Das Russische Expeditionskorps in Frankreich

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Maksim

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Экспедиционный корпус Русской армии во Франции
Das Expeditionskorps der russischen Armee in Frankreich

Im Jahre 1915 besuchte Joseph Athanase Paul Doumer, französischer Staatsmann und späterer Präsident Frankreichs, das Russische Reich. Im Verlauf diese Besuches erfolgten Gespräche zwischen Doumer und General Alexeyev, sowie zu einem späterem Zeitpunkt auch mit Zar Nikolaus II, mit dem Vorschlag Doumers russische Truppen an die Westfront in Frankreich zu entsenden.

Während der russische Generalstab dem Vorschlag eher negativ gegenüber stand, stieß der Vorschlag auf das große Interesse des Zaren.

Während Doumer eine Mannschaftsstärke von 300.000 Mann vorschwebte, bewilligte der Zar jedoch lediglich vorerst die Aufstellung einer "Spezial Brigade", bestehend aus zwei Regimentern.

Die Bedingungen lauteten:

Russland stellt lediglich das "Menschenmaterial", Frankreich sorgt für Ausrüstung, Versorgung, Unterhalt und Transport. Die Truppen werden ausschließlich von russischen Offizieren geführt, stehen jedoch unter dem Befehl des französichen Oberkommandos.

Man einigte sich schließlich auf die Entsendung von 8.942 Mann, die in den Militärbezirken Moskau (1. Regiment) und Samara (2. Regiment) aufgestellt wurden. Herangezogen wurden Soldaten aus Reserveeinheiten, die überwiegend aus Fabrikarbeitern (Moskau) und Bauern (Samara) bestanden. Der Abmarsch der Brigade erfolgte am 3. Februar 1916, betraten französischen Boden in Marseilles am 16. April 1916.

Noch während sich diese (1.) Brigade in Aufstellung befand, stimmte Nikolaus II der Aufstellung weiterer Brigaden zu. Vier weitere Brigaden wurden schließlich aufgestellt, wobei die Brigaden # 3 und # 5 ebenfalls nach Frankreich abgingen, wogegen Brigade # 2 und # 4 für die Salonika Front auf dem Balkan bestimmt waren.

Brigade #3 wurde in den Militärbezirken Jekatarinenburg und Tscheljabinsk im Ural aufgestellt, bestand fast ausschließlich aus Berufssoldaten, und brach im August 1916 nach Frankreich auf. Die Aufstellungsorte der Brigaden # 2, # 4 und # 5 sind (mir) nicht bekannt.

Die geplante Aufstellung weiter Brigaden (# 6, # 7 und #8) wurde nie ausgeführt, da die Aufstellung für das erste Halbjahr 1917 vorgesehen war und in den Wirren der Russischen Revolution unterging.

Unter französischem Oberkommando kämpften, zusammen genommen, 44.319 russische Soldaten an der Westfront, tausende von ihnen fielen.

Auch die Westfront blieb von der Russischen Revolution nicht verschont, denn nach Bekanntwerden der Ereignisse kam es zu Meutereien innerhalb der Brigaden, sogar zu Kämpfen zwischen Revolutionären und Zarentreuen.

Mit dem Ausscheiden Russlands aus dem 1. Weltkrieg löste sich auch das Expeditionskorps auf, heimkehrwillige Soldaten wurden nach Russland repatriiert und kämpften oftmals auf Seiten der Bolschwiki in der Roten Armee weiter.

Andere Truppenteile setzten unter neuer Bezeichnung, als "Russische Legion", den Kampf an der Westfront fort, gehörten jedoch nun offiziell der Marokkanischen Division der französischen Streitkräfte an.

Diese Soldaten kämpften bis zum Kriegsende 1918 im Westen, erhielten (nach Wunsch) die Möglichkeit in Frankreich zu verbleiben oder wurden nach Russland zurück gebracht. Viele der Rückkehrer kämpften später als "Weiße" im Bürgerkrieg.

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Hier endet mein "Wissen", jedoch nicht mein Interesse. Ich weiß, dass es ein englischsprachiges Buch (Titel: With Snow On Their Boots) und eine Reenactment-Gruppe in den USA gibt, die sich mit dieser Thematik befassen.

Hat jemand weitere Kenntnisse / Information zu dieser Thematik ? Für Hinweise wäre ich sehr dankbar.
 
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Ein sehr interessanter Beitrag, Maksim!

das russische Expeditionskorps wurde 1916 in Marseille gelandet, und die Russen sollten die Ehre haben, den Reigen von Nivelles Offensive im April 1917 zu eröffnen. Dummerweise hatte "Väterchen Zar" abgedankt, und die Soldaten hatten Post von zuhause bekommen, in der allenthalben von der desolaten Lage auf dem Land die Rede war. Da war es nicht einfach, den Soldaten zu erkölären, wofür sie eigentlich ihr leben riskieren sollten. Nach dem äußerst verlustreichen gescheiterten Sturm auf die Hügelstellungen bei Brimont wählten die Russen Arbeiter und Soldatenräte, und dieses Beispiel eines Militärstreiks inspirierte auch die Franzosen, die versprachen, die Gräben zu halten, aber sich weigerten, weiterhin sinnlose Angriffe zu unternehmen. Die Meutereien und Militärstreiks breiteten sich in Windeseile aus, und zeitweise standen weniger, als 10 zuverlässige französische Divisionen an der Front. Mit einer Mischung aus Härte und Zugeständnissen konnte alllerdings Petain bald die Front stabilisieren und die Militärstreiks niederschlagen. Da die deutsche Abwehr unbegreiflicherweise nichts davon mitbekam, blieb diese große Krise an der Westfront ohne Folgen für die Alliierten.
 
Vielleicht als Ergänzung noch ganz interessant dieser schon ältere Beitrag von letztem Jahr.

"Meuterei in der französischen Armee 1917"
 
Was mich in diesem Zusammenhang schon länger interessiert:

Auf welchem Weg sind die Russen denn nach Frankreich gekommen?

Persien?
Wladiwostok?
Murmansk?
 
Ein sehr interessanter Beitrag, Maksim!

Danke Scorpio !

Die Geschehnisse und Ereignisse in einem Krieg, besonders wenn er die Ausmaße eines Weltkrieges hat, sind so mannigfaltig, dass man von ihnen fast erschlagen werden kann. Ich versuche daher mich auf kleinere und überschaubarere Teile des großen Puzzles zu konzentiren, anstatt über dem Gesamtbild den Überblick zu verlieren.

Aus diversen Gründen finde ich das russische Expeditionskorps / die russische Legion sehr interessant, durch ihre Verwicklungen in die Ereignisse habe ich natürlich auch einen klitzekleinen Einblick in die Gesamtsituation der von Dir genannten Soldatenstreiks / Meutereien.

Danke für Deinen Beitrag zu diesem Thread.
 
@repo: Auf welchem Weg sind die Russen denn nach Frankreich gekommen?

Persien?
Wladiwostok?
Murmansk?
Soweit ich die englischen Texte überflogen habe, auf Schiffen von Archangelsk nach Brest und von Hongkong via Suez nach Marseille. Vor allem der erste Weg um Irland herum war angesichts der U-Boote nicht ungefährlich.
 
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Auf welchem Weg sind die Russen denn nach Frankreich gekommen?

Hallo Repo,

vom ersten Kontingent weiß ich, dass der Reiseweg von den Aufstellungsorten per Zug zum Hafen Dal'ny / Dalian (China) am Pazifik ging. Von dort aus per Schiff - an Hong Kong vorbei - zum Suezkanal. Durch diesen hindurch dann nach Marseille.

Das zweite Kontingent reiste per Schiff von Archangelsk nach Brest (Frankreich).

Über Zwischenstopps ist mir, bei beiden Kontingenten, nichts bekannt.
 
Baltic, wir beiden "alten Knacker" könnten fast dabei gewesen sein, oder ? ;)
 
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Soweit ich die englischen Texte überflogen habe, auf Schiffen von Archangelsk nach Brest und von Hongkong via Suez nach Marseille. Vor allem der erste Weg um Irland herum war angesichts der U-Boote nicht ungefährlich.


Der Weg durchs Mittelmeer war aber U-Boot-mäßig auch nicht von "schlechten Eltern".

OT:
Haben die Russen eine Weltreise gemacht um in die Blutmühle der Westfront zu kommen.................
 
Haben die Russen eine Weltreise gemacht um in die Blutmühle der Westfront zu kommen.................

Das hat eine gewisse Ähnlichkeit mit der Weltreise der Baltischen Flotte im Russisch-Japanischen Krieg. Ein Mal um die halbe Welt und dann in einer einzigen Seeschlacht untergehen. Krieg ist grausam.
 
Sehr interessant, davon hatte ich noch nie etwas gehört.

Während der russische Generalstab dem Vorschlag eher negativ gegenüber stand, stieß der Vorschlag auf das große Interesse des Zaren.

Woher kam dieses Interesse?

Ad hoc hat man ja erst einmal den Eindruck, daß das Ganze ein eher dummer Vorschlag war und die Ablehnung durch den russischen Generalstab sehr berechtigt.

Man kann ja noch verstehen, daß die Franzosen ihre eigenen Landsleute schonen und lieber Ausländer verheizen wollten.
Aber es gab doch wirklich keinen Grund für die Russen, darauf einzugehen.

Und aus Gesamt-Alliierter Sicht überzeugt das auch nicht.
Da wird ein großer Transportaufwand getrieben ohne daß ersichtlich ist, daß diese Truppen im Westen Besseres bewirken könnten als im Osten.
Eher hätte man noch über die Umkehrung nachdenken können: Britische und französische Truppen an die Ostfront zu bringen, wo eher ein Durchbruch möglich war als im völlig blockierten Westen.
 
Sehr interessant, davon hatte ich noch nie etwas gehört.



Woher kam dieses Interesse?

Ad hoc hat man ja erst einmal den Eindruck, daß das Ganze ein eher dummer Vorschlag war und die Ablehnung durch den russischen Generalstab sehr berechtigt.

Man kann ja noch verstehen, daß die Franzosen ihre eigenen Landsleute schonen und lieber Ausländer verheizen wollten.
Aber es gab doch wirklich keinen Grund für die Russen, darauf einzugehen.

Ich denke mal, dass da Rüstungsgüter "bezahlt" werden mussten.

nd aus Gesamt-Alliierter Sicht überzeugt das auch nicht.
Da wird ein großer Transportaufwand getrieben ohne daß ersichtlich ist, daß diese Truppen im Westen Besseres bewirken könnten als im Osten.
Eher hätte man noch über die Umkehrung nachdenken können: Britische und französische Truppen an die Ostfront zu bringen, wo eher ein Durchbruch möglich war als im völlig blockierten Westen.

Nööö seh ich anders.
 
Ich sehe das Ganze mehr als einen symbolischen Akt an. Russland hatte das Menschenpotential, aber an Bewaffnung haperte es. An der Westfront war es eher umgekehrt. Deshalb eben Russen in Frankreich und nicht Franzosen in Russland.
 
Ich sehe das Ganze mehr als einen symbolischen Akt an. Russland hatte das Menschenpotential, aber an Bewaffnung haperte es. An der Westfront war es eher umgekehrt. Deshalb eben Russen in Frankreich und nicht Franzosen in Russland.

So eine Art "Blaue Division".
Waren aber anscheinend ca. 45.000 Mann, schon eine größere Geste.
 
Woher kam dieses Interesse?

Dies ist einer der vielen Punkte bei der Geschichte, die ich mir nicht erklären kann. In keiner der von mir bisher gefundenen Quellen (weder englisch, noch französisch oder russisch) wird auf die Zustimmung des Zaren oder die Ablehnung des Generalstabes näher eingegangen.

Lediglich zu der ursprünglichen Forderung nach 300.000 Mann steht eine wage Aussage in einer russischen Quelle, allerdings handelt es sich um einen Kommentar des Verfassers, nicht um eine historisch verbürgte Aussage eines der Beteiligten.

Der Kommentar geht dahin, dass Doumer wohl verdeutlicht wurde, die Russische Dampfwalze verfüge nicht über die scheinbar unendlichen Ressourcen an Menschenmaterial die man ihr im Westen wohl unterstelle.

Man habe 3 Jahrgänge unter Waffen, könne aus diesen keine 300.000 Mann entbehren und eine solche Zahl nicht einfach mal eben so ausheben. Die Wehrerfassung muss, bedingt durch die bürokratischen Gegebenheiten in Russland, muss wohl äußerst diffizil bzw ungenau gewesen sein.

Ad hoc hat man ja erst einmal den Eindruck, daß das Ganze ein eher dummer Vorschlag war und die Ablehnung durch den russischen Generalstab sehr berechtigt.

Ich möchte nicht bewerten ob dieser Vorschlag dumm war, oder nicht, aber die Haltung des Generalstabes kann ich durchaus nachvollziehen.

Man kann ja noch verstehen, daß die Franzosen ihre eigenen Landsleute schonen und lieber Ausländer verheizen wollten. Aber es gab doch wirklich keinen Grund für die Russen, darauf einzugehen.

Ich denke nicht, dass es Doumer um den Gedanken ging Russen anstelle Franzosen kämpfen zu lassen. Wenn ich mich nicht täusche, haben die Franzosen auch ihre eigenen Leute kräftig verheizt, hatten deshalb wohl auch einen Engpass und brauchten dringend Soldaten. Russland brauchte aber dringend Kriegsgerät und Material, da die russische Wirtschaft in dieser Zeit bei weitem nicht so leistungsfähig war um das benötigte Material selbst zu produzieren.

Sicher, Russland saß zu dieser Zeit auf den größten Goldvorräten aller am Krieg beteiligten Nationen, waren also nicht gerade knapp bei Kasse, die anderen Verbündeten brauchten ihr Kriegsgerät aber wohl ebenfalls äußerst dringend. Jedenfalls so dringend, dass sie es nicht, oder nur ungern, gegen Geld verkauften. Vielleicht hat man in Russland erkannt, dass "Menschen gegen Gerät" die Verbündeten eher zu Lieferungen bewegen konnte als Geld.

Und aus Gesamt-Alliierter Sicht überzeugt das auch nicht.
Da wird ein großer Transportaufwand getrieben ohne daß ersichtlich ist, daß diese Truppen im Westen Besseres bewirken könnten als im Osten.
Eher hätte man noch über die Umkehrung nachdenken können: Britische und französische Truppen an die Ostfront zu bringen, wo eher ein Durchbruch möglich war als im völlig blockierten Westen.

Ob Franzosen und Briten an der Ostfront sinnstiftender gewesen wären, als Russen an der Westfront, leuchtet mir derzeit nicht ein. Wenn Franzosen und Briten an der Westfront knapp an Soldaten waren, so knapp das sie die Russen um personelle Verstärkung baten, dann glaube ich nicht das sie die Westfront noch weiter entblößt hätten / hätten können um die Ostfront zu verstärken.
 
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Der Kommentar geht dahin, dass Doumer wohl verdeutlicht wurde, die Russische Dampfwalze verfüge nicht über die scheinbar unendlichen Ressourcen an Menschenmaterial die man ihr im Westen wohl unterstelle.
Zu diesem Punkt gibt es interessante Informationen bei Richard Pipes, Die Russische Revolution, Band 1 (1992):
Die imponierende Zahl der Soldaten, die zu Beginn aufgeboten werden konnten (1,4 Mio im stehenden Heer, 4,4 Mio ausgebildete Reservisten des ersten Aufgebots und 0,7 Mio junge Wehrpflichtige), verminderte sich bis Ende 1915 sehr schnell; die Verluste konnten bei weitem nicht und schon gar nicht qualitativ gleichwertig ersetzt werden. "Zur allgemeinen Überraschung verfügte Rußland 1916 über keine Truppenreserven mehr" (S. 356). So ist es verständlich, dass die reale Abgabe von Truppen in den Westen nicht viel mehr als "symbolische Politik" sein konnte.

Wichtig auch der Hinweis auf die relative niedrige Mobilisierungfähigkeit: "Im Verlauf des Krieges konnte Rußland nur einen beträchtlich kleineren Anteil seiner Bevölkerung für den Kriegsdienst mobilisieren als Frankreich und Deutschland, nämlich 5 gegenüber 12 bzw. 16 %" (ebd. - es kursieren auch andere Zahlen, aber mit gleicher Tendenz).

Sicher, Russland saß zu dieser Zeit auf den größten Goldvorräten aller am Krieg beteiligten Nationen
Das war 1914, als die Golddeckung des Rubel bei sagenhaften 98 % lag. "Zu diesem Zeitpunkt besaß Rußland die größten Goldreserven in Europa" (S. 408). Für einen kurzen Krieg war sozusagen vorgesorgt, jedoch nicht für einen langen. Also fing man sehr bald an, Papiergeld zu drucken: die Geldumlaufmenge erhöhte sich innerhalb von 2 Jahren um die 3-fache, die Preis vervierfachten sich (S. 412). Die Folge war ein finanzwirtschaftliches Chaos, das sich bis Kriegsende mehr und mehr verschlimmerte.
 
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