"Abschussprämien" im ersten Weltkrieg?

Gurrr

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Hallo,
in einem Feldpostbrief des Jahres 1917 fand ich diese Zeilen, die mich etwas stutzig machten:
"Jetzt sprangen die Engländer auf, die sich bis an unseren Drahtverhau herangearbeitet hatten, um ihr Letztes zu versuchen in unsere Stellung einzudringen. Aber wohlgezielte Schüsse streckten sie nieder, bei manchen für immer. Nun hieß es Freiwillige vor, die den Gegner verfolgen um eventuell Gefangene oder Verwundete einzubringen. Ich und mein Kamerad Wilhelm, der mit mir immer auf Patroule geht, meldeten uns sofort. Zwei Unteroffiziere meldeten sich auch noch. Nun machten wir kurz aus, daß wir von links auf die Engländer zustoßen und die Unteroffiziere von rechts. Gesagt und ausgeführt war eins. Unsern Drahtverhau hatten wir durchschlichen. Immer näher wurde der Abstand zwischen uns und den Engländern. Jetzt hieß es mutig sein. Ein kurzer Sprung und wir waren bei den Engländern. 2 Gefangene und 8 Tote waren das Resultat in dem erst 3 1/2 Stunden alten, neuen Jahre [Verfasser schrieb an seine Schwester zu Silvester 1916/1917]. [...]Bereits um 6 Uhr konnten wir unserem Regimente die beiden Gefangenen überbringen. So begann bei mir das Jahr 1917. Unser Lohn ist noch zu erwarten. Für einen Engländer gibt es 100 M."
Gab es solche Prämien? Und wofür? Für Tote oder Gefangene? Oder für beides?

Danke
 
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... Unser Lohn ist noch zu erwarten. Für einen Engländer gibt es 100 M."
Gab es solche Prämien? Und wofür? Für Tote oder Gefangene? Oder für beides?

Danke

Es ist zwar das erste mal, dass ich das höre, aber ich vermute sehr dass es Prämien für Gefangene gab. Die waren wichtig zur Informationsbeschaffung, die Truppe machte jedoch (auf beiden Seiten) nur ungerne Gefangene also brauchte man wohl eine Anregung.
 
Für Gefangene Soldaten würde es Sinn mach (Befragungen etc.).
Auch von Toten Gegnern kann man noch Informationen gewinnen.

Ich glaub bei Ernst Jünger wurde solche Prämien erwähnt...
 
Unser Lohn ist noch zu erwarten. Für einen Engländer gibt es 100 M."
Gab es solche Prämien? Und wofür? Für Tote oder Gefangene? Oder für beides?

Denkbar ist das, von einer zeitweisen Aktion bis hin zu Divisions- oder Korpskassen in Bezug auf Gefangene.

Aus der übergeordneten Aktenlage und den Publikationen ist mir dazu, oder zu flächendeckenden Prämien, nichts bekannt. Deshalb kann man das aber nicht ausschließen.
 
Denkbar ist das, von einer zeitweisen Aktion bis hin zu Divisions- oder Korpskassen in Bezug auf Gefangene.

Aus der übergeordneten Aktenlage und den Publikationen ist mir dazu, oder zu flächendeckenden Prämien, nichts bekannt. Deshalb kann man das aber nicht ausschließen.


Ich halte das zumindest für denkbar. Die Briten schienen an manchen Frontabschnitten recht großen Wert darauf zu legen, das Niemandsland zu beherrschen oder zumindest zu kontrollieren. Im Ypernbogen waren die britischen Stellungen meist taktisch ungünstig gelegen. Die Deutschen beherrschten die Hügelkette östlich des Kemmelbergs bis November 1917, und die Briten und ihre Verbündeten konnten am Ypernbogen von 3 Seiten unter Feuer genommen werden. Taktisch wäre es vielleicht vernünftig gewesen, sich ein paar Kilometer zurückzuziehen, was sie 1918 in der Schlacht an der Lys tun mussten. Der letzte unbesetzte Teil Belgiens mit der inzwischen völlig zerstörten Stadt Ypern war sozusagen das britische Verdun. Auch wenn Frontverläufe ungünstig waren, wollte man sie aus ideologischen Gründen nicht aufgeben oder räumen. Auch bei der 4. Flandernschlacht 1918 wurde Ypern nicht von den Deutschen eingenommen.

Die Briten legten daher am Ypernbogen besonders großen Weert darauf, wenigstens das Niemandsland zu beherrschen. Aber auch an anderen Frontabschnitten war es in der britischen Armee üblich, starke Patroullientätigkeit zu entfalten und wenn möglich, das Niemandsland zu dominieren. Aus Kriegserinnerungen, ich erinnere mich leider nicht mehr daran, wer es war Wilfried Owen, Siegfried Sassoon oder ein anderer, dass Spähtrupps ein Stück deutschen Stacheldrahts als Beweis ihrer Aktivität mitbringen mussten.

Die Praxis, Prämien in Geld, Schnaps oder Vergünstigungen auszusetzen, um bei Soldaten die Motivation zu erhöhen, sich mit britischen Patroullien anzulegen, erscheint vor diesem Hintergrund plausibel, denn Spähtruppaktivitäten waren nicht ungefährlich, und allzu große Forschheit von Offizieren und Unteroffizieren kostete manchen Soldaten das Leben.

Bei den Briten versteckten daher manche Tommies deutschen Stacheldraht im Niemandsland und schnitten bei Bedarf ein Stück ab, um sich keinen unnötigen Gefahren auszusetzen. An manchen Frontabschnitten kultivierten zuweilen Freund und Feind eine "Leben-und-leben-lassen-Mentalität" Die deutsche Praxis, Prämien auf gefangene auszusetzen kann daher gesehen werden, 1.) als Versuch, die Motivation zu erhöhen und 2.), den britischen Bemühungen, das Niemandsland zu dominieren stärkeren Widerstand durch eigene Stoßtrupps entgegenzusetzen.


Die Beute bei solchen Unternehmen konnte u. U. weitaus wertvoller sein, als britische und französische Konserven, Spiritousen und Tabakwaren. Bei der Offensive Nivelles am Chemin des Dames 1917 waren die Deutschen über den Beginn der Offensive gewarnt, da kurz zuvor bei Juvincourt ein deutscher Stoßtrupp nicht nur Soldaten und Offiziere gefangennahm,, sondern auch eine Adjutantentasche fand, die mehrere Geheimbefehlen enthielt. Nivelles Aisne/ Champagne Offensive am 16. April sollte mit einer britischen Offensive im Artois bei Arras koordiniert werden. Während den Briten aber in der Osterschlacht bei Arras 1917 Geländegewinne bis 6 km und die Einnahme des Vimy Rückens gelangen, blieb die französische Offensive stecken, und es kam zu gefährlichen Militärstreiks französischer Divisionen.

In den deutschen Divisionen entwickelten Taktiker wie Georg Bruchmüller und Oskar von Hutier die Sturmtruppen-Taktik. Statt wochenlanger Artillerievorbereitung wurden Angriffe durch kurzes Vernichtungsfeuer und Sturmtruppen die das Niemandsland infiltrierten durchgeführt. Die Praxis, Prämien und Vergünstigungen für gefangene Briten auszusetzen, kann daher als Maßnahme örtlicher Kommandeure gesehen werden, die Motivation der eigenen Truppe für Sturm-/Stoßtruppaktivitäten zu erhöhen, denn wenn auch die Hutier-Taktik 1918 den deutschen Regimentern im Frühjahr 1918 noch einmal größere Raumgewinne bis 60 km Tiefe bescherte, war Stoßtruppaktivität auch sehr riskant wie die Biographie "In Stahlgewittern" des Stoßtruppführers Ernst Jünger zeigt, der ein halbes Dutzend mal schwer verwundet wurde.
 
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