Die Entwicklung des Deutschen Kaiserreichs nach 1870 wurde in der Vergangenheit nicht selten mit einem "Sonderweg" beschrieben, oder dem "Langen Weg nach Westen". In diesen Zuspitzungen hatte die Beschreibung eines militaristischen Obrigkeitsstaates, geprägt durch preußische Junker und eine verkrustete Gesellschaft eine zentrale Bedeutung. Diese Beschreibungen können durch historische Forschung als "belegt" angesehen werden, aber dennoch ist das Bild nicht vollständig.
Daneben entstand eine vielfältige Gesellschaft, die nach den Sozialistengesetzen und dem Kulturkampf, eine relative Liberalität und Modernität zeigte. Ein Aspekt, der auch für die "negativ integrierte" Sozialdemokratie relevant war und teilweise erklärt, warum auch sie, obwohl überwiegend pazifistisch gestimmt, dennoch diese Gesellschaft mit der Waffe in der Hand verteidigen wollte.
Das ließe sich erweitern und für die Entwicklung der "bürgerlichen Freiheiten", die Rolle der zunehmenden Emanzipierung der Frau etc. verdeutlichen.
Es waren parallele Entwicklungen, die allerdings auch die Widersprüche der wilhelminischen Gesellschaft verweisen und die Notwendigkeit verdeutlichen, eine evolutionäre Entwicklung zuzulassen.
Leben im Kaiserreich: Zwischen Pickelhaube und Aufbruch (Podcast) - DER SPIEGEL - Geschichte
Richter, Hedwig (2020): Demokratie. Eine deutsche Affäre : vom 18. Jahrhundert bis zur Gegenwart. München: C.H. Beck.
Richter, Hedwig (2021): Aufbruch in die Moderne. Reform und Massenpolitisierung im Kaiserreich. 1. Originalausgabe. Berlin: Suhrkamp
Richter, Hedwig; Wolff, Kerstin (Hg.) (2018): Frauenwahlrecht. Demokratisierung der Demokratie in Deutschland und Europa. 1. Auflage. Hamburg: Hamburger Edition.