Warum kleindeutsche Lösung?

Femme Fatale

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Guten Abend, liebe Geschichtsfans!

Bei der Vorbereitung zu meiner nächsten G-Klausur(LK) bin ich auf ein kleines Problemchen gestoßen, das mir schon seit Freitag keine Ruhe gibt. Und zwar, in meinem Buch steht, dass die Gegenrevolution in Wien die Abgeordneten der Paulskirche unter Druck gesetzt hat, sodass sie sich für die kleindeutsche Lösung entschieden haben, obwohl man varher die großdeutsche Lösung favorisiert hatte. Und das ist meine Frage, wenn der Schwarzenberg von der Paulskirche ultimativ gefordert hat, dass der gesamte österreichische Staat zu Deutschland gehören müsste, und die Abgeordneten selbst dies als bessere Lösung gesehen haben, was war der Grund für Umentscheidung.

Buh, entweder hab ich einen Verständnisfehler in meinem Kopf, oder es gibt noch ein paar Details, die die Situation für mich klären könnten.

LG, Femme Fatale
 
hallo, also die Abgeordenten der Paulskirche sahen in der Großdeutschen Lösung nur eine Angliederung Preußens und der deutschsprachigen Gebiete (z.T. auch Böhmen) der österreichischen Monarchie zu den Staaten des Deutschen Bundes vor, die restlichen Staaten sollten in einer Personalunion mit dem Deutschen Reich stehen, was eine Teilung des Habsburger Reiches zur Folge gehabt hätte, das wollte Österreich natürlich nicht.
Im Herbst hatten die Gegenrevolutionäre dann in Wien gegen die Auständichen gesiegt, daraufhin erteilte Schwarzenberg dem Frankfurter Verfassungsentwurf eine Absage und zog die österreichischen Abgeordneten im November 1948 ab.
Kaiser Franz Ferdinand I. musste abdanken und sein Enkel, Franz Joseph I., bestieg im Dezember den Thron. Der österreichische Reichstag wurde im März aufgelöst und eine Verfassung von oben verkündet, die dei Unteilbarkeit der Habsburger Monarchie festschrieb. Deshalb ließen die Abgeordnten der Frankfurter Paulskirche die Großdeutsche Lösung fallen und nahmen mit knapper Mehrheit die kleindeutsche an, die dann aber auch gescheitert ist.
Zumindest sind das die Eregnisse,die mir bekannt sind, die zum Scheitern der Großdeutschen Lösung beitrugen
 
Und zwar, in meinem Buch steht, dass die Gegenrevolution in Wien die Abgeordneten der Paulskirche unter Druck gesetzt hat, sodass sie sich für die kleindeutsche Lösung entschieden haben, obwohl man varher die großdeutsche Lösung favorisiert hatte. Und das ist meine Frage, wenn der Schwarzenberg von der Paulskirche ultimativ gefordert hat, dass der gesamte österreichische Staat zu Deutschland gehören müsste, und die Abgeordneten selbst dies als bessere Lösung gesehen haben, was war der Grund für Umentscheidung.

Buh, entweder hab ich einen Verständnisfehler in meinem Kopf, oder es gibt noch ein paar Details, die die Situation für mich klären könnten.

Du musst zwischen der kleindeutschen Lösung, der großdeutschen Lösung und Schwarzenbergs "noch größerer Lösung" unterscheiden. Wenn es in deinem Buch heißt, in der Paulskirche sei zuerst die großdeutsche Lösung bevorzugt worden, so bedeutet das: Ein Deutschland unter Einschluss der deutschen Teile des Habsburgerreiches bzw. der Teile, die schon in den Deutschen Bund einbezogen waren. Schwarzenberg dagegen forderte mehr: Ein Deutschland unter Einschluss des ganzen Habsburgerreiches, inklusive Ungarn, Lombardo-Venetien usw. Davon wollte man in der Paulskirche nichts wissen. Die Einbeziehung Österreichs war damit vom Tisch, sowohl in der ernsthaft diskutierten großdeutschen Variante als auch in der Schwarzenberg'schen Variante. Es blieb nur noch eine Lösung ohne Österreich: die kleindeutsche Lösung.
 
Wäre es zu einem großdeutschen Reich gekommen,wäre außerdem die Frage unbeantwortet gewesen,wer die Führungsrolle im Reich antritt (also dt. Kaiser wird).Schließlich stellten die Preussen und die Östereicher die beiden bedeutensten dt. Staaten da.Mit der kleindeutschen Lösung fiel die dann (automatisch) auf Preussen.
 
bei der großdeutschen Lösung meinte ich Deutschland + ganz Österreich + Ungarn. Die kleingroße deutsche Lösung wir auch in meinem Buch erwähnt, allerdings, glaube ich, dass diese sofort abgelehnt wurde, wahrscheinlich war es zu schwer die Grenzen irgendwo mitten im Land zu legen.

Jetzt habe ich noch ein paar Leute, die gut in Geschichte sind, gefragt und herausgefunden, dass die Nationalversammlung die kleindeutsche Lösung zum trotz gewählt hatte. Könnte sawas auch stimmen? Wenn nicht, warum?

LG Femme Fatale

P.S. Danke für die Antworten)
 
Du musst zwischen der kleindeutschen Lösung, der großdeutschen Lösung und Schwarzenbergs "noch größerer Lösung" unterscheiden...
... und dabei im Auge behalten, dass es der Frankfurter Nationalversammlung darauf ankam, an die Stelle des bisherigen, eher lockeren Staatenbundes "Deutscher Bund" eine "Volks- und Staatseinheit" zu schaffen, die zwar realistischerweise nicht als Einheitsstaat wie Frankreich, aber wenigstens als Bundesstaat wie die USA realisiert werden sollte.

bei der großdeutschen Lösung meinte ich Deutschland + ganz Österreich + Ungarn.
Das war die von Schwarzenberg verfochtene Idee des sog. "Siebzigmillionenreichs": 40 Millionen "Österreicher" und 30 Millionen Deutsche (siehe Huber, Deutsche Verfassungsgeschichte seit 1789, Bd. 2, S. 797 ff., 814 ff.). Im "Staatenhaus", einem mitentscheidenden Gremium der vorgeschlagenen Reichsverfassung, sollten entsprechend die "Österreicher" ca. 40 und die Deutschen ca. 30 Stimmen haben.

Das stieß außerhalb Wiens auf keine Gegenliebe, aus deutscher Sicht aus deswegen, weil von den "Österreichern" nicht einmal ein Viertel zum Deutschtum gehörte - dreiviertel waren eben Böhmen, Ungarn, Lombarden usw.

Der österreichische Reichstag wurde im März aufgelöst und eine Verfassung von oben verkündet, die dei Unteilbarkeit der Habsburger Monarchie festschrieb. Deshalb ließen die Abgeordnten der Frankfurter Paulskirche die Großdeutsche Lösung fallen und nahmen mit knapper Mehrheit die kleindeutsche an...
... und herausgefunden, dass die Nationalversammlung die kleindeutsche Lösung zum trotz gewählt hatte. Könnte sawas auch stimmen? Wenn nicht, warum?
Ob man das als "Trotzreaktion" bezeichnen kann? Wenn die groß-große und die groß-kleine Lösung ausschieden, blieb für diejenigen, die einen Nationalstaat wollten, nur noch die kleine Lösung übrig.

Wäre es zu einem großdeutschen Reich gekommen,wäre außerdem die Frage unbeantwortet gewesen,wer die Führungsrolle im Reich antritt (also dt. Kaiser wird).
Dieses Problem hätte sich möglicherweise sogar lösen lassen auf der Grundlage einer der sieben (!) Lösungen, welche von der Nationalversammlung diskutiert worden sind (Huber, S. 807 ff.). Friedrich Wilhelm IV. von Preußen jedenfalls war persönlich bereit, die Kaiserkrone dem jungen Franz Joseph zu überlassen; in einer Denkschrift vom 4.1.1849 notierte er: "Über dem Ganzen stände Römisch-Kaiserliche Majestät!" (S. 811). Da mochte ihm freilich seine eigene Regierung nicht folgen.

Übrigens: Wie schon 1812/15 Stein, so brachte auch 1848/49 Gagern den sog. "Doppelbund" ins Gespräch: ein (deutscher) Bundesstaat unter Führung Preußens, der wiederum einen Staatenbund mit der österreichischen Monarchie bildete. Das war nach Meinung Hubers (S. 804) durchaus kein grottenschlechter Gedanke: "Es war, wie im zeitlichen Abstand deutlich wird, ein erheblicher Umweg, daß der Doppelbund nicht 1849, sondern erst 1879 [in Gestalt des "Zweibundes"] zustande kam.
 
bei der großdeutschen Lösung meinte ich Deutschland + ganz Österreich + Ungarn.

Das ist aber die sogenannte großösterreichische Lösung, die großdeutsche umfasst nur die österreichischen Gebiete, die schon Teil des Deutschen Bundes waren.

Das stieß außerhalb Wiens auf keine Gegenliebe, aus deutscher Sicht aus deswegen, weil von den "Österreichern" nicht einmal ein Viertel zum Deutschtum gehörte - dreiviertel waren eben Böhmen, Ungarn, Lombarden usw.

Moment, Böhmen gehörte noch weitaus mehr als die polnischen Gebieten Preußens, die zum Teil nicht einmal innerhalb des alten Deutschen Bundes waren, aber in das neue Reich integriert wurden, zu den Deutschen Lande.
Das Problem der großösterreichischen Lösung war weniger ihre Ausdehnung als die durch sie bewirkte starke und dauerhafte Dominanz Österreichs im neuen Reich.
 
Großdeutsche Lösung

Hallo...
kann mir bitte jemand mal in eigenen Worten, kurz&einfach die "großdeutsche Lösung" erklären. Ohne irgendwelche Links aus dem Internet. Einfach und knapp gefasst. Eine Definition...;D
Wäre nett, Danke
 
Die offizielle Begründung Preussens für die Abkehr von der "grossdeutschen" Lösung waren die vielen fremdsprachlichen Besitzungen Österreichs bzw. die geringe Abgrenzung zwischen Österreich als Teil des HRR bzw. Terretorien, die halt einfach private Spielplätze der Habsburger waren.
Aber dennoch hätte sich dafür eine Lösung finden lassen.
Warum hat Preussen dann eines Teilbeitritts von "deutsch-Österreich" nicht zugestimmt?
Preussen hatte selbst viele fremdsprachliche Gebiete hinzugewonnen:
wer im Glashaus sitzt, naja............
 
Gibt es denn Zeugnisse dafür, daß das Kaisertum Österreich einem Deutschen Kaiserreich unter der Herrschaft Preußens beitreten wollte?
Ich glaube, danach wirst du vergeblich suchen.
 
Zuletzt bearbeitet:
Hier geht etwas deutlich durcheinander: Der gescheiterte demokratische Reichsgründungsversuch von 1848 und die tatsächliche Reichsgründung von 1871.
 
Ich denke, bei den Fragen stand die Situation rund um 1848 / 1849 im Vordergrund.
Und manchmal freue ich mich auch, dass die damaligen Parlamentarier zum Beispiel diese Debatte 163 Jahre später nicht mehr verfolgen müssen.

Für mich stellt sich das so dar: Im Kontext europaweiter Revolutionen neigten die idealistischeren Teile dazu, möglichst viele Bestandteile Europas in den Geltungsbereich der Verfassung aufzunehmen, auch um dort die revolutionären Situationen zu beflügeln.
Den Pragmatikern und Realisten war dagegen klar, dass vor dem Hintergrund der geltenden Machtverhältnisse keineswegs alle dazu notwendigen Verhandlungspartner an einen Tisch zu bringen waren.
Aus diesem Konflikt speisen sich - zumindest rhetorisch - die Debatten in der Paulskirche.
 
Die Großösterreichische Lösung ganzes Habsburgerreich+deutsche Fürstentümer war auch im Gespräch.

Am Ende sehe ich doch mehr Wille von Seite Preußens für eine Lösung als von Seiten der Habsburger.
 
Die Abgeordneten der Paulskirche wollten in ihrer großer Mehrheit den ersehnten deutschen Nationalstaat schaffen. Dabei erwies sich die künftige Stellung Österreichs in einem geeinten Deutschland als problematisch. Große Teile der Habsburger Monarchie gehörten nicht zum Deutschen Bund, sodass der Vielvölkerstaat hätte aufgelöst werden müssen. Andererseits war es schwer vorstellbar, Italiener, Kroaten, Ungarn und Tschechen in einen deutschen Nationalstaat einzubeziehen. Es gab daher heftige Diskussionen zwischen Befürwortern eines großdeutschen Reichs unter Einschluss Deutsch-Österreichs und eines kleindeutschen unter Führung Preußens.

Nach dem Sieg der Gegenrevolution in Wien verlor die großdeutsche Idee an Ausstrahlung, zumal Österreich an einem ungeteilten Vielvölkerstaat festhielt. Als einzig mögliche Alternative schien den meisten Parlamentariern somit nur noch die Zusammenarbeit mit Preußen zu bleiben.

Interessant ist, was zu diesem Thema in einem Bericht des Verfassungsausschusses der Frankfurter Nationalversammlung vom Oktober 1848 steht, der eine kleindeutsche Lösung begründet:

Die Erfahrungen während des Bestehens des Deutschen Bundes und die Erwägung des Zwecks eines Bundesstaats lassen keinen Zweifel, dass jede Teilnahme eines Staats, der zugleich Bundesstaat ist und zugleich nichtdeutsche Länder beherrscht, mannigfaltige Störungen herbeiführen und hindernd der Erreichung der Bundeszwecke entgegentreten kann.

Unvermeidlich kann ein solcher Staat wegen seiner außerdeutschen Besitzungen in Kriege verwickelt werden, welche Feindschaften mit anderen Staaten bringen, den Staat zu außerordentlichen Opfern nötigen können, welche die Erfüllung seiner Bundespflichten beschränken [...]

Diese Erwägungen führen zu der Aufstellung des Grundsatzes: Kein Teil des Deutschen Reiches darf mit einem nichtdeutschen zu einem Staate vereinigt sein.

(zit. nach: Hans Fenske (Hrsg.). Vormärz und Revolution 1840-1849, Darmstadt 1991, S. 353 f.)
 
jschmidt schrieb:
Das war die von Schwarzenberg verfochtene Idee des sog. "Siebzigmillionenreichs": 40 Millionen "Österreicher" und 30 Millionen Deutsche (siehe Huber, Deutsche Verfassungsgeschichte seit 1789, Bd. 2, S. 797 ff., 814 ff.). Im "Staatenhaus", einem mitentscheidenden Gremium der vorgeschlagenen Reichsverfassung, sollten entsprechend die "Österreicher" ca. 40 und die Deutschen ca. 30 Stimmen haben.


Anstatt eines Kaisers sollte es ein Direktorium von sieben Mitgliedern geben; anstatt eines Reichstages ein Staatenhaus. Das Staatenhaus sollte 70 Mitglieder haben.1 Mitglied für 1 Million Einwohner. Österreich sollte 38 Stimmen erhalten und das ganze restliche Deutschland einschließlich Preußens 32. Diese Mitglieder sollten von den Landesregierungen bzw. Kammern entsandt werden. Des Weiteren sollte Deutschland in sechs Kreise eingeteilt werden. Für jeden Kreis war als Oberhaupt einer der Könige vorgesehen. Dieser Kreis waren praktisch so eine Art von Zusammenfassung zu Mittelstaaten.

jschmidt schrieb:
Dieses Problem hätte sich möglicherweise sogar lösen lassen auf der Grundlage einer der sieben (!) Lösungen, welche von der Nationalversammlung diskutiert worden sind (Huber, S. 807 ff.). Friedrich Wilhelm IV. von Preußen jedenfalls war persönlich bereit, die Kaiserkrone dem jungen Franz Joseph zu überlassen; in einer Denkschrift vom 4.1.1849 notierte er: "Über dem Ganzen stände Römisch-Kaiserliche Majestät!" (S. 811). Da mochte ihm freilich seine eigene Regierung nicht folgen.

Friedrich Wilhelm IV. beanspruchte für sich den Oberbefehl über das Militär.
 
Eine Großdeutsche Lösung war einfach nicht möglich weil Österreich sich dadurch von ihren "nichtdeutschen" Gebieten hätte trennen müssen und das wollte Österreich mit Sicherheit nicht. Da aber ein Nationalstaat angestrebt wurde musste man sich mit der kleindeutschen Lösung zufrieden geben.
 
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