Hindenburg Biographie

de Ponte

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Hallo! Hat jemand von euch die Hindenburg-Biographie von Wolfram Pyta gelesen? Ich bin grad durch.
Was haltet ihr von dem Theorie der " charismatischen Herrschaft "?
Sollte man es nicht deulicher Massenhysterie oder Führerkult nennen?
 
Welche Gründe werden von dem Autor angeführt, dass es eine charismatische Herrschaft war.

Und aus welchen Gründen würdest Du dieses Konstrukt ablehnen und den Begriff des "Führerkults" für relevanter erachten?
 
Nunja Führerkult halte ich ein wenig übertrieben.

Weder das Militär wurde auf ihn vereidigt noch war z.B. sein Geburtstag offizieller Feiertag im Reich.

Charismatisch...ich sage mal so, er sprach einen Großteil der Bevölkerung sicherlich an und war relativ beliebt.
 
Nunja Führerkult halte ich ein wenig übertrieben.

Weder das Militär wurde auf ihn vereidigt noch war z.B. sein Geburtstag offizieller Feiertag im Reich.
Wie auch immer die Argumentation pro Führerkultthese ist, das ist doch als Argumentation contra Führerkultthese ein wenig dürftig.
 
Hindenburg füllte anscheinend die Lücke, die Bismarck hinterlassen hat und die Wilhelm II nicht ausfüllen konnte. Er erzeugte- auch durch geschickte Selbstinszenierung- Hingabe und Verehrung für seine Person.
Mit charismatischer Herrschaft wird gemeint, dass eine Person ohne förmliches Amt und ohne geregeltes Verfahren Herrschaft ausübt, die auf seine Person zugeschnitten ist.
Klingt für mich einigermaßen nachvollziehbar, aber es bleibt doch ein gewisses Unbehagen.
 
Den Begriff "Führerkult" in Bezug auf Hindenburg halte ich tatsächlich für unzutreffend.
Was man ihm auch immer vorwerfen mag, ein Egomane war er mit Sicherheit nicht,
Führerkult passt auch besser zu totalitären Sytemen, die der erzkonservative Monarchist und Protestant Hindernburg sicherlich nicht anstrebte.
 
Ich vermute, die Ausgangsfrage bezieht sich nicht auf die führende Funktion, die Hindenburg in der OHL innehatte (zusammen mit Ludendorff), sondern auf seine Rolle im Nachkriegsdeutschland. Und dafür scheint mir der Hinweis auf Wilhelm II. schon wichtig zu sein. Für ein Volk, das einen Weltkrieg verloren hatte, dessen Monarchen abgedankt waren, das Bürgerkrieg und innenpolitische Konfrontationen mitmachen musste, war Hindenburg durchaus eine charismatische Gestalt. Als "Held von Tannenberg" verkörperte er die Rolle der heldenhaften Vergangenheit, sein Alter und Auftreten erinnerte an Wilhelm I. Seine Wahl zum Staatspräsidenten einte Monarchisten und Republikaner und machte ihn quasi zu einer Art "Ersatzkaiser".
 
Hindenburg füllte anscheinend die Lücke, die Bismarck hinterlassen hat und die Wilhelm II nicht ausfüllen konnte.
Das würde ich auch so sehen, ergänzt um die Frage: bei wem?

Er erzeugte- auch durch geschickte Selbstinszenierung- Hingabe und Verehrung für seine Person.
Musste er angesichts der Lücke "inszenieren"? Der Bedarf nach dem anscheinend tadellosen, dienenden Militär - zugleich ein Sinnbild für Ordnung und für das verlorene Reich - war doch gegeben. Hinzu kam der Tannenberg-Mythos (zugegeben in einer gewissen Parallele wie bei Scheer: erfolgreich, aber nicht für das Deutsche Reich kriegsentscheidend, sondern nur kriegsverlängernd - der Skagerrak-Mythos war allerdings durch die "Versunkene Flotte" überlagert).

Mit charismatischer Herrschaft wird gemeint, dass eine Person ohne förmliches Amt und ohne geregeltes Verfahren Herrschaft ausübt, die auf seine Person zugeschnitten ist.
Hier liegt eine gewisse Dynamik. Während die ersten Jahre eher von "Repäsentanz" geprägt waren, wurde Hindenburg dann via Verfassung und politischer Realität zur Schlüsselfigur. Die Umstände und die Person gehören mE zusammen und können nicht voneinander getrennt werden, wenn auf die "Herrschaft" abgestellt wird.
 
Die Inszenierung begann ja schon während, praktisch nach Tannenberg, des Weltkrieges, als der Wilhelm noch das Staatsoberhaupt war.

Stimmt, aber ich meinte das im anderen Sinne, im Passiv: er wurde inszeniert, und von gewissen Kreisen als Hoffnungsträger für das "Weimarer Tannenberg" überhöht. Halb schob man ihn, halb sank er hin. :devil:
 
Hindenburg-Biographie

Gut, Führerkult ist tatsächlich nicht ganz zutreffend.
Der Hindenburg-Mythos begann aber gleich nach Tannenberg und Hindenburg selbst tat ja alles, um diesen am Leben zu erhalten. Er hatte die volle Kontrolle über alles, was geschrieben, gedruckt und gemalt wurde. Er hatte mit Prof.Vogel so eine Art Hofmaler. Seine Geburtstage waren beinahe Staatsfeiertage.In seinen eigenen Schriften verstand er es auch geschickt, Dinge so darzustellen, dass sein Mythos nicht beschädigt wird.
So wurde er wohl zum fast unantastbaren Symbol für nationale Einheit und Stärke.
 
Die Inszenierung begann ja schon während, praktisch nach Tannenberg, des Weltkrieges, als der Wilhelm noch das Staatsoberhaupt war.

Sicher ist auf jeden Fall, dass Hindenburg durch die Siege bei Tannenberg und an den Masurischen Seen zum volkstümlichsten Heerführer des Krieges avancierte. Eine Randnotiz ist, dass schon 1915 die Stadt Zabrze in Oberschlesien nach ihm umbenannt wurde.

Ich bin der Ansicht, dass er zunächst unfreiwillig in bestimmte Positionen geschoben wurde und zwar von Kräften, die sich seine Popularität zu nutze machten. Immerhin wurde er gegen seinen Willen nach dem Tod Eberts als Kandidat der Rechtsparteien im zweiten Wahlgang zum Reichspräsidenten gegen Marx gewählt, aber die Eitelkeit wird schließlich gesiegt haben. Und auch Hitler nutzte bekanntlich Hindenburgs Popularität geschickt für sich aus, wofür der "Tag von Potsdam" nur ein Beispiel ist.

Letztlich war seine schon im Krieg überschätzte soladtische Natur der ihm aufgedrungenen politischen Aufgabe insgesamt nicht gewachsen und wenn man hinter die Kulissen sieht, so benutzten ihn viele als Marionette für eigene poltische Ziele.
 
Schon richtig. Eingangs hat Hindenburg den Rummel um seine Person eher als lästig empfunden. Er ließ das nur über sicher "ergehen, weil dabei auch noch Geld für karitative Zwecke floß. Das hat sich aber schnell geändert. Ohnehin spielten viele Aspekt eine Rolle. Das war die miserable Öffentlichkeitsarbeit des Heeres, Hindenburg übernahm diese sehr erfolgreich für seine person in eigener Regie. Viele Künstler, hier die Maler, haben durch den Krieg ihre Arbeit verloren und sahen in dem frisch gebackenen Feldmarschall, Hindenburg wurde im November 14 befördert, eine hervorragend geeignetes Objekt. Und der Rummel begann auch sich zu verselbsständigen. Es gab Hindenburg Zigarren, Heringe, Schuhe, Kuchen etc.etc. .

Sehr schnell begann Hindenburg aber sich selbst zu inszenieren und fand in Vogel einen geeigneten Partner. Es ist schon interessant, das fast der ganze Ruhm im osten HIndenburg zugeschrieben wurde, obwohl er eigentlich wohl nur einen sehr geringen Anteil hatte. Zu nennen sind hier eher Ludendorff und Mackensen. Und diejenigen die es besser wußten, hielten lange Zeit den Mund.
 
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