Nationalversammlung Paulskirche

Kehrmann

Neues Mitglied
Guten Abend,
ich beschäftige mich gerade mit der Nationalversammlung 1848 in Frankfurt in der Paulskirche.
Die Nationalversammlung hat ja doch schon lange gebraucht eine Verfassung zu erarbeiten,jetzt stellt sich mir die Frage wieso das seine Zeit gebraucht hat.
Ich meine eine gewisse Uneinigkeit und die Masse an Themen sind mir bewusst,ich wüsste jedoch gerne konkrete Themen an denen sich die NV lange aufgehalten hat.
Könnt ihr mir da helfen?
Gruß Jan

P.S. Entschuldigt bitte dass ich mein Anliegen in dieses Unterforum poste,für "die Weimarer Republik" habe ich nicht die erweiterten Rechte!
 
Das ganze würde wohl am besten in den Bereich "Zeitalter der Nationalstaaten passen". Nun die Paulskirchenversammlung musste grundsätzlich drie große Fragenkomplexe klären:

1. Die Grundrechte: Welche Rechte sollen die Bürger haben, wer darf wählen (Zensuswahlrecht also Wahlrecht nach Vermögen oder freies Wahlrecht für alle Männer). Für die Ausarbeitung benötigten die parlamentarisch unerfahrenen Mitglieder der Nationalversammlung vom Mai 1848 bis zum Dezember 1848.

2. Das Staatsgebiet: Das "deutsche" Gebiet erstreckte sich damals nicht nur auf das was wir heute als Deutschland kennne, sondern auch auf Teile Tschechiens, auf das heutige Österreichs und die Gebiete Preußens im Osten. Dabei hatte man das Problem, dass die Territorien der Habsburger nicht nur deutssprachige Gebiete umfassten, sondern auch die jenigen verschiedenster anderer Völker. Diese Gebiete wollte man nicht unbedingt in einem deutschen Nationalstaat haben. Andere "deutsch" Gebiete hingegen waren Teil Dänemarks oder in Personalunion mit Großbritannien verbunden (Kgr. Hannover). Größtenteils gab es zwei große Lösungsansätze, einmal die Großdeutsche Lösung, die alle duetschsprachigen Gebiete umfasst hätte, in einem Föderalen Staat mit zwei Schwerpunkten in Österreich und Preußen, oder aber eine kleindeutsche lösung (für die man sich letztendlich entschied) mit Preußen als "Führungsmacht".

3. Letztendlich musste man man über die Staats- und Regierungsform beraten. Dabei standen von einer föderalen Republik bis zu einer konstitutionellen Monarchie diverse Lösungsvorschläge im Raum. Dazu kam die Wahl des Staatsoberhauptes (österreichischer Kaiser als traditioneller Kaiser des HRRdN bis 1808 oder kleindeutscher preußischer Kaiser oder gar eine Wahlmonarchie?) und schließlich die Strukturierung des politischen Systems.

Die Abstimmung über die Verfassung ging äußerst Knapp aus. 267 Abgeordnete stimmtne für sie und 263 dagegen. Allein das zeigt, wie kontrovers die Verfassung diskutiert wurde.

Einen Punkt möchte ich noch beleuchten: Die Nationalversammlung war 1848 das erste deutsche Parlament, die Abgeordneten waren keine Berufspolitiker wie wir sie heute kennen und man kannte noch keine Organisation in festen Fraktionen. Das erschwert die politische Arbeit massiv.
Dazu war es zu dieser Zeit nicht unüblich, dass die Ausarbeitung einer Verfassung mehrere Jahre brauchte, sofern man wenig Erfahrung mit der Materie hatte. Die französische konstitutionelle Verfassung wurde 1791, also auch zwei Jahre nach dem Ballhausschwur/dem Beginn der Revolution verabschiedet. Die US-Verfassung wurde 1787, also erst 4 Jahre nach dem Sieg und der Unabhängigkeit verfasst. Von daher ist die Dauer eines solchen Vorgangs immer vor dem Hintergrund zu betrachten, dass man eine Verfassung nicht innerhalb von wenigen Wochen oder Monaten schreiben kann, wenn man keine entsprechenden Vorkentnisse hat und dabei über viele fundamentale Punkte diskutieren muss.
 
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P.S. Entschuldigt bitte dass ich mein Anliegen in dieses Unterforum poste,für "die Weimarer Republik" habe ich nicht die erweiterten Rechte!
Nur am Rande: Die Paulskirchenversammlung wäre bei der "Weimarer Republik" noch mehr fehl am Platz. Die WR nennt man so, weil die dazu gehörige Nationalversammlung in Weimar stattfand - 70 Jahre später.

Für die Ausarbeitung benötigten die parlamentarisch unerfahrenen Mitglieder der Nationalversammlung vom Mai 1848 bis zum Dezember 1848.

...Von daher ist die Dauer eines solchen Vorgangs immer vor dem Hintergrund zu betrachten, dass man eine Verfassung nicht innerhalb von wenigen Wochen oder Monaten schreiben kann, wenn man keine entsprechenden Vorkentnisse hat und dabei über viele fundamentale Punkte diskutieren muss.

Selbst der Parlamentarische Rat brauchte 1948/49 ein halbes Jahr für das Grundgesetz. Und das unter günstigeren Bedingungen als du sie für die Paulskirche ganz recht dargestellt hast.
 
Vielen Dank für eure Antworten!
Tut mir Leid dass ich den Thread so fehlplatziert habe,mir ist selber aufgefallen wie schlecht ich das Unterforum gewählt habe ^^

Folglich haben nur 4 Stimmen entschieden ob die kleindeutsche Lösung siegt oder nicht?
Ich überlege gerade was das für Ausnahmen gehabt hätte wenn Österreich zu Deutschland gewählt worden wäre.
Das ist natürlich alles nur reine Spekulation,aber dann hätte doch sogar ein Österreicher Kaiser werden können oder?
Wäre das denn umsetzbar gewesen einen Österreicher an die Macht zu setzen nach den Restaurationsversuchen von Metternich?
 
Nein, die Kleindeutsche Lösung war, spätestens nach der Niederschlagung des Wiener Aufstandes relativ eindeutig, zumal die Großdeutsche Lösung sowieso vonj denen vertretne wurde die ein Wahlkaisertum oder eine Republik forderten.

Was bedeutet hier "sogar"? Die österreichischen Habsburger waren immerhin von 1404 bis 1806 (mit einer Unterbrechung) Kaiser des Heiligen Römischen reiches deutscher Nation, für viele waren die Habsburger die "wahren" deutschen Kaiser, während die Preußenkönige ihren Königstitel außerhalb der Grenzen des ehemaligen HRRdN erhalten hatten.

Das Problem an der Großdeutschen lösung wären halt die Gebiete der Habsburger außerhalb des deutschen sprachraums gewesen. Diese zu integrieren, wäre eine Verwässerung des Nationalstaates gewesen (was man nicht wollte) sie nicht zu integrieren ging aber dem österreichischen Kaiser gegen den Strich, da dieser sein Machtgebiet nicht spalten wollte.
Österreich hörte erst 1866 auf Teil des deutschen politischen Territoriums zu sein, von daher wäre ein habsburgischer Kaiser von Deutschland durchaus möglich gewesen, sofern Preußen akzeptiert hätte. Metternich hingegen konnte mit dne Ideen der Liberalen und Demokratischen Bewegung nichts anfangen und ihm lag deshalb auch die Idee eines deutschen Nationalstaats fern.
 
Selbst der Parlamentarische Rat brauchte 1948/49 ein halbes Jahr für das Grundgesetz. Und das unter günstigeren Bedingungen als du sie für die Paulskirche ganz recht dargestellt hast.

Richtig, ich war auch kurz davor das Beispiel anzubringen, fand es dann aber irgendwie als ob man Äpfel und Birnen vergleichen würde. Die Ausarbeitung einer Verfassung braucht immer Zeit, allein schon, weil ein Werk durchdacht werden will. Fehler in einer Verfassung sind nunmal eine Art Worst Case.
 
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