Verhältnis Kaiser Wilhelm II zu den Nationalsozialisten

Arne

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Wie stand der Kaiser im Exil zu der "Bewegung" in Deutschland? Was gibt es für Hinweise? Kommt man zu einer klaren Einschätzung oder unterlag Wilhelms Meinung wie in manch anderen Sachfragen Schwankungen, die keine dauerhafte Einstellung erkennen lassen? Darüber wurde hier noch nicht diskutiert...

Einer der ersten Belege ist vielleicht sein Kommentar im September 1933, nach dem Studium der Reden auf dem Nürnberger Parteitag der NSDAP:
"Alles wird von den Leuten ja beseitigt, die Fürsten, der Adel, die Offiziere, die Stände usw., aber das wird sich rächen, man wird die einzige Fahne, die sie noch übriggelassen haben, die mit dem Hakenkreuz, noch einmal verfluchen und die Deutschen selber werden sie eines Tages verbrennen." Hier zeigte er schon fast prophetische Fähigkeiten.

Zumindest eine gewisse Nähe zu der Ideologie wird ihm gelegentlich unterstellt. Meist in zwei Punkten:
Einmal seinem Antisemitismus. Es gibt mehrere Belege, daß Wilhelm (besonders in der Zeit unmittelbar nach der Abdankung) den Juden eine wesentliche Schuld am Ausgang des Weltkrieges gab. Wie z.B. diesen Ausschnitt aus einem privatem Brief vom 2. Dezember 1919:
"Die tiefste, gemeinste Schande, die je ein Volk in der Geschichte fertiggebracht, die Deutschen haben sie verübt an sich selbst. Angehetzt und verführt durch den ihnen verhaßten Stamm Juda, der Gastrecht bei ihnen genoß! Das war sein Dank! Kein Deutscher vergesse das je, und ruhe nicht bis nicht diese Schmarotzer vom Deutschen Boden vertilgt und ausgerottet sind! Dieser Giftpilz am Deutschen Eichbaum!"

Quelle: John C.G. Röhl, "Kaiser, Hof und Staat"

Obwohl während seiner Amtszeit deutsche Juden im Alltag keine ernsthaften Probleme hatten, scheint also zumindest ein unterschwelliger Antisemitismus da gewesen zu sein, der gelegentlich durchbrach.

Zweiter Punkt: Sein Glückwunschtelegramm 1941 an Hitler nach der Besetzung von Paris zum "Sieg der deutschen Waffen". Die Authenzität dieses Telegramms ist allerdings umstritten. Es wird teilweise vermutet, es ist eine Fälschung von Wilhelms Sekretär gewesen.
Selbst wenn das Telegramm echt war, sagt es nach meiner Meinung nichts über Wilhelms Nähe zu den Nazis aus, nur seiner Nähe zu den Deutschen und ihrer "Revanche für 1918"

Nach meiner Einschätzung war Wilhelm von seiner Stellung in der Gesellschaft überzeugt. Er war als König von Gottes Gnaden nur bereit nach Deutschland zurückzukehren, wenn die Monarchie wieder eingeführt worden sei. Das zeigt sich ja auch deutlich bei seinen Beerdigungsverfügungen noch 1941. Selbst tot wolle er nicht in die Republik oder Hitlers Reich zurück.
Wir wissen von Bestrebungen seiner zweiten Frau Hermine, die immer wieder Kontakt zu höheren Parteiangehörigen gesucht hat, eine Rückkehr zu organisieren. Ich weiß nicht, welche Konstruktionen sie ihren Gesprächspartnern alle vorschlug. Aber weder Hitler hatte Interesse den Kaiser wieder im Lande zu haben, der nur eine Konkurrenz zu seinem Führungsanspruch sein konnte - noch dürfte Wilhelm tatsächlich Interesse an einer Rückkehr von Gnaden eines Gefreiten gehabt haben. Wie hätte seine Stellung denn aussehen können? So wie im Weltkrieg als ohnmächtige Präsentationsfigur neben Hindenburg und Ludendorf? Ich denke Wilhelm hatte davon sicher die Nase voll.

Ich könnte mir vorstellen, daß Wilhelm ab 1933 sehr aufmerksam nach Deutschland sah und dies gelegentlich mit durchaus gemischten, auch neidischen Gefühlen. Das Ende hat er ja nicht mehr mitbekommen, da er 1941 starb. Ich kann mir allerdings nicht vorstellen, daß er als "Popanz" neben Hitler aufgetreten wäre.
Ob er es doch seiner Frau zuliebe getan hätte oder sie nur ihre Ränke weiter knüpfen ließ um ihr Hoffnung zu geben einmal als Kaiserin zu glänzen? Ich weiß es nicht.
 
Arne weisst du zufällig auch wie der deutsche Hochadel - vor allem die ehemals regierenden Familien - zum Nationialsozialismus standen?
 
Rovere schrieb:
Arne weisst du zufällig auch wie der deutsche Hochadel - vor allem die ehemals regierenden Familien - zum Nationialsozialismus standen?

Schade, genau zu dem Thema kam kürzlich eine Fernsehdokumentation "Soll ich etwa eine Braune werden?", die ich verpasst habe. Hier aber etwas Info zur Sendung:
http://www.prisma-online.de/tv/sendung.html?cid=EinsExtra&stime=2005-08-14%2023%3A15%3A00%2B02

Ich denke, man kann feststellen, daß die Stimmung im Adel nicht einheitlich war. Es gab viele in Führungspositionen, es gab die Widerständler und es gab widerum andere, die sich einfach zurückzogen.
 
arne war schneller, ich hab sie aber gesehen: interessant fand ich dabei die geschichte der wittelsbacher, die im kz gelandet sind.
 
Zuletzt bearbeitet:
collo schrieb:
arne war schneller, ich hab sie aber gesehen: interessant fand ich dabei die geschichte der wittelsbacher, die im kz gelandet sind.

Wird ja sicher noch wiederholt. Aber dein Hinweis zeigt, daß es im Adel durchaus die ganze "Spannbreite" der Verwicklungen und Schicksale gab, wie im Rest der Gesellschaft.
Die vergleichsweise hohe Zahl von adligen Offizieren sagt übrigens nichts aus, da viele einfach schon aus Familientradition die Offizierslaufbahn einschlugen.
 
Arne schrieb:
Obwohl während seiner Amtszeit deutsche Juden im Alltag keine ernsthaften Probleme hatten, scheint also zumindest ein unterschwelliger Antisemitismus da gewesen zu sein, der gelegentlich durchbrach.
Diese Exkulpation scheint mir doch zu pauschal. Vielleicht kannst du mal einen Blick in
Hermann Greive, Geschichte des modernen Antisemitismus in Deutschland, Darmstadt 1988
werfen.
Wenn die ganze Gesellschaft verseucht ist, ist auch SKH involviert.
 
Mercy schrieb:
Vielleicht kannst du mal einen Blick in
Hermann Greive, Geschichte des modernen Antisemitismus in Deutschland, Darmstadt 1988
werfen.
Wenn die ganze Gesellschaft verseucht ist, ist auch SKH involviert.

Vielleicht muß ich das mal. Habe mich bisher mit diesem Thema (Antisemitismus im Kaiserreich) nicht beschäftigt und nur am Rande halt nichts, bzw. kaum diesbezügliches mitbekommen. Schien mir also nicht "die" Rolle gespielt zu haben :confused:
 
Noch mehr Literaturempfehlungen

Mercy schrieb:
Vielleicht kannst du mal einen Blick in
Hermann Greive, Geschichte des modernen Antisemitismus in Deutschland, Darmstadt 1988
werfen.

Vielleicht passt auch
Brechtken, Magnus: "Madagaskar für die Juden". Antisemitische Idee und politische Praxis 1885 - 1945. (Dissertation an der Uni Bonn) München 1997, erschienen in der Reihe Studien zur Zeitgeschichte vom Oldenbourg-Verlag.
 
Es geht jetzt etwas vom Threadtitel weg, aber das Thema verdient diskutiert zu werden.
Gab es denn im Kaiserreich irgendwelche offiziellen, das heißt gesetzlichen Grundlagen zur Judenverfolgung oder auch nur zur Diskriminierung? Ich wüßte davon nichts.

Was ich mir bekannt ist, sind antisemitische Strömungen in Teilen der Gesellschaft. Der "übliche" Mischmasch aus Vorurteilen, pseudowissenschaftlichen Thesen und sonstigen wirren Ideologien. Haben die denn im Alltag tatsächliche Auswirkungen gehabt, die über eine gewisse "Antipathie" gegen eine Minderheit hinausgingen? Also Nachteile z.B. in Berufswahl, Schulwahl, Studium, Wohnortwahl, Freizeitbeschäftigung oder ähnlichem? Juden waren Offiziere, Künstler, Abgeordnete, Professoren, Richter und Anwälte, hatten angesehene und hochdotierte Posten. Es gab keine Nachteile im Geschäftsleben ("Kauft nicht bei Juden" o.ä.) Die großen Kaufhäuser jüdischer Eigentümer florierten.

Worin siehst du, Mercy, die "Verseuchung" der Gesellschaft?

Ist da nicht eine Gefahr Zusammenhänge, also Wurzeln und Ursprung des späteren Holocaust in einer Gesellschaft zu suchen und "hineinzukonstruieren", die sich unwesentlich von der des Auslands unterschied?

Nachtrag:
Die in Deutschland seit der Revolution von 1848/49 immer stärker geforderte Gleichberechtigung des jüdischen Bevölkerungsteils war in der Reichsverfassung von 1871 verankert. Damit war die Emanzipation der etwa 512.000 Juden im Deutschen Reich (1,25 Prozent der Gesamtbevölkerung) formal abgeschlossen. Doch gegen die Assimilation der Juden wandte sich eine antisemitische Propaganda, deren Judenfeindschaft nicht mehr nur religiös, sondern rassisch begründet wurde.
Quelle:http://www.dhm.de/lemo/html/kaiserreich/antisemitismus/
Hmm, gab es solche Parteien auch z.B. in Frankreich oder Großbrittanien? Das wohl nicht...:grübel:
 
Zuletzt bearbeitet:
Hier ist eine Arbeit dazu:
http://www.hausarbeiten.de/faecher/hausarbeit/gez/19443.html

Zitat schrieb:
6 Fazit
Antisemitische Strömungen gibt es in der Gesellschaft seit der Entstehung des Christentums. In der hier behandelten Epoche waren die Strömungen noch nicht gesellschaftsprägend, aber auch nicht unbedeutend. (...)Mit Blick auf die damaligen antisemitischen Parteien ist zusammenfassend zu bemerken, dass es ihnen trotz kleinerer Wahlerfolge zu keinem Zeitpunkt gelang, eines ihrer Ziele zu erreichen oder irgendeine ihrer Forderungen parlamentarisch durchzusetzen. Durch ihre Uneinigkeit schafften es die Antisemiten nie, eine Massenbewegung zu werden.

Aber es wird auch festgestellt:
Sie bereiteten den Nährboden für den nationalsozialistischen Antisemitismus und damit für den Holocaust. Die Entwicklung im Kaiserreich festigte die Passivität der Gesellschaft gegenüber dem Schicksal ihrer jüdischen Mitbürger.
Dies scheint im Kern ein Konsens der aktuellen historischen Bewertung zu sein, wenn ich das richtig einschätze..?
 
Arne schrieb:
Es geht jetzt etwas vom Threadtitel weg, aber das Thema verdient diskutiert zu werden.
Gab es denn im Kaiserreich irgendwelche offiziellen, das heißt gesetzlichen Grundlagen zur Judenverfolgung oder auch nur zur Diskriminierung? Ich wüßte davon nichts.

Was ich mir bekannt ist, sind antisemitische Strömungen in Teilen der Gesellschaft. Der "übliche" Mischmasch aus Vorurteilen, pseudowissenschaftlichen Thesen und sonstigen wirren Ideologien. Haben die denn im Alltag tatsächliche Auswirkungen gehabt, die über eine gewisse "Antipathie" gegen eine Minderheit hinausgingen? Also Nachteile z.B. in Berufswahl, Schulwahl, Studium, Wohnortwahl, Freizeitbeschäftigung oder ähnlichem? Juden waren Offiziere, Künstler, Abgeordnete, Professoren, Richter und Anwälte, hatten angesehene und hochdotierte Posten. Es gab keine Nachteile im Geschäftsleben ("Kauft nicht bei Juden" o.ä.) Die großen Kaufhäuser jüdischer Eigentümer florierten.

Worin siehst du, Mercy, die "Verseuchung" der Gesellschaft?

Ist da nicht eine Gefahr Zusammenhänge, also Wurzeln und Ursprung des späteren Holocaust in einer Gesellschaft zu suchen und "hineinzukonstruieren", die sich unwesentlich von der des Auslands unterschied?



Der Antisemitismus als Schatten des Nationalismus hatte nicht erst seit dem dt.Kaisertum 1871 begonnen. Dieser so ab 1879 genannte Antisemitismus begann gesellschaftspolitisch gesehen unterschwellig schon seit der Zeit unmittelbar nach den Befreiungskriegen und machte sich schon in den germanisierten Burschenschaften breit, welche solche Burschenschaften verdrängten, die auch die im Zuge der napoleonischen Ordnung erreichte Judenemanzipation auf dt. Boden verwirklicht sehen wollten.
Hier geht ein roter Faden durch bis zur Nazi-Herrschaft. Unterwegs im dt. Kaiserreich warnte
schon Theodor Mommsen im Berliner Antisemitistenstreit 1878 mit dem chauvinistischen Historiker H.v. Treitschke vor dem " eigentlichen Sitz des Wahns, der jetz die Massen erfaßt hat ". Dieser Nährboden brachte dann z.B auch aus gutbürgerlichen Kreisen ,wie Lehrern
eine Antisemitismus-Petition 1881 zustande mit 267000 Unterschriften ,darunter 4000 Studenten, die Bismarck überreicht worden ist.
Die Neubesetzungsliste der führenden Universitäten und Akademien unter dem o.g. Aspekt , verdient iin der schönen Kaiserzeit eine besondere Würdigung.
Insgesamt galten die Juden schon daher als verdächtig, da sie überwiegend dem liberalen Lager angehörten, dies aber nicht aus Gegnerschaft zu dem von ihnen durchaus empfundenen Nationalstolz , sondern weil die liberalen Parteien ihre Ziele nach rassischer Liberalisierung vertraten, ganz im Gegensatz vom persönlichen Regiment WilhelmII., der gerade die Germanophilie förderte und diese in einen höheren, mystischen Zusammenhang
propagierte. Entsprechend war die Personalauswahl in bedeutenden Stellungen der dt. Wissenschaft und Kultur.
"Der bis dahin als liberal geltende Treitschke, so hatte Mommsen es formuliert, hatte zusammen mit dem Berliner Hofprediger Adolf Stoecker den "Kappzaum der Scham" entfernt und durch ihre öffentlichen Ämter den Antisemitismus aus der Sphäre der Vulgarität erhoben und auch für bürgerliche Kreise akzeptabel gemacht. Jener Satz Treitschkes findet sich dann ab 1927 als Fußleiste auf jeder Titelseite des primitiven antisemitischen Hetzblattes Der Stürmer von Julius Streicher wieder."


 
Meiner Meinung nach waren Prinzen des Hauses Hohenzollern bei den Nazis. Einer soll meines Wisses bei der SA gewesen sein.
WihelmII hat Hitler aus Doorn zu seinem Sieg im Frankreichfeldzug gratuliert.Antisemitismus scheint leider weit verbreitet gewesen sein. Nur Bei Bismarck nicht, der machte seinen Bankier aus Dankbarkeit zum Baron.
Ich glaube, die Adelshäuser waren in Bezug auf den Antisemitismus nicht besser als das übrige deutsche Volk.
Ich saß als einziger Schüler unserer Schule neben einem Schüler mit Vornamen Chaim, auf meine Frage an den Klassenlehrer warum gerade ich, sagte der, ich wäre der Vernünftigste in der Klasse. Chaim fehlte jeden Samstag in der Schule. Unser adeliger Geschichtslehrer (Schenk zu ...,altes adliges Geschlecht in Hessen) den wir Samstags in Geschichte hatten, schaut jedes mal zu der Bank, in der wir saßen und fragte ob Chaim heute nicht da ist und nachdem ihm das bestätigt wurde, legte er mit seinen antisemitischen Sprüchen los. :(
 
heinz schrieb:
Meiner Meinung nach waren Prinzen des Hauses Hohenzollern bei den Nazis. Einer soll meines Wisses bei der SA gewesen sein.
August Wilhelm "Auwi"
http://de.wikipedia.org/wiki/August_Wilhelm_von_Preu%C3%9Fen

heinz schrieb:
WihelmII hat Hitler aus Doorn zu seinem Sieg im Frankreichfeldzug gratuliert.
Siehe meinen ersten Beitrag, oben.

heinz schrieb:
Ich glaube, die Adelshäuser waren in Bezug auf den Antisemitismus nicht besser als das übrige deutsche Volk.
Siehe oben, Beiräge Rovere, Arne, Collo..
 
Also Wilhelm II. hatte meiner Meinung nach nicht viel für die Nazis übrig, er liebäugelte wohl mehr mit einer Wiedereinführung der Monarchie, das erhoffte er sich von den Nazis, doch als er nach dem 30. Januar 1933 sah, dass die neuen Herrscher ncht das geringste Interesse am Kaiser hatten, wandte er sich von ihnen ab.
Zum Pogrom von 1938 meinte er:

„Es ist ja eine Schande, was da jetzt zu Hause vor sich geht. Jetzt wird es höchste Zeit, daß die Armee eingreift, viel hat sie sich gefallen lassen, dies darf sie unter keinen Umständen mitmachen. Da müssen die alten Offiziere und alle anständigen Deutschen protestieren. Aber alle sahen dieses Morden und Brennen - und rührten keinen Finger. Bisher war das ganze Nazitum der versteckte Bolschewismus, jetzt aber ist es der offene geworden. Länder müßten ihre Gesandten und Vertretungen abberufen, dann würden die Nazis schon klein beigeben. Auch die Auslandsdeutschen müssen sich jetzt von allen Naziverpflichtungen freimachen, dann werden die in Deutschland auch folgen. Die Stahlhelmer, die alten Frontsoldaten müßten sich zusammentun und die Nazis erledigen.“

Das Telegramm, das er Hitler zum Sieg über Frankreich geschickt hat, stammte übrigens nicht von ihm, sondern von seinem Hausmeister Wilhelm von Dommes.
 
Arne schrieb:
Es geht jetzt etwas vom Threadtitel weg, aber das Thema verdient diskutiert zu werden.
Gab es denn im Kaiserreich irgendwelche offiziellen, das heißt gesetzlichen Grundlagen zur Judenverfolgung oder auch nur zur Diskriminierung? Ich wüßte davon nichts.
]

Der Erfolg von antisemitischer Parteien war im Kaiserreich zwar gering, aber das Ausmaß der Verbreitung des Antisemitismus i.d. Gesellschaft ; in zahhllosen Vereinen, Heimatbünden,Interessenverbänden, Universitäten- war nicht nur unterschwellig, sondern virulent. Der Antisemitismus wurde zum "kulturellen Code " eines großen Teils der wilhelm. Gesellschaft.
Die Hoffnung vieler Juden zu Beginn des 1. WK. ,durch patriotische Pflichterfüllung und nationaler Treue endlich in die deutsche Volksgemeinschaft aufgenommen zu werden, ging ins schiksalhaft Negative. In dem Moment, als die Siegesgewißheit von 1914 verflogen war und die Härten d.Krieges auch i.d. Heimat zu spüren waren, gewann de Antisemit. rasch Auftrieb, insbesondere durch den Vorwurf , jüd. Schieber und Kriegsgewinnler verdienten Millionen, während Deutsche hungern müßten.
 
Arcimboldo schrieb:
Der Erfolg von antisemitischer Parteien war im Kaiserreich zwar gering, aber das Ausmaß der Verbreitung des Antisemitismus i.d. Gesellschaft ; in zahhllosen Vereinen, Heimatbünden,Interessenverbänden, Universitäten- war nicht nur unterschwellig, sondern virulent. Der Antisemitismus wurde zum "kulturellen Code " eines großen Teils der wilhelm. Gesellschaft.
....

war es nicht leider so, dass der antisemitismus bis 1914 auch in anderen ländern eine rolle gespielt hat, ich erinnere da v.a. an die dreyfus-affäre in frankreich. antisemitische vereine und verbände gab es nicht nur im wilhelminischen deutschland, sondern auch in england und den usa. in einigen bereichen, v.a. die, die gemeinhin als elitär angesehen wurden (Offiziers- und diplomatisches korps etc.) hatten bürger jüdischen glaubens überall schwierigkeiten, wenn ihnen denn nicht sowieso der zutritt erschwert oder verweigert wurde. und vermutlich würde man auch bei anderen monarchen oder präsidenten antisemitische sprüche finden, wenn man diese genauso unter die lupe nehmen würde.

was ich damit sagen will: natürlich kam der antisemitismus des nationalsozialismus nicht aus dem nichts. aber ich halte es für falsch, (mal wieder) einen deutschen sonderweg zu sehen, der schnurstarcks von wilhelm II zu adolf hitler führt.
 
collo schrieb:
was ich damit sagen will: natürlich kam der antisemitismus des nationalsozialismus nicht aus dem nichts. aber ich halte es für falsch, (mal wieder) einen deutschen sonderweg zu sehen, der schnurstarcks von wilhelm II zu adolf hitler führt.

Einen dt. Sonderweg i.d. Antisemitismus-Frage sehe ich durch die Bespiegelung der wilh. Gesellschaft denke ich noch nicht. Mir scheint ,daß der o.g. "kuturelle,oder gesellschaftl.Code "
in Deutschland als gesellschaftl.flächendeckenderes nationales Phänomen erscheint,als z.B. in Frankreich, wo der Fall Dreyfuß einen Einblick besonders i.d. Militärkaste erlaubt.
Ob die baldige Aufdeckung und Aufarbeitung dieser Affäre i.Deutschland der Jahrhundertwände so hätte stattfinden können, wage ich zu bezweifeln. Insgesamt ist es natürlich immer fragwürdig bei diesem Thema sozusagen gegenzurechnen und daraus einen mehr-oder weniger national-verstrickten hist. Zusammenhang zu zimmern. Wenn man gleichzeitig auf die brutalen Judenprogrome im zaristischen Rußland vor d. Jahrhundertwände schaut, erscheinen die hier angesprochenen Themen zunächst als zu vernachlässigende Größe im Vergleich zum Ausmaß der Tragödie der Ostjuden i.dieser Zeit. Der Wirkmechanismus speziell des dt. Antisemitismus greift hier später mit seiner im 19. Jahrh. gesäten Ideologie und übertrifft dann die o.g. Beispiele. Insofern gibt es meiner Meinung nach sehr wohl einen verhängnisvollen dt. Weg des Antisemitismus, der erst im Nachhinein als solcher auch in seinen Anlagen zu erkennen ist, die i.d. wilhelm. Zeit eine fördernde Ermunterung erfuhren.
 
für mich war es immer ein zeichen, dass der deutsche antisemitismus sich vor dem 1. wk nicht weiter von dem "westeuropäischen" unterschied, dass das deutsche reich bis in die zwanziger jahre eines der bevorzugten einwanderungsländer osteuropäischer juden war (was den antisemiten gerade in der zeit nach dem verlorenen krieg wasser auf ihre mühlen war).
ein anderes indiz wäre sicher die zahl der deutschen auswanderer jüdischen glaubens vor 1914. leider habe ich auf die schnelle keine zahlen gefunden (falls die religionszugehörigkeit überhaupt erfasst wurde).
 
collo schrieb:
für mich war es immer ein zeichen, dass der deutsche antisemitismus sich vor dem 1. wk nicht weiter von dem "westeuropäischen" unterschied, dass das deutsche reich bis in die zwanziger jahre eines der bevorzugten einwanderungsländer osteuropäischer juden war (was den antisemiten gerade in der zeit nach dem verlorenen krieg wasser auf ihre mühlen war).
ein anderes indiz wäre sicher die zahl der deutschen auswanderer jüdischen glaubens vor 1914. leider habe ich auf die schnelle keine zahlen gefunden (falls die religionszugehörigkeit überhaupt erfasst wurde).


Zu Beginn des Jahrhunderts wanderten jährlich ca. 70.000 Juden aus . Zwischen 1881 und 1914
emigrieren mehr als 2 Mio. Juden vorallem nach den USA, Argentinien,Kanada und Palästina.


"In jedem Jahrzehnt der Kaiserzeit veranstaltete Preußen Massendeportationen, in denen ausländische Juden, auch mit gültigen Papieren, eingefangen und abgeschoben wurden" . Bis zur Jahrhundertwende wurden auf diese Weise mindestens 14 000 Ostjuden abgeschoben . Durch diese Deportationen wurden die Juden aus Osteuropa als Manövriermasse staatlicher Maßnahmen stigmatisiert und zugleich den Antisemiten als Aggressionsobjekt freigegeben. Dabei war die Zahl der Juden aus Osteuropa im Reich lächerlich gering; 1910 gab es 70 000 Ausländer unter den 615 000 Juden, das entspricht 0,1% der Bevölkerung. Wohl aber bestimmte die Konzentration der armen Juden in bestimmten Vierteln der Innenstädte das Straßenbild und damit die sinnliche Qualität dessen, was - zum Beispiel in "Mein Kampf" - als Jude bezeichnet wurde: der verschlissene Immigrant aus Osteuropa. Die rassistischen Stereotypen, mit denen die Ostjuden belegt wurden, gleichen weitgehend denen, die auch heute gegen die Flüchtlinge in Verkehr gebracht werden ."

ganzer Artikel : Untertitel : "DIE NATION DER MINDERHEITEN UND DAS VOLK DER STAATENLOSEN"


http://www.materialien.org/texte/migration/fluebewrass.html
 
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