Metternichs Einfluss?

urodynamik

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Warum hatte Metternich einen so großen Einfluss auf die Neuordnung Europas durch den Wiener Kongress und dann später im Deutschen Bund?

Ich kanns mir nicht erklären. Vielleicht könnt ihr ja helfen
 
Warum hatte Metternich einen so großen Einfluss auf die Neuordnung Europas durch den Wiener Kongress und dann später im Deutschen Bund?

Ich kanns mir nicht erklären. Vielleicht könnt ihr ja helfen

Ein interessantes Thema!

Zunächst sollte man die Entwicklung der Deutschen betrachten. Als Uraltaristokrat genoss er eine gute Ausbildung, ehe er nach Österreich ging und sich seine Sporen als Botschafter in Dresden, vor allem aber in Paris verdiente, ehe er das Außenamt übernahm.

Als Diplomat, als Politiker kann man ihn durchaus als gelehrigen Schüler Machiavellis werten, man bedenke nur, wie er Marie Louise den Interessen Österreichs unterworfen, dann wieder abgeschoben hat.

Verdienstvoll war seine Diplomatie, Österreich in den Kreis der Großmächte zurückzuführen: Er trat erst der Koalition bei, nachdem er durch zahlreiche Verhandlungen mit Bonaparte Zeit gerafft hatte, Österreichs Rüstungen soweit fortschreiten zu lassen, dass Österreich als gleichberechtigter Partner in die Koalition eintreten konnte, Schwarzenberg sogar Oberbefehlshaber der vereinten Streitkräfte wurde.

Nach Leipzig wurde er Fürst, sein Name als großer Diplomat wurde unstrittig.

Hinzu kam, dass Metternich das unbedingte Vertrauen Kaiser Franz genoss, Fürst Clemens damit defacto die österreichische Politik vertrat und auch kaum Rücksicht auf die öffentliche Meinung (seines Landes) nehmen musste wie z. B. Lord Castlereagh.

Der Wiener Kongress war für ihn ein Heimspiel. Er war Leiter des Kongresses, konnte also die Verhandlungen relativ nach Belieben seinen Interessen unterwerfen, sprich in die Länge ziehen.
Metternich war nicht daran interessiert, dass Preußen bedeutender als Österreich wurde, fürchtete eine neue Übermacht Rußlands aus dem Osten. Das brachte ihn fast zwingend mit Castelereagh und Talleyrand zusammen. Castlereagh vertrat die Politik der "balance of power", vereinfacht gesprochen, ein System, dass die kontinentalen Großmächte durch kleinere Staaten trennte. Talleyrand wollte auch ein Gleichgewicht, aber auch kein starkes Preußen, weil er fürchtete, dass ein großes Preußen sich schnell vergrößerte.

Kein Wunder daher, dass ein sehr lockerer deutscher Bund herauskam, der Österreich den Vorsitz sicherte.
Nicht vergessen werden sollte auch, dass der Wiener Kongress in der Summe Restauration bedeutete, was sich auch in der Heiligen Allianz niederschlug.

Mein Beitrag ist sicher nicht erschöpfend, bietet aber hoffentlich Stoff für eine fruchtbare Diskussion.

Grüße
excideuil
 
Dem vorigen Beitrag kann ich nur zustimmen.

Was seine Rolle in der Geschichte angeht: Er war zweifellos die treibende Kraft bei dem Versuch, nach 1815 liberale und später demokratische Strömungen zu bekämpfen. Und zumindest zwischen 1815 und 1819 scheint er nicht zu den ultrarekationären Kräften in der europäischen Politik gehört zu haben.

Seine Außenpolitik orientierte sich an dem Ziel, Österreich als europäische Großmacht zu erhalten. Im Deutschen Bund sollte Habsburg eine Vorreiterrolle spielen; Preußen galt ihm eher als Juniorpartner.

Immerhin sorgte die von ihm maßgeblich beeinflusste Nachkriegsordnung in Europa dafür, dass es eine lange Friedensperiode auf dem Kontinent gab. Im Vergleich zum 18. Jahrhundert war das ein Novum.

Außerdem: Wollten viele Deutsche denn 1815 ein deutsches Kaiserreich? Sind die studentischen Freiwilligen oder die Burschenschafter repräsentativ für die Bevölkerung?
 
Ich glaube, dass man die Frage nach dem Willen der Deutschen ein deutsches Kaiserreich zu erhalten auch 1815 bereits auf zweierlei Seiten betrachten muss.
Auf der einen Seite ist es natürlich ganz klar, dass für viele die Bildung einer Art Demokratie im Vordergrund stand. Man hatte sich lange genug mit der königlichen Oberschicht abgegeben und spätestens nach den von Napoleon eingeführten neuen Rechten in vielen Bereich des Reichs Deutscher Nationen, wollte eine breite Masse diese Rechte auch behalten.

Was die Geschichte jedoch vor allem in Bezug auf die Kaiserzeit ab 1871 gezeigt hat ist, dass die Leute auch einen Repräsentanten, ja besser noch einen Vorsteher wollten, der ihren Nationalstolz wiederspiegelt und zu dem man sagen konnte: "Das ist mein...".

Das es zu dieser Zeit noch kein "Deutsches Reich" gab, dass hat die Sache mit Sicherheit etwas erschwert, denn man hatte eben nur seinen Fürsten, König, etc. doch glaube ich trotzdem daran, dass viele nicht vom einen auf den anderen Tag ein neues politisches System wollten, sondern vielmehr ein Mitspracherecht im politischen Geschehen.

Die Rolle der Burschenschaften sehe ich dabei vor allem in der Verbreitung des Gedankens, dass die Bevölkerung selbst einmal Anteil haben soll, am politischen Geschehen. Auch sie wollten die maroden Herrschaftsbereiche aufbrechen und verhindern, dass sowohl Österreich, als auch das Reich Deutscher Nationen, wieder vollkommen zurückkehrt zur alten Herrschaftsordnung.
Das diese Gruppierungen von der Oberschicht als potenzielle Bedrohung wahrgenommen wurde, erkennt man beispielsweise an den Karlsbader Beschlüssen, die die Rechte jedes Einzelnen und vor allem der Burschenschaften deutlich einschränkten.

Was mich nur mal interessieren würde, wäre eine Antwort auf die Frage, ob man die Burschenschaften als Vorreiter des Systems sehen kann, welches 1848 kurzzeitig entstanden ist und anschließend wieder zerschlagen wurde.
 
Ich glaube, dass man die Frage nach dem Willen der Deutschen ein deutsches Kaiserreich zu erhalten auch 1815 bereits auf zweierlei Seiten betrachten muss.
Auf der einen Seite ist es natürlich ganz klar, dass für viele die Bildung einer Art Demokratie im Vordergrund stand. Man hatte sich lange genug mit der königlichen Oberschicht abgegeben und spätestens nach den von Napoleon eingeführten neuen Rechten in vielen Bereich des Reichs Deutscher Nationen, wollte eine breite Masse diese Rechte auch behalten.

Was die Geschichte jedoch vor allem in Bezug auf die Kaiserzeit ab 1871 gezeigt hat ist, dass die Leute auch einen Repräsentanten, ja besser noch einen Vorsteher wollten, der ihren Nationalstolz wiederspiegelt und zu dem man sagen konnte: "Das ist mein...".

Das es zu dieser Zeit noch kein "Deutsches Reich" gab, dass hat die Sache mit Sicherheit etwas erschwert, denn man hatte eben nur seinen Fürsten, König, etc. doch glaube ich trotzdem daran, dass viele nicht vom einen auf den anderen Tag ein neues politisches System wollten, sondern vielmehr ein Mitspracherecht im politischen Geschehen.

Die Rolle der Burschenschaften sehe ich dabei vor allem in der Verbreitung des Gedankens, dass die Bevölkerung selbst einmal Anteil haben soll, am politischen Geschehen. Auch sie wollten die maroden Herrschaftsbereiche aufbrechen und verhindern, dass sowohl Österreich, als auch das Reich Deutscher Nationen, wieder vollkommen zurückkehrt zur alten Herrschaftsordnung.
Das diese Gruppierungen von der Oberschicht als potenzielle Bedrohung wahrgenommen wurde, erkennt man beispielsweise an den Karlsbader Beschlüssen, die die Rechte jedes Einzelnen und vor allem der Burschenschaften deutlich einschränkten.

Was mich nur mal interessieren würde, wäre eine Antwort auf die Frage, ob man die Burschenschaften als Vorreiter des Systems sehen kann, welches 1848 kurzzeitig entstanden ist und anschließend wieder zerschlagen wurde.

Was 1815 betrifft, bin ich sehr skeptisch, was eine deutsche Einheit betrifft. Sicherlich gab es den Enthusiasmus der Befreiungskriege, dennoch stellte E.M. Arndt schon im Herbst 1814 fest, "dass wir in Deutschland noch nirgends ein festes politisches Ziel haben". Und G.A. Rein schreibt: "dass (die Freiwilligen des Kampfes gegen Napoleon) aus dem Felde mit der deutschen Freiheit zugleich auch irgendwie die deutsche politische Einheit nach Hause bringen würden." irgendwie ... Sie suchten einen deutschen Staat und fanden ihn im Gefühl, "freilich nur im Gefühl". In der Realität waren die Weichen für das künftige Deutschland längst gestellt. (siehe Ergebnisse des Wiener Kongresses, bei dem das "Gefühl" eben keine Rolle spielte.) Mit der Unterzeichnung der Bundesakte wurde, wie H. von Treitschke später schrieb, "die Leiche der Deutschen Einheit mit allen diplomatischen Ehren feierlich" verscharrt.

"Es waren vor allem die deutschen Burschenschaften, die weiterhin von Deutschlands Macht und Herrlichkeit in Einheit und Freiheit träumten. Die studentische Jugend, aus Freikorps und freiwilligen Jägern in die Hörsäle zurückgekehrt, "sah sich durch die politische Entwicklung grenzenlos enttäuscht" (Th. Schieder). Dieses Grunderlebnis der Desillusionierung mündete in politisierende Aktionen, die das Mißtrauen und bald auch Gegenmaßnahmen der Behörden provozierten."

Die Bewegung radikalisierte sich: "Die Veranstaltung (Wartburgfest) wäre, berichtet Hans Blum, Sohn des 48er Revolutionärs Robert Blum, "ohne jeden Mißklang und in würdigster Mäßigung" verlaufen, wäre da nicht jenes "fratzenhafte unheilvolle Nachspiel" der Verbrennung "undeutscher" Schriften gewesen, das beträchtliches Aufsehen erregte und eine Radikalisierung verriet, die in der Folgezeit auch vor Gewalttaten nicht zurückschreckte." (Ermordung von Kotzebue, Anschlag auf Staatsrat von Ibell)
Wasser auf den Mühlen des Fürsten Metternich, der von nationalen Bewegungen nichts hielt, da sie am meisten seinen habsburgischen Vielvölkerstaat gefährdeten und dank dem "Beispiele wie der vortreffliche Sand es mir auf Kosten des armen Kotzebue lieferte" versuchte er mit den Karlsbader Beschlüssen, dies Bewegungen auszurotten.
"Diese Beschlüsse wurden "überall mit einer Pünktlichkeit vollzogen, wie seit unvordenklichen Zeiten kein Reichs- oder Bundesgesetz", (Treitschke) der Deutsche Bund damit endgültig zu einem Instrument der Unterdrückung der liberalen und nationalen Bewegung . Deutschland versank in der "Grabesruhe des reaktionären Jahrzehnts von 1820-1830." (H. Blum)

Grüße
excideuil

Quelle: Wünschel, Hans-Jürgen: Das Hambacher Fest am 27. Mai 1832 – Politisches Wetterleuchten im Vormärz, in damals 5/1982 Seiten 395 - 406
 
Metternich war die Personifizierung des alten, konservativen Europas vor 1789, dem Dinge wie Revolution, Liberalismus und Nationalstaaten ein Gräuel waren. Er wollte ein Europa der Dynastien und erhielt es auch - vorläufig. Mit seiner Haltung traf er den Nerv der revolutions - und kriegsgeschüttelten Grossmächte, die der Ansicht waren, dass bereits die kleinsten Zugeständnisse an das Volk in weiterer Folge zwangsläufig tumultartige Verhältnisse und somit geradezu eine Einladung für Usurpatoren wie Napoleon darstellten - und eine Wiederholung dieses Szenarios wollte man unter allen Umständen verhindern.
 
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