Ich füge zu Papa_Leos Punkten noch Jahreszahlen, die mir auf die Schnelle einfallen, vor und nach dem Krimkrieg bei (+Anmerkungen):
1815: der Wiener Kongress (wohl auf Betreiben Österreichs) ignoriert im wesentlichen die Souveränitätsbemühungen Serbiens, das sich dennoch über die nächsten 2 Jahrzehnte vom osman. Reich unabhänig macht:
1817 gibt das osman. Reich dem Fürstentum Serbien
das Statut eines "tributpflichgtigen Vasallen" (Serbien ist also keine reichseigene Provinz der Pforte mehr), 1830 wird das FM autonom und seit 1878 ein unabhängiges Königreich (recte 1882, internat. anerkannt)
1822 (find ich recht bedeutsam): Fürstenkongress von Verona: außer GB verurteilen alle Signatarmächte den griech. Aufstand gg. die osman. Oberherrschaft!
-
Der Startschuss der nationalen Erhebungen am Balkan ist trotzdem getan und die Kugel rollt ab nun unaufhaltsam ...Die "national-romantische Intelligenz" Europas ist entgegen ihren neoabsolutistischen Fürsten natürlich begeistert über den griech. Befreiungskampf, im griech. Aufstand entwickelt sich aber nicht nur der "edle Funken des Nationalismus", sondern zunehmend ein barbarisches Schlachtfest -es dauert von 1821 bis 1830- unter Nachbarn und sogar Verwandten - denn vor allem geht die "edle Sache" der Griechen auf Kosten der albanischen Bevölkerung und noch stärker auf Kosten der autochtonen illyrisch-walachischen (moslemischen!) Minderheiten (den Namen der nordgriech. Vlachen , sorry, hab ich grad vergessen)
- Grillparzer hat die ab nun zunehmend auch innerhalb der Grenzen Österreich-Ungarns entzündeten Nationalismen nachbetrachtet ganz gut mit dieser Abfolge gegeißelt: "Humanität - Nationalität - Bestialität" ... - und dabei meinte er den deutschen bzw. italienischen Nationalismus, wohlgemerkt! Die Wortwahl der allfälligen magyarischen, panslawistischen oder späteren italienischen Nationalisten hatte er in seiner höchsten Aggression nicht mehr erlebt (besser: erleben müssen) ...
1848/49 Niederschlagung der Revolution in Ungarn.
-Hier verpatzt der frischgekrönte Kaiser Franz-Joseph I eigentlich alle Jahrzehnte der folgenden unglücklichen Dualismus-Situation mit der unagr. Reichshälfte, indem er zuerst Ungarns Eigenständigkeit niederschlagen ließ und dann über Jahrzehnte, um Ausgleich mit Ungarn bemüht, diesem, etwa doppelt so großem Land eine derart freie Hand innerhalb seiner Reichshälfte gewährte, für die man sich im Westen der Monarchie oder in Deutschland, ganz zu schweigen in England, den USA usw. geradezu schämte: Fazit war, dass die -für jene Zeit fast grotesk zu nennende Unterdrückung der Rumänen Siebenbürgens die rumänische Nation und den Staat Rumänien "gründete":
Detail 1:
1861 Gründung des souveränen FM Rumänien (und 1919 erhält Rumänien den größten Anteil aus der ungarischen Landmasse)
Detail 2: Kroatien, Provinz der ungar. Reichshälfte versucht sich durch das militär. Eingreifen 1849 seines Bans Jelasic vom "Mutterland Ungarn" zu emanzipieren. Gerade für Kroatiens Stellung bis zum Bürgerkrieg und der Sezession von (Ex-)Jugoslawien zeichnet sich also schon im 19. Jh Kroatiens signifikante Sonderstellung ab: es konnte niemandem vertrauen.
Der
Ausgleich Österreichs mit Ungarn 1867 machte Kroatien mit Slawonien nämlich zum Eigentum Ungarns (und die Ungarn hatten natürlich die Niederschlagung ihres freiheitskampfes anno 1849 durch den Ban der Kroaten und durch kroatische truppen (Militärgrenzer) nicht vergessen ...)
1853-56 Krimkrieg (wichtig: Österreich peilt bereits Mandat auf Bosnien an! - ich finde den Krimkrieg allerdings keineswegs als "den wichtigsten" Krieg bzgl. Deiner gesamtbalkanischen Fragestellung, aber natürlich war er eine Stufe. Vornehmlich wurde Russland gedemütigt, es fühlte sich von Österreich verraten und im Stich gelassen (ausgebliebene Waffenhilfe ÖUs im Krimkrieg als Gegengefälligkeit für die Niederschlagung des ungar. Aufstandes 1849 durch russ.Truppen!) - und Frankreich und GB beherrschten fast uneingeschränkt Handel und Wandel im östl. Mittelmeer)
Viel bedeutender für die eruptive Änderung der Situation am Balkan war Russlands "Revanche",
der russ-türk- Krieg von 1877/78!
- Schlagworte: Entstehung des unabhängigen Bulgarien; Vorfriede von San Stefano (Bulgarien wird russischerseits etwas überproportinioniert, was die Missgunst aller vorhandenen und frischen souveränen Staaten erregt und Bulgarien schlussendlich via beide Balkankrieg in die Arme der Achsenmächte treibt und zuletzt bei den revisionistischen Verlierer des 1. WK einreiht)
1878, am Berliner Kongreß,
- wird ÖU insofern entschädigt, als dass Österreich das Schutzmandat über die beiden osman. Provinzen Bosnien und Herzegowina erhält. Sollte so aussehen: BiH wird österr.-ungar. Protektorat, bleibt aber noch offiziell osman. Provinz (merkwürdig, aber war nun mal so) Die Besatzung wird allerdings fatal für die Donaumonarchie, da man sich überraschend einer über 100.000 Mann starken "Armee" einheimischer irrugelärer und verbünd. regulärer osman. Truppen gegenüber sieht. Der "gemütliche Marsch" an die serb. Grenze (Serbien hatte natürlich allregensten Anteil an Armierung und Soldatenkontigenten dieser bosnischen "Verteidiger") wird zu einem Blutbad (allerdings kleineren Ausmaßes.
Zu Bosnien zw. 1878 und 1914 eine Anmerkung, die mir in diesem Forum nun wichtig geworden erscheint: Die königl. serbische sowie nachfolgend SHS-, KR - & (sozialistische) Tito-jugoslawische Geschichtsschreibung, die auf Basis (einer keineswegs ungerechtfertigten) Selbstständigkeits-Agitation fußte und in dieser Tendenz für den Schulunterreicht einzementiert wurde, hat nachfolgend bis zur
Annexionskrise 1908 (s.d.)
das Bild Österreich-Ungarns leider nicht nur undifferziert, sondern verfälschend als "Kolonialmacht im Stile der überseeischen Kolonialismen" im Geschichtsverständnis zurückbleiben lassen. Und die Situation nach dem blutigen zerfall Jugoslawiens wird das möglicherweise noch verschlimmern.
Im Falle der ungarischen (restauriert feudalen und rigoros magyarisierenden) Reichshälfte bestand ein "Kolonialismusvorwurf (also der negativen Ausprägung)" nicht ganz zu Unrecht, im Falle der österr. "Kolonisierung" im Sinne von Infrastruktur, Schul- und Hochschul-Bildung*, Verwaltung, Bauten u.v.v.m. aber eine Trauerstück der Geschichtsverfälschung!
*1878 wurde in BiH noch ein Analphabetismusanteil von über 75% festgestellt!
Zur Verteidigung der serb. Agitation contra ÖU ist allerdings festzuhalten, dass das eigentlich souveräne (!)Serbien wirtschaftlich VÖLLIG abhängig von der Donaumarchie war und entsprechend "kolonisatorisch" behandlet, will sagen, in Anbhängigkeit behandelt und mitunter geradezu gegängelt worden war ;-)
Damit mir im letzten Absatz keine Tendenziosität vorgeworfen wird, dies schreibt Dunja Melcic:
http://www.oeko-net.de/Kommune/kommune11-99/zzdunja.htm
Nach 1908 kommen dann noch die beiden Revisionen bzw. Klarstellungen des Krieges von 1878, den sich die neuen Nachbarn nun selbstständig (ohne namhafte Mithilfe der Großmächte) ausfechten:
1. und 2. Balkankrieg. Sehr wichtig noch zu diesen, ein bzw. 2 Jahre vor Ausbruch des 1. WKs statfindenden Waffengängen ist, dass die serb. Armee sozusagen kriegerisch "voll im Saft Stand", will sagen, kriegsgeübt war und daher gar nicht allzu überraschend den ersten Angriff der - 1. chaotisch geführten und 2. kriegsunerprobten- Truppen Österreich-Ungarns erfolgreich abwehrte.
------
Eine ganz gute Zusammenfassung für den Fragenden vom histor. Inst. der Uni Aachen:
http://www.histinst.rwth-aachen.de/default.asp?documentId=74