Literatur zur Verstaatlichung der Eisenbahn in den 1880ern

Kazander21

Neues Mitglied
Liebe Forumuser,

ich suche momentan nach Literatur zur Verstaatlichung der Eisenbahnen in Deuthschland beginnend in den 1880ers. Dabei interessiert es mich vor allem wie zuvor private Eisenbahnen verstaatlicht wurden und warum dies zu einer Kapitalschwemme in Deutschland führte.

Boris Barth, Die Hochfinanz und die Imperialismen gibt an, dass binnen weniger Jahre 1 Milliarde Mark in Umlauf kamen, welche dann vor Allem im Ausland investiert wurden. Allerdings gibt er für die Zahl keine genaue Quelle an. Er erklärt auch nicht wie das Geld in Umlauf kam. Wurden die privaten Bahnen aufgekauft? Sorgte dies für die Kapitalschwemme?

Ich wäre auf jeden Fall für jede Literaturempfehlung dankbar. Vielen Dank!
 
Ich kenne das Werk von Barth nicht, könnte es aber sein, dass du hier etwas fehlinterpretierst?

Grundsätzlich waren die Privatbahnen - da sehr kapitalintensiv - fremdfinanziert, was regelmäßig auch über Auslandskredite finanziert wurde. Das brachte in seiner Konsequenz mehr Geld in den Umlauf.

Es gab immer wieder Versuche, die entstehenden Eisenbahnen zu verstaatlichen. In einigen der deutschen Länder gab es überwiegend Staatsbahnen (etwa im Königreich Bayern), wohingegen es in anderen Ländern überwiegend Privatbahnen gab (etwa im Königreich Preußen). Es gab zwar immer wieder Ansätze, die Eisenbahnen zu verstaatlichen, mit Gründung des Deutschen Reiches war die Eisenbahn schlussendlich aber Ländersache, lediglich der Rechtsvorgänger des Eisenbahnbundesamtes wurde als oberste Aufsichtsbehörde geschaffen.

Interessant für deine Fragestellung ist ggf. Gall/Pohl - Die Eisenbahn in Deutschland.
 
ich suche momentan nach Literatur zur Verstaatlichung der Eisenbahnen in Deuthschland beginnend in den 1880ers. Dabei interessiert es mich vor allem wie zuvor private Eisenbahnen verstaatlicht wurden und warum dies zu einer Kapitalschwemme in Deutschland führte.

Also ein erste Blick aufs Netz zum Thema Verstaatlichung der Bahngesellschaften im Deutschen Reich nach 1871 zeigt auf, daß es diese nicht gab. Die Verstaatlichung der Länderbahnen wurde erst nach dem Ende des 1. Weltkrieges möglich.

Siehe auch als erste Anlaufstelle zum groben Überblick folgende Infos aus:
https://de.wikipedia.org/wiki/Deutsche_Reichsbahn_%281920%E2%80%931945%29#Geschichte
https://de.wikipedia.org/wiki/Gesch...Deutschland#L.C3.A4nderbahnzeit_1871_bis_1920
 
Also ein erste Blick aufs Netz zum Thema Verstaatlichung der Bahngesellschaften im Deutschen Reich nach 1871 zeigt auf, daß es diese nicht gab. Die Verstaatlichung der Länderbahnen wurde erst nach dem Ende des 1. Weltkrieges möglich.
Falsch!

Die Länderbahnen gehörten den Ländern, d.h. sie waren staatlich. Die "Verreichlichung" der Eisenbahnen 1920 bedeutete nur die Überführung von Eigentum der Länder an das Reich.

1880 gab es in Preußen zum Stichtag 1. Januar die Verstaatlichung der drei wichtigen Gesellschaften der Rheinischen, Köln-Mindener und der Magdeburg-Halberstädter Eisenbahnen. Bereits 1878 wurde aus der Minderheitsbeteiligung an der Berliner Stadtbahn eine 100%-Übernahme (nach Pleite), 1884 folgte noch die Berlin-Hamburger Eisenbahn und in den nächsten Jahren noch etliche weitere Privatbahnen. Innerhalb weniger Jahre erhöhte sich der staatliche Anteil am Eisenbahnnetz in Preußen von einem Drittel auf über 90%, darunter alle Hauptstrecken.

@Kazander: Für das Stichjahr 1880 sollte etliches an Literatur in Büchern und Arbeiten über die Preußischen Staatseisenbahnen enthalten sein. Bei den anderen Ländern kenne ich mich nicht so gut aus.
 
Wenn man das Beispiel der Köln-Mindener nimmt, sollte man sich unbedingt die Gesetzestexte zur Schaffung des Reichsverwaltungsamtes für die Eisenbahnen und das "Verstaatlichungs-"Gesetz 1879 anschauen.

Wie Solwac richtig schreibt, gingen da Anteilsübernahmen voraus. Am Beispiel der Köln-Mindener sieht man, dass 1879 bereits über 76 % Anteilsquote erreicht waren. Der Streubesitz umfasste zusammengenommen nicht einmal die Quote für eine Sperrminorität.

Da - vorbehaltlich Prüfung des Gesetzestextes - das Gesatz von 1879 die Übernahme der Aktiva und Passiva des Eisenbahnbetriebes vorsah, sowie die Übernahme der Eisenbahn-Betriebs- und Streckenführung, gleichzeitig von Kaufpreisen für die restlichen Streubesitzanteile die Rede ist, sieht mir das nach Betriebsübergang im Ganzen bzw. Verschmelzung auf den dann bestehenden (staatlichen) Alleineigentümer aus.

Die Verstaatlichung bestand dann wirtschaftlich betrachtet "lediglich" noch darin, die Verwaltung zu überführen und die private Rechtsform als Betreiber abzulösen.
 
Da - vorbehaltlich Prüfung des Gesetzestextes - das Gesatz von 1879 die Übernahme der Aktiva und Passiva des Eisenbahnbetriebes vorsah, sowie die Übernahme der Eisenbahn-Betriebs- und Streckenführung, gleichzeitig von Kaufpreisen für die restlichen Streubesitzanteile die Rede ist, sieht mir das nach Betriebsübergang im Ganzen bzw. Verschmelzung auf den dann bestehenden (staatlichen) Alleineigentümer aus.

Die Verstaatlichung bestand dann wirtschaftlich betrachtet "lediglich" noch darin, die Verwaltung zu überführen und die private Rechtsform als Betreiber abzulösen.
Jein. Einige der preußischen Strecken wurden später immer noch wie private Bahnen geführt obwohl der Staat 100%iger Eigentümer war.

Zu Beginn gab es in Deutschland zwei Richtungen: Einmal wurden Strecken konzessioniert und dann privat finanziert und gebaut, zum anderen gab es staatliche Unternehmungen. Hier gab es große Unterschiede in den Ländern, teilweise aufgrund von Überzeugungen, meist aber aus wirtschaftlichen Erwägungen. Die Länder hatten nicht das Geld wie die Wirtschaft, dafür interessierte sich die Wirtschaft nicht für die strukturschwachen Gebiete (Überraschung, ist ja heute gaaaanz anders ;)).
Mit den Konzessionen hatte der Staat meist aber auch gewisse Betriebsgarantien gegeben, so dass im Falle von wirtschaftlichen ein Betrieb unter staatlicher Aufsicht und teilweise sogar Verwaltung vorgesehen war.

Nach den ersten Jahrzehnten sah man in Preußen die strategische Bedeutung der Eisenbahn und hatte zunehmend auch das nötige Geld um die Eisenbahnen zu übernehmen. Mit Hilfe von Klauseln der Konzessionen oder bei wirtschaftlichen Problemen im Zuge des Gründerkrachs wurden bereits Anteile erworben (u.a. Stichwort Strousberg). Grund war neben betrügerischen Machenschaften (Strousberg) vor allem die hohe Verschuldung der Eisenbahngesellschaften durch große Investitionen in Infrastruktur und Rollmaterial. Eine weitere Finanzierung über die Börsen war aber in den 1870er Jahren kaum möglich.

Diese Verstaatlichungsperiode betraf vor allem Hauptstrecken, ab 1892 wurde der weitere Ausbau des Netzes in der Fläche durch das Kleinbahngesetz in privater Hand ermöglicht. In Süddeutschland gab es mit der SEG (Süddeutsche Eisenbahngesellschaft) 1895 und der LAG (Lokalbahn-Aktiengesellschaft 1887 eine ähnlich Entwicklung als Ergänzung zum staatlichen Hauptstreckennetz.

P.S. Hintergrund ist die mangelnde Einigkeit der deutschen Länder auf eine Reichseisenbahn. Die 1867 vom Norddeutschen Bund den Einzelstaaten überlassene Hoheit über das Eisenbahnwesen bestand fort und nur in Elsass-Lothringen bildeten die aufgekauften vormals französischen Strecken die Reichseisenbahnen Elsass-Lothringen, die im Betrieb aber preußisch geführt wurden.
 
Ich kenne das Werk von Barth nicht, könnte es aber sein, dass du hier etwas fehlinterpretierst?

Grundsätzlich waren die Privatbahnen - da sehr kapitalintensiv - fremdfinanziert, was regelmäßig auch über Auslandskredite finanziert wurde. Das brachte in seiner Konsequenz mehr Geld in den Umlauf.

Es gab immer wieder Versuche, die entstehenden Eisenbahnen zu verstaatlichen. In einigen der deutschen Länder gab es überwiegend Staatsbahnen (etwa im Königreich Bayern), wohingegen es in anderen Ländern überwiegend Privatbahnen gab (etwa im Königreich Preußen). Es gab zwar immer wieder Ansätze, die Eisenbahnen zu verstaatlichen, mit Gründung des Deutschen Reiches war die Eisenbahn schlussendlich aber Ländersache, lediglich der Rechtsvorgänger des Eisenbahnbundesamtes wurde als oberste Aufsichtsbehörde geschaffen.

Interessant für deine Fragestellung ist ggf. Gall/Pohl - Die Eisenbahn in Deutschland.

Vielen Dank für all die Antworten. Hier das Zitat aus Bart, Hochfinanz:

"Eine wichtige Voraussetzung für die beginnende Expansion
bildete die zu Beginn der 1880er Jahre auftretende Kapitalschwemme, die
Teil eines westeuropäischen Trends war. Im Reich lag ein Grund hierfür
in der beginnenden Verstaatlichung der Eisenbahnen durch den preußischen
Staat.3 Binnen weniger Jahre wurde mehr als eine Milliarde Mark
freigesetzt, die angesichts deutlich höherer Zinssätze größtenteils im
Ausland angelegt wurde. Der "Kapitalhunger" des Auslandes schuf die
Disposition für die großen Kapitalbewegungen von den europäischen Zentren in die Peripherien.4 Die Verstaatlichungsaktion fiel mit dem ab etwa
1882/83 beginnenden Kapitalexport zeitlich zusammen. Der Kapitalüberschuß
konnte von der deutschen Industrie nicht absorbiert werden. Durch
Konversionen wurden die Zinsraten für deutsche und preußische Staatsanleihen
gesenkt. Deshalb suchten viele Investoren höhere Anleihezinsen,
die sie in den 1880er Jahren vor allem in Rußland fanden. Gelegentlich
kamen aber auch als 'exotisch' eingestufte Wertpapiere an die Berliner
Börse. Das Emissionsrisiko war hoch, da anfänglich nur solche Anleihen
nach Deutschland gelangten, die von der Pariser oder Londoner Finam
abgelehnt wurden: Bei ihnen handelte es sich um keine erstklassigen
Transaktionen. Im Laufe einiger Jahre war offensichtlich geworden, daß
es ohne eigene Vertretungen in Übersee nicht möglich war, große und
profitable Staatsgeschäfte abzuschließen.5 Ende der 1880er Jahre begannen
deutsche Banken ihre Interessensphären abzustecken: 1886 wurden
die Darmstädter Bank in Portugal, 1888 die Deutsche Bank im Osmanischen
Reich, 1888 S. Bleichröder in Mexiko und 1889 die Nationalbank
für Deutschland in Griechenland aktiv." (pp. 25-26).

Deshalb frage ich mich halt was genau der Zusammenhang zwischen Verstaatlichung und Kapitalschwemme ist.
 
Deshalb frage ich mich halt was genau der Zusammenhang zwischen Verstaatlichung und Kapitalschwemme ist.
Die privaten Eisenbahngesellschaften in Deutschland haben sehr viel Kapital aus dem Ausland zur Verfügung gehabt. Dieses Kapital wurde natürlich in dem Maße frei wie Bahnen verstaatlicht wurden. Anstelle also ausländischen Kapitalgebern Dividenden zu zahlen konnten die Staatshaushalte nach ihrer Investition selbst die steigenden Einnahmen verbuchen. Als Konsequenz war also im ausland Kapital auf der Suche nach Anlagen und die Eisenbahn wurde zur großen Stütze der Staatseinnahmen.
 
Die privaten Eisenbahngesellschaften in Deutschland haben sehr viel Kapital aus dem Ausland zur Verfügung gehabt. Dieses Kapital wurde natürlich in dem Maße frei wie Bahnen verstaatlicht wurden. Anstelle also ausländischen Kapitalgebern Dividenden zu zahlen konnten die Staatshaushalte nach ihrer Investition selbst die steigenden Einnahmen verbuchen. Als Konsequenz war also im ausland Kapital auf der Suche nach Anlagen und die Eisenbahn wurde zur großen Stütze der Staatseinnahmen.

Aber Barth spricht von deutschem Kapital, welches frei wird und dann im Ausland investiert werden kann.
 
Aber Barth spricht von deutschem Kapital, welches frei wird und dann im Ausland investiert werden kann.
Sicherlich auch. Denn ein Teil der Investitionen der verstaatlichten Strecken kam ja aus Deutschland. Das dabei frei gewordene Geld hätte natürlich auch wieder komplett in Deutschland angelegt werden können, aber dort waren ja gerade weitere Eisenbahnprojekte mit privater Finanzierung Mangelware geworden. Und eine Investition in weniger attraktive Strecken war nicht lukrativ (mit der Folge der entsprechenden Gesetze in den nächsten Jahren).
 
Jein. Einige der preußischen Strecken wurden später immer noch wie private Bahnen geführt obwohl der Staat 100%iger Eigentümer war.
Die Darstellung bezog sich auf den Überführungsfall Köln-Mindener, dort auf die konkrete Abwicklung nach dem gesetzlichen Kontext, nicht auf sonstige private Bahnen.

Hier das Zitat aus Bart, Hochfinanz:

"Eine wichtige Voraussetzung für die beginnende Expansion
bildete die zu Beginn der 1880er Jahre auftretende Kapitalschwemme, die
Teil eines westeuropäischen Trends war. Im Reich lag ein Grund hierfür
in der beginnenden Verstaatlichung der Eisenbahnen durch den preußischen
Staat.3 Binnen weniger Jahre wurde mehr als eine Milliarde Mark
freigesetzt, die angesichts deutlich höherer Zinssätze größtenteils im
Ausland angelegt wurde. Der "Kapitalhunger" des Auslandes schuf die
Disposition für die großen Kapitalbewegungen von den europäischen Zentren in die Peripherien..."

Deshalb frage ich mich halt was genau der Zusammenhang zwischen Verstaatlichung und Kapitalschwemme ist.

Die Überlegung von Bart geht von der rückläufigen langfristigen Finanzierung in Privatbahnen aus. Das beschreibt insoweit erst einmal nur Fakten, in den 1880ern insgesamt sogar rd. 1,8 Mrd. Mark. Ausweislich der Statistiken entsteht hier zum einen eine Lücke in den rückläufigen Fremdfinanzierungen der Privatbahnen, deren gesamte Verbindlichkeiten allerdings staatlich übernommen wurden. Kapitalfluss = Null. Das diese Fremdverbindlichkeiten aus den Statistiken der Privatbahnen "verschwanden", und nun im Rahmen der staatlichen Einsenbahnen fortgeführt wurden, ist zu berücksichtigen. Wie hoch die teilweisen "Ablösungen" der Fremdfinanzierung gewesen sein könnten, ist den Statistiken nicht zu entnehmen.

Zum anderen handelt es sich um Anteilskäufe. Kapitalflüsse und Umschichtungen entstehen mit Blick auf den alten umlaufenden Aktien insoweit, als Kaufpreise geflossen sind. Die Frage ist, welches Volumen daraus resultierte. Das ist mE unbekannt.

Auf einem völlig anderen Blatt steht die Kapitalbindung in Eisenbahnbetrieben, und die änderte sich durch Verschiebungen auf der Finanzierungsseite nicht, sondern stieg in den 1880ern im gesamten Eisenbahnbereich (inkl. Private) sogar um 3 Mrd. Mark an. Frage ist also, was dieser "Kapitaltausch" von privater durch öffentliche Finanzierung tatsächlich für Folgen hatte.

In Umrissen sind die deutschen Auslandsinvestitionen in Sach- und Finanzkapital statistisch erfasst. Ebenso die ausländischen Investitionen in Deutschland. Wie also kommt Bart hier auf beachtliche Bewegungen, die speziell durch die Überführung privater Eisenbahngesellschaften in Staatsbetriebe bedingt sein sollen.

Wie beschreibt er die "Kapitalschwemme", wie quantifiziert er sie, wie begründet er die Kausalkette in den entsprechenden volkswirtschaftlichen Gesamtrechnungen der Jahre, soweit statistische Daten vorhanden sind?
 
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