Spezifische Fragen zur Reichsgründung

Shardie

Neues Mitglied
Hallo,
hatte zwar schon ein Thema dazu, aber mein Referat ist jetzt fertig ;)
Trotzdem sind noch ein paar Fragen geblieben, bei denen ich mir nicht sicher bin, ob ich die richtige Antwort kenne :) Es wäre nett, wenn ihr mir helfen könntet ! :yes:

Also:
1. Warum Revolution von oben ? (1871)
- es wurde doch eigentlich die Verfassung vom Norddeutschen Bund übernommen und nur angepasst, sodass dieser Punkt doch nur nebensächlich in diesen Begriff reinspielt oder ? Wird die Reichsgründung auch so bezeichnet, weil letztendlich ein deutscher Nationalstaat entstanden wurde ?

2. Gründe für Verfassung ? (sowohl 1866, als auch 1871)
- weshalb ? :D Es ist klar, dass Preußen seine Hegemonie stärken wollte. War eine Verfassung notwendig, um die innere Stabilität zu gewährleisten, oder weshalb ließ sich die alte Elite auf die angebliche Mitbestimmung des Volkes ein ? (konstitutionelle Monarchie)

3. Nach Gründung des Norddeutschen Bundes waren die süddeutschen Staaten ja souverän, aber wirtschaftliche an den Norddeutschen Bund mittels des Zollvereins verbunden. Inwiefern ?! War es trotzdem ein einheitliches Zollgebiet, mit wenigen Zollschranken, oder wie kann man sich das vorstellen ?

4. Grund für die Annahme der Krone 1871 ?
- noch 1848 hatte sich sein Vorgänger gesträubt. Und auch 1871 forderte das Volk doch vehement Wilhelm I. als Deutschen Kaiser oder ?! Wurde er dann letztendlich von Bismarck überredet, oder wie kam es zu der Annahme ?

5. Funktion Bundesrat 1871
- der Bundesrat war doch das höchste Staatsorgan, und die einzelnen Länder waren je nach Größe etc. durch Gesandte vertreten ... waren diese Adelige, oder wie kann man sich das vorstellen ? WEil sie waren ja keine Volksvertretung ?!

Das wären meine 5 Fragen. Vielen Dank schon einmal !
 
1) Revolution von oben, um im Begriff den Unterschied zu 1848 heraus zu heben.
2) Nicht nur Hegenomie Preußens. Es war sehr schwierig, vor allem Bayern zum Beitritt zu bewegen.
3) Zuvor hieß es Zollverein ja, aber kein einiges Reich. Zu beachten ist die Bindung der süddeutschen Staate an Österreich vor 1866.
4) So soll es wirklich gewesen sein. Bismarck peitschte es durch.
5)Bundesrat (Deutsches Reich) - Wikipedia

Soviel ganz kurz.
 
Vielen Dank :) Falls noch wer ergänzen kann, nur zu ! Mir ist gerade noch etwas aufgefallen:

Warum provozierte Bismarck eigentlich so gezielt Napoleon, um ihn zu einem Krieg zu bewegen ? Verstehe seine Motive noch nicht so ganz ... er musste Frankreich dazu bewegen, dass sie den Krieg erklären, damit die anderen neutralen Staaten auch neutral blieben. Aber warum wollte er überhaupt Krieg mit Frankreich führen ?! War ihm die Festigung der preußischen Macht in Deutschland so wichtig ?

Vielen Dank :)
 
Hilft dir das? Und immer schön die Diskussion dazu mitlesen.

Emser Depesche - Wikipedia

Bewusst den Krieg herbei führen, wollte Bismarck ganz sicher nicht. Frankreich war immerhin eine Großmacht und es war unsicher, wie sich Österreich und Süddeutschland verhalten würden. Gegen die alle zusammen hätte Preußen es mehr als schwer gehabt.
 
Hilft dir das? Und immer schön die Diskussion dazu mitlesen.

Emser Depesche - Wikipedia

Bewusst den Krieg herbei führen, wollte Bismarck ganz sicher nicht. Frankreich war immerhin eine Großmacht und es war unsicher, wie sich Österreich und Süddeutschland verhalten würden. Gegen die alle zusammen hätte Preußen es mehr als schwer gehabt.

Hmm gab es nicht dieses Schutz-und-Trutz Bündnis zwischen dem Norddeutschen Bund und Süddeutschland ? Das man sich im Falle eines Krieges beistehen würde ? Außerdem beschreibt Wikipedia es ähnlich:

"Bismarck erläuterte seinen Gästen, dass die sofortige Veröffentlichung seiner Version "den Eindruck des roten Tuches auf den gallischen Stier machen" würde, der nun schlagen müsse, und dann als Angreifer dastehe. Moltke sagte wörtlich: "Wenn ich das noch erlebe, in solchem Kriege unsere Heere zu führen, so mag gleich nachher die alte Karkasse der Teufel holen."

und:

"Vor der Freigabe des Textes an die Presse erkundigte sich Bismarck noch bei General Moltke nach dem Stande der Rüstung. Er wollte wissen, wie viel Zeit zur Vorbereitung eines erfolgreichen Krieges notwendig sei. Moltke hielt den schnellen Ausbruch eines Krieges im Ganzen für vorteilhafter als eine Verschleppung."

... oder nicht ? ^^
 
Dieses Bündnis war aber eigentlich nur Schall und Rauch. 1866, also lächerliche 4 Jahre zuvor standen die süddeutschen Staaten noch auf der Seite Österreichs und das nicht nur pro forma.
Schlacht bei Langensalza - Wikipedia


Die süddeutschen Bündnisse waren alles andere als Schall und Rauch. Sie wurden erzwungen durch den verlorenen Krieg.

Es ist müssig zu diskutieren, ob die Süddeutschen gegen Österreich mitgegangen wären, aber gegen Frankreich sofort und immer.

Schon während der Luxemburg-Krise haben die Württemberger dringend bei den Preußen Zündnadelgewehre gekauft, für die sie bei den Badensern Instrukteure ausleihen mussten. (Ähnich wie wenn heute der VfB zu Hause gegen den KSC verliert, halber Weltuntergang:cool:)

Zwischen 1817 und 1869 haben immer mal wieder wilde Gerüchte von Franzoseneinfällen dazu geführt, dass die Waldbauern im Schwarzwald die Äxte geschärft, und die Bauern im Gäu die Sensen gerade geschmiedet haben.

Die Annektion von Elsass-Lothringen geht auch weniger auf Bismarck oder die preußischen Militärs zurück, als auf die Süddeutschen, die ein Vorfeld gegen Frankreich haben wollten.

Noch 1914-18 hat badischer und württembergischer Landsturm, also recht alte Männer, erfolgreich die Vogesen verteidigt, im Glauben, Weib und Kind, Sach und Häusle zu verteidigen.

Die Franzosenangst war in Süddeutschland ein reales Politikum bis in die 60er Jahre des 20. Jahrhunderts.
 
Die Annektion von Elsass-Lothringen geht auch weniger auf Bismarck oder die preußischen Militärs zurück, als auf die Süddeutschen, die ein Vorfeld gegen Frankreich haben wollten.

Das ist interessant, mir aber neu. Bislang sah ich die militärische Riege als ursächlich an... :confused:
 
Das ist interessant, mir aber neu. Bislang sah ich die militärische Riege als ursächlich an...
Zumindest das Elsass lag schon 1814/1815 im Interessengebiet Preußens, also diese Idee war wirklich nicht gerade neu. Gneisenau erwähnte dergleichen in "Ausgewählte militärische Schriften" (Herausgegeben von: Förster, Gudzent (1984)).
 
Zumindest das Elsass lag schon 1814/1815 im Interessengebiet Preußens, also diese Idee war wirklich nicht gerade neu. Gneisenau erwähnte dergleichen in "Ausgewählte militärische Schriften" (Herausgegeben von: Förster, Gudzent (1984)).

Das ist zweifellos richtig.

Die Militaristen hätten ja 1871 auch gar zu gerne noch Belfort gehabt.
Entscheidend wäre aber letztllich der Wunsch der Süddeutschen gewesen, die zu dem Zeitpunkt ja noch gar nicht ins Bismarck-Reich eingegliedert waren.
Die Forderung wurde sofort nach Sedan an die Regierung der neuen franz. Republik gestellt, (ich glaube zu dem Zeitpunkt noch ohne Metz.) Was zur Fortsetzung des Kriegs geführt hat.
 
(ich glaube zu dem Zeitpunkt noch ohne Metz.)

Ach schau, noch ein interessantes Detail! Hast du (oder jemand sonst) noch weitere Informationen bzgl. der Kriegsziele, so es welche gab? Ggf. auch was Frankreich wollte. Ich erinnere andererseits auch wieder die Möglichkeit, daß Teile (?) Indochinas als "Verhandlungsmasse" gedient haben... :schau:
 
Ach schau, noch ein interessantes Detail! Hast du (oder jemand sonst) noch weitere Informationen bzgl. der Kriegsziele, so es welche gab? Ggf. auch was Frankreich wollte. Ich erinnere andererseits auch wieder die Möglichkeit, daß Teile (?) Indochinas als "Verhandlungsmasse" gedient haben... :schau:

Nein stimmt nicht. Metz wurde sofort mit eingefordert.

Nach dem Sturz der Monarchie am 4. Sept. 1870 hob die franz. Republik darauf ab, das das Mutterland vom Freiheit, Gleicheit, Brüderlichkeit in seinem Bestand nicht geschmälert werden dürfe. Analog den Deutschen 1918, bißchen Kaiser verjagen und dann hoffen ungerupft davon zu kommen.
Bismarck stellte sofort die Forderung nach Straßburg, Elsass und Deutsch-Lothringen. "Zur Sicherheit der deutschen Grenzen, die in Süddeutschland bisher völlig ungeschützt wären."

Thier reiste unmittelbar nach dem Staatsstreich nach Petersburg, London, Wien und Florenz.
Bismarck hatte aber an die Hauptstädte ein Rundschreiben verschickt, das gleichzeitig eintraf, indem er darauf hinwies, dass Frankreich angefangen hätte, und insbesondere Süddeutschland zukünftig besser vor franz. Aggressionen geschützt sein müsste.
In London zeigte man Thiers die kalte Schulter, Wien hatte andere Probleme, abgesehen davon hat man anscheinend in den westlichen Landesteilen Sedan ausgiebig gefeiert und hätte sich gerne mit den deutschen Brüdern zusammengetan, die Russen teilten Bismarck mit, er soll sich nehmen was er wolle und schlucken könne, sie, die Russen würden ihn nicht hindern. Worauf sie die Entmilitarisierung des Schwarzen Meeres aufkündigten.
Die Italiener bedauerten heftig, halfen aber insofern, indem sie auf Nice endgültig verzichteten, wo man das Selbstbestimmungsrecht der Völker im Zuge der franz. Niederlage einforderte!, und besetzten den Kirchenstaat.

Beide Aktionen, Schwarzmeer und Kirchenstaat, wären ohne Sedan so nicht möglich gewesen.

Frankreich gelüstete es gar sehr nach der Pfalz, besser noch nach der Rheingrenze.
Gambetta, der große Demokrat, verkündete "Wenn uns dieser Kaiser die Rheingrenze verschafft, verzeihe ich ihm alles."
Thiers Forderung nach der Rheingrenze brachte ihn 1840 mit seinem König aneinander und ihn aus der Regierung.

Die Süddeutschen hatten schon sehr reale Gründe für ihre Ängste.
 
Zuletzt bearbeitet:
Was vielleicht dazu gehört, der Bruch des Pariser Krimkrieg-Friedens durch russland hätte eigentlich die Unterzeichner-Staaten zum Krieg gegen Rußland verpflichtet.

Auf Bismarcks Anregung fand dann am 17. Jan. 1871 in London eine Konferenz statt, (während der Beschießung von Paris!) die Rußlands Aktion im Nachhinein sanktionierte. Und alle waren froh und Bismarck dankbar.

Vermutlich der einzige Fall in der neueren Geschichte, dass ein in einem großen Krieg verstrickter Staatsmann gleichzeitig als erfolgreicher Schlichter in einem Konflikt zwischen so ziemlich allen europäischen Großmächten auftritt.
 
Zuletzt bearbeitet:
Es ist müssig zu diskutieren, ob die Süddeutschen gegen Österreich mitgegangen wären, aber gegen Frankreich sofort und immer.

Naja, den guten Napoleon III (bzw. die frz. Regierung) hat der Kriegseintritt der süddeutschen Staaten mWn sehr überrascht; dort wurde mit der Neutralität v.a. Bayerns gerechnet.
 
Naja, den guten Napoleon III (bzw. die frz. Regierung) hat der Kriegseintritt der süddeutschen Staaten mWn sehr überrascht; dort wurde mit der Neutralität v.a. Bayerns gerechnet.

Wer weiß, wenn nicht zuvor der liebe Napoleon als "Ausgleich" für sein Stillhalten 1866 die bayerische Pfalz verlangt hätte.
Was Bismarck den Bayern natürlich auf dem silbernen Tablett präsentierte.

Auch der württ. König Karl war durchaus frankophil, als der franz. Botschafter sich bei Kriegsausbruch verabschiedete gab es Tränen. Aber das Volk dachte anders.

Aber es ist schon so, nichts, gar nichts hätte die Süddeutschen an die Seite der Preußen gebracht - außer den Franzosen.

Es war nach Königgrätz und der Auflösung des Deutschen Bundes jedem in Süddeutschland klar, entweder die Preußen oder die Franzosen.
Und die Erfahrungen mit den Franzosen waren intensiver und schlimmer.
 
Beide Aktionen, Schwarzmeer und Kirchenstaat, wären ohne Sedan so nicht möglich gewesen.
Diese ganze Darstellung ist sehr interessant, mir waren diese Hintergründe des Kriegs von 1870/71 gar nicht so bewußt.

Im Prinzip war Frankreich offenbar diplomatisch grottenschlecht aufgestellt:

Mit Rußland und Österreich hatte es gar nicht so lange vorher Kriege geführt ohne hinterher eine Aussöhnung zu erreichen.
Seinen Bündnispartner im Krieg gegen Österreich, Italien, hatte es durch sein Protektorat über den Kirchenstaat und die "Bezahlung" per Abtretung Savoyens entfremdet.
Mit dem Bündnispartner im Krimkrieg, England, waren die Beziehung offenbar auch nicht gut - ich vermute mal, das hatte mit der weltweiten Konkurrenz zu tun, die später in der Faschoda-Krise mündete.

Im Prinzip waren ja England und Frankreich die beiden konkurrierenden Weltmächte, mit deutlichem Abstand zu den restlichen Großmächten.

Zur Abrundung kommt noch hinzu, daß auch Spanien in der den Krieg auslösenden Thronfolgekrise nicht begeistert über die französische Einmischung war.

Mit anderen Worten: Frankreich beginnt den Krieg alleine im Gefühl seiner militärischen Überlegenheit über Preußen, hat aber mit allen Großmächten Streitpunkte, die diese zur Neutralität oder gar zur Sympathie für die Gegenseite motivieren.
Und als Sahnehäubchen schätzt es die Stimmung der Süddeutschen völlig falsch ein und treibt diese ins gegnerische Lager.

Schon ein interessantes Szenario.
War wohl im wesentlichen Folge einer recht planlosen Außenpolitik, die sich über Jahre hinweg darauf konzentrierte, alle in Reichweite befindlichen Territorien grabschen zu wollen (Nizza, Savoyen, Pfalz, Saarland/Rheinland, Luxemburg, Belgien) und dabei alle möglichen Länder zu brüskieren.
 
Und als Sahnehäubchen schätzt es die Stimmung der Süddeutschen völlig falsch ein und treibt diese ins gegnerische Lager.

Schon ein interessantes Szenario.
War wohl im wesentlichen Folge einer recht planlosen Außenpolitik, die sich über Jahre hinweg darauf konzentrierte, alle in Reichweite befindlichen Territorien grabschen zu wollen (Nizza, Savoyen, Pfalz, Saarland/Rheinland, Luxemburg, Belgien) und dabei alle möglichen Länder zu brüskieren.


Die Süddeutschen, auch wenn es die Bündnisverträge als Folge des verlorenen Krieges nicht gegeben hätte, brauchten nach Auflösung des Deutschen Bundes ja einen starken Partner, auf allen Seiten von Großmächten umgeben, Frankreich auf jeden Fall aggressiv, die Österreicher hatten soeben böse was aufs Maul bekommen, und Bismarck hatte sich "großmütig" verhalten.
Militärisch hatten sie soeben bewiesen bekommen, dass sie keinen Fuss auf den Boden bekamen, und die umfangreiche Verwandschaft der Herrscherhäuser war, siehe Hannover, auch nicht mehr viel wert.
Sachen, die Napoleon eigentlich auch gewusst haben muss. Kann eigentlich nur sein, dass er die in der Bevölkerung aller drei Kleinstaaten (ich denke das viertel Hessen, spielt da nicht mehr die Rolle)überaus große "Franzosenangst" unterschätzt hat.

Was mich erstaunt hat, bei den Franzosen. Die Sprüche ähneln sich sehr mit denen von 71-14, nur wurde da Rache für 1814 gefordert, und die Wiedergewinnung des linken Rheinufers.
Irgendwo sind die 120-130 Jahre nicht über Leipzig und Waterloo weggekommen.
 
5. Funktion Bundesrat 1871
- der Bundesrat war doch das höchste Staatsorgan, und die einzelnen Länder waren je nach Größe etc. durch Gesandte vertreten ... waren diese Adelige, oder wie kann man sich das vorstellen ? WEil sie waren ja keine Volksvertretung ?!

Der Bundesrat: Verfassung des Deutschen Reiches (1871) - Wikisource.
Artikel 5 Die Reichsgesetzgebung wird ausgeübt durch den Bundesrath und den Reichstag. Die Uebereinstimmung der Mehrheitsbeschlüsse beider Versammlungen ist zu einem Reichsgesetze erforderlich und ausreichend.

Artikel 7. "Der Bundesrath beschließt:
über die dem Reichstage zu machenden Vorlagen und die von demselben gefaßten Beschlüsse;
über die zur Ausführung der Reichsgesetze erforderlichen allgemeinen Verwaltungsvorschriften und Einrichtungen, sofern nicht durch Reichsgesetz etwas Anderes bestimmt ist;
über Mängel, welche bei der Ausführung der Reichsgesetze oder der vorstehend erwähnten Vorschriften oder Einrichtungen hervortreten.
Jeder Bundesglied ist befugt, Vorschläge zu machen und in Vortrag zu bringen, und das Präsidium ist verpflichtet, dieselben der Berathung zu übergeben. Die Beschlußfassung erfolgt, vorbehaltlich der Bestimmungen in den Artikeln 5. 37. und 78., mit einfacher Mehrheit. Nicht vertretene oder nicht instruirte Stimmen werden nicht gezählt. Bei Stimmengleichheit giebt die Präsidialstimme den Ausschlag. Bei der Beschlußfassung über eine Angelegenheit, welche nach den Bestimmungen dieser Verfassung nicht dem ganzen Reiche gemeinschaftlich ist, werden die Stimmen nur derjenigen Bundesstaaten gezählt, welchen die Angelegenheit gemeinschaftlich ist."


Die h.M. sah in Art. 7 ein "Sanktionsrecht", daraus folgt, dass der Bundesrat als Träger der Souveränität der eigentliche Gesetzgeber war. Der Reichstag ist dagegen auf das Recht der Zustimmung zu Gesetzen beschränkt.

Hier wird die "Sanktionierung" als Gesetzesbefehl verstanden (Verhältnis wie Monarch zum Landtag), neben dem Gesetzesinhalt. Art. 7 enthält hierzu das "Recht der letzten Abstimmung" für den Bundesrat, was in Praxis auch ausgeübt wurde.

Ein Problem war dabei, in welcher Frist der Bundesrat von seinem Recht der letzten Abstimmung Gebrauch machen mußte (ein Meinung war hierzu: in derselben Session; eine andere sah auch eine Entscheidung außerhalb der Sitzungsperioden in den Legislaturperioden als möglich an). Bei einer positiven Entscheidung sprach man von einer Vereinigung der Willesbildung.

Von der Rechtslage wäre die Verfassungswirklichkeit, also die tatsächliche Aktivität des Bundesrates, zu trennen. Dazu könnte man die fälle der Widersprüche/fehlenden Sanktionierungen untersuchen. Ebenso die Beschränkungen der Abstimmungsprozedur bei nicht-gemeinschaftlichen Fällen von Gesetzen.

Wenn man nun wenig praktische Negativaktivität bemerkt, muss man sich fragen, woran das liegt; hier spricht viel für die überragende Stellung des Bundesrates, quasi als Präventivwirkung, die den tatsächlichen einsatz überflüssig macht:
http://www.ipw.ovgu.de/inipw_media/...gdeburg-original_site--original_page-3421.pdf
 
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