Warum Reichsgründung "zu spät"?

Raphaela

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Hallo,

inwiefern war die deutsche Reichsgründung 1871 "zu spät"?
Weil die liberalen Bewegungen der Bevölkerung abebbten?

Liebe Grüßee
 
Für die, die es 1848 versucht haben mit dem Reich, kam's ein bissel zu spät, ja...

Ich bin mir nicht sicher, ob man das so sehen kann. Ging es 1848/49 um Reichsgründung? Mir scheint es eher so zu sein, dass es eher um Widerstang gegen die Restaurationsbestrebungen des Adels ging. Die zentralen Anliegen waren bürgerliche Freiheit und Volkssouveränität (wie schon 1832 beim Hambacher Fest formuliert). Man glaubte damals bloß, diese Ziele nur mittels einer "Reichsgründung" erreichen zu können. Es gab ja nur ein einziges Vorbild: den Nationalstaat Frankreich. Auf die Idee, dass auch bundesstaatliche Lösungen eine Alternative sein könnten, ist man damals einfach nicht gekommen, weil es keine Bundesstaaten gab, die als "Muster" hätten dienen können. Die Reichsgründung war also eher ein "alternativlos" scheinendes Werkzeug, nicht das "Ziel" des Prozesses.

Typischerweise spaltete sich die bürgerliche Bewegung in der Folgezeit: Die eine Strömung stellte die (notfalls gewaltsame) Zerschlagung der Grenzen zwischen den Fürstentümern in den Mittelpunkt, also den Nationalstaat. Eine der treibenden Kräfte hierbei waren die Studentenschaften. Die andere Strömung setzte eher auf regionale Reformen und gründete landauf landab Bürgervereine. Wäre diese Strömung erfolgreich gewesen, hätte sie durchaus zur Herausbildung bundesstaatlicher Strukturen führen können. Schon in Hambach war diese Spaltung sichtbar.

Letztlich haben die Herrschenden dann die "vaterländisch" ausgerichtete Strömung übernommen und die Idee des Nationalstaats mit den alten Herrschaftsformen verbunden. Keine Fürsten, keine Könige mehr. Stattdessen ein Kaiser. Das war nicht die Ablösung alter Herrschaftsmodelle, die mit der 1848er Revolution eigentlich angestrebt war. Indem der Adel sich bürgerlich-revolutionäre Bestrebungen zunutze gemacht hat, hat er etwas erreicht, was jahrhundertelang mittels dauernder Kleinkriege zwischen den eigenständigen Fürstentümern vergeblich versucht wurde: Zentralisierung von Macht. Die Schaffung des Zentralstaats war so betrachtet der kleinste gemeinsame Nenner zwischen dem Adel und dem revoltierenden Bürgertum.

Meiner Ansicht nach hat das alles wenig mit dem Zeitpunkt der Reichsgründung zu tun. Mir ist nicht klar, was anders verlaufen wäre, wenn die Reichsgründung früher erfolgt wäre. Ganz sicher kann man nicht sagen, dass die "zu späte" Reichsgründung negative Folgen hatte, weil liberale Bestrebungen nachgelassen hätten. Tatsächlich wuchsen sie immer weiter an und haben sich letztlich sogar durchgesetzt.

Deshalb ist mir auch nicht klar, wo die These herkommt, dass die Reichsgründung "zu spät" erfolgt sein könnte. Wenn man die Unterschiede in der Entwicklung Deutschlands und Frankreichs betrachtet, findet man ja tatsächlich Indizien dafür, dass Deutschland "zu spät" dran war. Allerdings nicht bloß ein paar Jahre sondern einige Jahrhunderte.

MfG
 
Wer sagt denn, dass die Reichsgründung "zu spät" erfolgte?

Im wesentlichen formulierte Plessner diese These.

Helmuth Plessner ? Wikipedia

Relevant wurde diese These zur Begründung des deutschen "Sonderwegs". Plessner sieht die Ursachen der autokratischen Tradition, inklusive Militarismus, in der nicht ausreichenden Entwicklung des liberalen Bürgertums als politischer Akteur.

Eine Vielzahl von Studien zur Gesellschaft des Kaiserreichs nach 1871 basiert explizit oder implizit auf seiner These, auch im Sinne der Zustimmung bzw. Ablehnung.
 
Ich bin mir nicht sicher, ob man das so sehen kann. Ging es 1848/49 um Reichsgründung? Mir scheint es eher so zu sein, dass es eher um Widerstang gegen die Restaurationsbestrebungen des Adels ging. Die zentralen Anliegen waren bürgerliche Freiheit und Volkssouveränität (wie schon 1832 beim Hambacher Fest formuliert). Man glaubte damals bloß, diese Ziele nur mittels einer "Reichsgründung" erreichen zu können. Es gab ja nur ein einziges Vorbild: den Nationalstaat Frankreich. Auf die Idee, dass auch bundesstaatliche Lösungen eine Alternative sein könnten, ist man damals einfach nicht gekommen, weil es keine Bundesstaaten gab, die als "Muster" hätten dienen können. Die Reichsgründung war also eher ein "alternativlos" scheinendes Werkzeug, nicht das "Ziel" des Prozesses.

Das stimmt so nicht unbedingt. Das Reich sollte gemäß der Verfassung von 1849 durchaus als föderaler Staat aufgebaut werden (zwei Kammern mit Einfluss der Staatsregierungen). Liberalismus und Nationalismus gingen im 19. Jahrhundert noch Hand in Hand und schon 1815 gab es Forderungen nach einem deutschen Nationalstaat und die Enttäuschung, dass stattdessen nur der Deutsche Bund zustande kam. Das Wartburgfest 1817 zeigt das sehr schön, auf dem als erster Grundsatz nicht die Volkssouveränität stand, sondern "Ein Deutschland ist, und ein Deutschland soll sein und bleiben." (Beschlüsse des Wartburgfestes, Haupt 1913). Siebenpfeiffer hat auch auf dem Hambacher Fest die Bedeutung des Nationalstaats herausgestellt.

Letztlich haben die Herrschenden dann die "vaterländisch" ausgerichtete Strömung übernommen und die Idee des Nationalstaats mit den alten Herrschaftsformen verbunden. Keine Fürsten, keine Könige mehr. Stattdessen ein Kaiser. Das war nicht die Ablösung alter Herrschaftsmodelle, die mit der 1848er Revolution eigentlich angestrebt war. Indem der Adel sich bürgerlich-revolutionäre Bestrebungen zunutze gemacht hat, hat er etwas erreicht, was jahrhundertelang mittels dauernder Kleinkriege zwischen den eigenständigen Fürstentümern vergeblich versucht wurde: Zentralisierung von Macht. Die Schaffung des Zentralstaats war so betrachtet der kleinste gemeinsame Nenner zwischen dem Adel und dem revoltierenden Bürgertum.

Schon 1849 war der Kaiser als Staatsoberhaupt festgesetzt. Die (kleindeutschen) Nationalliberalen waren das Bindeglied zwischen Liberalen und Konservativen, die die doppelte Zielsetzung in eine zeitliche Abfolge setzte, erst der Nationalstaat, dann die Volkssouveränität. Der gemeinsame Nenner war also keineswegs ein dauerhafter Aushandungsprozess zwischen den beiden Lagern, sondern die Entwicklung der Nationalliberalen nach 1860 in Preußen.

Meiner Ansicht nach hat das alles wenig mit dem Zeitpunkt der Reichsgründung zu tun. Mir ist nicht klar, was anders verlaufen wäre, wenn die Reichsgründung früher erfolgt wäre. Ganz sicher kann man nicht sagen, dass die "zu späte" Reichsgründung negative Folgen hatte, weil liberale Bestrebungen nachgelassen hätten. Tatsächlich wuchsen sie immer weiter an und haben sich letztlich sogar durchgesetzt.

Die späte Reichsgründung wird als Beginn (bzw. Teil) des "deutschen Sonderweges" gesehen. Ob ein Reich mit langer parlamentarischer Tradition sich anders entwickelt hätte und zwei Weltkriege hätten verhindert werden können (Theorem des demokratischen Friedens) ist umstritten und wird sich nicht klären lassen.
 
Ich bin mir nicht sicher, ob man das so sehen kann. Ging es 1848/49 um Reichsgründung?

Ja. Die Schaffung eines deutschen Nationalstaates in Form eines "Deutschen Reiches" war ein Ziel der Revolution 1848; daneben stand das Verlangen nach einer bürgerlichen, konstitutionellen Verfassung, das in der spezifischen Situation aber aufs engste mit dem Nationalstaatsgedanken zusammenfiel.

Man glaubte damals bloß, diese Ziele nur mittels einer "Reichsgründung" erreichen zu können. Es gab ja nur ein einziges Vorbild: den Nationalstaat Frankreich.

Es gab ja durchaus Bestrebungen, dieses Ziel in jedem deutschen Staat für sich zu verwirklichen. In fast allen Staaten des Deutschen bundes gab es bemühungen, Verfassungen zur Eingrenzung der Fürstenmacht zu schaffen, mit mehr oder minder viel Erfolg. Aber das war für die große Mehrheit der "1848er" nicht das, was sie eigentlich erreichen wollten. Es ging immer auch um "Deutschland als Nation", als politisches bzw ideologisches Ziel, nicht nur als "Notbehelf". Aus Preußen, Bayern oder Sachsen-Hildburghausen bürgerliche Nationalstaaten zu machen waren hingegen nicht vorgesehen, und entfachte auch wenig bis gar keine Begeisterung, bei (fast) niemand.

Deshalb ist mir auch nicht klar, wo die These herkommt, dass die Reichsgründung "zu spät" erfolgt sein könnte.

Die versuchte Reichsgründung 1848 hatte einen bürgerlichen Staat zum Ziel, in dem die Souveränität beim Volk liegen sollte. Die dann erfolgte Reichsgründung 1871 schuf einen autoritären, undemokratischen Staat, in dem weiterhin die Fürsten die Souveräne waren. Wenn man annimmt, dass nach dem Scheitern 1848 ein deutscher Nationalstaat nicht anders zu machen war, war es für einen "demokratischen Nationalstaat" zu spät, der Zug war schließlich 1848 abgefahren.
 
Hallo,

inwiefern war die deutsche Reichsgründung 1871 "zu spät"?
Weil die liberalen Bewegungen der Bevölkerung abebbten?

Thanepower hat das in seinem Post oben schon kurz angeführt: Es geht um die Hypothese der "Verspäteten Nation", wonach in Westeuropa bereits im 17. und 18. Jahrhundert ein Prozess der Demokratisierung einsetzte, während Deutschland in dieser Phase den Untergang des Heiligen Römischen Reichs erlebte.

Das führte dieser Hypothese zufolge zu einem Traditionsbruch, den auch die Reichsgründung von 1871 nicht heilen konnte, da es keine gewachsenen demokratischen und verfassungsstaatlichen Strukturen gab. Die Hypothese zieht daraus die Konsequenz, dass das Bürgertum für Hitlers nationalsozialistische Ideologie anfällig war, weil es hinsichtlich seiner Zukunft verunsichert und zweifelnd blieb.
 
Wer sagt denn, dass die Reichsgründung "zu spät" erfolgte?

Ich habe das auch nicht direkt gehört/gehabt in der Schule. Jedoch stets der Hinweis, dass es ja ein "Deutschland" wie wir es kennen praktisch erst seit dem Sieg der deutschen Heere gegen Frankreich im Frankreichkrieg 1870/71 gibt. Wenn wir da an Frankreich, Spanien, Portugal denken... bei Italien bin ich jetzt nicht so gut informiert, aber ich glaube auch die hatten eine ältere Monarchie und später noch vor Beginn des 2. Weltkrieges hat Italien in seinen afrikanischen Kolonien gekämpft und knapp 5 Monate vor Beginn des Krieges hat man noch schnell das kleine Albanien besetzt - auch wenn man damit bereits überfordert war.

Man sieht es ja sogar im 3. Reich, soweit ich weiß wurde dort weiter getrennt zwischen "Preußen" und dem Rest des Reiches. Jedenfalls wurde Hermann Göring Chef der preußischen Polizei, was vermutlich Bayern und Österreich (ab 1938) sowie das Saarland und die bis 1936 DMZ im Ruhrgebiet nicht miteinschloss. Bei den deutschen Kolonien zeigt sich ebenfalls ein "Nachteil" (keine mehr laut Versailler Vertrag 1919?) wenn man bedenkt, dass die Deutsche Flotte um die Jahrhundertwende ~1900 die 2. stärkste der Welt war!

Ich glaube ein vereintes deutsches (Kaiser)Reich, wobei ob Kaiser, König oder lediglich wie in Großbritannien nach Außen hin aber weitgehend ohne politische Macht, gar nicht so wichtig ist, sondern eben die Bündelung der jeweiligen Landstriche, (freien) Städte zu einem "Ganzen". Das hätte eine ganz andere europäische Geschichte hervorgebracht bin ich mir sicher.

Denn so gesehen kann ich auf meinem (auch deshalb bin ich hier) sehr dünnem Wissen über die deutschen Gebiete im 18./19. Jahrhundert nur sagen, dass ich weiß, dass es dauernd Änderungen gegeben hat und vorallem Frankreich bei jedem Feldzug Richtung Osten durch die "deutschen" Gebiete gezogen ist und natürlich nicht aufkam für Verpflegung sondern noch die Aufstellung von Freiwilligen für Frankreichs Feldzüge forderte. Österreich war da durch sein Königreich besser geschützt als die meisten deutschen Städte und ich meine, dass es da auch Kriege gab oder zumindest war die Hemmschwelle wesentlich höher in eine österreichische Stadt einzumarschieren und sie zu plündern als in eine des "Rheinbundes" welcher sich wohl bis Bayern zog (der ja wohl eh als Teil Frankreichs Beute angesehen wurde).

Die Österreicher waren da natürlich auch mit Frankreichs damaligem Erzfeind England in Kontakt, denn England hat ja, wenn es Aufsicht auf Erfolg gab, durchaus Unternehmen gegen Frankreich unterstützt, siehe 1813 als sich ganz Spanien mit Hilfe Portugals aber ich denke vorallem Englands befreite und die Franzosen über die Pyrenäen zum Rückzug Zwang, und die Pyrenäen sind eine sehr sehr gut zu bewachende Grenze mit viel Gebirge und der Verlust der iberischen Halbinsel (Zugang zum Mittelmeer etc.) war ein Schlag ins Gesicht Napoleons bzw. Frankreichs.

Preußen gab es zwar, und mit Österreich gemeinsam waren sie soweit ich weiß "gezwungen" entweder Napoleon 1812 zu unterstützen bei seinem Russlandfeldzug oder alles andere wäre wohl als Verrat angesehen worden und ein Krieg gegen Napoleon wollten wohl beide nicht. Also zogen Preußen, dem "Rheinbund" (vertritt die heute wichtigsten deutschen alten Bundesländer) und Österreich und andere "Freiwillige" (Herzogtum Warschau, Napeolonisches Italien, Königsreich Neapel, Napoleonisches Spanien, Schweiz unter Napoleon) 1812 mit Napoleon nach Russland.

Der Ausgang dürfte jedem bekannt sein und ich finde das ist höchst interessant, auch die Ignoranz der Generäle (manchmal ist weniger doch mehr, Geschütze müssen nicht essen, hungern nicht, gleiches für Gewehre/Pistolen und Schwerter/Schilde/Bögen)

Was wäre gewesen wenn es 1812 ein "starkes" Deutschland (vermutlich inkl. Österreich und Teilen des Sudetenlandes und Ungarns) gegeben hätte, welches vlt. gesagt hätte ihr könnt auf eigene Kosten unser Territorium passieren aber wir werden nicht an diesem Krieg teilnehmen.

Deutschland hätte im Zeitraum von 1750 und 1871 mit dem Aufbau einer großen Flotte auch wesentlich mehr Kolonien beanspruchen können, abgesehen von einigen kaum bewohnten im Süden Afrikas. Das heutige Namibia (1884 bis 1915 deutsche Kolonie) mag zwar auf der Landkarte schön ausgesehen haben: Mit einer Fläche von 835.100 km² war Deutsch-Südwestafrika ungefähr 1,5-mal so groß wie das Deutsche Kaiserreich und deutlich mehr als doppelt so groß wie die BRD. Es gab aber nur 200.000 Einwohner, darunter 12.500 zugewanderte Deutsche (1913).

Heute sehen wir das mit Kolonien natürlich anders, aber damals... da war es eben so "Nimm was du kriegen kannst.". Es gibt dort Verträge die besonders auf anglo-amerikanischer Seite getroffen wurden, die es den USA erst ermöglichten zu werden und zu sein was sie aktuell sind.

Ich meine gerade weil wir so eine junge Nation waren 1933, eine Nation die im ggs. zu den winzigen Staaten (Niederlande, Belgien, Portugal) nicht ein mal mehr Kolonien haben durfte. Hätte man Deutschland noch im 18. Jahrhundert vereint, hätte es sicher Konfrontationen gegeben (ich mein wieviele anglo-französische Kriege gab es?!) aber sogar ziemlich wahrscheinlich wäre das 20. Jahrhundert, also besonders Weltkrieg 1. und 2. nicht so gekommen und vorallem der 2. nicht so verlaufen.
 
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Das führte dieser Hypothese zufolge zu einem Traditionsbruch, den auch die Reichsgründung von 1871 nicht heilen konnte, da es keine gewachsenen demokratischen und verfassungsstaatlichen Strukturen gab. Die Hypothese zieht daraus die Konsequenz, dass das Bürgertum für Hitlers nationalsozialistische Ideologie anfällig war, weil es hinsichtlich seiner Zukunft verunsichert und zweifelnd blieb.
Es wird ja davon gesprochen, dass der napoleonische Einfluß - Stichworte Code Civil, Säkularisierung und Mediatisierung - eine bedeutende Rolle auch für die deutschen Staaten gespielt hat. Wenn ich dies so lese, kommen mir natürlich Zweifel, ob dies nicht übertrieben ist?
Ich glaube ein vereintes deutsches (Kaiser)Reich, wobei ob Kaiser, König oder lediglich wie in Großbritannien nach Außen hin aber weitgehend ohne politische Macht, gar nicht so wichtig ist, sondern eben die Bündelung der jeweiligen Landstriche, (freien) Städte zu einem "Ganzen". Das hätte eine ganz andere europäische Geschichte hervorgebracht bin ich mir sicher.
Deine Vermutung kommt in Befürchtungen der franz. Politik von 1814 (Talleyrand an Ludwig XVIII. 17.Okt. 1814) zum tragen:
"In ganz Deutschland machen sich revolutionäre Gärungen bemerkbar; der Jakobinismus herrscht dort vor, aber durchaus nicht wie vor fünfundzwanzig Jahren in Frankreich in den mittleren und unteren Klassen, sondern in den Kreisen des höchsten und reichsten Adels. Das ist ein außerordentlich großer Unterschied, so dass man den Verlauf einer etwa dort ausbrechenden Revolution nicht nach dem Gang der unsrigen bemessen dürfe.

Die kleinen Potentaten sind durch die Auflösung des Deutschen Reichs und die Errichtung des Rheinbundes von ihrer Würde als Dynasten herabgestürzt und zu gewöhnlichen Untertanen geworden, die es nur widerwillig ertragen, Herren über sich zu sehen, denen sie sich gleich achten; sie streben daher eine Änderung dieser Zustände an, die ihren Stolz verletzt und suchen die vielen kleinen Regierungen durch eine einzige große zu ersetzen. Wie sie, denken namentlich die Universitäten und die von ihren Theorien völlig eingenomme Jugend, kurz, alle, die die Zersplitterung Deutschlands in kleine Staaten die Not und das Elend zuschreiben, das die vielen Kriege über seine Länder gebracht haben.

Die Einheit des deutschen Vaterlandes ist ihre Losung und der erste Satz ihres Glaubenbekenntnisses, ja, ihre ganze bis zum Fanatismus gesteigerte Religion, und dieser Fanatismus hat selbst regierende Häupter ergriffen.
Diese Einheit, von der wir nichts zu befürchten hätten, wenn wir das linke Rheinufer und Belgien besäßen, könnte doch früher oder später für Frankreich von schwerwiegender Bedeutung sein. Denn wer kann die Folgen nationaler Erhebung eines so gewaltigen Staatenkörpers voraussehen, wenn seine zerstreuten Elemente einmal in Bewegung geraten und sich fest miteinander vereinigen?" [1]

Grüße
excideuil

[1] Talleyrand: „Memoiren des Fürsten Talleyrand“, herausgegeben mit einer Vorrede und Anmerkungen von Herzog de Broglie, Original Ausgabe von Adolf Ebeling, Köln und Leipzig, 1891-1893, Bd. 2, Seite 291/2
 
Hallo excideuil, oder besser Guten Morgen ;)

Ich muss dir zu deinem ersten Absatz sagen ich habe mich kaum mit dieser Zeitepoche befasst. Ich habe als Kind mal die schöne Zeichentrickserie auf RTL 2 in den Ferien vormittags geguckt wenn ich in Polen war und genug hatte vom Ball spielen (ich war eh der Deutsche, dabei bin ich hier doch "der Pole" - scherzhaft - aber dies spiegelt in kurzen Worten unser Problem der "Russlanddeutschen" wieder. Eigentlich nennt man sie glaub ich Volksdeutsche,

dann etwas unkorrekter Wolgadeutsche (die Wolga ist zwar der längte Fluss Europas aber bei Russlands Größe kann kaum ein jeder Bewohner in Wolganähe wohnen), naja jedenfalls wenn es mir zu viel war habe ich die Folgen geguckt, sie waren recht spannend, Stürmung der Bastille bis hin zur Köpfung von Marie Antoinette - waren ganz gut die Serien, man hat als Kind das freiwillig geguckt und sogar etwas Geschichte mitgenommen :D

Ich weiß sehr sehr wenig über das 19. Jahrhundert. Nur kurz: Ich meinte eben, wäre das Deutsche Reich bereits 100 Jahre davor gegründet worden, hätte entsprechend (auch militärisch, anders gings damals meist nicht) ausgebreitet, hätten die Nationalisten vlt. nach dem Versailler Vertrag nicht so ein Gefühl der Demütigung verspürt. Es wäre dann vermutlich gar nicht so gekommen wie es kam, aber das deutsche Reich war wiegesagt gerade dabei die größte Marine der Welt einzuholen und eine doch fast schon global operierende Verschwörung hält sie von den wenigen Ölquellen auf die man Zugriff gehabt hätte ab. Hätte man vorher 100 Jahre lang Kolonien erobert, Partnerschaften geschlossen etc. hätte man z.b. ein solches Problem sicher irgendwie ohne Krieg lösen können.

Nun wäre, hätte... aber ist eben ein interessanter und ja überhaupt nicht so ferner Gedanke. Das junge Kaiserreich gerade 1-2 Generationen alt und schon wirds furchtbar gedemütigt - da fühlten sich ein paar radikale Nationalisten natürlich alles andere als wohl... es war ja nie die Mehrheit der Deutschen zum Glück. Ich weiß einige medizinische Dinge (ich glaub 1804 isolierte ein Apotheker aus Paderborn? das Alkaloid Morphin, die Injektionsspritze für einfachsten Gebrauch kam wenige Jahrzehnte später passend zu dem deutsch-französischem-Krieg 70/71 bzw. kurz davor dem amerikanischen Bürgerkrieg 1861 - 1865?, um erstmals eine nahezu sofortige Schmerzlinderung oder Einleitung der Narkose zu ermöglichen, wofür die Spritze für die Injektion natürlich unentbehrlich war, Dr. Ignaz Semmelweiß (den Namen kennen einige vlt. aus dem genialen Film 12 Monkeys mit Brad Pitt und Bruce Willis) -

Österreich-Ungarischer Arzt setzte sich so langsam über die Jahrzehnte durch mit seinen Hygienevorschriften und seinen Arbeiten über Viren, guter und böser Natur,, auch wurden die Spritzen nach Gebrauch zur Mitte des Jahrhunderts schon fast selbstverständlich gereinigt, während als die Spritze neu war dies noch nicht überall geschah, die meisten Ärzte die noch im 18. Jahrhundert promovierten konnten sich in der Tat nicht so richtig mit "unsichtbaren" Viren, "Bazillen" oder sonstigen Schädlingen abfinden, es klang zu weit hergeholt für sie ;) ) Naja ich leb eig. auch nach dem Sprichwort "Was ich nicht sehen kann...."

Das die medizinische Seite. Beim Rest bin ich noch beim recherchieren, wobei ich schon gesehen habe beim Russlandfeldzug 1812 sind Preußen und Österreich im englischen Wikipedia als "Allierte" aufgeführt, während die anderen Teilnehmer (Herzogtum Warschau/Neapel, Neapolonische? Schweiz, Napoleanisches Spanien und der Rheinbund werden praktisch wie in modernen Kriegen als "Teilstreitkräfte" oder in dem Fall Französische Armeen/Heeresgruppen etc. Ist ja nun für damalige Zeit mit 685.000 Mann laut Wikipedia nur aus der "Grande Armée" und 198,250 Russen am 20. Juni aber insgesamt dann doch 210.000 tote Russen (die Russen kriegen das echt von klein auf reingeprügelt,

man muss Opfer bringen aber dann kann man alles schaffen und in dem Fall jeden Angriff abwehren, auch wenn hier wiegesagt weniger heimliche Hilfslieferungen der Allierten oder fanatische Rotarmisten sondern tatsächlich die Kälte und fehlende Pferde/Transportmittel die Grande Armée letztendlich meines Wissens nach selbst in Moskaus eroberten Häusern fast erfrieren ließ, da nicht viel zurückgelassen wurde (auch eine russische Tradition - "verbrannte Erde").

Jedoch sind das 2 bzw. und sagen wir halb interessante Themen:

"Wie" sah Deutschland nach den Grenzen von 1871 bis 1919 und den Grenzen von 1939 damals aus, also woraus bestand es und als Unterpunkt die deutsche Beteiligung an Napoleons Kämpfen vor seiner Verbannung nach St. Helena (bei der damaligen Technik war das eine wirkliche Verbannung, heute eher Urlaub). Was genau war Berlin? Ich weiß nur dass irgendwann mal vor sehr langer Zeit hier ein paar französische Hugenotten (so nannte man die glaub ich, kb zu googeln) sich hier in Berlin-Neukölln angesiedelt haben. Wir haben hier auch am Stadtrand eine vom Krieg unversehrte Kirche die gute 900 Jahre alt ist aber etwa 1km tief in Berlin liegt, die sog. "Buckower Dorfkirche". Leider sind die Zeichnungen an der einen Wand kaum noch erkennbar... 900 Jahre.... bei der damaligen Lebenszeit kann man locker von mind. 20 Generationen sprechen die dazwischen liegen.

Mal sehen, als zweiter Punkt würde mich zur Hälfte des 19. Jahrhundert die Entwicklung von (Hand)Feuerwaffen entwickelt, naja andere gabs damals ja kaum, Maschinengewehre kamen dann wohl erst zu Beginn des 20. Jahrhunderts wirklich zu Bedeutung, wobei jedoch das Maxim-Maschinengewehr (welches der Vorläufer für das berühmte MG 08/15 war) das erste selbstladende Maschinengewehr, auch wenn die Form eher einem Mini-Geschütz glich^^ Davor gab es wohl auf dem Prinzip der "Gatling-Gun" aufbauende Geschützte, die jedoch offenbar in dieser Form gewählt wurden, weil man eben 6 Rohre hatte, also wie beim damals beliebten Revolver hatte man mind. 6 Schuss - verglichen mit den 1 Schuss-Gewehren die doch eine ganze, möglicherweise tödliche Weile, zum Nachladen brauchten waren ja nur Zwischenlösung. Schießen, dann als langes Messer verwenden... tja, brutal gings damals zu, oder sagen wir... sehr "rau".

Dennoch speziell über Feuerwaffen, "Knarren" however hoffe ich hier zu erfahren :) Ich dachte im Film.. ich glaub Mumie 1 oder 2 wäre es totaler Blödsinn ein Maschinengewehr im Gatling-Style mit hoher Feuerrate und das im Jahr 1898 oder wann das spielt, aber offenbar waren die handbetriebenen Gatling-Geschützte bei entsprechender Muskelkraft zu 200 Schuss/Min und spätere bis zu 1500 Schuss/Min fähig bevor sie überhitzten. Naja eine Kadenz von mehr als 1000 Schuss/Min auf 1 Ziel braucht eh kein Mensch oder höchstens für ~1 Sekunde, aber mal sehen was man alles findet, offenbar gabs erst den 6-Schussrevolver und erst wesentlich später eine Waffe mit variablen Magazingrößen. Mal sehen, mal sehen :)
 
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Hallo Kilon,

du hast ja zahlreiche Themen auf einmal angerissen. Zu diesem Thema:

Beim Rest bin ich noch beim recherchieren, wobei ich schon gesehen habe beim Russlandfeldzug 1812 sind Preußen und Österreich im englischen Wikipedia als "Allierte" aufgeführt, während die anderen Teilnehmer (Herzogtum Warschau/Neapel, Neapolonische? Schweiz, Napoleanisches Spanien und der Rheinbund werden praktisch wie in modernen Kriegen als "Teilstreitkräfte" oder in dem Fall Französische Armeen/Heeresgruppen etc. Ist ja nun für damalige Zeit mit 685.000 Mann laut Wikipedia nur aus der "Grande Armée" und 198,250 Russen am 20. Juni aber insgesamt dann doch 210.000 tote Russen (die Russen kriegen das echt von klein auf reingeprügelt,

man muss Opfer bringen aber dann kann man alles schaffen und in dem Fall jeden Angriff abwehren, auch wenn hier wiegesagt weniger heimliche Hilfslieferungen der Allierten oder fanatische Rotarmisten sondern tatsächlich die Kälte und fehlende Pferde/Transportmittel die Grande Armée letztendlich meines Wissens nach selbst in Moskaus eroberten Häusern fast erfrieren ließ, da nicht viel zurückgelassen wurde (auch eine russische Tradition - "verbrannte Erde").

empfehle ich das Buch von Adam Zamoyski zum Russlandfeldzug.
Aber nicht erst da wird eigentlich schon lange damit aufgeræumt, dass "Væterchen Frost" die Grande Armee besiegt hat. Er hat der bereits fuerchterlich dezimierten Armee den Rest gegeben, aber die grøssten Verluste gab es bereits auf dem Hinweg.
Ein wichtiger Grund ist, wie du auch schreibst, der Verlust von zahllosen Pferden, dies geschah in grøsserem Umfang aber bereits einige Wochen nach Beginn des Feldzuges auf dem Hinweg.

Kalt war es uebrigens auch in Moskau noch nicht, und es gibt unterschiedliche Einschætzungen, was und wieviel in Moskau noch vorhanden war. (Nicht genug, darueber ist man weitgehend einig)

Verlustzahlen werden unterschiedlich angegeben, realistisch ist wohl, was Zamoyski auch festhælt: Etwa 1 Mio Tote, zivil und militærisch, ungefæhr gleichmæssig verteilt auf beide Seiten.

Østerreicher und Preussen waren formell mit Frankreich verbuendet und stellten je eine Armee, agierten aber weitgehend selbstændig (und zurueckhaltend). Die restlichen Verbuendeten waren in die "Grande Armee" integriert.

Weitere Infos und auch gerne Diskussion in den entsprechenden Threads hier im Forum, z.B. hier: http://www.geschichtsforum.de/f16/der-russlandfeldzug-napoleons-4932/.

Gruss, muheijo
 
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Hallo Leute!

Zunächst mal muss ich klarstellen, dass ich mit meiner Frage "woher kommt die These, dass...." eigentlich erfragen wollte, warum @Raphaela diese Diskussion eröffnet hat. Sucht sie (er?) nach Antworten für ein Referat im Geschichts-LK? Dann wäre es hilfreich, wenn man das Thema genauer kennen würde. Geht es um die Frage, was anders gelaufen wäre, wenn die Reichsgründung 50 Jahre früher erfolgt wäre? Oder geht es um die Frage, was anders verlaufen wäre, wenn das Reich 500 Jahre früher gegründet worden wäre?

Da ich die Frage mehr als unpräzise gestellt hatte, war es auch kein Wunder, dass @Thanepower antwortete:

Im wesentlichen formulierte Plessner diese These.

Helmuth Plessner ? Wikipedia

Relevant wurde diese These zur Begründung des deutschen "Sonderwegs". Plessner sieht die Ursachen der autokratischen Tradition, inklusive Militarismus, in der nicht ausreichenden Entwicklung des liberalen Bürgertums als politischer Akteur.
Plessner ist mir ein Begriff. Vielen seiner Aussagen stimme ich auch zu. Allerdings bezieht er sich auf Entwicklungen, die schon Jahrhunderte vor der Reichsgründung stattgefunden haben. Und letztlich geht er von dem Paradigma aus, dass eine Reichsgründung nötig war, um eine "Nation" zu begründen. Dieses Paradigma halte ich für unsinnig. Aber ich bin sehr wohl auch der Meinung, dass die ganzen blutigen Irrungen und Wirrungen deutscher Geschichte damit zu tun haben, dass Deutschland auf den Zustand, eine "Nation" zu sein, ím Jahr 1871 nicht genügend vorbereitet war.

Das stimmt so nicht unbedingt. Das Reich sollte gemäß der Verfassung von 1849 durchaus als föderaler Staat aufgebaut werden (zwei Kammern mit Einfluss der Staatsregierungen).
Stimmt. Es sollte aber ein Staat werden, dem als oberste Instanz ein Kaiser vorstand. Ein zentrales Regime. Der öffentliche Diskurs drehte sich - wie Du richtig bemerkst - eher um die Frage, ob es eine "großdeutsche" oder eine "kleindeutsche" Lösung geben sollte.

Ja. Die Schaffung eines deutschen Nationalstaates in Form eines "Deutschen Reiches" war ein Ziel der Revolution 1848; daneben stand das Verlangen nach einer bürgerlichen, konstitutionellen Verfassung, das in der spezifischen Situation aber aufs engste mit dem Nationalstaatsgedanken zusammenfiel.
Lieber @Reinecke, ich würde Dir jetzt entschieden wiedersprechen, wenn Du nicht auch folgendes geschrieben hättest:

Die versuchte Reichsgründung 1848 hatte einen bürgerlichen Staat zum Ziel, in dem die Souveränität beim Volk liegen sollte. Die dann erfolgte Reichsgründung 1871 schuf einen autoritären, undemokratischen Staat, in dem weiterhin die Fürsten die Souveräne waren.
Genau das wollte ich nämlich sagen. Zentrales Ziel war die Gründung eines bürgerlichen Staates, in dem das Volk die Souveränität (kurz: Volkssouveränität) haben sollte. Die Sache hatte bloß den "Webfehler", dass selbst die Frankfurter Nationalversammlung es für "alternativlos" gehalten hat, einen "Kaiser" an die Spitze der Nation zu stellen. Auf die Idee, dass man sowas auch ohne Kaiser, König oder Kanzler erreichen kann, ist man damals mangels Vorbildern einfach nicht gekommen. Gescheitert ist die Sache damals auch nicht deshalb, weil der designierte Kaiser (Friedrich Wilhelm) die Macht nicht gewollt hätte. Gescheitert ist sie, weil er darauf bestand, die Krone nicht "aus der Gosse" - von Revolutionären - gereicht zu bekommen. Er bestand darauf, "von Gottes Gnaden" Kaiser zu werden.

Ich habe das auch nicht direkt gehört/gehabt in der Schule. Jedoch stets der Hinweis, dass es ja ein "Deutschland" wie wir es kennen praktisch erst seit dem Sieg der deutschen Heere gegen Frankreich im Frankreichkrieg 1870/71 gibt. Wenn wir da an Frankreich, Spanien, Portugal denken... bei Italien bin ich jetzt nicht so gut informiert, aber ich glaube auch die hatten eine ältere Monarchie und später noch vor Beginn des 2. Weltkrieges hat Italien in seinen afrikanischen Kolonien gekämpft und knapp 5 Monate vor Beginn des Krieges hat man noch schnell das kleine Albanien besetzt - auch wenn man damit bereits überfordert war.
Ich denke, das siehst Du falsch. Die deutsche Geschichte ist geprägt von dem Bestreben herrschender Kreise, die "Nachfolge" des römischen Weltreichs anzutreten. Deshalb haben deutsche Könige auch immer angestrebt, Italien zu beherrschen und Kaiser zu werden. Italien war so ziemlich die letzte "Nation", der es gelungen ist, sich vom "Heiligen römischen Reich deutscher Nation" zu emanzipieren.

Und dass die deutsche "Nation" erst entstand, nachdem die koloniale Phase sich ihrem Zusammenbruch näherte, ist ein Segen. Hat uns eine Menge Ärger erspart.

MfG
 
Stimmt. Es sollte aber ein Staat werden, dem als oberste Instanz ein Kaiser vorstand. Ein zentrales Regime. Der öffentliche Diskurs drehte sich - wie Du richtig bemerkst - eher um die Frage, ob es eine "großdeutsche" oder eine "kleindeutsche" Lösung geben sollte.

Eine zentrale Regierung steht einem Bundesstaat aber nicht entgegen sondern bedingt ihn. Alles andere ist ein Staatenbund und den hatte man mit dem Deutschen Bund und wollte man grade nicht haben.
 
Eine zentrale Regierung steht einem Bundesstaat aber nicht entgegen sondern bedingt ihn. Alles andere ist ein Staatenbund und den hatte man mit dem Deutschen Bund und wollte man grade nicht haben.

Lass uns nicht Haare spalten. Deutschland hat eine zentrale Regierung und Frankreich hat eine zentrale Regierung. Deutschland ist ein Bundesstaat, Frankreich nicht. Und das deutsche Reich mit einem Kaiser an der Spitze war auch kein Bundesstaat. Auch die Revolutionäre von 1848 hatten keinen Bundesstaat im Sinn. Dass es auch in zentral regierten und verwalteten Staaten irgend eine Art von regionaler Vertretung gibt, ändert daran nichts.

Und der Deutsche Bund war nicht deshalb "ungewollt", weil ihm die zentrale Regierung fehlte, sondern weil er dazu dienen sollte, die altbekannten monarchischen Kleinstaatsstrukturen zu erhalten und wieder zu festigen.

MfG
 
Genau das wollte ich nämlich sagen. Zentrales Ziel war die Gründung eines bürgerlichen Staates, in dem das Volk die Souveränität (kurz: Volkssouveränität) haben sollte. Die Sache hatte bloß den "Webfehler", dass selbst die Frankfurter Nationalversammlung es für "alternativlos" gehalten hat, einen "Kaiser" an die Spitze der Nation zu stellen. Auf die Idee, dass man sowas auch ohne Kaiser, König oder Kanzler erreichen kann, ist man damals mangels Vorbildern einfach nicht gekommen.

Es gab während der 1848 auch Republikaner, die für einen Staat ohne MNonarchen an der Spitze eintraten; nur war das eine Minderheit. Auch gab es natürlich Vorbilder für eine republikanische Staatsverfassung, bspw die französische Erste Republik.

Die Frage "Monarchie oder Republik" war mE aber keineswegs der entscheidende Punkt. Viel wichtiger war die Frage nach einer Verfassung (und damit natürlich die Ablehnung einer absoluten Monarchie), der sich, wie Du sagst, der preussische Monarch verweigerte; und eben die Forderung nach einem deutschen Nationalstaat.
 
Und der Deutsche Bund war nicht deshalb "ungewollt", weil ihm die zentrale Regierung fehlte, sondern weil er dazu dienen sollte, die altbekannten monarchischen Kleinstaatsstrukturen zu erhalten und wieder zu festigen.

MfG
Na, ja, so einfach war es dann nicht. Eine dt. Einheit war 1814/15 unmöglich. Keine der Großmächte England, Rußland oder Frankreich hätte sich aus den in # 11 genannten Gründen bereit gefunden, eine solche den Kontinent dominierende Macht zuzulassen. Und so war dann der lockere Deutsche Bund mit den Großmächten Österreich und Preußen und einer Reihe von Mittelstaaten Teil des Europäischen Gleichgewichts. Es gab keine andere Alternative.

Grüße
excideuil
 
Maelonn schrieb:
Und der Deutsche Bund war nicht deshalb "ungewollt", weil ihm die zentrale Regierung fehlte, sondern weil er dazu dienen sollte, die altbekannten monarchischen Kleinstaatsstrukturen zu erhalten und wieder zu festigen

Und vor allem sollte verhindert werden, das in der Mitte Europas ein großes, mächtiges Deutschland entsteht, welches das europäische Gleichgewicht durcheinander bringen würde. Daran hatten weder Frankreich, noch Großbritannien und auch das Zarenreich kein Interesse.
 
Es gab während der 1848 auch Republikaner, die für einen Staat ohne MNonarchen an der Spitze eintraten; nur war das eine Minderheit. Auch gab es natürlich Vorbilder für eine republikanische Staatsverfassung, bspw die französische Erste Republik.

In der Frankfurter Nationalversammlung gab es im wesentlichen drei Gruppen mit unterschiedlicher Zielsetzung. Zum einen die "Demokraten", die für eine Republik eintraten, einen Zentralstaat wünschten und sich in Groß- und Kleindeutsche spalteten.

Die Gruppe der "Liberalen" trat für eine Monarchie ein, votierte mehrheitlich für einen Bundesstaat und ein Kleindeutschland unter preußischer Vorherrschaft. Die "Konservativen" hingegen liebäugelten mit einem großdeutschen Staatenbund und einer Herrschaft der Fürsten (Fürstensouveränität) bei eingeschränkter Herrschaft des Volkes. Die demokratische "Linke" umfasste rund 140 Abgeordnete, die "Liberalen" stellten 220 Abgeordnete, die konservative "Rechte" zählte etwa 40 Abgeordnete. Rund 180 Abgeordnete schlossen sich keiner Richtung an.

Am Ende setzten sich endgültig die Befürworter eines kleindeutschen Kaiserreichs ohne Österreich durch. Deutscher Kaiser und Staatsoberhaupt sollte der preußische König sein.

Was die geplante Reichsverfassung von 1849 angeht, so sollte das "deutsche Volk" - d.h. die Bevölkerung der 38 Länder - nach allgemeinem und gleichen Wahlrecht aller Männer ab 25 Jahren das "Volkshaus" des Reichstags wählen. Das "Staatenhaus" des Reichstags wurde beschickt von Vertretern der Regierungen der Länder sowie von den Landtagen der Länder. Die Gesetzgebung sollte einvernehmlich durch beide Häuser des Reichstags erfolgen.

Entstanden war eine erstaunlich demokratische Verfassung, bei der sich das Volk, d.h. Männer ab 25 Jahren, durch allgemeine, gleiche und geheime Wahlen an der Politik beteiligen konnte. Der Grundrechtekatalog der Paulskirchenverfassung beeinflusste noch die demokratischen Verfassungen der Jahre 1919 und 1949! - Leider trat die Verfassung aus bekannten Gründen nie in Kraft.

http://www.verfassungen.de/de/de06-66/verfassung48-i.htm
 
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