Giftgas nur ein Papiertiger?

Legat

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Ich las heute in "World War I Trench Warfare (1) 1914-16" von Osprey über die Tötlichkeit von Giftgas im 1. Weltkrieg:
"Moreover, as the war progressed it was proved to be surprisingly non-lethal: while more than a third of men hit by shellsplinters and bullets were killed, fewer thanone in 20 of gas casualties died. Indeed, official figures showed that through the British Army suffered nearly 13,000 gas casualties in 1915, there were only 307 fatalities. During 1916 just 1,123 were killed by gas out of a total of well over 100,000 fatalities to all causes: moreover, though there wetre those who were permamently disabled, 93 per cent of all gas casualties returned to duty, most of them within a few weeks."

Wie es aussieht war Giftgas erstaunlich unwirksam. Kein Wunder, dass es im 2. Weltkrieg gar nicht (oder überhaupt jemals wieder) zum Einsatz kam (ich weis zumindest von keinem).
 
Ich weiß nicht, ob man permanente Behinderungen durch das Gas als unwirksam bezeichnen kann. Man hat doch damit ein Ziel erreicht: Dem Gegner kurz-, mittel- und längerfristig Soldaten auszuschalten. Und ein zu pflegender Kriegsversehrter bindet mehr Ressourcen, als ein Gefallener.

Es dürften eher pragmatische Gründe sein, warum man Gas im Zweiten Weltkrieg nicht an der Front verwendete: Das Gas hing zum Teil tagelang in der Luft, was das Vorrücken der eigenen Truppen erschwerte und es konnte vom Wind in die falsche Richtung geblasen werden.
 
...
Kein Wunder, dass es im 2. Weltkrieg gar nicht (oder überhaupt jemals wieder) zum Einsatz kam (ich weis zumindest von keinem).
Ich meine Italien hat in den 30-er Jahren in Libyen und Äthiopien Giftgas eingesetzt. Zudem die Spanier in Marokko und die Franzosen in Algerien...

Reizgase werden auch heute noch in grossen Mengen eingesetzt!


Gruss Pelzer


.
 
Zuletzt bearbeitet:
Reizgase werden auch heute noch in grossen Mengen eingesetzt!
Oh ja (G8 2007 in meiner Heimatstadt).

Zum Thema: Saddam hat es ja auch noch gegen die Kurden benutzt. Wirklich wirksam ist es wohl nur, wenn der Gegner unvorbereitet ist. Im Ersten Weltkrieg setzte da ein Wettrüsten ein. Es gab das sog. "Buntschießen", wo man zunächst Reizgase (Maskenbrecher) einsetzte, um danach die "volle Dröhnung" zu geben. Gegen eingegrabene Fronttruppen nützte das meist wenig, Ziel waren eher die rückwärtigen Artilleriestellungen und sei es nur, um ihr Feuern zu erschweren.
 
Oh ja (G8 2007 in meiner Heimatstadt).

Zum Thema: Saddam hat es ja auch noch gegen die Kurden benutzt. Wirklich wirksam ist es wohl nur, wenn der Gegner unvorbereitet ist. Im Ersten Weltkrieg setzte da ein Wettrüsten ein. Es gab das sog. "Buntschießen", wo man zunächst Reizgase (Maskenbrecher) einsetzte, um danach die "volle Dröhnung" zu geben. Gegen eingegrabene Fronttruppen nützte das meist wenig, Ziel waren eher die rückwärtigen Artilleriestellungen und sei es nur, um ihr Feuern zu erschweren.

Im Verlauf des Kriegsjahres 1916 stellten sich fast alle kriegführenden Mächte gezielt auf Gasangriffe ein und gaben wirksame Schutzmasken an die Truppen ab, so dass sich die Gasverluste verringerten. Bei Fleury vor Verdun schossen die Deutschen über 100.000 Gasgranaten ab, wodurch die Franzosen nur ca. 400 Mann verloren. Die Franzosen verschossen Phosgengas, ebenso wie die Deutschen, die "Grünkreuz"- Granaten verschossen. Um den Gegner zum Abnehmen der Gasmaske zu zwingen, entwickelten die Deutschen 1917 den Maskenbrecher Clark (Blaukreuz).

Blaukreuz/Grünkreuz wurde für den Angriff verwendet, für die Verteidigung setzten die Deutschen während der 3. Flandernschlacht 1917 erstmals Gelbkreuz ein, dass wegen seines Geruchs nach Senföl senfgas genannt wurde.

Den erfolgreichsten Gaseinsatz verzeichneten die Mittelmächte am 24. Oktober 1917 in der 12. Isonzoschlacht. 1000 gaswerfer feuerten in die italienischen Linien, und die Italiener, unvorbereitet auf Giftgas, erlitten hohe Verluste. Das "Wunder von Karfreit/ Caporetto" war zum großen teil dem Gaseinsatz zu verdanken.
 
Ich meine Italien hat in den 30-er Jahren in Libyen und Äthiopien Giftgas eingesetzt. Zudem die Spanier in Marokko und die Franzosen in Algerien...

Reizgase werden auch heute noch in grossen Mengen eingesetzt!


Gruss Pelzer


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Das ist korrekt, und wenn ich mich momentan auch nicht an die genaue Fundstelle erinnere, glaube ich gelesen zu haben, dass die Japaner Giftgas in China einsetzten.

Gas kann bei unzureichend vorbereiteten Gegnern oder Zivilisten verheerend wirken. Es ist sehr billig und leicht herstellbar. Gas ist vor allem auch eine psychologische Waffe, die Schrecken verbreitet und traumatisiert. Selbst Soldaten, die Gasangriffe überleben und wissen wie sie sich verhalten müssen, fürchten diese Waffe.

Hitler wurde im Herbst 1918 durch britisches Giftgas verletzt, wodurch er zeitweilig erblindete.
 
Die wichtigste Wirkung von Gas ist immer noch die psychologische. Eigentlich haben alle Soldaten Angst vor Gas, was die Kampfmoral ganz erheblich schwächt. Beim ersten Gasangriff in Ypern berichten Zeitzeugen von dem fürchterlichen Schock beim Anblick der Gaswand die sich langsam, aber unaufhaltsam auf sie zubewegte (Anm. es handelte sich um reines Chlorgas, deswegen war es sichtbar). Die französischen Soldaten flüchteten anschließend oft schon, wenn sie nur die Wolke sahen.

Eine weitere Wirkung darf man nicht unterschätzen. Soldaten die Gasmasken tragen sind weit weniger beweglich, da kurzatmig, was vor allem für die primitven Masken des Ersten Weltkrieges gilt. Zudem ist ihr Sichtfeld durch die kleinen Gläser deutlich eingeschränkt.

So sinkt die Kampfkraft erheblich auch ohne einen einzigen Soldaten ernsthaft zu schädigen. Allerdings konnten im Ersten Weltkrieg diese Effekte oft nur unzureichend genutzt werden. So konnten die deutschen Truppen die Verwirrung und Panik in Ypern in keiner Weise strategisch verwerten, auch der taktische Erfolg war mit einen Geländegewinn von, wenn ich mich recht erinnere, 6 km eher zweifelhaft.
 
Gil-galad,
nichtzu vergessen man konnte nie sicher seinob die Maske richtig arbeitet und / oder sitzt .
Jeder der mal beim Militär weiss wieviele beim Gasmaskentest das Heulen bekamen und neuere Masken sind um Welten besser .
Bei Minusgraden und längerem tragen kommt das vereisen der Ventile noch dazu .
 
Wie es aussieht war Giftgas erstaunlich unwirksam.

Das war aber keine Absicht. Wie viele meiner Vorredner erwähnt haben, verbesserten sich die Schutzmaßnahmen laufend.

Als im Deutschen Reich erste chemische Kampfstoffe getestet wurden, es handelte sich dabei um Reiz- und Rauchgase, beschwerte sich die Heeresleitung über die nicht letale Wirkung der Stoffe und bezeichnete sie als "Stickstoffe" und die Tests als "Nießversuche". Das Ziel war damit klar, man wollte Soldaten nicht vertreiben, man wollte sie töten.

Die zündende Idee kam dann von Fritz Haber, der Chlorgas als Kampfstoff vorschlug. Chlor ist hochgiftig und schon in geringen Dosen führt es zu Verätzungen der Atemwege/Schleimhäute und zu teilweise irreparablen Augenschäden. Das Gas wurde dabei noch aus Flaschen abgeblasen und vom Wind in Richtung des Gegners getragen.

Der erste Einsatz in Ypern hatte fatale Wirkungen auf die französischen Truppen. Die Verluste beliefen sich auf rund 5000 Mann und zusätzlich ca. 10.000 Verletzte. Diese schreckliche Bilanz "empfahl" das Gas dann für alle Kriegsparteien, die es auch eifrig einsetzten, da am Ypern-Bogen der Wind sowieso meist aus West kam.

Gegen Ende des Krieges waren alle Hemmungen gefallen. Jede dritte Granate war mittlerweile eine Gasgranate!
 
Gil-galad,
auch dafür gibt es praktische Erklärungen , der Druck bei einer Explosion kann dir die Stiefel ausziehen , was da wohl mit einer Gasmaske passiert ?
Ausserdem wenn man den Gegener zwingt lange genug die Maske tragen zu müssen, ist irgendwann die Kapazität des Filters überschritten , die Maske wird wirkungslos.
Besonders wenn auch noch Massen von Dreck und Staub in der Gegend rumfliegen die den Filter verstopfen .
Ausserdem können die Truppen unter den Masken weder essen noch trinken .
 
Das war aber keine Absicht. Wie viele meiner Vorredner erwähnt haben, verbesserten sich die Schutzmaßnahmen laufend.

Als im Deutschen Reich erste chemische Kampfstoffe getestet wurden, es handelte sich dabei um Reiz- und Rauchgase, beschwerte sich die Heeresleitung über die nicht letale Wirkung der Stoffe und bezeichnete sie als "Stickstoffe" und die Tests als "Nießversuche". Das Ziel war damit klar, man wollte Soldaten nicht vertreiben, man wollte sie töten.

Die zündende Idee kam dann von Fritz Haber, der Chlorgas als Kampfstoff vorschlug. Chlor ist hochgiftig und schon in geringen Dosen führt es zu Verätzungen der Atemwege/Schleimhäute und zu teilweise irreparablen Augenschäden. Das Gas wurde dabei noch aus Flaschen abgeblasen und vom Wind in Richtung des Gegners getragen.

Der erste Einsatz in Ypern hatte fatale Wirkungen auf die französischen Truppen. Die Verluste beliefen sich auf rund 5000 Mann und zusätzlich ca. 10.000 Verletzte. Diese schreckliche Bilanz "empfahl" das Gas dann für alle Kriegsparteien, die es auch eifrig einsetzten, da am Ypern-Bogen der Wind sowieso meist aus West kam.

Gegen Ende des Krieges waren alle Hemmungen gefallen. Jede dritte Granate war mittlerweile eine Gasgranate!

Ähnlich verheerend wie der 1. Einsatz von Chlorgas 1915 traf der von Senfgas im Sommer 1917 die Alliierten, in diesem Fall die Briten, die innerhalb weniger Tage 15.000 Gasversehrte darunter 500 Tote zu beklagen hatten. Am Gas lag es nicht, wenn 1915 die Erwartungen enttäuscht wurden. Innerhalb einer Viertelstunde eroberten die Deutschen Langemarck, sie waren aber auf einen solchen Durchbruch nicht vorbereitet und es mangelte an Reserven, den Erfolg strategisch ausnützen zu können. In Flandern verhinderte das senfgas einen britischen Durchbruch, und wie schon erwähnt wurde Giftgas erfolgreich am Isonzo eingesetzt. Vor allem die Langzeitschäden von Gas sind nicht zu unterschätzen. Viele Soldaten krepierten nach jahrelangem Siechtum. neben dem psychologischen Effekt machte Gas den Aufenthalt in den Gräben auf jeden Fall noch unangenehmer für den Gegner und band durch die vielen Verwundungen sehr viele Menschen für die Pflege der Gasversehrten.

Fritz Haber glaubte im Gas ein Mittel gefunden zu haben, das den Krieg verkürzen würde und damit letztendlich eine "humane Waffe". Ein Glauben, von dem Haber sich auch vom Suizid seiner Frau nicht abbringen ließ.
 
Legat,
Tote läst man auf dem Schlachtfeld liegen bis die Schlacht oder der Krieg vorbei ist , Verwundete muss man nach hinten brigen und versorgen .
Invalide fallen nicht nur als Kämpfer aus sondern belasten auf Dauer die Resourcen .
Aus diesem grund hat ja schon Kaiser Basileios II nach der Schlacht bei Kleidion 14.000 Bulgaren blenden lassen und nach hause geschickt.
 
Ja das sind die 7% permanenten Verluste.
Wie oben steht: 1915 beklagten die Briten 13.000 Gasverluste. Nur 307 davon starben auf dem Schlachtfeld oder später. Die restlichen 12.697 wurden wieder Einsatzfähig.
Klar bindet das Ressourcen und der psychologische Effekt ist nicht ohne, aber zB die Artillerie (die für fast exakt 2/3 aller Verluste verantworlich ist) ist ungleich effektiver um den Gegner permanent zu schwächen = Ausfälle zu verursachen die halt NICHT mehr kampftauglich werden.
 
Klar bindet das Ressourcen und der psychologische Effekt ist nicht ohne, aber zB die Artillerie (die für fast exakt 2/3 aller Verluste verantworlich ist) ist ungleich effektiver um den Gegner permanent zu schwächen = Ausfälle zu verursachen die halt NICHT mehr kampftauglich werden.

Ich denke, dass die Artillerie allein nicht in der Lage gewesen wäre solche Verluste zu verursachen. Mehrere Schlachten im Ersten Weltkrieg haben gezeigt, dass die Artillerie eben oft nicht in der Lage war, die Gräben leerzufegen. So trafen die Briten an der Somme trotz tagelangem Bombardement noch auf erheblichen Widerstand. Die Verluste der deutschen Seite durch den Beschuss fielen relativ gering aus, da die Stellungen hervorragend ausgebaut waren.

Ach ja, ich hatte mich in meinem Beitrag vom Freitag vertippt, es muss "Stinkstoffe" nicht "Stickstoffe" heißen.
 
Dass Giftgas seit dem 1. Weltkrieg kaum wieder eingesetzt wurde, beweist nicht seine Unwirksamkeit. Die Atombombe wurde nach dem 2. WK auch in keinem Krieg wieder eingesetzt, wiewohl an ihrer Wirksamkeit wohl kaum Zweifel bestehen. Das Problem beim Giftgas sind die politischen Nebenwirkungen und dass der Gegner das Zeug meist auch hat. Hussein hat allerdings im Golfkrieg die Massenaufgebote des Iran angeblich nur dank Giftgas aufhalten können.
 
EL_Mercenario,
kaum wieder eingesetzt ist wohl etwas untertrieben .
1919 im Irak durch die Briten
1921 durch Rote Armee gegen den Aufstand von Tambow
1924- 1930 gegen Lybien durch Italien
1935 -1936 in Äthiopien durch Italien
1939 vereinzelte Einsätze der Polen gegen die Wehrmacht
1937 von den Japanern gegen China und die Mongolei
1984 durch den Irak im Krieg gegen den Iran
1988 durch den Irak gegen Aufständige
dazu Einsatz der Spanier gegen Berber , Ägypten gegen Jemen ,

kaum ist etwas weniger , oder ?
 
Für eine Schlacht ist es zunächst mal unerheblich, ob der gegnerische Soldat tot oder kampfunfähig ist ("casualties" bezeichnet demnach oft die Zahl der Soldaten, die durch Tod oder Verwundung ausfielen).

Dass Verwundete dann häufig Resourcen binden, wurde schon erwähnt, ebenso der psychologische Effekt. Dieser psychologische Effekt mag noch dadurch verstärkt werden, dass - zumindest auf den Bildern, die ich gesehen habe - Gasverletzte ein durchaus demoralisierender Anblick sind (ich hätte ein paar links zu Bildern von Senfgas/ Gelbkreuzopfern ... aber das ist recht heftig ...).

Dazu kommt noch, dass gerade bei Grabensystemen Gas evtl. auch dorthin gelangt, wo man den Gegner mit reinem Geschützfeuer nicht erreicht. Dadurch konnte man mehr Soldaten des Gegners - wenn auch evtl. nur kurzfristig - ausschalten, als durch reines Artilleriefeuer.
 
El Quijote, zu grossen Teil Einsatz durch Luftfahrzeuge , aber durch die Rote Armee wares es wohl Grantaen , in Polen ebenso und steluungskrieg wwar nur zuletzt der Irak- Irankrieg .

Papa_Leo.
hast du vollkommen recht ,ein Verwunderter kostet den Gegner mehr Leute und Ressourcen als ein Toter den man bis zum Ende der Kampftätigkeit liegen lassen und danach verscharren kann.
Hatten wir aber weiter vorn schon .
 
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