Seeblockade war bis zuletzt von der deutschen Admiralität im Raum um Helgoland erwartet und dagegen war die Hochseeflotte sehr gut aufgestellt.
Würde die deutsche Presse dieser Haltung der Militärs mit einer weiten Blockade, gegen die die Hochseeflotte machtlos war, untergraben? Ich glaube nicht, denn damit würde die Presse der Admiralität versagen in der gesamten Flottenpolitik unterstellen. Da Tirpitz selbst als einer der ersten "Propagandaminister" galt und die Medien dafür wohl zu nutzen wusste, wird der Hass gegen die Engländer auf einer anderen Basis geschürt.
 
Aber sicher nicht im Zusammenhang einer Seeblockade.

Genau. Propagandistisch war Großbritannien der "Hauptgegner" ab Kriegseintritt.

Wohl die Folge hieraus:
"Der Endkampf der Slawen und Germanen findet die Angelsachsen auf der Seite der Slawen und Gallier." (BA_MA N159, Nr. 4 Müller vom 8.12.1912 - zum "Kriegsrat" von Wilhelm II. am 8.12.1912)
Ceterum censeo Britannia esse delendam (Wilhelm II, 1885)
 
Genau. Propagandistisch war Großbritannien der "Hauptgegner" ab Kriegseintritt.

Ab Kriegseintritt?

In dem "Emser Memorandum" von 1897, gibt es einen Artikel von Tirpitz über "Allgemeine Gesichtspunkte bei der Feststellung unserer Flotte nach Schiffsklassen und Schiffstypen".
In dieser Schrift wird zum ersten mal die Gegenerschaft Englands in die weltpolitischen Optionen der kaiserlichen Marine eingefügt, zusätzlich werden die prinzipiellen Konstruktionsanforderungen für die großen Kampfschiffe im Rahmen der anvisierten Flottengesetzorganisation:

"Die militärische Situation gegen England erfordert Linienschiffe in so hoher Zahl wie möglich [Artikel 6]....Die Linienschiffe unserer Geschwader müssen für den Kampf in der Linie geeignet sein, dazu gehört vor allem gute Drehfähigkeit, schwere Artillerie und ein so starker Panzer, daß das Durchsieben verhindert wird. In der Größe der Linienschiffe werden wir wegen der Kosten und wegen der Tiefenverhältnisse unsrerer Gewässer zweckmäßig nicht weiter gehen, als eine gute Geeignetheit für den Kampf in der Linie bedingt [Artikel 8]."

Quelle: Linienschiffe der Kaiserlichen Marine 1906-1918 / A. Grießmer
 
Die letzten Jahre vor dem Ersten Weltkrieg waren durch erhebliche Spannungen und schließlich kriegerische Auseinandersetzungen auf dem Balkan geprägt. Seit 1912 wurde das wieder erstarkte Russland international wieder als Weltmacht wahrgenommen. Das Gefasel von germanisch-slawischem Endkampf nahm zu.

Das Deutsche Reich nahm Russland als ernste Bedrohung wahr. Grundlage hierfür waren die gewaltigen russischen Rüstungen und der Eisenbahnbau, der in absehbarer Zeit einen erfolgreichen und vor allem offensiv geführten Krieg nicht mehr ermöglichen würde. Russland hat entsprechend seiner zurückgewonnen Stärke seine Interessen auf dem Balkan massiv wahrgenommen. Die Balkankonflikte konnten nicht zuletzt durch die konstruktive und kooperative Zusammenarbeit zwischen Großbritannien und dem Deutschen Reich lokal beschränkt bleiben. Ein europäischer Flächenbrand unterblieb.

Ohnehin ist festzuhalten, dass die Beziehungen zwischen Großbritannien und dem Deutschen Reich in den letzten Jahren vor dem Krieg sich deutlich entspannt hatten. Das leidige Thema der Bagdad Bahn war vom Tisch, kolonialpolitisch gab es keine wesentlichen Reibungspunkte mehr , die Unterhauswahl im Jahre 1910 gewann die Liberalen erneut und damit blieb auch der Freihandel erhalten. Über den Flottenbau sprach man nicht mehr, sondern ließ dieses Problem erst einmal ruhen.

Das Tirpitz die Flotte gegen Großbritannien baute, hat m.E. nach aber nicht dazu geführt, das in den Jahren vor dem Krieg Großbritannien Feind Nr.1 war.

Auch die Beziehungen zu Frankreich entspannten sich nach der 2. Marokkokrise merklich.
 
[...]
Das Tirpitz die Flotte gegen Großbritannien baute, hat m.E. nach aber nicht dazu geführt, das in den Jahren vor dem Krieg Großbritannien Feind Nr.1 war.
[...]

Da gebe ich dir Recht, der Flottenbau wurde in dem Zusammenhang insgesamt seit den Gesetzen von 1899 überbewertet. Doch nicht zu verachten ist die Situation nach der neuen Runde im Flottenwettrüsten ab 1906, in der das DR auch aus Sicht der englischen Bevölkerung und Presse immerwieder durch seine Flottenrüstung den Zorn auf sichzieht. Es sei der Naval Scare von 1909 genannt.

http://de.wikipedia.org/wiki/Naval_Scare_von_1909
 
Mein Interesse lag auf der Beobachtung, dass sich die "Haßpropaganda" mit Kriegsausbruch auf England konzentrierte (und nicht, wie man erwarten könnte, auf Frankreich und Russland).

Naja, da wäre dann auf jeden Fall der Zusammenhang mit der See- und Wirtschaftsblockade zu suchen. Während die deutschen Soldaten gegen die Franzosen und Russen an regulären Fronten kämpften, war der Krieg gegen England durch ebend diese Blockade durch einen Krieg gegen die Zivilbevölkerung gekennzeichnet. Aber diese Haßpropaganda aus dieser neuen Art des Volkskrieges beruhte dann ja auch auf Gegenseitigkeit.
Aber dennoch sollte diese Problematik schwer von dem Verhalten der Bevölkerung Englands und Deutschlands vor Aug 1914 getrennt werden.
 
Naja, da wäre dann auf jeden Fall der Zusammenhang mit der See- und Wirtschaftsblockade zu suchen.

Das könnte sein, aber das ist eben nur eine Vermutung. Das wäre am frühen Verlauf des Kriegs zu überprüfen.

Wobei die Bevölkerung/Öffentlichkeit auch nicht durchschauen konnte, dass die späteren Nahrungsmittelprobleme mehr dem Thema "Kanonen statt Butter", Fehlsteuerungen in der Bewirtschaftung etc. als der britischen Blockade selbst geschuldet waren.

siehe:
http://www.geschichtsforum.de/f62/m...as-manhattan-projekt-des-1-weltkrieges-34445/
 
Wobei die Bevölkerung/Öffentlichkeit auch nicht durchschauen konnte, dass die späteren Nahrungsmittelprobleme mehr dem Thema "Kanonen statt Butter", Fehlsteuerungen in der Bewirtschaftung etc. als der britischen Blockade selbst geschuldet waren.

Dazu kann nur gesagt werden, daß die Presse, zu der Zeit stärkstes Medium für die Öffentlichkeit, sicherlich nicht objektive Berichterstattung leistete. Um hier die Bevölkerung klarheit zu verschaffen, war es einer starken Opposition nötig. Die SPD war aber zu Kriegsbeginn doch mit im Boot. Die Länge des Krieges gab dann die Möglichkeit eines Widerstandes gegen den Krieg und öffnete so nach und nach er Bevölkerung die Augen. Wann war das, so ab 1916?

Am Anfang haben alle Hurra geschrien...
 
Weshalb war deiner Einschätzung nach die Entspannung zwischen Großbritannien und dem Deutschen Reich nur scheinbar?

Weil die britische Führung weiterhin um militärische Geheimabkommen mit Frankreich und Russland bemüht war, die zwangsläufig gegen das Deutsche Reich gerichtet sein mussten, und dann bei Kriegsbeginn auch recht schnell die Entscheidung zum Kriegseintritt traf. Teile der britischen Führung mögen durchaus an einer echten Entspannung interessiert gewesen sein, aber die Kriegspartei blieb weiterhin sehr einflussreich und setzte sich schließlich ohne großen Widerstand durch.
 
Weil die britische Führung weiterhin um militärische Geheimabkommen mit Frankreich und Russland bemüht war, die zwangsläufig gegen das Deutsche Reich gerichtet sein mussten,

Es wäre reichlich weltfremd, für eine "echte" Entspannung in der Praxis der Verträge die Aufgabe anderweitiger, im Kern durch die globale Machtpolitik begründete Absprachen zu verlangen. Das wäre auch keine "Entspannung" mehr, sondern Seitenwechsel.

In die Aufgabe der Splendid Isolation ist GB förmlich hineingezwungen worden. Wie man den Absprachen GB/Fra bzgl. militärischer Zusammenarbeit entnehmen kann, waren diese a) defensiv gegen einen potenziellen Aggresspr DEU b) bis zuletzt unverbindlich bzgl. GB, das sich jede Entscheidung explizit vorbehalten hat.



Teile der britischen Führung mögen durchaus an einer echten Entspannung interessiert gewesen sein, aber die Kriegspartei blieb weiterhin sehr einflussreich und setzte sich schließlich ohne großen Widerstand durch.

Die britische "Kriegspartei" setzte zunächst einmal und als notwendige Vorbedingung den deutschen "Kriegserklärer" und Neutralitätsverletzer voraus. Leider war man in GB bis in die letzte Vorkriegszeit-Krisenwoche hinein politisch zu schwach, und damit ist vermutlich diese "Kriegspartei" gemeint, a) dem Deutschen Reich eine unmissverständliche Kriegswarnung zwecks Abschreckung zukommen zu lassen, noch b) intern direkt oder über den abhängigen Verbündeten FRA Entsprechendes an Russland.
 
Devin Cant schrieb:
Weil die britische Führung weiterhin um militärische Geheimabkommen mit Frankreich und Russland bemüht war, die zwangsläufig gegen das Deutsche Reich gerichtet sein mussten

Wenn du auf die Marinekonvention zwischen Russland und Großbritannien anspielst, ist darauf hinzuweisen, das Großbritannien der Getriebene und ganz gewiss nicht der Initiator war. Nur:Großbritannien war in Fernost auf Russland angewiesen und konnte es sich nicht so ohne weiteres leisten, die Russen zu brüskieren. Das Großbritannien aber nicht bereit war, seine Partner in Stich zu lassen, das wußten die Deutschen; spätestens und endgültig seit dem Scheitern der Mission Handanes. Der britische Außenminister hatte sein Interesse an guten Beziehungen zum Deutschen Reich, aufgrund seiner veränderten Haltung, verdeutlicht. Das bedeutete aber noch lange nicht, das er dafür bereit war, seine Partner und Quasiverbündeten im Stich zu lassen. Das wäre aus britischer Sicht auch nicht gerade klug gewesen.

Devin Cant schrieb:
Teile der britischen Führung mögen durchaus an einer echten Entspannung interessiert gewesen sein, aber die Kriegspartei blieb weiterhin sehr einflussreich und setzte sich schließlich ohne großen Widerstand durch.

Das britische Kabinett hat in der Julikrise lange um eine Entscheidung gerungen. Den Ausschlag hat letzten Endes der deutsche Einmarsch, übrigens ein glatter Bruch des Völkerrechts, gegeben. Sicher wäre es sehr hilfreich gewesen, wenn sich Großbritannien früher unmissverständlich erklärt hätte.
 
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