Völkermord Herero - Problemfrage stellen

Shrederman

Neues Mitglied
Nabend,

Ich bin auf der Suche nach einer Problemfrage zu dem Völkermord der Herero.
Leider komme ich einfach nicht weiter, sicherlich fehlen mir auch noch Kenntnisse, da es noch unzähliges mehr gibt.

Gruß
Joel
 
Wofür suchst Du denn nach solch einer Frage? Für ein Referat in der Schule, für eine Unterrichtseinheit, für eine Hausarbeit an der Uni?

Es wäre nicht verkehrt, wenn Du das etwas eingrenzen könntest.

Kontrovers in der Forschung wird die Frage diskutiert, ob der Krieg gegen die Herero als Vorläufer des Holocaust gedeutet werden kann.
 
Ich bin noch Schüler der 10. Klasse, also das Nieveau ist noch nicht sehr hoch. Dennoch bin ich auf der Suche nach einer wirklich guten Frage und beschäftige mich auch wirklich sehr gern damit.

Ich habe bereits selber mir schon die Frage gestellt, ob es einen Zusammenhang dem Holocaust gab.
Nur ist das eine Problemfrage, die ich innerhalb der Klasse besprechen kann?
 
Das kommt darauf an, ob die Klasse schon über den Holocaust Bescheid weiß. Wenn ihr das im Unterricht noch nicht besprochen habt, wird es sicher schwierig werden (d. h. Du müsstest also auch grundsätzlich über den Holocaust informieren).

Es wäre sicher nicht verkehrt, darüber nochmal mit Deinem Lehrer zu sprechen. Evtl. fällt ihm eine Möglichkeit ein, Dein Interesse gewinnbringender in den Unterricht einzubringen.
 
Ja, wir hatten dieses Thema bereits im Unterricht behandelt.
Ich finde es eigentlich eine sehr gute Frage, denn ein anderer Schüler geht auch über das Thema Holocaust ein.

Ich würde ganz einfach die Frage stellen:

Gillt der Völkermord an den Herero als Vorgänger des Holocaust?

Ein wenig drüber diskutieren mit unserem Wissen und ich denke ich löse diese Aufgabe.

Kann man damit in Verbindung bringen die Aussagen der Rechtsextremen von Heute?
Diese Stufen ja den Völkermord nicht als " böse " ein.
 
Zur Frage, ob hier der Tatbestand eines Völkermordes oder "nur" der eines besonders grausam und einseitig geführten Krieges vorliegt, äußert sich Wiki wie folgt :
Gekennzeichnet ist er [der Völkermord] durch die spezielle Absicht, auf direkte oder indirekte Weise „eine nationale, ethnische, rassische oder religiöse Gruppe als solche ganz oder teilweise zu zerstören“
Da bei einem Krieg gegen ein ethnisch homogenes Land oder ein nicht als Nation organisiertes Volk die Gegner alle per definitione derselben Ethnie angehören, lässt sich die Grenze schwer ziehen. Als entscheidend sehe ich daher die Absicht : Wollte man die Hereros ausrotten, weil sie Hereros waren, oder weil sie ein Hindernis für die militärischen und wirtschaftlichen Interessen der Kolonialmacht darstellten ?

Es liegt im Wesen einer Kolonie, dass die dort lebenden Menschen zwangsweise als Arbeitskräfte eingesetzt werden, sie zählen quasi zu den "Rohstoffen" des Landes. Ein Kolonialherr kann nicht an ihrer völligen Vernichtung interessiert sein. Auch sehe ich nicht, dass die Hereros irgendwie als "rassisch minderwertiger" angesehen worden wären als die Ovambos oder die Khoi-San-Völker. Von letzteren erhoben sich auch die Nama gegen die Deutschen - ebenfalls mit verheerenden Folgen.

Der Krieg richtete sich also gegen den militärischen Widerstand, nicht gegen eine "Rasse" auch wenn markige rassistische Sprüche aus dieser Zeit durchaus überliefert sind. Die Tatsache, dass weit über das militärisch "notwendige" Maß hinaus gemordet wurde, und das auf besonders gemeine Weise (z. B. durch Verdurstenlassen), ändert mMn nichts daran, dass hier primär gegen einen militärischen Feind vorgegangen wurde.
 
Aus meiner Sicht heraus ging es Lothar von Trothar nur noch darum die nationale Gruppe der Herero zu vernichten. Er gab ihnnen 2 Möglichkeiten entweder sie näherten sich den deutschen und wurden von ihnnen erschossen oder die verhungerten und verdursteten in der Wüste.
Die Herero hatte also nicht die geringste Chance zu entfliehen oder etwas dagegen zu tun.
Wie gesagt, ich bin nur ein Schüler und kann auch daneben liegen ;)
 
Die Tatsache, dass weit über das militärisch "notwendige" Maß hinaus gemordet wurde, und das auf besonders gemeine Weise (z. B. durch Verdurstenlassen), ändert mMn nichts daran, dass hier primär gegen einen militärischen Feind vorgegangen wurde.

Darüber lässt sich allerdings streiten. In einem Brief des Generalstabschefs v. Schlieffen an Reichskanzler Bülow vom 23.11.1904 heißt es z. B.: „Daß er [Trotha] die ganze Nation vernichten oder aus dem Land treiben will, darin kann man ihm beistimmen. [...] Der entbrannte Rassenkampf ist nur durch die Vernichtung oder vollständige Knechtung der einen Partei abzuschließen. Das letztere Verfahren ist aber bei den jetzt gültigen Anschauungen auf Dauer nicht durchzuführen. Die Absicht des Generals v. Trotha kann daher gebilligt werden. Er hat nur nicht die Macht, sie durch-zuführen.“

Zit. nach: Zimmerer, Jürgen: Krieg, KZ und Völkermord in Südwestafrika. Der erste deutsche Genozid, in: Ders. und Joachim Zeller (Hg.), Völkermord in Deutsch-Südwestafrika. Der Kolonialkrieg (1904-1908) in Namibia und seine Folgen, Berlin 2003, S 45-63. Hier S. 54.

Wenn sich dann noch so jemand wie der zuständige Gouverneur Leutwein bemüßigt sieht, ausdrücklich darauf hinzuweisen, dass die Herero doch als "notwendiges Arbeitsmaterial" anzusehen seien, wird klar, dass der Krieg sich nicht allein gegen einen militärischen Feind richtete (es sei denn, man definiert zynischerweise das gesamte Volk der Herero als militärischen Feind).

Vgl. Krüger, Gesine: Kriegsbewältigung und Geschichtsbewusstsein. Realität, Deutung und Verarbeitung des deutschen Kolonialkrieges in Namibia 1904 – 1907, Göttingen 1999, S. 52.
 
Ich würde eher auf den Streit der Bundesrepublik, als juristischer Nachfolgerin des Reiches, mit den Herero eingehen. Soll die Bundesrepublik den Herero Entschädigung zahlen? Muss sie das? Dazu gibt es ganz unterschiedliche Auffassungen.
 
Ich würde eher auf den Streit der Bundesrepublik, als juristischer Nachfolgerin des Reiches, mit den Herero eingehen. Soll die Bundesrepublik den Herero Entschädigung zahlen? Muss sie das? Dazu gibt es ganz unterschiedliche Auffassungen.

Das sind allerdings keine Fragen der Geschichtswissenschaft, sondern des Völkerrechts.

Die beiden Bewertungsebenen (juristisch/historisch) sind nicht deckungsgleich, und sollten daher auch getrennt betrachtet werden. Wenn historisch zum Genozid Konsens besteht, sagt das erstmal nichts zur juristischen Bewertung, diese wiederum sagt nichts zu den politischen Konsequenzen.
 
Wenn sich dann noch so jemand wie der zuständige Gouverneur Leutwein bemüßigt sieht, ausdrücklich darauf hinzuweisen, dass die Herero doch als "notwendiges Arbeitsmaterial" anzusehen seien, wird klar, dass der Krieg sich nicht allein gegen einen militärischen Feind richtete (es sei denn, man definiert zynischerweise das gesamte Volk der Herero als militärischen Feind).

Vgl. Krüger, Gesine: Kriegsbewältigung und Geschichtsbewusstsein. Realität, Deutung und Verarbeitung des deutschen Kolonialkrieges in Namibia 1904 – 1907, Göttingen 1999, S. 52.

Ich bin mir nicht ganz sicher, ob man diese Schlussfolgerung so eindeutig ziehen kann. Die Unterscheidung in "zivile Herero" und "Herero als militärischem Feind" dürfte nicht zu jeder Zeit so eindeutig möglich gewesen sein , wie wir das heute retrospektiv sehen. Wenn die Aufständischen mit Kind und Kegel und ihren Viehherden durch das Land ziehen, dann bekommen eben diese Herden (als feindlicher Proviant bzw. Nachschub) auch eine militärische Bedeutung, ebenso die Frauen, Alten und Kinder, die vielleicht das Vieh beaufsichtigen, während die Krieger in kämpferische Handlungen verwickelt sind.

Das ganze Volk der Herero - zumindest vorübergehend - als militärischen Feind zu definieren muss also nicht unbedingt etwas mit Zynismus zu tun haben, sondern kann durchaus militärischen Überlegungen entspringen. Nach "unseren" (hoffe ich jedenfalls) ethischen Vorstellungen ist diese Vorstellung sicherlich als zynisch anzusehen, aber die Denkvorgänge im Kopf eines kaiserlichen Offiziers des damaligen deutschen Reiches waren da sicherlich mit weniger Skrupeln behaftet (wenn ich z. B. an Verdun denke - andere Baustelle aber genauso unbegreiflich).

Man muss sich natürlich auch vor Augen halten, dass die rassische Minderwertigkeit der indigenen Bevölkerung Afrikas allgemein geteiltes, "wissenschaftlich erwiesenes" Gedankengut war. Und wenn sich diese minderwertigen Leute erdreisten, die kulturelle und technische Überlegenheit der Europäer nicht anerkennen zu wollen und auf die Segungen der Zivilisation lieber verzichten, als ein Leben nach den Vorstellungen der Kolonialherren zu führen, dann ist man ja quasi verpflichtet, ganz energisch einzuschreiten. Sonst könnten ja noch andere Völker auf so abstruse Ideen kommen...

Wenn nun Leutwein von "Arbeitsmaterial" spricht, könnte er mir damit fast sympatisch werden. Nicht weil ich diese Einschätzung teile, aber sie entsprach dem damaligen Menschenbild das die Europäer (nicht nur die Deutschen) nahezu einheitlich von den Afrikanern hatten und war somit eigentlich das einzige Argument, das Leutwein zugunsten der Herero vorbringen konnte und mit dem er auf Gehör hoffen durfte. Hätte er nur oder primär ethische Bedenken geäußert, wäre er wohl nicht ernst genommen worden.

Ich glaube durchaus, dass von Trotha seine Handlungen überwiegend nach militärischen Gesichtspunkten ausrichtete oder was er dafür hielt. Heutzutage wäre diese Ansicht so nicht mehr haltbar, aber in unseren Köpfen befindet sich hoffentlich auch ein anderes Menschenbild. Für von Trotha wäre der Tatbestand Völkermord meiner Meinung nach einfach nicht relevant gewesen. Wer sich wie ein Feind verhält, wird auch als solcher behandelt! Punkt! Weitere Differenzierungen wären unnötig.

Fazit: Ich persönlich würde das Vorgehen gegenüber den Hereros als Völkermord werten, gleichzeitig bin ich aber überzeugt, dass die damaligen Verantwortlichen auf diesen Vorwurf überwiegend mit Unverständnis reagieren würden oder diesen als "abwegig" zurückweisen würden. Und das nicht, um sich von einem schlechten Gewissen zu befreien, sondern aus der Überzeugung heraus, ihre Pflicht erfüllt zu haben. Ausnahmen bestätigen die Regel.
 
Ich bin mir nicht ganz sicher, ob man diese Schlussfolgerung so eindeutig ziehen kann. Die Unterscheidung in "zivile Herero" und "Herero als militärischem Feind" dürfte nicht zu jeder Zeit so eindeutig möglich gewesen sein , wie wir das heute retrospektiv sehen. Wenn die Aufständischen mit Kind und Kegel und ihren Viehherden durch das Land ziehen, dann bekommen eben diese Herden (als feindlicher Proviant bzw. Nachschub) auch eine militärische Bedeutung, ebenso die Frauen, Alten und Kinder, die vielleicht das Vieh beaufsichtigen, während die Krieger in kämpferische Handlungen verwickelt sind.

Das ganze Volk der Herero - zumindest vorübergehend - als militärischen Feind zu definieren muss also nicht unbedingt etwas mit Zynismus zu tun haben, sondern kann durchaus militärischen Überlegungen entspringen.

Es sind ja auch in anderen Fällen "militärische Überlegungen", Zivilisten zu ermorden oder die Lebensgrundlage des "Feindes" zu zerstören. Der Vernichtungskrieg der Wehrmacht entsprang genau solchen "militärischen Überlegungen"...
 
Es sind ja auch in anderen Fällen "militärische Überlegungen", Zivilisten zu ermorden oder die Lebensgrundlage des "Feindes" zu zerstören.[...]

Ist jetzt vielleicht etwas ab vom Thema, aber dazu fällt mir spontan die englische Fernblockade im 1.WK ein. Die Lebensgrundlage entziehen, für die gesamte Bevölkerung des Feindes, daß war das Ziel diese Blockade. Dabei wurde sogar der verminderte Warenverkehr neutraler Länder in der Nordsee in kauf genommen ...

Ach noch etwas, der Vergleich mit dem Holocaust ist sehr unpassend und könnte zu falschen Rückschlüssen führen, so wie Melchior es schon bemerkte.
 
Es sind ja auch in anderen Fällen "militärische Überlegungen", Zivilisten zu ermorden oder die Lebensgrundlage des "Feindes" zu zerstören. Der Vernichtungskrieg der Wehrmacht entsprang genau solchen "militärischen Überlegungen"...

Ja da kann man durchaus Parallelen erkennen. Die Lebensgrundlage des Feindes zu vernichten und verbrannte Erde zu hinterlassen ist ja keine neue Taktik.

Was den Vernichtungskrieg der Wehrmacht aber davon noch unterscheidet, ist, dass diese Vernichtung nicht nur im Rahmen militärischer Überlegungen praktiziert wurde, sondern - von der Staatsführung vorgegeben - ausdrücklich ein "Krieg der Weltanschauungen" geführt wurde und die Pläne des "Lebensraums im Osten" zur Ausbreitung des deutschen Volkes ausdrücklich keinen Platz für andere Völker, es sei denn als Zwangsarbeiter "Sklaven" (vgl. Himmler: Posener Reden ? Wikipedia - auch wenn der jetzt kein Entscheidungsträger der Wehrmacht war).

Hier kommt zusätzlich oder sogar primär zu den militärischen Überlegungen eine menschenverachtende Ideologie zum tragen, die doch über das hinausgeht, was im Krieg gegen die Hereros stattfand.

Viele Grüße

Bernd
 
Zuletzt bearbeitet:
Diese menschenverachtende Ideologie gab es im Falle der Hereros auch, die nannte sich Kolonialismus oder Rassismus. ;)

In beiden Fällen wurde das Land bzw der "Lebensraum" anderer Menschen für eigene Kolonien oder Siedlungen beansprucht. Die Lebensweise und Weltanschauung des Gegners wurde abgewertet, was sich in beiden Fällen auch auf den "Wert" des anderen übertrug: Das Menschsein wurde sowohl beim "schwarzen Affenmenschen" als auch beim "slawischen Untermenschen" entwertet, geleugnet, abgesprochen, um die eigenen Handlungen gegen diese Menschen zu legitimieren.

Ein "Krieg der Weltanschauungen" war es aus "weißer" Sicht im Falle des Kolonialismus nur deshalb nicht, weil es nicht zur Debatte stand, dass die Kolonialisten die Lebenweise oder Ideologie der Kolonialisierten übernahmen; in der Auseinandersetzung mit dem Sozialismus der Sowjetunion sah das anders aus. Wobei, hätt's damals schon Hippies und ne "Back to nature"-Bewegung gegeben... ;)
 
Diese menschenverachtende Ideologie gab es im Falle der Hereros auch, die nannte sich Kolonialismus oder Rassismus. ;)

Wobei sich hier die Frage stellt, ob es sinnvoll ist, den Kolonialismus im Zeitalter des Imperialismus mit dem Holocaust zu vergleichen.
Immerhin gibt es nicht nur den Völkermord von den deutschen Kolonialisten, Beispiel Burenkrieg um den Bogen wieder zum TE zu bekommen.
 
Diese menschenverachtende Ideologie gab es im Falle der Hereros auch, die nannte sich Kolonialismus oder Rassismus. ;)

Stimmt natürlich. Aber für mich macht es trotzdem einen kleinen Unterschied, ob ich jemanden grundsätzlich vernichte, vertreibe oder versklave oder - auch - mit der Intention an die Sache herangehe, ihm die Segnungen der Zivilisation näherzubringen. Ich gebe zu, dass es für viele Kolonialisten wirklich keinen großen Unterschied zwischen diesen Sichtweisen gegeben haben mag, aber seitens der Staatsführung durchaus. In den Kolonien gab es durchaus kritische Stimmen, die sich für die Rechte der indigenen Bevölkerung einsetzte, z. B. Missionare und auch die Kolonialbehörden wurden - bei allem Überlegenheitsgefühl - nicht eingerichtet, um das Land von der einheimischen Bevölkerung zu "befreien".

Was die Diskussion hier ein wenig schwer macht, ist der Unterschied zwischen Theorie und Praxis. Aber auch wenn die Praxis jeweils ähnlich einschneidende Folgen für die Betroffenen hatte, geht es mir darum die Unterschiede in den Ansätzen (die graue Theorie) nicht unter den Tisch fallen zu lassen. :winke:

Viele Grüße

Bernd
 
Wobei sich hier die Frage stellt, ob es sinnvoll ist, den Kolonialismus im Zeitalter des Imperialismus mit dem Holocaust zu vergleichen.
Immerhin gibt es nicht nur den Völkermord von den deutschen Kolonialisten, Beispiel Burenkrieg um den Bogen wieder zum TE zu bekommen.

Den Holocaust hab ich nicht genannt; der war auch keine "militärische Aktion" und wurde nicht mit militärischer Notwendigkeit begründet. ;)
 
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