Sozialpolitik Bismarcks

Siegfried

Neues Mitglied
Guten Abend,

ich komm gleich zur Sache: Ich muss ein Vortrag zu folgender Fragestellung halten: War Bismarcks Sozialpolitik ein gänzlicher Erfolg?

Meine derzeitige Gliederung sieht wie folgt aus:
-Einleitung (Reichsgründung, soziale Frage, Motive Bismarcks)
-Beschreibung der einzelnen Versicherungen
-Fazit

Nun ist mein erstes Problem, dass ich nicht wirklich einen passenden Aufhänger für meinen Vortrag finde. Derzeit hätte ich nur folgendes Zitat von Bismarck: „Mein Gedanke war, die arbeitenden Klassen zu gewinnen, oder soll ich sagen zu bestechen, den Staat als soziale Einrichtung anzusehen, die ihretwegen besteht und für ihr Wohl sorgen möchte“. Jedoch halte ich dies für nicht besonders geeignet in seiner Funktion als Aufhänger. Daher wollte ich fragen, ob ihr vielleicht etwas passenderes kennt? (Vielleicht etwas, das folgendes darstellt: Da Bismarck mit seiner Sozialpolitik seine Ziele nicht erreichte, verlor er gegen Ende das Interesse daran und wickelte die Alters- und Invalidenversicherung nur noch geschäftsmäßig ab. Aber würde mich natürlich auch über andere Ideen freuen.)

Mein zweites Problem ist, dass ich nicht weiß, wie ich die Informationen zu den verschiedenen Versicherungen, am besten rüberbringe. Bisher habe ich zu jeder der Versicherungen einen Fließtext mit den Informationen dazu geschrieben, möchte diesen allerdings nicht einfach runterrattern, da sonst bei den Zuhörern schnell Langeweile aufkommt. Ich suche also eine Möglichkeit, um den Inhalt von z.B. dem "Gesetz betreffend die Krankenversicherung der Arbeiter" nicht langweilig rüberzubringen, ist ja bei so einer Art Auflistung von Fakten nicht besonders leicht.

Mein drittes Problem ist, dass ich durch eigene Recherche keine gute/ passende Fachliteratur, die mir bei meiner Leitfrage weiterhelfen könnte, gefunden habe. Ich hoffe ihr könnt mir auch hierbei weiterhelfen.

Ich wäre für Hilfe sehr dankbar, da ich schon länger an diesen Problemen nage.

Gruß Siggi
 
Zuletzt bearbeitet:
Bismarck spielte bereits sei seiner Ernennung zum preußischen Ministerpräsidenten mit dem Gedanken an soziale Reformen.

Bismarcks Motive waren in einen gewissen Rahmen sozial Gerechtigkeit für die Arbeiter einer sich zunehmenden industrialisierenden Gesellschaft und dann natürlich soziale und politische Stabilität. Natürlich spielte der Kampf gegen die Sozialdemokratie und der Schutz der Monarchie eine nicht unerhebliche Rolle.
 
Ok, danke. Könntest du mir auch bei meinen drei geschilderten Problemen weiterhelfen? Wäre sehr nett.

Gruß Siggi
 
Zum ersten Problem:

Vielleicht kannst du mit dem Begriff Staatssozialismus etwas anfangen und daran deine Fragestellung aufhängen.


Zum dritten Problem:

Ein Gang in die Bücherei hilft.

Folgende Titel sollten die Auskunft erteilen:
Pflanze, Bismarck Band 1
Gall, Bismarck
Steinberg, Bismarck
Engelberg, Bismarck Band 2
Wehler, Deutsche Gesellschaftsgeschichte Dritter Band
Nipperdey, Deutsche Geschichte 1866 - 1918, Band 2
 
Erstmal Danke für die Bücherauswahl.

Wie würdest du das mit dem Staatssozialismus konkret machen? Ich hab mich zwar mit dem Begriff auseinander gesetzt, wüsste jetzt aber nicht, wie ich daran meine Fragestellung aufhängen könnte.
 
Du könntest die Kritik der Liberalen, nämlich das die Sozialgesetze zu freundlich zu den Arbeitern und das diese im Prinzip doch einen Staatssozialismus darstellen, vorstellen und mit anhand deines Vortrages auf die Richtigkeit dieses Vorwurfs überprüfen.
 
Ich bräuchte allerdings etwas, woran ich meine bereits festgelegte Leitfrage (War Bismarcks Sozialpolitik ein gänzlicher Erfolg?) aufhängen könnte. Wüsstest du dazu noch etwas?
 
Die Liberalen waren gegen die staatliche Sozialpolitik, weil sie um die Existenz der genossenschaftlichen Krankenkassen fürchteten, die unter der Ägide der liberalen Gewerkvereine (Gewerkschaften) entstanden waren.

Um 1880 herum wählten immer noch viele Facharbeiter linksliberale Parteien. Die staatliche Sozialpolitik war in den Augen des Freisinns eine Mogelpackung; auf Dauer würden sich die Arbeiter den Konservativen oder den Sozialdemokraten zuwenden - so die Befürchtung linksliberaler Politiker. Der Freisinn sah im Staat immer noch den Überwachungsstaat, der Freiheitsrechte einengt. Dass diese Freiheitsrechte in einem entfesselten Kapitalismus für viele Arbeiter nur auf dem Papier standen, begriffen die Linksliberalen erst später.

Die Erfolge sind mittel- und langfristig deutlich geworden. Der Sozialstaat bismarckscher Prägung schüttete kein Füllhorn an Leistungen aus, signalisierte den Arbeitern aber, dass dieser Staat sich in gewisser Weise um sie kümmerte. Die Unterdrückung und Ausgrenzung der Sozialdemokraten und der Gewerkschaften verhinderte, dass die Sozialpolitik die Arbeiter enger an den wilhelminischen Staat binden konnte.

Bismarck begründete in Deutschland das Prinzip von "Vater Staat" in der Sozialpolitik. Genossenschaftliche Organisationen hatte gegenüber den staatlichen Kassen und ihren Leistungen kaum noch Chancen. Aber in den Selbstverwaltungsgremien der staatlichen Sozialversicherung fand die SPD vor 1914 ein Betätigungsfeld, in dem sie Einfluss ausüben konnte.

Das hat Bismarck sicher nicht gewollt, aber letztlich sind seine Sozialgesetze in meinen Augen einer der Gründe für das Ausbleiben einer sozialistischen Revolution vor 1914. Und 1918/19 wollten SPD und ein Teil der USPD keine Räteherrschaft, sondern einen demokratischen Staat mit einer besseren Sozialpolitik. Das System Bismarck wurde um eine Arbeitslosenversicherung ergänzt, die 1927 dann eine gesetzliche Grundlage erhielt.
 
Zuletzt bearbeitet:
Interessant ist, das der Kronprinz Friedrich Wilhelm gegen die Sozialgesetzgebung gewesen war, da diese nur "Gelüste" bei der Arbeiterschaft wecken.
 
Interessant find ich, dass Bismarck sozusagen zwei Fliegen mit einer Klappe geschlagen hat. Zum einen sorgte er mit dem Sozialversicherungssystem für soziale Ruhe im Staat. Zum anderen konnte er, und dies war wohl sein eigentliches Ziel, den gesellschaftspolitischen Einfluss der SPD einschränken. Ein gewiefter taktischer Schachzug.
 
Hat Bismarck denn eines seiner Ziele, der SPD die Arbeiter als Wähler abspenstig zu machen, denn tatsächlich erreicht?
 
Hat Bismarck denn eines seiner Ziele, der SPD die Arbeiter als Wähler abspenstig zu machen, denn tatsächlich erreicht?

Davon ist auszugehen. Sicher nicht die eigentlichen Kämpfernaturen, aber in der breiten Masse.
Man muß sich vor Augen halten, daß die meisten Arbeiter genug mit ihren Sorgen zu tun hatten, Angst hatten um ihre Einkunft und ihr täglich Brot.
Sich für Gewerkschaften strak zu machen oder SPD wählen bedeudete auch, auf Gegenwehr zu stossen.
Als Bismarck dann genialerweise daß Sozialsystem eingeführt hatte, hat sicher die breite Masse ( die vielleicht noch mit der SPD geliebäugelt hat ), sich gesagt, der Bismarck macht doch einiges für uns.
Man ist also den Weg des geringsten Widerstandes gegangen.

Ich denke, daß damals ( wie heute ) die Mehrzahl nicht wirklich politisch interessiert war, sondern eher sich mit den gegebenen Umständen arrangiert hatte und die Angst vor Repressalien und die Angst vor "Neuem" sicher in der breiten Masse sehr ausgeprägt war.

Diese Aussage spiegelt meinen Wissensstand wieder und ist nicht mit Zahlen oder Belegen untermauert

Pidibaer
 
Was man ziemlich sicher sagen kann ist, dass das Gros der aktiven SPD-Mitglieder unverheiratete Arbeiter waren, die noch keine Kinder zu versorgen hatten. Sobald man eine Familie zu ernähren hatte, war die aktive SPD-Mitgliedschaft ein Risiko.
 
Davon ist auszugehen. Sicher nicht die eigentlichen Kämpfernaturen, aber in der breiten Masse.
Man muß sich vor Augen halten, daß die meisten Arbeiter genug mit ihren Sorgen zu tun hatten, Angst hatten um ihre Einkunft und ihr täglich Brot.
Sich für Gewerkschaften strak zu machen oder SPD wählen bedeudete auch, auf Gegenwehr zu stossen.
Als Bismarck dann genialerweise daß Sozialsystem eingeführt hatte, hat sicher die breite Masse ( die vielleicht noch mit der SPD geliebäugelt hat ), sich gesagt, der Bismarck macht doch einiges für uns.
Man ist also den Weg des geringsten Widerstandes gegangen.

Ich denke, daß damals ( wie heute ) die Mehrzahl nicht wirklich politisch interessiert war, sondern eher sich mit den gegebenen Umständen arrangiert hatte und die Angst vor Repressalien und die Angst vor "Neuem" sicher in der breiten Masse sehr ausgeprägt war.

Diese Aussage spiegelt meinen Wissensstand wieder und ist nicht mit Zahlen oder Belegen untermauert

Eine - im folgenden - zu qualifizierende und zu hinterfragende Sichtweise des "genialen" Bismarcks, die die meisten Arbeiter der damaligen Ära kaum geteilt haben dürften. Selbst unpolitische Arbeiter sind in die Gewerkschaft eingetreten, sind am 1. Mai mit marschiert und sind dafür auf schwarze Listen gekommen, die sie sozial ruinieren konnten. Und dennoch haben sie es gemacht.

Also, wo ist denn da der behauptete Opportunismus der Arbeiter im Kaiserreich?? Es waren sicherlich nicht alle Revolutionäre, aber das Arbeitermilieu war als solches existent und es arbeitete im Rahmen von Bildungsinstitutionen der Parteien und Gewerkschaften an seinem "proletarischen Bewußtsein".

Und bis 1912 verzeichnete die SPD einen kontinuierlichen Anstieg ihrer Wählerstimmen, obwohl der "geniale" Bismarck die Partei im Rahmen der Sozialistengesetze verboten hatte und die Arbeiter somit aus dem politischen Leben augegrenzt hat.

Und auch die Darstellung der Bismarckenschen Sozialpolitik ist sehr "schief" und ich verstehe nicht die Wertschätzung für einen Bismarck der maßgeblich eine Repression der Arbeiterschaft durchgeführt hatte und ebenso zusätzlich im Rahmen des "Kulturkampfes" die Katholiken politisch ausgrenzen wollte.

Also wenn eine Bewertung von Bismarck vorgenommen wird, dann bitte doch ein wenig differenzierter.

Ansonsten zu seiner Sozialpolitik aus einem älteren Thread:

"Die Initialzündung und die Entwicklung des Wohlfahtsstaat ist eng verbunden mit der zunehmenden Bedeutung der Thematisierung der „sozialen Frage“, die ein Ergebnis ist, zwischen dem Widerspruch der ungebremsten Dynamik der industriellen Revolution in den kapitalistischen Ländern und der Formulierung eines ideologisch begründeten Wertesystems, in der Folge der Französichen Revolution und der Propagierung von sozialer Gerechtigkeit (vgl. G. Eley: Forging Democracy) .

Die konkrete Einbettung der Ausbildung des Wohlfahrtsstaats in Deutschland reflektiert zum einen diesen universellen Konflikt, ist dennoch durch eine Reihe von speziellen Aspekten gekennzeichnet, die den frühen Zeitpunkt der Initiierung wohlfahrtsstaatlicher Maßnahmen durch Bismarck erklärt (vgl. europäische Übersicht in Ambosius & Hubbard: Sozial- und Wirtschaftsgeschichte Euopas im 20. Jahrhundert, S. 113). In besonderem Maße war die Ausgangssituation nach der Reichsgründung 1871 durch einen harten Gegensatz des autokratischen Regierungssystems und dem politisch nicht einbezogenen „Proletariat“ gekennzeichnet. Aus diesem Aspekt speiste sich die eine Quelle der Infragestellung des politischen Systems des Kaiserreichs nach 1871. Zum anderen war es die generelle Frage des „Nationbuilding“, dass einerseits die Integration des katholischen Milieus betraf und andererseist die staatsferne, in ihrer Bedeutung stetig anwachsende Klasse der Arbeiter (vgl. Wehler: Bismarck und der Imperialismus).

Am 9 Mai 1978 brach die Börse in Wien zusammen und löste den „großen Krach“ europaweit aus, der sich ebenfalls im DR massiv auswirkte. Der im Reich ausgelöste Gründerboom erschien zunehmend als „Gründerschwindel“ und bewirkte ein Platzen der Spekulationsblase(vgl. Winkler: Der lange Weg nach Westen, Bd. 1, S. 226). In Anlehnung an Rosenberg charakterisiert Winkler diese Phase zwischen 1873 und 1896, dem Ende der langen Depression, als eine Periode des allgemeinen Pessimismus und der sozialen Unzufriedenheit , die einherging mit einer „zunehmenden ideologischen Dynamik und Aggressivität. Die unmittelbare Folge war der Niedergang des „laisser faire, laisser aller“ und wirkte sich aus bis in den politischen Niedergang der Nationalliberalen und dem damit teilweise zusammenhängenden Aufkommen eines wirtschaftlich motivierten Antisemitismus. Ein Aspekt, den Bismarck für seine politischen Ziele zu nutzen wusste.

Die politisch relevante Phase für den Einstieg in den Wohlfahrtsstaat bildet die Phase der „Großen Depression“. Die Entwicklung beispielsweise bei Wehler beschrieben (Wehler, Bismarck und der Imperialismus, S. 67ff. und ebd: Deutsche Gesellschafts-Geschichte 1848 – 1914, S. 547ff). Diese Periode ist durch eine weitgehende Stagnation der Nominallöhne der Arbeiter gekennzeichnet mit einem leichten Aufwärtstrend nach 1880. Die Reallöhne folgten dieser Entwicklung nicht, aufgrund deutlich gestiegener Lebenshaltungsosten im Bereich der Grundnahrungsmittel (auch durch Agrarzölle) und der Mieten und führte zu einem Absinken des Lebensstandards(Wehler: DGG, Bd. 3, S. 908). Diese Entwicklung verschärfte die sozialen Bedingungen in Teilen der Arbeiterklasse und führte vor allem zu einer Zunahme der Doppelbelastung für Arbeiterfrauen. Gleichzeitig kam es zu einer systematischen Verschlechterung der Wohnbedingungen durch die Zunahme von Untervermietungen in den ohnehin begrenzten Wohnverhältnissen (Grebing: Arbeiterbewegung, S. 68/69).

Unter anderem in der Folge der Französischen Revolution, der gescheiterten Revolution von 1848 und der niedergeschlagenen Pariser Commune von 1871 organisierte sich die deutsche Arbeiterschaft. Mit dem Gothaer Programm von 1875 formulierte die SAD in der Tradition einer marxistischen Gesellschaftsanalyse ihre dennoch ausgesprochen revisionistischen Ziele: Ziele, die zudem unter den Vorbehalt gestellt wurden, „mit allen gesetzlichen Mitteln“ erlangt zu werden (vgl. dazu das Programm in Kuhn: Die deutsche Arbeiterbewegung, S. 296.). In der Folge erhält die Sozialdemokratie einen deutlichen Zulauf, wobei ihre Hochburgen bei der Mitglieder- und auch der Stimmenentwicklung in Gemeinden über 10.000 Einwohner und vor allem in den Großstädten, wie in Berlin (RTW 1912: 75%) oder Hamburg (RTW 1912: 62%) liegen (vgl. Grebing , S. 199).

Vor diesem Hintergrund erkannte Bismarck einen massiven Handlungsbedarf, der sich aus der real verschlechterten sozialen Situation der Arbeiter ergab und ihrer Formulierung einer „Gegenutopie“, die die herrschende Ordnung des Kaiserreichs in Frage stellte (Wehler: DGG, Bd. 3, S. 902ff). Seine Lösung basierte auf zwei Pfeiler. Zum einen auf der Repression der Sozialdemokratie, im Rahmen der „Sozialistengesetze“, und zum anderen auf der vom Staat initiierten und vor allem auch vom Staat finanzierten Wohlfahrtspflege.

Vor diesem Hintergrund initiierte er sein innenpolitisches Programm. Bismarck politisches Credo war „Man kann nicht ein Land von unten regieren“ , da diese Vorstellung gegen die „natürliche Ordnung“ verstoßen würde. Und befürchtet für den Konflikt, dass „die Hungrigen ….uns auffressen“ (ebd. S. 903). Bismarck führte dabei seinerseits einen durchaus als polemisch zu bezeichnenden Kampf gegen die „rote Gefahr“, indem er die Wirtschaftskrise von 1873 bis 1896 dem Wirken der Sozialdemokratie anlastete.

Den Anlass bildeten zwei Attentate auf den Kaiser, die der Sozialdemokratie, ohne handfeste Belege, zur Last gelegt wurden. Im Zuge seiner Kampagne marginalisierte er zunehmend die Nationalliberalen (vgl. oben Gründerkrach), die im bürgerlichen Lager ein Garant für die Vereidigung bürgerlicher Rechte gegen staatliche Interventionen waren. In diesem Umfeld wurde das „Gesetz gegen die gemeingefährlichen Bestrebungen der Sozialdemokratie“ im Oktober 1878 verabschiedet (vgl. Wehler ebd, S. 905, vgl. Grebing, Abdruck des „Sozialistengesetz“ S. 149. „Wie beim Kulturkampf erreichte die Regierung Bismarck ….das genau Gegenteil dessen, was sie intendiert hatte (ebd. S. 906). Und Wehler stellt resümierend fest: „Im Grenzfall hielt der Kanzler die Staatsmacht und das Militär dieser aufsässigen Opposition allemal gewachsen.“ (ebd. S. 907).

Neben die Repression der Sozialdemokratie wollte Bismarck einen „Staatssozialismus“ stellen, der auf die positive Integration der Arbeiterschaft, die „innere Reichsgründung“, in das DR abzielte. Er ging dabei von der Prämisse aus, dass die sozialistischen Theorien bereits so tief in der Arbeiterschaft verwurzelt waren, als dass sie nicht mehr ignoriert werden konnten. Bismarck orientierte sich dabei in seinem Modell an dem Vorbild von Napoleon III. Dieser hatte durch ein System von Zahlungen die Franzosen zu direkten Empfängern von Staatszahlungen gemacht und sich über diesen Weg die Zustimmung zu seiner Regierung „erkauft“. Bismarck wollte ein Modell im DR einführen, dass ebenfalls mögligst direkte Zahlungen durch den Staat an die Empfänger“ vorsah und sie somit durch eine „kollektive Massenbestechung“ (H. Rosenberg) in das politische System zu integrieren.

Von Nipperdey wird die Mehrdimensionalität der Bismarckschen Politik in den Vordergrund gestellt. So sieht er folgende Aspekte: 1. Der Kampf gegen die Revolution und die Erhaltung des monarchisch-obrigkeitsstaatlichen Staates, 2. Der Marginalisierung des Liberalismus, und 3. Der Verfolgung einer klassischen Fürsorgepflicht des Monarchen gegenüber seinen Untertanen, die bereits in der preußischen Revolution von Oben angelegt ist (v. Stein, Hardenberg etc.) (Nipperdey, Deutsche Geschichte. Arbeitswelt und Bürgergeist, Bd. 1, S. 337ff).

Und Nipperdey kommt zu einem positiven Befund der Wirksamkeit der wohlfahtsstaatlichen Maßnahmen und hält fest, dass sich die Lage der Arbeiter zwischen 1866 und 1913 „gewaltig verbessert“ hat (ebd. S. 372)."
 
Zuletzt bearbeitet:
Dem genialen Bismarck war sicher klar, das die aus seiner Sicht bestehende "rote Gefahr" nicht auf Dauer und allein mit rein repressiven Methoden zu lösen war.

Die Krankenversicherung war ganz sicher ein großer Wurf, gemessen an den früher bestehenden Verhältnissen, etwas, was wir nicht außer Acht lassen sollten, und sie war das Herzstück eines umfassenden Sozialversicherungssystems, was in Europa absolut einmalig war. Das war und ist eine beachtliche Leistung!

Das Bismarcks Kalkül, nämlich die Arbeiterschaft für den Staat zu gewinnen, nicht aufging, lag sicher auch nicht zuletzt auch daran, das der Gegensatz zwischen Staat und Arbeiterschaft schon viel zu groß war. Stichwort beispielsweise die Sozialistengesetze.

Die Wertschätzung für einen Bismarck, wie du es ausdrückst, wird wohl kaum von seiner in der Summe nicht gerade glücklichen Innenpolitik herrühren, sondern hat andere Ursachen, die du sicher auch kennst.
 
Zuletzt bearbeitet:
Davon ist auszugehen. Sicher nicht die eigentlichen Kämpfernaturen, aber in der breiten Masse.
Man muß sich vor Augen halten, daß die meisten Arbeiter genug mit ihren Sorgen zu tun hatten, Angst hatten um ihre Einkunft und ihr täglich Brot.
Sich für Gewerkschaften strak zu machen oder SPD wählen bedeudete auch, auf Gegenwehr zu stossen.
Als Bismarck dann genialerweise daß Sozialsystem eingeführt hatte, hat sicher die breite Masse ( die vielleicht noch mit der SPD geliebäugelt hat ), sich gesagt, der Bismarck macht doch einiges für uns.
Man ist also den Weg des geringsten Widerstandes gegangen.

Ich denke, daß damals ( wie heute ) die Mehrzahl nicht wirklich politisch interessiert war, sondern eher sich mit den gegebenen Umständen arrangiert hatte und die Angst vor Repressalien und die Angst vor "Neuem" sicher in der breiten Masse sehr ausgeprägt war.

Diese Aussage spiegelt meinen Wissensstand wieder und ist nicht mit Zahlen oder Belegen untermauert

Pidibaer

Die Wahlergebnisse der SPD sprechen eine andere Sprache ...

Auch nicht vergessen: Die Versicherungen waren Pflichtversicherungen, die Leistungen häufig ein bestimmter Prozentsatz vom Lohn.
Da der Lohn oft nicht wirklich (gut) zum Leben reichte, war eine Pflichtversicherung nicht unproblematisch. Und 50% (oder auch 70) von zu wenig ist eben viel zu wenig.
 
Hier wäre es interessant, folgende Fragen beantworten zu können:
- Wieviel wahlberechtigte Arbeiter hat es seinerzeit gegeben ?
- Wieviel haben SPD gewählt ?
- Wieviel waren in Gewerkschaften organisiert ?
Ich habe auf die schnelle leider nichts gefunden.

Gehe aber davon aus ( und das hat sich auch heute noch nicht verändert), daß bei polarisierenden Themen die Gegner zur Wahl gehen, während die anderen sich sagen: Wird sich schon wieder geben und erst gar nicht zur Wahl gehen.

Letztendlich war die Frage, ob Bismarck Erfolg hatte.
Ist sein Rücktritt von einem überzeugenden Wahlergebnis der Gegner Bismarcks erzwungen worden oder war es der Disput mit Kaiser Wilhelm ?
Hat nach seinem Rücktritt die Monarchie noch bestanden ?
Waren die Gegner Bismarcks zu seiner Zeit je stärkste Macht ?

Hatte er also Erfolg mit seiner Politik oder nicht ?

Nein Leute, ich will in keiner Weise Bismarck nach oben hieven. Ich will das ganze nur verstehen.

Pidibaer
 
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