Alltagsmode 1850 - 1900

aronla

Neues Mitglied
Hallo, Ich schreibe gerade meine Diplomarbeit zum Thema Staunen in der Mode mit dem Schwerpunkt des Viktorianischen Zeitalters und der Spätphase der Industrialisierung. Könnt ihr mir vielleicht weiterhelfe mi Bildern oder Buchtips zum Thema Arbeiterbekleidung in dieser Zeit oder Bekleidung der einfachen Leute...Klar Modebücher mit Korsetts, Tornüren und Prinzesskleidern hab ich schon gefunden, aber jetzt interessiert mich, was der "einfache Mann, die einfache Frau" typischer oder untypischerweise getragen hat...

Vielleicht fühlt sich da ja einer kompetent genug, mir zu helfen :)

DANKE

:yes:
 
In diese Zeit fällt auch der Beginn der Befreiung der Frauen vom Korsett und wirkt sich auch politisch aus. So kritisierten die Suffragetten schon Mitte des 19. Jahrhunderts das Korsett als Unterdrückung und Einengung der Frau.

Hinzu kommt, dass auch der Navalismus zu dieser Zeit, zu gewissen Modetrends beitrug.

 
Hinzu kommt, dass auch der Navalismus zu dieser Zeit, zu gewissen Modetrends beitrug.

Klar, dass das von Dir kommen musste. :winke:
Allerdings war dieser Modetrend, der imho dem wilhelminischen Zeitalter angehört, also nur einem Bruchteil des hier erfragten Zeitraums, weniger eine Sache der unteren, als vielmehr der oberen Schichten, des Adels und des besitzenden oder verbeamteten Bürgertums.
Gefragt ist ja gezielt nach Arbeitern und einfachen Leuten.
 
aronla
Ich studiere Modedesign.

So hätte ich gerne auch studiert... ;)


Wenn Du die Möglichkeit hast, dann schaue Dir mal die Fernseh-Doku : "Abenteuer 1900-Leben im Gutshof" an - Hier kannst Du sehr schön die modischen und gesellschaftlichen Kontraste um 1900 sehen.

Standartkleidung eines einfachen Arbeiters : Wollhose, Leinenhemd, Weste, Mütze und wenns kalt ist noch ne Jacke

Die der Frau : Bluse, Mieder, einfacher Rock, die Haare zum Knoten gesteckt und wenn man das Haus verläßt eine Jacke oder ein Tuch für die Schultern .

Die Materialien waren sehr einfach und grob gewebt. Eben zweckmäßig und haltbar.
Es überwiegen brauntöne, grau und schwarz.
Blusen und Hemden sind weiß.
Die Röcke reichen nur bis zum Knöchel, längere würden das Arbeiten behindern...

In diese Modeepoche gab es für viele Berufe noch Dienstbekleidung..die vom Arbeitgeber gestellt wurde. An Ihr konnte man auch erkennen wie wohlhabend bzw. welche gesellschaftliche Stellung der "Chef" hatte.

....
 
Aaaalso, zum dem Thema gibt es einen höchst interssanten Artikel, da man das Buch nurnoch sehr schwer antiquarisch bekommt, hab ich ihn vor einiger Zeit mal abgetippt, da ich über das Thema Dienstmädchenkleidung recherchiert hatte.
Aus „ Zur Geschichte der Unterwäsche 1700- 1960“ Almut Junker und Eva Stille, Historisches Museum Frankfurt, 1988 ISBN: 3-89282-010-4

„An den Dienstboten erkennt man den Geist, der in einem Hause herrscht. Willst du also, dass sie das Lob desselben verkünden, so laß sie zunächst sehr rein und peinlich ordentlich im Aussehen sein…
Wie oft begegnet man dagegen Mädchen im abgetragenen Sonntagsstaat der Herrin, mit Armbändern an den robusten Handgelenken und dem unechten Silberpfeil im modern frisierten Haar! Jede Hausfrau sollte in ihrem Reich und Kreis dafür sorgen, dass das Dienstmädchen einfach gemachte, leicht zu reinigende Kleidung trägt, die für die Arbeit geeignet ist und seinen Stand charakterisiert… Am besten wird sogenanntes Mädchenzeug: helle Waschkleider, große weiße Achselschürzen und sogenannte Hamburger Häubchen, kleine weiße Mützen, zur Pflicht des Dienstboten gemacht. Das Mädchen ist anzuleiten, nie ohne weiße Schürze das Zimmer der Herrschaft zu betreten oder die Thür zu öffnen.“ (Wedell, 1897, S. 197f.)

Die typische Kleidung der weiblichen Dienstboten, sowohl der Köchin als auch der übrigen Mädchen, war dementsprechend ein helles, oft gestreiftes Waschklei für den Sommer und ein dunkles kleingemustertes für den Winter, darüber immer die Schürze, das Abzeichen aller Dienstboten. Für jede Arbeit gab es eine besondere, diejenige der Köchin war weiß und „den ganzen Rock bedeckend“.

Darunter gehörten derbe Stoffe mit Languetten: Die Mädchen trugen um 1900 – wie die Gnädige Frau – Hemd, Hose, Korsett, Untertaille und ein oder zwei Unterröcke, Strümpfe. Die Stoffe waren derb; Leinen oder starke Baumwolle, die viele Wäschen aushalten konnten, wurden bevorzugt. Wenn auf Verzierungen nicht ganz verzichtet wurde, so waren sie doch einfach und robust. Kräftige Maschinenspitze, - stickerei und festonierte Bogenkanten (Languetten) waren der Schmuck der meistens selbstgefertigten Wäsche.

Für solche einfache, derbe Wäsche reichte gerade noch das mühsam verdiente Geld und die knappte Zeit der „Mädchen“. Feine Wäsche blieb ihr Traum.

Die Dienstmädchen hatten im Gegensatz zu den anderen Arbeiterinnen die schönen Kleider und auch das feine verführerische „Darunter“ vermögender Frauen ständig vor Augen. Sie waren meistens jung und lebenshungrig und gaben sich verständlicherweise alle Mühe, wenigstens bei ihrem seltenen Ausgang mit einer modischen Frisur, einem flotten „Fähnchen“ und einem engen Korsett zu kokettieren und nicht etwa den freien Tag in ihrer Kammer mit Nähen zu verbringen. So blieb den Mädchen kaum Zeit, sich um die eigene Unterwäsche zu kümmern: „Zum Strümpfestopfen und Wäscheausbessern … gab’s überhaupt keine freie Zeit; das Notwendigste mussten wir nachts machen, wobei uns dann regelmäßig die Augen vor Müdigkeit zufielen.“ Dieser Satz aus den Lebenserinnerungen eines Hamburger Dienstmädchens vom Ende des 19.Jh. entspricht durchaus den üblichen Bedingungen in einem Haushalt jener Zeit. Nicht von ungefähr redeten damals alle Zeitschriften und Haushaltsbücher, die sich mit der Behandlung von Dienstboten befassten, der Hausfrau ins Gewissen. Sie sollte darauf achten, dass den Mädchen abends nach der Arbeit noch etwas Zeit bleibt, für sich selbst zu arbeiten, „damit sie nicht genöthigt sind, an ihrem Körper nachlässig, wol gar mit zerrissener Kleidung umher zu gehen; sie bis in die Nacht hinein zu beschäftigen, ist unverzeihlich… [Man kann] ihnen sehr wohl eine Abendstunde zum Stopfen ihrer Strümpfe und zum Ausbessern der Kleidungsstücke gewähren… Ohne solche Fürsorge wird dieselbe es vergebens wünschen, dass ihre Dienstmädchen ordentlich gekleidet, einhergehen, da der Lohn selten derart ist, dass sie einen Theil desselben für Nähen und Stopfen verwenden dürfen.“ (Davidis, 1877, S. 286f.)
 
In dem gleichen Buch war auch ein Artikel über das Korsetttragen beim Gesinde. Da ich das Buch nicht selbst besitzte, kann ich nur aus dem Gedächtnis sagen, dass sich da eine Frauenrechtlerin um 1900 darüber aufregt, dass sich jede Köchin im Versandhandel ein Korsett kaufen würde, das dann schlecht sitzt, und sie mit den schnell abbrechenden, weil billigen Stäbchen darin quält, sie es aber auf teufelkommraus zuschnüren, weil ihre Taille ihr ganzer Stolz ist. Sie schreibt weiter, dass gegen ein maßgeschneidertes, von fachkundiger Hand gemachtes Korsett nichts einzuwenden sei, aber dass diese Billigdinger sehr zu verurteilen seien, weil sie höchst ungesund seien.
Was Fotos angeht, so kann ich dir empfehlen auf dieser "Bildersammelstelle" www.flickr.com zu recherchieren, da gibt es viele Sammler von alten Fotos die die dort reinstellen.
Hier mal ein Beispiel eines Dienstmädchens:
http://farm4.static.flickr.com/3197/2513995044_436433d774.jpg?v=0
 
Allerdings war dieser Modetrend, der imho dem wilhelminischen Zeitalter angehört, also nur einem Bruchteil des hier erfragten Zeitraums, weniger eine Sache der unteren, als vielmehr der oberen Schichten, des Adels und des besitzenden oder verbeamteten Bürgertums.
Einspruch! Der Trend der "Seasidecostumes" kam schon in den 1870ern aus England.
http://farm2.static.flickr.com/1043/654854762_0f3a6f7abd.jpg?v=0

http://upload.wikimedia.org/wikiped...pg/800px-James_Tissot_-_Ball_on_Shipboard.jpg
So weit ich weiß wurde die Mode, Kinder im Marinestil zu kleiden von Prinzessin Alexandria von England angeführt, die ihre Söhne in die Uniformen der Matrosen der königlichen Yacht steckte, diese Jungs wurden in den 60ern geboren.
 
WOW ich bin beeindruckt für die umfangreiche und kompetente Hilfe. Ich werde mich mal mit all dem gewissenhaft auseinandersetzen und dann Ergebnisse präsentieren :)


DANKE!
 
Hi, ich kann dir ein Buch empfehlen:
Justus F. Wittkop: Europa im Gaslicht. Die hohe Zeit des Bürgertums. Dieses Buch beschreibt neben der Industrialisierung, der Erziehung und der politischen Stimmung auch einiges zur Mode, wie z.B. den Dandysmus, wo Oscar Wilde u.a. zu gezählt wird.
Wegen den Korsetts... zwar haben sich einige Frauen schon Mitte des 19. Jh. dagegen gewehrt, doch tatsächlich blieb das bis ungefähr Anfang des 20. Jh. bestehen.
@aronla. Was verstehst du unter "normal"? Meinst du die Bürger, den Adel, den Klerus, die Arbeiter, die Händler? Hier gibt es nämlich einige Unterschiede zu beachten. Ich gehe wohl davon aus, dass du über die "obere" bzw. besser gestellte "Klasse" schreibst.
Noch ein interessanter Link: Herstellung von Unterwsche des 19. JH. (über Unterwäsche ab 1870)
Kleidermode der Gründerzeit bis 1900 ? Wikipedia (von Wikipedia, kann aber sehr nützlich sein)
Na gut, viel Glück bei der Arbeit!:winke:
 
Wintermode

Hallo!

Ich suche möglichst Bilder (aber Beschreibungen könnten mir auch helfen) über die Wintermode zwischen (sagen wir) 1000 und 1900. Am liebsten wäre mir etwas aus dem 19. Jahrhundert, aber meine Ansprüche habe ich mittlerweile hinunter geschraubt.

Ich finde leider gar nichts dazu. Die Ärmeren dürften im Winter desselbe wie im Sommer und noch einen Mantel getragen haben.

Findet man denn in Ingrid Loscheks : "Reclams Mode und Kostümlexikon" näheres zur Wintermode?
Oder kennt ihr irgendwelche internetseiten oder Literatur, die mir weiterhelfen könnten?


Vielen Dank im Voraus!
damals
 
hallo, ingrid loschek ist schon mal eine gute basis.
industriegemälde können sicher auch einiges beitragen. viele arbeiter kamen ja aus den ländlichen gegenden und haben sicher ihre sitten und gebräuche mitgebracht. es gibt aus den 30er jahren des 20.jahrhunderts einige trachtenbildbände. eines davon hatte mal die trachten in der schwalm vorgestellt. diese, dem rokkoko sehr ähnlichen ausmaße der röcke entstanden durch das übereinanderziehen sämtlicher im besitz stehender röcke. der kürzeste immer obendrüber. sieht reichlich bescheuert aus, die leute wollten wohl den vornehmen und reichen adel kopieren.
diese trachten, bzw. regionalen moden entsprechen ja den jeweiligen kleiderordnungen der vorigen jahrhunderte und könnten die grundlage der arbeiterkleidung gewesen sein.
einen hinweis zur unterwäsche: in hamburg muss im 17oder 18. jahrhundert eine dame sehr erschrocken gewesen sein, dass es dirnen gab, die keine anständige wäsche hatten. damit diese gefallenen mädchen nicht so ehrlos herumliefen vererbte sie diesen mittels stiftung einmal jährlich(!) neue unterwäsche zukommen zu lassen. dieses amt hatte der pfarrer (st. georg?) zu übernehmen. ein pastor hatte um 1980/90 um auflösung dieses amtes der kirche gebeten, da es keine "gefallenen mädchen" mehr gab und die 'dirnen' des bezirkes sich schön bedankten ob dieser unterwäsche. der pastor wusste also nicht wohin mit diesem legat. soweit ich weiß war von der erblasserin sehr genau beschrieben wie diese unter- unaussprechlichen - auszusehen hätten. und bei stiftungen muss ganz genau dem stiftungszweck entsprochen werden! keine änderungen möglich! beim kirchenkreis stormarn ist sicher mehr darüber zu erfahren! oder in der armgardtstraße, der hochschule für modedesign in hamburg. oder im archiv des hamburger abendblattes.
einen hinweis hätte ich noch aus der eigenen familie. meine urgroßmutter kam vor 1900 aus pommern nach berlin und arbeitete als amme. da die spreewälder ammen einen besseren ruf hatten, zog sie sich kurzerhand eben eine spreewälder tracht an und war eben 'spreewälder amme'. auch hier gibt es sicherlich nur für die trachtoberbekleidung die zeugnisse. ein anderes, in den 80ern erschien ein reprint des kataloges von 1900 des wertheim kaufhauses. dort sind alle gerätschaften und kleidungen, babysachen und möbel der damaligen zeit aufgelistet und bildlich dargestellt. die hausdame und der hausherr hatten, wie eingangs schon jemand erwähnte, für die standesgemäße kleidung der bediensteten zu sorgen. (stichwort: ganzes haus) dieses buch müsste auch in den bibliotheken zu finden sein.
 
noch eines fällt mir als mögliche quelle ein: im 18/19 jahrhundert etablierte sich dass theater als freizeitvergnügen für die bevölkerung der städte und gemeinden. die darsteller orientierten sich oftmals an der schmucken mode des adels, kopierten ihn. schneider und schneidermamsellen(näherinnen) nähten innerhalb der häuser der auftraggeber und bekamen so zutritt zu den inneren gemächern. bei den anproben wurde dadurch die unterwäsche der auftraggeber sichtbar, welche dann vermutlich in den schneiderstuben kopiert wurde um sie in den manchmal recht anrüchigen szenen der theater zu zeigen.-> multiplikatoren.
im 18.jahhundert gab es auch sowas wie eine zurückzurnatur bewegung -die schäferidyllen. diese sind auf vielen gemälden abgebildet. der grund war die rückbesinnung auf ein einfaches, schlichtes leben, des adels und des höheren bürgertums, auch in der kleidung. evtl. sind hier auch einige hinweise zu entdecken.
 
@deserta

es ist vor allem gerade nicht die obere Schicht, die mich interessiert, sondern die gemeine arbeitende Bevölkerungsschicht. Gern vor allem die Männer, die in den unzähligen Fabriken gearbeitet haben... Denn Mode mit Tornüren und Rüschen und Raffungen zu machen ist mir zu plump, da ist es schwer, das 19.Jhd gestalterisch rauszubekommen und dem einen modernen nicht historisierenden Touch zu geben..Ich denke mit der naturgemäss funktionaleren Arbeitsbekleidung bin ich da einfacher dran.

1000Dank für den Buchtip, habs mir gleich bestellt!
 
nochmal @deserta:

ne, ich schreibe nicht über die oberen Klassen, ich schreibe über "Das Staunen" Ich bin nur auf die Zeit der Industrialisierung gekommen, weil damals Entwicklungsprozesse in Gang gekommen sind, die heute noch nicht abgeschlossen sind und am Anfang dieser Entwicklungsprozesse das Staunen stand. Daneben assoziiere ich mit dieser Zeit sehr stark das Staunen (Weltausstellungen, Menschenschauen, bahnbrechende Erfindungen usw..)

GRUSS AUS BERLIN
 
Ich kenne eine Seite über bürgerliche Männermode. Es ist allerdings auch keine Arbeiterkleidung.
Arbeiterkleidung hat sich ja auch nicht viel erhalten,weil diese aufgetragen und an die Söhne weitergegeben wurde, bis sie in Lumpen zerfiel und in lappen gerissen, oder zum Stoffen vom Matratzen hergenommen wurden. Und die Entwürfe aufzuheben lohnte auch nicht.
Saarlndisches Museum fr Mode und Tracht

Ich habe noch ein paar Bilder gefunden, die dir vielleicht helfen könnten: http://www.bilder-der-arbeit.de/Museum/Seiten/VM-HS4.html
 
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