Aktuelle Geschichtsdokus

Brissotin

Aktives Mitglied
Da nicht jede Doku, die ich derzeit sehe, auch wirklich sehenswert ist, aber dennoch besprochen werden darf, fange ich mal nen neuen Thread an. Mit "aktuell" meine ich nicht, dass die Dokus unbedingt aktuellsten Forschungsstand widergeben, sondern dass sie in den letzten Jahren produziert worden oder idealweise erstmalig im deutschen Fernsehen ausgestrahlt worden sind.

Ich mache mal den Anfang.

Am 4.10. lief Die Geschichte des Südwestens "Folge 2: Wie wir um unseren Glauben kämpften".
Ähnlich wie in der abendfüllenden und nicht ganz zusammenhängenden Doku zum Barock im Südwesten leitet auch diesmal Lena Ganschow recht unaufdringlich durch die Doku. Diesmal spricht sie beispielsweise mit einem Nachfahren des Götz von Berlichingen.
Inhaltlich geht es um die Reformation im Südwesten. Wie diese im Detail dann tatsächlich in Württemberg ablief, wird seltsamerweise komplett ausgespart. Es wird mehr auf Luther in Worms fokussiert. Andere süddeutsche Reformatoren oder die religiösen Differenzen im Rheintal werden ausgeblendet. Neben der Reformation wird auch der Deutsche Bauernkrieg angesprochen, welcher hier allerdings als eine absolut südwestdeutsche Erscheinung, die sich dann auf Dtl. ausgebreitet habe, falsch beschrieben wird. (Oder soll das Sendegebiet des SWR der Nabel der Welt sein?)
Leider überwiegen hier schlecht gemachte Spielszenen auf Volksfestniveau (nix gegen Stadtumzüge und sowas, aber das soll ja eigentlich eine Doku sein). Dass die Gebäude, wo gedreht wurde, fast nie noch nichtmal mit allen Augen zudrücken architektonisch in die Zeit passen, spielt kaum noch eine Rolle.
Das Beste sind die seltenen Szenen an Originalschauplätzen.

"Folge 3: Wie wir zu aufgeklärten Menschen wurden – Absolutismus und Aufklärung"
Diese Folge ist noch deutlich konfuser und springt oftmals ohne wirklichen Zusammenhang im 18.Jh. hin und her, so dass jemand, der sich nicht einliest oder nachschlägt, glauben könnte, dass z.B. die Schwetzinger Moschee am Anfang des 18.Jh. errichtet wurde. Mit Württemberg, der Pfalz und weiteren Staaten ist für die Dauer der Sendezeit dann doch zuviel angerissen. Selbst beim Beispiel Württembergs zur Zeit Carl Eugens wird dauernd hin und her gesprungen, so dass man die vielen Ereignisse durcheinander bringen könnte. Es wäre wohltuender gewesen, man hätte konkret gesagt, warum denn die Hofhaltung Carl Eugens so teuer war - eben wegen dem Spitzenorchester, wo ein Schubart nun auch nicht der Star war, eben eher ein Jomelli. Neben dem Thema des Konfliktes Schubarts mit Carl Eugen wird auch die Verbrecherjagd Jacob Georg Schäffers und das Leben und Ende Hannikels angerissen.
Die zahlreichen Spielszenen sind ähnlich gut oder vielmehr schlecht, erinnern von den Dialogen her eher an eine Laientheatertruppe als an dt. Fernsehunterhaltung.
Einzig die wenigen Zeitzeugnisse, die eingeblendet werden, können ein wenig über die misslungene Struktur des Ganzen hinwegtrösten.
Gerade in Relation zu den letzten aufwendigen Dokus des SWR zum Spätmittelalter und Barock verwundert es, wenn zudem mit derselben Präsentatorin, von der Ausstattung dermaßen daneben gegriffen wird.
 
Sehr eigenwillig fand ich die beiden Dokus zum Thema Piraten auf Arte, die ich in den letzten Tagen in der Mediathek gesehen habe.

"Piraten - Der Pirat und die Königin"
"Piraten - Die Jagd nach dem weißen Gold" (Deutschland, 2015)

Der Gegensatz zwischen miserablen Spielszenen, ja auch Galeottos verkehrte Steuerruder kamen natürlich auf der "Golden Hind" vor, und teilw. guten Fachleuten war besonders augenfällig. Positiv ist manchmal ins Feld zu führen, wenn zumindest zeitgenössische Porträts das dem Zuschauer zugemutete Bild der "Piraten" ein bisschen korrigierte. Seltsam war auch, dass man nicht, wenn schon auf PC-Animationen gesetzt wurde, konsequenter dabei beharrt wurde. Immerhin sah man in den Sequenzen mit den PC-Animationen Schiffe, die jeweils in die Zeit passten, während dann in alten Spielszenen wieder entweder No-Period-Schiffe (also sowas wie in "Die Piratenbraut" - eher aber wohl aus uralten Abenteuerfilmen) oder unpassende Fahrzeuge präsentiert wurden. Die Dialoge waren auch wieder grottig. Typisch ist die Versuchung, der die Filmemacher mal wieder erlagen, auf Teufel komm raus das Muster vom Aufstieg und Fall der Protagonisten vorzugaukeln. Bei Drake wirkte das schon sehr bemüht, zumal ja sogar erwähnt wurde, dass der Ärmste nunmal keine 60 wurde. Aus damaliger Sicht war Drake nunmal bis ins letzte Lebensjahrzehnt so mit seinem Angriff auf Cadiz enorm erfolgreich und zu Recht der Schrecken der Spanier. Dass sich Niederlagen und Siege abwechseln, liegt m.E. in der Natur der Sache. Auch auf seiner Weltumseglung findet man ja weniger erfreuliches (wie dem Fakt, dass Drake am Ende nur noch ein Schiff zur Verfügung hatte).
 
Nachbarschaftsgeschichten: Paris/Berlin (2015)

"Nachbarschaftsgeschichten: Paris/Berlin" (F. 2015)

Diese Doku lief unlängst als Vierteiler auf Arte. Ich habe mir die ersten zwei Teile angeschaut. Es fiel schon gleich ins Auge, dass die eine Folge 1789 endet und die andere 1806 begann. Vieles, was sich in Revolution und Empire ereignet hatte, wurde dann bunt eingestreut in den Themen, die später vorkamen.
Haarsträubend sind v.a. die allgemeinen historischen "Fakten", die genannt wurden und die auf offenbar altmodischen Geschichtsbildern beruhten. So soll der Soldatenkönig in keinen Krieg eingetreten sein, Friedrich II. besonders schnell agiert haben ( :confused: ), was seine ganze militärische Neuerung darstellen soll, die Bauten Friedrich I. in Preußen auf einem Minderwertigkeitskomplex wegen seiner körperlichen Behinderung :)S !) beruhen und Louis XV am Ende seiner Herrschaft extrem unbeliebt und Schuld an der Revolution sein (praktisch das Gegenteil von allen modernen Historikeraussagen).

Dankbarerweise gab es immerhin keine Spielszenen zu sehen. Und zum Glück waren die eigentlich wesentlichen Themen, nämlich die großen Platzanlagen unter Louis XIV und Friedrich I. recht schön präsentiert.

Dennoch schlagen die zahlreichen Klischees und teilweise sogar geschmacklosen Behauptungen ziemlich übel rein. Sehenswert maximal aus städtebaulicher Sichtweise, wobei zu hoffen ist, dass dazu besser recherchiert worden ist. (Die Synchronfassung war teilw. auch haarsträubend wie die Übersetzung von "prince" mit "Prinz".)
 
"Friedrich - Ein deutscher König" (2011)

Die Doku von Jan Peter hat vor 3 Jahren für ordentlich Wirbel gesorgt und das eigentlich nur aus einem einzigen Grund, weil zwei Frauen, Anna und Katharina Thalbach, als Friedrich II. auftraten. Dabei sollte das garkeine Rolle spielen, denn den Aspekt, ob nun die beiden Thalbachs oder irgendein anderer befähigter Schauspieler als Friedrich II. agierte, scheint mir für diese Doku recht irrelevant. Einige Friedrichfans vom eher konservativen Lager fühlten sich freilich verhohnepiepelt.

Interessant ist bei allen modernen technischen Spielereien, die eben sicher daher rührten, dass die Doku aus dem Haus Arte kam - man vergleiche mit ähnlichen Formaten zu berühmten franz. Komponisten oder die derzeit laufende Reihe zu Geheimnissen bedeutender Gemälde - das Ganze recht altbacken daher kommt. Die Doku besteht aus einer Melange aus Spielszenen und Kommentaren bekannter moderner Historiker, allen voran sicherlich Christopher Clark. Die Häufung an Spielszenen erinnert an Dokumentationen oder "dokumentarischen Szenarien" der 1990er oder gar den Mehrteiler wie "Wallenstein" (1978). Seltsamerweise, obwohl hier der dokumentarische Anteil größer als bei "Wallenstein" ist, bewegt sich "Friedrich - Ein deutscher König" ebenfalls zwischen Realität und Fiktion.

Besonders augenscheinlich wird dies bei den laufenden Gesprächen zwischen Schwerin und Friedrich, wobei Schwerin wie eine Art Staatskanzler Friedrichs in den Anfangsjahren auftritt. Durch die praktisch selbe Gewichtung wie viele in den selben Jahren entstandene Dokus, ganz auf die Kronprinzenjahre und deren Folgen bei Friedrich fixiert, hat auch "Friedrich - Ein deutscher König" eine seltsam unoriginelle Wirkung. Der Mensch hinter dem König bleibt ein Rätsel und die Doku schwebt um Fragen herum, die weder von den Kommentaren der Historiker noch von den Spielszenen beantwortet werden können. Die Ideen sind teilw. ambitioniert, aber es scheitert entweder am Tiefgang oder gar an der Recherche. Wenn sich Friedrich mit einem lächerlich daher wackelnden Voltaire lang und breit auf Deutsch (!) unterhält findet man ebenso wie in den Szenen der berühmten Tafelrunde leider null vom Esprit des Genies aus Frankreich, der in seiner Aufmachung so lächerlich wirkt, dass man ohne weitere Kenntnisse nicht recht versteht, was damals so faszinierendes an dem Fixstern der Aufklärung gewesen sein soll.
Immerhin wird Elisabeth Christines Schicksal nicht so sehr ausgespart wie in anderen Filmen. Denn ihre historische Rolle war trotz oder wegen ihrer Ferne vom "bösen Mann" für Preußen eine ganz erhebliche. Dass da wo sie war, faktisch der Hof war, wird leider weniger bis garnicht betont.

Auf Massenszenen wird verzichtet. Die wenigen Schlachtszenen werden mit passabel bis exquisit ausgestatteten Reenactors bestritten, wobei nur der preußischen Seite ein Gesicht verliehen wird. Die Fasnetskostüme der meisten Schauspieler und bspw. der Kinder in den Szenen bei Kunersdorf stehen dazu in einem irreal wirkenden Kontrast, der gewiss so garnicht beabsichtig war.

Die Schauspieler fand ich, vor allem im Vergleich zur Qualität der Regie und des Drehbuches, überwiegend gut bis sehr gut. Beide Thalbachs nehmen sich da m.E. nichts. Aber auch Oliver Nägele gelingt eine sehr menschliche, gelungene Darstellung des Soldatenkönigs. Elisabeth Christine, Friedrichs Gemahlin, wird passenderweise von einer nicht nur schönen, sondern auch intelligent wirkenden Valerie Koch sehr gut gespielt. Auch Christina Groß, bei der offensichtlich auf eine Ähnlichkeit zur hist. Rolle komplett verzichtet wurde (die Königinmutter war sehr beleibt), bringt die egoistisch standesbewusste Königin Sophia Dorothea gut herüber.

Davon abgesehen, dass alles was hier gesagt wurde, bereits in schier unzähligen anderen Dokus bereits gesagt wurde, und einiges dazu gedichtet wurde, ist diese Dokumentation recht ansehnlich, ohne freilich mit den von mir an anderer Stelle empfohlenen britischen Produktionen in irgendeiner Weise konkurrieren zu können.
 
Zuletzt bearbeitet:
"Für Bayern mit Napoleon" BR Matthias Sebening (2015)

Diese Doku erzählt die Geschichte von Bayern unter Napoleons Einfluss aus einer Art Retrospektive. Ein Ausschuss soll die Mängel in der bayerischen Armee klären, die zur Katastrophe in Russland, 1812 beigetragen haben. Die Doku lebt v.a. offensichtlich vom Bezug zu zeitgenössischen Quellen, Aktenstudium etc.. Der Film besticht durch das Präsentieren von zeitgenössischen Zeugnissen wie Gemälden und Erlässen und besteht daneben aus Spielszenen mit Dialogen (vor dem Untersuchungsausschuss 1814) und Sequenzen aus Battle-Reenactments (teilw. mit nicht zum Off-Ton passenden Kontext), sowie Kommentaren von Fachleuten.

Manches bewegt sich seltsamerweise gerade bei letzteren eher im Reich der Spekulation, wobei die Aussagen vom Kurator des bayer. Armeemuseums Ingolstadt, Dr. Storz, besonders abstechen wie die Behauptung, man habe den Soldaten nur 60 Schuss mitgegeben, weil man geglaubt habe, es reiche für einen Feldzug (!). Für einen Feldzug! Natürlich wurden die Patronentaschen während eines Feldzugs aufgefüllt. Es ging bei der Menge in der Patronentasche um die, welche man für ein Treffen, Schlacht oder Gefecht, veranschlagte. Entsprechend viele Feuersteine wurden ja auch mitgeliefert. Auch die Behauptung, man habe nur im Stehen gekämpft ist quatsch und wird nur dadurch von den Reenactmentsequenzen gestützt, weil bei kleineren Gruppen zu Gunsten einer breiteren Front nur die zwei hinteren Glieder gezeigt werden. Im franz. und einigen anderen daran sich anlehnenden Reglements war das Abknien des 1. Gliedes (von 3 Gliedern) noch vorgesehen. Bei den Briten war das sogar noch der Standard. Auch das Laden der Muskete im Knien ist theoretisch möglich und wurde im Schützengefecht gewiss auch praktiziert. Nur ist dies in einer dichten Linienformation und bei geschwind aufeinanderfolgenden Salven nicht machbar.

Das französische Vorbild bei der bayerischen Uniform klingt mir auch nicht plausibel. Gerade die Bayern sind nicht dem Vorbild Frankreichs gefolgt. Einige andere Staaten haben ja mit der Zeit dann doch den französischen Tschako für die Infanterie übernommen. Der Helm wurde bereits 1790 eingeführt. Im übrigen folgte der Schnitt überwiegend dem üblichen Trend. Ob sich die Staaten an Frankreich anlehnten oder nicht, waren in den meisten Rückentornister und i.d.R. aus Fell üblich.

Insgesamt dennoch eine sinnige sehenswerte Doku mit viel Inhalt und reichlich Details v.a. zur Grafschaft Weissenhorn.
 
Zuletzt bearbeitet:
Wenn ich es richtig verstanden habe, soll bei dem Projekt jede Kriegswoche eine kurze Zusammenfassung bekommen, die genau ein Jahrhundert nach den Ereignissen "ausgestrahlt" wird? Das hört sich recht ambitioniert, aber auch sehr spannend an.
 
Vor kurzem hatte ich die Ehre einen Fernseher zu bedienen, der mehr als 33 Programme hat. Einer dieser Kanäle hieß "History Channel", und hat versucht mit zu erklären, inwiefern Tesla (oder war es Einstein) eine Zeitmaschine erfunden haben, und aus welchen Bibelversen man die Beschreibung von außerirdischen Raumschiffen ableiten könne.

Kennt jemand The Great War?

Ich bin gerade bei Woche 7 und finde sie gar nicht mal so schlecht...

Ich fand Die Tagebücher des Ersten Weltkriegs packend, vor allem da es sich um wahre Begebenheiten handelt.
 
Zuletzt bearbeitet:
Wenn ich es richtig verstanden habe, soll bei dem Projekt jede Kriegswoche eine kurze Zusammenfassung bekommen, die genau ein Jahrhundert nach den Ereignissen "ausgestrahlt" wird? Das hört sich recht ambitioniert, aber auch sehr spannend an.

Ich kenne was sehr ausführliches über den Amerikanischen Bürgerkrieg bei einer Zeitung (Ich glaube Washington Post, bin mir aber nicht sicher), die jeden Tag einen Artikel veröffentlicht. Ebenfall sehr informativ, auch wenn ich erzeit nicht die Zeit habe.
 
Kennt jemand The Great War?

Ich bin gerade bei Woche 7 und finde sie gar nicht mal so schlecht...

Es gab von dieser Sendung auch einen deutschsprachigen Ableger, der aber das Projekt einer 4 jährigen Onlinedokumentation zum WWI aus finanziellen Gründen Herbst 2015 einstellen musste. Ich fand es schade, denn die Sendung war gut und vor allem mit viel sehr viel Engament gemacht.
 
Geliebte Feinde - Die Deutschen und Franzosen (4/10)

"Geliebte Feinde - Die Deutschen und Franzosen (4/10) Schaulauf der Sonnenkönige" D 2013, Regie: Sabine Klauser

Mal wieder eine auf witzig getrimmte Doku aus dem Hause Arte, die sich mit den Beziehungen zweier Völker über die Jahrhunderte beschäftigen soll. Ich hatte zuvor die erste und zweite Folge gesehen, die sich mit der Antike ab der Zeit der Römer bis zum Mittelalter beschäftigten.

Hier wird aber in einer humorigen Weise auf das Zeitalter des "Absolutismus" eingegangen. Der Begriff wird übrigens nicht in Frage gestellt oder einer modernen historischen Infragestellung unterzogen. Stattdessen hagelt es Klischees, die reichlich altbacken daher kommen. So seien die Schlossbauten des Barock in Deutschland angeblich exakte Kopien von Versailles.
Also mal etwas generell zum Thema Kopie in der Architektur. Denn sowas gibt es ja wirklich. Das hier ist eine Kopie nach einem vorhandenen historischen Gebäude: https://de.wikipedia.org/wiki/Mereworth_Castle Palladios Bauten wurden kopiert. Man orientierte sich vielleicht an Frankreich. Kopieren ist aber was ganz anderes. Man muss nur mal Dresden und Versailles vergleichen! Wo ist denn da bitteschön eine Kopie? Und am Desdener Hof wurde italienische Oper gehört, nicht französische ...
Schlimmer wird es dann, wenn die Plastikpudel auf das Zeitalter von Louis XV und Friedrich II. zusteuern. Aus der Mottenkiste kommt die Behauptung Madame de Pompadour habe ein gleichnamiges Handarbeitsbeutelchen erfunden. :rofl: Achso, deswegen findet man sie auch in allen Kostümkunde- und Designstandardwerken, weil sie das Handarbeitsbeutelchen gleichen Namens erfand. Nur mal für die Nichteingeweihten, sowas ist wohl gemeint: https://commons.wikimedia.org/wiki/..._de_France_faisant_des_nœuds_(1756)_-_002.jpg
Übrigens hat die Pompadour ne Stinkwut auf Friedrich II. gehabt. Deswegen schickte sie nicht nur 25.000 Mann, sondern gleich drei Armeen nach Deutschland, um ihn in die Knie zu zwingen. Ja, es wird der Eindruck vermittelt, als habe Frankreich ausschließlich gegen Friedrich II. gekämpft. Ja, es wird ja auch behauptet, die Briten hätten keine Truppen nach Deutschland geschickt. Aaaaha! Keine Briten bei Minden? Dann feiern die Briten den Minden-Day angelegentlich völlig irrtümlich, da sie wähnen, da seien Briten anwesend gewesen?

Abgesehen von dem massigen Nonsense und falschen Behauptungen, die scheinbar eher einer oberflächlichen Recherche verschuldet sind und der furchtbaren Kostüme in den Spielszenen, ist immerhin das Ganze halbwegs unterhaltsam aufbereitet. Allerdings frage ich mich, wenn bei dem Thema, wo ich mich ein bisserl mehr auskenne, schon soviel Humbug drin verbreitet wird, wie das wohl bei dem Rest ausschaut? Ist die Qualität der anderen Folgen ebenso mies? Hat jemand die Reihe auf Arte verfolgt?
 
Kürzlich kamen 2 Dokus über Margot Honecker. Die eine, ältere, reißerisch und anklagend, ja sogar stalkend (die greise Frau wurde unangemeldet per Kamera auf der Straße abgefangen), die andere, neuere, nach dem Tod erstellte realistisch und ausgewogen. Leider habe ich die genauen Titel nicht notiert.

Mal eine kleine Abwechslung zu Knopps allabendlichen Hitler-Reportagen. Zuletzt Hitlers V-Waffen gesehen. Einzige Verherrlichung deutscher Ingenieurskunst. Dass es Tote gab, wurde auch erwähnt. Aber Wernher von Braun, unser Held, ermöglichte schließlich auch den Mondflug. Nun, so kann man es auch sehen. Ich sehe es nicht so. Aber Geschichte lässt sich nicht zurückdrehen, sie war wie sie war, ist Vergangenheit und manchmal ist das auch gut so.

Manchmal ist es gut, das alles einfach irgendwie zu vergessen und nicht mehr drin zu bohren. Der Gedanke kam mir, als M.Honeckers Haus von außen gefilmt wurde, unterlegt mit dem Text, es handele sich um eine "Villa", dabei konnte jeder sehen, dass es ein Reihenhaus war, nun gut. Sensationsheischerei, leider. Wie auch immer. Möge sich jeder sein Bild machen! Ein allgemeingültiges Geschichtsbild gibt es mMn nicht.
 
Zuletzt bearbeitet:
Ja, Dokumentationen sind oft leider durch ihre miese Qualität Gesprächsthema, statt durch ihren Inhalt, wie es sein sollte.

Es ist immer wieder erschreckend bei Themen, zu denen man sich auskennt. Auf der anderen Seite sage ich mir immer, dass das kein Telekolleg ist, sondern populärwissenschaftliche Sendungen. Und da ist ja immer wieder umstritten, wie genau es sein muss, wie sehr vereinfacht werden darf und wie sehr die Unterhaltung im Vordergrund steht. Und bei der Frage, wie konservativ oder progressiv die Darstellung sein soll, wird man überhaupt keine Einigung erzielen.

Aber was nehmen wir als Anhaltspunkt? Was sagt uns, dass es ein Machwerk ist, dass so nicht mehr als passend empfunden werden kann und eher Geschichtsklitterung darstellt?

Bei moralischen Fragen wird es natürlich noch komplizierter. Wieweit ist auf diese Problematik bei der Darstellung der Entwicklung der Feuerwaffen einzugehen, um nicht gleich wieder ein Faschismus-Beispiel zu bringen? Nun, dieser letzte Absatz hat mit Ethik und nur am Rand mit Geschichte zu tun.

Aber was habt Ihr da für historisch-fachliche Maßstäbe, um solche Sendungen zu beurteilen?
 
Aber was habt Ihr da für historisch-fachliche Maßstäbe, um solche Sendungen zu beurteilen?
Es geht ja nicht um Vereinfachungen - zumindest mir nicht an dieser Stelle - sondern darum, wenn wissentlich oder unwissentlich Stuss d.h. die Unwahrheit gesagt wurde und wenn dieses wie am Beispiel der angeblich nicht in Dtl. kämpfenden Briten im Siebenjährigen Krieg(1) sogar mit ein bisschen Recherche im Internet bereits zu vermeiden gewesen wäre. Eine tiefgreifende quellenkritische Auseinandersetzung mit dem Thema erwarte ich ja garnichtmal von einer solchen Doku.

Schlecht gemachte Spielszenen halte ich für diskutabel. Ärgerlicher finde ich unpassende Gemälde, die auch mal gern in Arte-Dokus eingeblendet werden. Diese führen dann schon eher zu einer Desinformation. Spielszenen kann man eher vergessen, bzw. als Zuschauer unter "Theater" verbuchen.

(1) Selbst wenn man ins Feld führen würde, dass das Engagement der britischen Armee bei Kriegsausbruch in Deutschland, also 1757, nicht besonders intensiv war. War immerhin der Sohn des Königs Oberkommandierender der Armee bei Hastenbeck.
 
Zuletzt bearbeitet:
Aber was habt Ihr da für historisch-fachliche Maßstäbe, um solche Sendungen zu beurteilen?

Da geht es um Quote. Ich glaube, man kann es nicht "geschichtswissenschaftlich" beurteilen. Zumal es Geschichte als Fach so nicht mehr geben wird. Kinder von Lehrern besuchen die Schule, studieren an der Uni Geschichte - und werden selber Lehrer. So schaut's ziemlich oft aus. Ansonsten gibt es Bundesländer, wo's keinen Geschichtsunterricht mehr gibt. Studierende, die Geschichte nicht auf Lehramt studieren, gibt's auch kaum welche, klar, bei den miesen Berufssaussichten. Wo also sollte die Fachlichkeit herkommen? Histotainment hat eine Zukunft, History Marketing ebenso, aber Geschichte als Fach wird sterben bzw. ist am Sterben. Genauso wie unlukrative Museen oder andere kulturelle Einrichtungen.

"erst kommt das Fressen, dann die Kultur" sagte mal ein schlauer Mann
 
Ich habe mir vorhin die "Semi-"Dokumentation "Maximilian - Brautzug der Macht" ansehen können.

Persönlicher Eindruck:
Der erste Teil wird seiner Ankündigung als historische Begleitdokumentation zur Fernsehserie leider tatsächlich gerecht, wobei für mich der Akzent auf Begleitdokumentation und nicht auf historisch liegt. Nicht nur, dass hier nochmals für den Film Werbung gemacht wird, in dem Auszüge aus ihm einfach nur gezeigt werden, wodurch der Eindruck entsteht, das wäre Fakt und so muss man sich das vorstehen, ging mir die betuliche Art, mit der Historikerin Sigrid Maria Grössing (die paar Bücher, die ich von ihr einmal eingesehen habe, würde ich aufgrund der Machtart als populärwissenschaftliche Reißer einstufen) mit ihren betulichen Stellungnahmen ziemlich auf die Nerven. Hier wurde eindeutig das "Märchen von der 'lieben' Familie präsentiert", wobei Maximilian als Kronprinz-Rudolf-Figur präsentiert wird. (Sensibler Prinz flüchtet vor harter Wirklichkeit, die vom harten, militärischen Drill (seines Papas) geprägt ist, in eine Traumwelt, für die eine sensible, phantasie- und temperamentvolle, leidende Mama verantwortlich zeichnet. Maximilian (und Schwester Kunigunde) wirken wie arme Kinder, die mit dem Tod der lieben Mutter, den einzigen Menschen verlieren, der ihnen so etwas wie Wärme gegeben hat.

Jedenfalls hat mich das eher an sentimentalen 19. Jahrhundert-Kitsch erinnert, der eigentlich im Widerspruch zu dem steht, was ich über Kindererziehung an Fürstenhöfen im Spätmittelalter gelesen habe.

Der Historiker Manfred Hollegger, der ebenfalls zu Wort kommt, ein Wissenschaftler in der Nachfolge von Wiesflecker, hat vor einigen Jahren eine quellenbezogene und seriöse Biographie von Maximilian I. publiziert, die sich leider recht trocken liest und daher für die breite Masse (anders als Größing) eher langweilig. Im Unterschied zu ihr wirkte er auf mich mit seinen knappen, präzisen Kommentaren aber seriös und glaubwürdig. Interessant ist, dass seine Wortmeldungen über die ganze Dokumentation verstreut waren, während Grössing nur in jenem Teil mit Wortmeldungen vorkommt, der die Jahre von der Kindheit bis zum Tod von Maria von Burgund abdeckt.

Auffallend war auch, dass die "Semidokumentation" in zwei doch recht unterschiedliche Teile zerfiel. Der Teil um die Kindheit und die Ehe mit Maria (der großteils aus Ausschnitten aus der Fernsehproduktion zusammengesetzt war) dürfte in erster Linie dazu dar sein, nachträglich noch sicherzustellen, dass die wesentliche Fakten in der Fernsehdokumentation korrekt dargestellt, was ich schade finde. Ich hätte es überzeugender gefunden, wenn hier auf Abweichungen eingegangen und stattdessen belegte Fakten präsentiert worden wären. Hätte die Fernsehserie wirklich dabei an Wirkung verloren, wenn auf diesen Punkt eingegangen wäre?

Ganz anders dagegen der zweite Teil, der die Jahre zwischen dem Tod von Maria und die Wahl Karls V., wenn gleich nur auszugsweise abgedeckt hat. Dieser Teil gab immerhin mit Blick auf die Sendezeit einen präzisen und kompakten Überblick. Ob die die nachgestellten Szenen zwischen einem alten Maximilian, der mit Tochter Margarete über sein Leben spricht, notwendig waren, sei dahin gestellt, aber für mich war es unter der Einschränkung, dass hier halt versucht wurde, seine Sicht der Dinge (also eine subjektive Sicht) zu zeigen, doch ganz gelungen.

Lustig fand ich übrigens, dass am Ende der "Semi"-Dokumentation die Geschichte von der angeblich großen Liebe zwischen Maria und Maximilian durch ein nebensächliches Detail doch noch in Frage gestellt wird, wennin der Dokumentation Margarete mit ihrem Vater über dessen uneheliche Kinder redet, und da doch anmerkt, dass eine ihrer Halbschwestern etwa zeitgleich mit ihr geboren wurde.

War das eine "nette" Schlusspointe, die zur kritischen Hinterfragung von dem, was als Geschichte überliefert wird, anregen sollte, oder ist den Produzenten da doch ein "Missgeschick" unterlaufen?

Fazit:
Der erste Teil war offensichtlich eine Verbeugung vor und Werbung für die Fernsehserie, weswegen auch alles unterlassen wurde, dass deren Historizität in Frage hätte stellen können.

Der zweite Teil dagegen, der nicht mehr auf diese Serie Rücksicht nehmen musste, den habe ich dagegen sogar recht informativ gefunden.
 
Zuletzt bearbeitet:
Neulich gab es eine schöne Doku über den Verbleib jap. Schwerter (u.a.https://de.wikipedia.org/wiki/Masamune) nach dem WK2, als viele kunsthistorisch interessante Exemplare von GI's vernichtet oder nach US&A verbracht wurden. Dort kannte man ihren Wert auch nicht, erst in den 50ern fing ein intensiver Privathandel mit zunehmend satteren Gewinnsteigerungen an. Eines der bekanntesten und berühmtesten Schwerter aus der Schmiede Masamune konnte bis heute nicht gefunden werden. Vermutet wird, dass es sich nach wie vor geheimgehalten in amerik. Privatbesitz befindet. So viel dazu. Vielleicht für die technisch oder kunstmäßig Interessierten interessant. LG
 
Heim ins Reich – Wéi Lëtzebuerg sollt preisesch ginn

"Heim ins Reich – Wéi Lëtzebuerg sollt preisesch ginn" ist eine 120minütige Doku der Luxemburgerin Claude Lahr aus dem Jahr 2004 und behandelt die deutsche Besatzungszeit und versuchte Annexion Luxembourgs 1940-44. Es kommen viele Zeitzeugen zu Wort. Allerdings sprechen diese Lëtzebuergesch, so dass ich nur etwa bestenfalls 80% verstehen konnte. Für mich interessantes Thema, das seriös recherchiert und gänzlich ohne Re-Enactmentszenen rüberkommt. Vielleicht ist aber 2004 auch nicht mehr wirklich "aktuell".

Auf diesem einen großen Videokanal kann man die gesamte Doku auf vier Folgen verteilt unter dem Suchbegriff "Heim ins Reich Film" finden.
 
Zuletzt bearbeitet:
...und Claude Lahr ist natürlich keine Luxemburgerin, sondern ein Luxemburger - keine Ahnung, was mich da geritten hat :autsch:
 
Zurück
Oben