Was hat man unter einer ,,Adresse an den König'' zu verstehen?

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Sid Ocean

Gast
Hallo meine lieben Geschichtler,

ich bin am bearbeiten einer Quelle, es handelt sich hierbei um eine Rede aus einem stenographischem bericht vom 4. Juni 1862. Der Abgeordnete Dr. Twelde, spricht sich für eine adresse an den König aus. dazu sei zu sagen dass twelde der deutschen fortschrittspartei angehört.
Was genau hab ich unter einer adresse zu verstehen, und warum wird von einem ,,vertrauens-votum'' gesprochen?

besten dank

Sid
 
Du wirst dir vermutlich aus dem Kontext schon die richtige Antwort selbst gegeben haben: Eine Adresse ist eine Frage, Aufforderung o.ä. die von Seiten eines Parlamentariers, einer Fraktion oder des gesamten Parlaments an den König offiziell gestellt wird.
 
danke für die schnelle antwort, ich habe ,,adresse'' ja auch gegooglet, konnte mir trotzdem nicht genau vorstellen was genau in dieser adresse gestanden haben könnte, aber klar wenn ihr die quelle nicht kennt wisst ihr dass natürlich auch nicht ;)

trotzdem danke, ich finde das forum super!
 
Wir wissen ja nicht, ob diese Adresse jemals fertig gestellt und dem König überreicht worden ist. Kannst du vielleicht mal den Text der Rede Tweldes einstellen?
 
1862 könnte es schon mit dem Konflikt um die Heeresreform angefangen haben oder?


Der*Herr Referent hat das Wort.
Berichterstatter Abgeordneter Twesten: Meine Herren! Ihrer Kommission war ein bestimmter Entwurf einer Adresse überwiesen worden; zugleich aber war*die*Frage frei geblieben, ob eine Adresse erlasse» werden sollte oder nicht. Diese Frage ist daher auch in Ihrer Kommission ausführlich erörtert worden, und ich werde mir also erlauben, Ihm«*die*Gründe zu entwickeln, aus denen Ihre Kommission sich mit einer sehr großen Majorität dafür entschieden hat, daß eine Adresse an Sc. Majestät gerichtet werde.
Wir sind unter ungewöhnlichen Umstände» zusammengetreten, — man kann wohl sagen, unter Umstände»,*die*fast unerhört sind inder*Geschichte konstiiutioneller Staaten.
Die*Auflösung*des*vorigen Hauses vollzog ein Ministerium, von welchem es seit längerer Zeit ein öffentliches*Geheimniß*war, daß es in sich unhaltbar geworden wegen*des*inneren Widerspruches,*der*zwischen seinen Mitgliedern stattfand. Nur einer*der*abgetretenen Minister, Herr o.*Bethmann-Hollweg,*weigerte sich, unter diesen Umständen,*die Verantwortlichkeit*für den Akt*der*Auflösung zu übernehmen.*Die*anderen abgetretenen Minister versicherten in dem Augenblicke*der*Auflösung, daß sie*die*Achtung all«Wohldenkenden*besäßen; — sie wendete» sich an das Ver« trauen*des*Landes. Gleich darauf nahmen ihre Nachfolger das Vertrauendes*Landes in Anspruch unter einer ganz anderen*Fahne.*Jene hatten vorangestellt de» organischen Ausbau*der*Verfassung und dessen, was zu*der*endlichen vollständigen Durchführung eines freieren Staatslebens*noth»*wendig sei; — Diese stellten voran,*dieVerteidigung*des*Königthums. Nach*der*Auflösung*des*Hauses ergoß sich eine Fluth von Vorwürfen und Schmähungen*über*das aufgelöste Hau« und*die*Mehrheit desselben. Nun, wir,*die*wir diese Mehrheit ausmachte», wir wendeten uns auch an das Vertrauen —nicht*der*Wohldeutenden, — das ist eine Unterscheidung,*die*wir nicht anerkennen.
(Bravo! links).
Ich meine, daß auch Herr Graf v. Schwerin und Herr v. Patow nicht wohl gethan haben, diese Unterschei» düng aufzustellen; sie haben einst selbst zu denen gehört, welche als Nicht-Wohldenkende qualifizirt wurden —
(Lebhaftes Bravo! links.) lange Zeit wenigstens.
Wir, meine Herren! sehe» voraus, daß alle Parteien wohldenkend sind, es wohlmeinen mit*der*Größe und dem Gedeihen*desVaterlandes, und wenn wir verschiedene Wege für nothwenbig halten in dieser Beziehung, so schließt das nicht aus, daß wir es alle wohlmeineu mit dem Vaterland«.
Wir wendeten uns also an das Vertrauen*des*Landes, wir sagten ihm, was wir gethan, und was wir gewollt ha» ben; wir sagten ihm, daß wir, glaubten unsere Pflicht er» süllt zu haben, und darauf hat das Land ein vernehmliches Ja gesprochen. Wir,*die*wir*der*Majorität angehörten, sind wiedergewählt worden auf*die*Appellation, welche fragte, ob*die*Majorität*des*Hauses*die*Majorität*des*Landes wirklich vertrete. Von*der*Partei, welcher ich*die*Ehre habe anzugehören, ist kein Einziger,*der*nicht wieder auf seinem Platze in diesem Hause sitzt.
Dagegen hat sich nicht ein einziger Wahlkreis gefunden,*der*einen*der*gegenwärtigen Herren Minister zum Abgeordneten wählte, und von denjenigen,*die*als ihre Anhänger und ausdrüchlich zu ihrer Unterstützung gewählt worden
sind, glaube ich, nicht mehr als zwölf in diesem Hause. Diese Beantwortung*der*Appellation ist gewiß eine unzweideutige, und unter diesen Umständen scheint es mir völlig unmöglich, daß wir stumm an*die*Geschäfte gehen sollten, als wäre nichts im Lande vorgefallen.
Es sähe in*der*That fast wie eine affektirte Gleichgültigkeit aus gegen das, was um uns her vorgegangen, und als wollten wir uns dem ^erschließen, was in Jedermanns Munde ist. Ich glaube, gegen alle*die*Angriffe,*die*von den Organen*der*Regierung und von*derreaktionären Partei gegen*die*Mehrheit*des*aufgelösten Abgeordnetenhauses ausgegangen sind, ist es durchaus nothw>mdig, daß wir ein Wort sprechen, und daß wir dieses Wort sprechen auf eine feierliche förmliche Weise.
Ihre Kommission ist*der*Meinung gewesen, daß wir es sowohl Sr. Majestät dem Könige, als dem Volke, welche« uns hierher gesandt hat, schuldig sind,*die*Wahrheit auszusprechen,*die*Wahrheit, daß wir*die*Angriffe,*die*gegen das Haus gerichtet worden sind, für unbegründet halten, für solche,*die der*Lage*der*Dinge in keiner Weise entsprechen. Es ward überall gerufen ,,nieder mit den Demokraten", und für einen Demokraten wurde nach*der*bekannten Taktik,*die*wir lauge Jahre hindurch als*die*geltende im Lande gesehen habe», Jedermann erklärt,*der*auf irgend eine Weise einer mißliebigen, einer oppositionellen Richtung verdächtig galt; unter Demokraten verstand man Feinde*des*Königthums, Feinde*des*Vaterlandes, Feinde*der*staatlichen Ordnung. Hier ist es ja noch üblich, daß selbst eine Opposition,*die*völlig und streng auf verfassungsmäßigem Boden steht, in solcher Weise behandelt wird. Von Auswärtigen hören wir oft einige Verwunderung darüber aussprechen, namentlich von Engländern — wenn man privatim mit ihnen zusammen ist, oder auch in öffentlichen Aeußerungen — daß in Preußen*die*Negieruug eine parlamentarische Opposition mit so ungewöhnlicher UnHöflichkeit behandle. Hier in Preußen ist*der*Ruf*des*Abgeordneten noch vogclfrei; aber wenn nun eine parlamentarische Opposition so unrichtig dargestellt und behandelt wird, dann, glaube ich, haben wir alle Veranlassung, uns an Se. Majestät den König zu wenden, uus vor Sr. Majestät dem Könige selbst zu ver» theidigen gegen ungerechtfertigte*Angriffe,*ein Zeugniß abzulegen für uns sowohl, wie für*die*große Mehrheit*des*Preußischen Volkes, für dessen Patriotismus, für dessen Königstreuc, für dessen monarchischen Sinn.
Das ist*die*Haupttrwäguug gewesen, warum wir glaubten, daß es unbedingt nothwendig sei, eine Adresse an Ee. Majestät den König zu richten. Dazu kommt, daß wir in dieser Session kaum Gelegenheit haben werden, bei Anträgen oder Gesetz-Entwürfen von tiefeingreifender*Bedeutung unsere Ueberzeugung hinsichtlich*der*politischen Bedürfnisse und Verhältnisse*des*Landes*darzulegen,*und um so mehr, meine ich, dürfen wir nicht*die*einzige*Gelegenheit*vorübergehen lassen, welche es uns möglich macht,*über die*allgemeinen Verhältnisse*des*Landes ein Wort zu sprechen.
Neben diesen inneren Gründen kommen vielleicht auch noch adminiculirend einige äußere Erwägungen in Betracht; es haben sich gewichtige Stimmen, und sehr viele Stimmen, von allen Seiten*des*Landes her vernehmen lassen,*die*es un« zur Pflicht machen, unseren Wählern dadurch zu genügen, daß wir unsere und ihre Ueberzeugung aussprechen.
Auch im Auslande hört man von allen Seiten sagen, es sei nicht möglich, daß unter solchen Umständen geschwiegen werde und wir, deren Macht zum größten Theil als eine rein moralische auf*der*öffentlichen*Meinung*beruht, wir, meine ich, dürfen uns zwar nicht*durch die*öffentliche Meinung außerhalb*des*Hauses bestimmen lasse», aber einiges Gewicht wird sie doch auch haben. Wenn aus einem anderen Lager*der*Ruf ertönt, dasjenige, was wir etwa in einer Adresse*aussprechen*tonnten, sei ein Eingriff in*die*Rechte Sr. Majestätdes*Königs, es sei unzulässig — eine*demokratische Unverschämtheit, dünkt mich, ist es genannt worden — wenn wir uus erlaubten, ausdrücklich oder indirekt eine Kritik auszusprechen*über die*Räche Sr. Majestät*des Königs,*irgendwie ein Mißtrauens-Votum auszusprechen gegen*die*Negierung. Ich meine, an solche Dinge brauchen wir uns gerade nicht viel zu kehren, wir brauchen nicht zurückhaltender zu sein, als Herr v. Patow,*der*noch am Schlüsse*der*vorigen Session ganz ausdrücklich darauf*hinwies, daß ein Mißtrauens-Votum gegen*die*Regierung*die*Schuhwehr*des*Hauses gegen ministerielle Uebergriffe sei.

Im März dieses Jahres hat auch in dem kaiserl. Frankreich Graf Morny sichüber*eine Adresse*ausgesprochen.
„In dem Zugeständniß einer Adresse wollte*der*Kaiser*die*Vertreter*des*Volkes*über ihreMeinung befragen,*über*den Gang*der*Geschäfte,*über die*Haltung seiner Regierung. Diese Meinung muß vor allen Dingen ehrlich sein, sie muß auch mit Würde formulirt sein als*die*Sprache eines großen politischen Körpers." Nun, ich denke, wir*sagen*auch unsere*Meinung über*den Gang*der*Geschäfte und*über die*Haltungder*Regierung mit Mäßigung, aber als ehrliche Männer.
(Bravo!)
Gewichtigere*Gründe gegen*die*Adresse wurden geltend gemacht in*der*Kommission selbst; es wurde gemeint, eine solche Adresse, welche sich hauptsächlich*über die*Haltung*der*Königlichen Staats-Regierung bei den letzten Wahlen verbreite, sei nutzlos und sei gefährlich; sie könne erbittern, sie könne Zerwürfnisse erregen, sie könne Anlaß oder wenigstens Vorwand*zu*neuen Konflikten abgeben. Ich glaube, meine Herren,*die Befürchtung*ist unbegründet.*Die*Sprache, wie sie in*der*Adresse, welche Ihre Kommission Ihnen vorschlägt, geführt ist, wie sie immer geführt werden wird in einer Adresse dieses Hauses, wird nicht*der*Art sein, daß sie reizen und erbittern könnte. Einen Erfolg freilich können wir nicht garantiren,*der*steht nicht in unserer Macht, am wenigsten einen augenblicklichen, aber ich glaube, diese Erwägung darf uns nicht abhalten, zu thun, was wir als unsere Schuldigkeit erkeunen müssen: I'»!» ee <zue äm8 — »rrive c^ue vouckra!
(Bravo!)
Was daraus erfolgt, ist nicht unfere Sache, wir haben unsere Ueberzeugung auszusprechen, wir müssen das thun. Aus diesen Erwägungen ergiebt sich auch*der*Charakter*der*Adresse, und*der Charakter der*Adresse ist allerdings auch entscheidend gewesen fürdie*Beantwortung*der*Frage, ob überhaupt eine Adresse zu erlassen sei.*Der*Charakter derselben hat dazu geführt, daß Ihre Kommission einen anderen Entwurf ausgearbeitet hat als denjenigen,*der*ihr überwiesen war. Ich glaube nun, nachdem beschlossen ist, daß zunächst*über*das „Ob" einer Adresse Beschluß gefaßt werden soll, daß ich mich nicht darauf einlassen darf, den Charakter*der*einen oder*der*anderen Adresse einander gegenüberzustellen. Ich glaube mich beschränken zu müssen auf diefe allgemeinen Erwägungen für eine Adresse.
Ich bitte Sie demnach, das Haus wolle beschließen, eine Adresse an Seine Majestät den König zu richten.
 
Interessante Aufgabe. Was eine Adresse ist, hat Dir mein Mitdiskutant ElQ schon beantwortet.

Gemäß Artikel 81 der preußischen Verfassung konnte jede der beiden Kammern eine Adresse an den König richten.

Vergl.:

Verfassungsurkunde für den Preußischen Staat (1850)

Um die Rede Tweldes historisch einordnen zu können, benötigst Du das Abstimmungsergebnis (2. Kammer, Abgeordnetenhaus) und den Text der Adresse. Quellentechnisch solltest Du den Text der Adresse in zeitlicher Nähe zum Juni 1862 finden. Da Twelde in seiner Rede stark, letzter Teil der Rede, auf das "ob" abstellt und den Inhalt der Adresse eher distanziert behandelt, wären natürlich die Protokolle der Kommission die den Text entwarf von Interesse. Da würde ich "bohren", denn offensichtlich ist der gute Abgeordnete T. zufrieden, daß überhaupt über die Adresse abgestimmt wird. Damit rückt die Anwort auf die Adresse in den Blickpunkt.

So würde ich vorgehen, was natürlich nichts heißen muß.


M.
 
Ja interessant ist sie alle mal, aber auch ein wenig ansträngend, aber das ist ja relativ :)

Danke für den Tip!
 
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