Hallo, ich fand in einem anderen Geschichtsforum einen thread mit dem o.a. Titel. Ich kenne den thread-Starter schon länger und er fiel mir des öfteren durch deutschfeindliche und nationalistische threads auf, insbesondere zu deutsch-polnischen Beziehungen. Der Titel zielt daher auch in diese Richtung. Ich habe ihn dennoch mal übernommen.
Der Eingangstext zu diesem thread lautet:
"When exactly was much of what is now German province of Schleswig-Holstein Germanized ???
I discovered that even in late 19th century (after ca. 1870) much of Schleswig-Holstein was still Danish-speaking:
This map shows the situation in late 19th century (roughly after year ca. 1870):
In this map below, "French" includes also "Walloon", but only in one county (Kreis Malmedy):
http://s29.postimg.org/shpby0m2v/Min...th_century.png
Ich würde dies gerne nutzen, um die Situation in Schleswig-Holstein hier einmal ohne Nationalismen und Geister der Vergangenheit zu diskutieren.
Die beiliegende Karte ist leider ohne Angabe auf ihre Herkunft. Sie ist im wesentlichen nicht falsch, nur dass sie Nationalitätenbezeichnungen beinhalten, wo doch eigentlich nur Sprachverhältnisse wiedergegeben werden.
Dies zeigt sich in allen Bereichen der Karte. Da der Themenstarten polnischer Herkunft ist, hatten solche Karten stets Sprengstoff für Diskussionen, sobald man über den östlichen Bereich sprach. Dort wurden und werden noch heute von nationalistischen Polen (aber auch von deutschen Rechten), Sprachgrenzen mit Grenzen von Ethnien und Nationen gleichgesetzt. Dies ist für weite Bereiche in Ostpreußen und Schlesien, aber auch in anderen östlichen Teilen falsch.
Wie sich das in Schleswig-Holstein verhält würde ich nun gerne erörtern.
Zwischen 800 und 1100 hatten wir folgendes Bild
Leider fehlen mir adäquate Karten für die Zwischenzeit. Um 1840 sah das Bild folgendermaßen aus
Auf den ersten Blick läßt sich fast tatsächlich auf einen deutschen Drang nach Norden schließen.
Die Eider bildete über Jahrhunderte hinweg die Grenzlinie zwischen Dänemark und dem Reich.
1326 ließen sich die Schauenburger mit dem schleswiger Herzogtum belehnen. Sie waren bereits seit dem 12. Jahrhundert mit Holstein belehnt worden, besaßen also nun dänische, wie auch Reichslehen. Holsteinische Adlige begannen nun verstärkt Besitz in Schleswig zu erwerben und begannen hier mit der Kolonisation. Mit dem Aufstieg der Hanse und ihrer Etablierung in den Städten Schleswigs und Holsteins verbreitete sich hier das Mittelniederdeutsche als Handels- und Umgangssprache, in Holstein kam dazu noch intensivere Kolonisation durch Siedler aus dem südelbischen Raum. Hier setzte sich bereits seit dem 14. Jahrhundert Mittelniederdeutsch als Umgangssprache durch.
Im Allgemeinen muß man sagen, daß die Sprache nirgendwo trennend war. Im Gegenteil, vielfach benutzte man in Schleswig das Sönderjysk als Umgangssprache, sowohl von Dänen als auch von Deutschen. Vor allem auf dem Lande und im schleswiger Geestbereich hielt sich dieser Dialekt lange. In der Neuzeit sprach man hingegen nur in wenigen Städten Hochdänisch und dann zumeist nur als Kirchenspache. In den meisten Städten hingegen benutzte man Nieder- oder auch Hochdeutsch, wobei Niederdeutsch idR Umgangssprache war. Die Grenze zwischen dänischen und deutschen Dialekten verschob sich dabei zunehmend nach Norden, so daß in Schwansen bereits im 17. Jahrhundert und auch in Angeln in der Mitte des 19. Jahrhunderts, das Sönderjysk zurückgedrängt wurde.
Einen bedeutsamen Schwung bekam das Deutsche mit der vom dänischen König eingeführten Schulpflicht für Schleswig-Holstein im Jahre 1814. Nun galt vermehrt, was überall im niederdeutschen Bereich so eintrat, Dialekt wurde nun soziale Identifikation. Wer Hochdeutsch sprach, war kein Bauer. In Schleswig hieß das "He is en Bur, he snackt Densch". Anders also als die Überschrift es suggerieren sollte, handelte es sich weitaus weniger um einen Germanisierungsprozeß, sondern um eine natürliche Genese.
Problematisch wurde die Situation mit dem Erwachen des Nationalismus in Dänemark und Deutschland. Bereits im Mai 1820 wurde Hochdänisch zur Amtssprache in Nordschleswig erklärt. Im Zuge der Revolution von 1848 sollte Schleswig nun fester Teil Dänemarks werden. Dies führte zu erheblichen Widerstand in Schleswig-Holstein und letztlich zum Krieg. Dabei war die Stimmung nicht ursprünglich ein Gegensatz von Dänisch-Deutsch, sondern Schleswig-Holsteinisch-Dänisch, wandelte sich dann aber rasch.
Nach 1848 setzte Dänemark dann auf einen Danisierungsprozeß und führte Sprachreskripte für Mittelschleswig ein. Mit der Novemberverfassung verstieß dann Dänemark gegen das Londoner Protokoll, was dann zum Deutsch-Dänischen Krieg führte. Interessant ist in diesem Zusammenhang, daß Bismarck ernsthaft mit der dänischen Regierung über eine Lösung des nunmehr Nationalitätenkonflikts verhandelte. Letztlich überzogen die Dänen aber dann in den Verhandlungen mit Forderungen nach einer weit südlich laufenden Grenze und dadurch, daß sie keine Garantien für den Schutz der deutschen Minderheit abgeben wollten. Bismarck selbst sah sich ebenfalls Gegner eines Ausgleichs gegenüber, besonders im nationalliberalen Lager. So versandeten 1867/8 diese Verhandlungen, bis sie dann nach dem 1. Weltkrieg weitgehend endgültig geregelt wurden.
Es zeigt sich also, daß die Geschichte der Sprachverteilung in Schleswig-Holstein wenig mit Zwangspolitik zu tun hatte, schon gar nicht von deutscher Seite, sondern ein weitgehend friedlicher und sozialer Prozess war. Schleswiger verstanden sich dabei in erster Linie als Schleswiger, unabhängig von der Sprache die sie im Alltag gebrauchten.
Der Eingangstext zu diesem thread lautet:
"When exactly was much of what is now German province of Schleswig-Holstein Germanized ???
I discovered that even in late 19th century (after ca. 1870) much of Schleswig-Holstein was still Danish-speaking:
This map shows the situation in late 19th century (roughly after year ca. 1870):
In this map below, "French" includes also "Walloon", but only in one county (Kreis Malmedy):
http://s29.postimg.org/shpby0m2v/Min...th_century.png
Ich würde dies gerne nutzen, um die Situation in Schleswig-Holstein hier einmal ohne Nationalismen und Geister der Vergangenheit zu diskutieren.
Die beiliegende Karte ist leider ohne Angabe auf ihre Herkunft. Sie ist im wesentlichen nicht falsch, nur dass sie Nationalitätenbezeichnungen beinhalten, wo doch eigentlich nur Sprachverhältnisse wiedergegeben werden.
Dies zeigt sich in allen Bereichen der Karte. Da der Themenstarten polnischer Herkunft ist, hatten solche Karten stets Sprengstoff für Diskussionen, sobald man über den östlichen Bereich sprach. Dort wurden und werden noch heute von nationalistischen Polen (aber auch von deutschen Rechten), Sprachgrenzen mit Grenzen von Ethnien und Nationen gleichgesetzt. Dies ist für weite Bereiche in Ostpreußen und Schlesien, aber auch in anderen östlichen Teilen falsch.
Wie sich das in Schleswig-Holstein verhält würde ich nun gerne erörtern.
Zwischen 800 und 1100 hatten wir folgendes Bild
Leider fehlen mir adäquate Karten für die Zwischenzeit. Um 1840 sah das Bild folgendermaßen aus
Auf den ersten Blick läßt sich fast tatsächlich auf einen deutschen Drang nach Norden schließen.
Die Eider bildete über Jahrhunderte hinweg die Grenzlinie zwischen Dänemark und dem Reich.
1326 ließen sich die Schauenburger mit dem schleswiger Herzogtum belehnen. Sie waren bereits seit dem 12. Jahrhundert mit Holstein belehnt worden, besaßen also nun dänische, wie auch Reichslehen. Holsteinische Adlige begannen nun verstärkt Besitz in Schleswig zu erwerben und begannen hier mit der Kolonisation. Mit dem Aufstieg der Hanse und ihrer Etablierung in den Städten Schleswigs und Holsteins verbreitete sich hier das Mittelniederdeutsche als Handels- und Umgangssprache, in Holstein kam dazu noch intensivere Kolonisation durch Siedler aus dem südelbischen Raum. Hier setzte sich bereits seit dem 14. Jahrhundert Mittelniederdeutsch als Umgangssprache durch.
Im Allgemeinen muß man sagen, daß die Sprache nirgendwo trennend war. Im Gegenteil, vielfach benutzte man in Schleswig das Sönderjysk als Umgangssprache, sowohl von Dänen als auch von Deutschen. Vor allem auf dem Lande und im schleswiger Geestbereich hielt sich dieser Dialekt lange. In der Neuzeit sprach man hingegen nur in wenigen Städten Hochdänisch und dann zumeist nur als Kirchenspache. In den meisten Städten hingegen benutzte man Nieder- oder auch Hochdeutsch, wobei Niederdeutsch idR Umgangssprache war. Die Grenze zwischen dänischen und deutschen Dialekten verschob sich dabei zunehmend nach Norden, so daß in Schwansen bereits im 17. Jahrhundert und auch in Angeln in der Mitte des 19. Jahrhunderts, das Sönderjysk zurückgedrängt wurde.
Einen bedeutsamen Schwung bekam das Deutsche mit der vom dänischen König eingeführten Schulpflicht für Schleswig-Holstein im Jahre 1814. Nun galt vermehrt, was überall im niederdeutschen Bereich so eintrat, Dialekt wurde nun soziale Identifikation. Wer Hochdeutsch sprach, war kein Bauer. In Schleswig hieß das "He is en Bur, he snackt Densch". Anders also als die Überschrift es suggerieren sollte, handelte es sich weitaus weniger um einen Germanisierungsprozeß, sondern um eine natürliche Genese.
Problematisch wurde die Situation mit dem Erwachen des Nationalismus in Dänemark und Deutschland. Bereits im Mai 1820 wurde Hochdänisch zur Amtssprache in Nordschleswig erklärt. Im Zuge der Revolution von 1848 sollte Schleswig nun fester Teil Dänemarks werden. Dies führte zu erheblichen Widerstand in Schleswig-Holstein und letztlich zum Krieg. Dabei war die Stimmung nicht ursprünglich ein Gegensatz von Dänisch-Deutsch, sondern Schleswig-Holsteinisch-Dänisch, wandelte sich dann aber rasch.
Nach 1848 setzte Dänemark dann auf einen Danisierungsprozeß und führte Sprachreskripte für Mittelschleswig ein. Mit der Novemberverfassung verstieß dann Dänemark gegen das Londoner Protokoll, was dann zum Deutsch-Dänischen Krieg führte. Interessant ist in diesem Zusammenhang, daß Bismarck ernsthaft mit der dänischen Regierung über eine Lösung des nunmehr Nationalitätenkonflikts verhandelte. Letztlich überzogen die Dänen aber dann in den Verhandlungen mit Forderungen nach einer weit südlich laufenden Grenze und dadurch, daß sie keine Garantien für den Schutz der deutschen Minderheit abgeben wollten. Bismarck selbst sah sich ebenfalls Gegner eines Ausgleichs gegenüber, besonders im nationalliberalen Lager. So versandeten 1867/8 diese Verhandlungen, bis sie dann nach dem 1. Weltkrieg weitgehend endgültig geregelt wurden.
Es zeigt sich also, daß die Geschichte der Sprachverteilung in Schleswig-Holstein wenig mit Zwangspolitik zu tun hatte, schon gar nicht von deutscher Seite, sondern ein weitgehend friedlicher und sozialer Prozess war. Schleswiger verstanden sich dabei in erster Linie als Schleswiger, unabhängig von der Sprache die sie im Alltag gebrauchten.
Zuletzt bearbeitet: