Legitimation und Vergleich des Versailler Vertrag mit anderen Verträgen

Rheinländer

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Oftmals wird darauf verwiesen, im Vergleich zu den Verträgen von Brest-Litowsk 1918 zwischen dem Kaiserreich und den Bolschewiken und des Deutsch-Französischen Vertrags nach 1871, sei der Versailler Vertrag relativ harmlos ausgefallen.

Ich würde hier gerne mal die Richtigkeit dieser Thesen prüfen.

1871 hatte Frankreich den Krieg verloren und nun kam es zum Friedensschluss. Frankfreich musste Elsaß-Lothringen abtreten und eine gewisse Reparationsleistung zahlen, die den Gründerboom bis 73 ermöglichte und die angeblich im Vergleich größer sei als die Summe, die die Weimarer Republik hat leisten müssen.

Nun fällt mir allerdings ins Auge, dass es bereits 1875 zur "Krieg-in-Sicht-Krise" kam, als das DR einen Präventivkrieg gegen das erstarkte und aufrüstende Frankfreich in Erwägung zog.

Wie passt das mit der These eingangs zusammen. Die Weimarer Republik lag, auch durch Versailles am Boden und war militärisch für kein Land eine mögliche Bedrohung. Frankreich, bei der angeblich viel höhreren Reparationsleistung schon? Das erscheint mir seltsam.

Zudem wurde die französische Souveranität meines Wissens keinesfalls eingeschränkt.

Weimar hingegen musste verschiedenste Einschränkungen hinnehmen. Internationalisierung der Schifffahrtswege, Alliierter Komissar überwacht die Reparationszahlungen, Reichsbahn als Pfand beim Dawes-Plan, 100.000 Mann Grenze und Ausschluss ganzer Waffengattungen, Demilitarisierte Zonen usw.

Von den eigentlichen Zahlungen, Gebietsabtrennungen und den massiven Sachleistungen (tausenden Traktoren usw.) mal abgesehen. Dazu noch die "Ehrenartikel", die natürlich aufgrund der neuen Dimension des Krieges verstanden werden müssen.

Mir ist natürlich bewusst, dass im 1. Weltkrieg enorme Schäden, allen voran für Belgien und Frankreich entstanden sind und das der Krieg jedes bis dahin gekannte Maß an Zerstörung und Verheerung sprengte. Der Versailler Vertrag erscheint mir vor diesem Hintergrund als absolut nachvollziehbar.

Den Frieden von Versailles aber als im Vergleich zu 71 moderat ausfallend darzustellen, erschließt sich mir logisch nicht.


Ein weiterhin angeführter Vergleich ist der zu 1918. Richtig ist, dass den Russen rießige Werte an Menschen und Wirtschaftspotential entzogen wurden. Mir erscheint es allerdings so, dass der Friede von Brest-Litowsk natürlich ein Diktatfriede war, aber doch eigentlich analog zur Aufteilung Österreich-Ungarns betrachtet werden kann.

Auch die Gebiete, die dem ehemaligen Zarenreich entrissen worden waren, können doch wohl kaum als originär russisch bezeichnet werden. Weder das Baltikum, noch die Ukraine noch natürlich Polen waren als russisch zu bezeichnen. Man ist doch da, natürlich zum eigenen Machtgewinn, ähnlich wie später mit Österreich-Ungarn verfahren.


Würde mich interessieren, wie ihr unter diesen Gesichtspunkten den Versailler Vertrag beurteilt. Ich lasse mich durchaus vom Gegenteil überzeugen, aber mein gegenwärtiger Eindruck ist so.
 
1871 hatte Frankreich den Krieg verloren und nun kam es zum Friedensschluss. Frankfreich musste Elsaß-Lothringen abtreten und eine gewisse Reparationsleistung zahlen, die den Gründerboom bis 73 ermöglichte und die angeblich im Vergleich größer sei als die Summe, die die Weimarer Republik hat leisten müssen.

Nun fällt mir allerdings ins Auge, dass es bereits 1875 zur "Krieg-in-Sicht-Krise" kam, als das DR einen Präventivkrieg gegen das erstarkte und aufrüstende Frankfreich in Erwägung zog.

Wie passt das mit der These eingangs zusammen.

Abgesehen davon, dass die Kriegslasten mE 1870/71 und 1914/18 nicht vergleichbar sind, zB in den kriegszeitig aufgetürmten Schuldenbergen der Kriegsparteien, den desaströsen Strukturänderungen der Wirtschaft durch Kriegsanpassung, der beinahe gesamteuropäischen Kriegsbelastung etc:

Für die Finanzierung der Reparationen legte Frankreich nach 1871 eine Anleihe in verschiedenen Währungen heraus, die überraschenderweise X-fach (nach Seé 14-fach) überzeichnet war und eine vorfristige Tilgung der einzelnen Abschlagsbeträge auf die Reparationen erlaubte.

Das ist hier im Forum schon einmal diskutiert worden, ich finde leider nur:
http://www.geschichtsforum.de/f58/finanzierung-der-kriege-1866-und-1870-71-a-21955/#post359159
[das andere Thema war vermutlich zur Währungsumstellung, jedenfalls waren da auch die Teilbeträge der Tilgungen sowie die Vertragsmodalitäten genannt; über die vorfristige Tilgung gab es einen gesonderten Vertrag]

Passend zu den deutschen Belastungen nach Versailles wären einmal die Kriegslasten der Siegermächte, insbes. Frankreich, interessant. Bereits diese Ausgangssituation macht die Lage 1919 komplizierter.
 
Also dass der VV gegenüber dem Frieden von 1871 "moderat" ausgefallen sei, habe ich noch nie gelesen. Er sei gegen über Brest-Litowsk moderat ausgefallen liest man öfter, wobei dann die Friedensbedingungen der Westmächte für Österreich-Ungarn und die Türkei gerne außen vor gelassen werden.
Ich halte den Frieden von Versaille für den härteren Friedensschluß, wobei es natürlich darauf ankommt, wie man gewichtet. Von der Intention sollte der VV das DR nicht nur als Großmacht sondern überhaupt als politischen und militärischen Faktor ausschalten.
In Brest-Litowsk war das in der Form nicht geplant, wenn auch Russland seinen Großmachtstatus verloren hätte.
 
Also dass der VV gegenüber dem Frieden von 1871 "moderat" ausgefallen sei, habe ich noch nie gelesen. Er sei gegen über Brest-Litowsk moderat ausgefallen liest man öfter, wobei dann die Friedensbedingungen der Westmächte für Österreich-Ungarn und die Türkei gerne außen vor gelassen werden.
Ich halte den Frieden von Versaille für den härteren Friedensschluß, wobei es natürlich darauf ankommt, wie man gewichtet. Von der Intention sollte der VV das DR nicht nur als Großmacht sondern überhaupt als politischen und militärischen Faktor ausschalten.
In Brest-Litowsk war das in der Form nicht geplant, wenn auch Russland seinen Großmachtstatus verloren hätte.


Das mein ich nämlich auch, die Zerstückelung Österreich-Ungarns und des Osmanischen Reichs hat zumindest diesselben Ausmaße wie Brest-Litwosk. Die Doppelzüngigkeit des Postulats des Selbstbestimmungsrecht zeigt sich da auch. Während den Völkern von Ö.U. und des O.R. die Eigenständigkeit geschenkt wurde, wurde mit Jugoslawien ein neuer Vielvölkerstaat geschaffen und die Abtrennungen vom Deutschen Reich waren mehrheitlich mit dem Selbstbestimmungsrecht auch nicht vereinbar.
 
Das nationale Selbstbestimmungsrecht war für die Sieger nur eine Richtlinie, von der man abweichen konnte, wenn das (macht-)politische Interesse das verlangte. Jedenfalls in der Praxis, wenn das offiziös natürlich auch nicht so gesagt wurde.
Man brauchte starke Staaten als Gegengewicht gegen das Deutsche Reich. Also Großpolen (mit Seezugang), Jugoslawien, Tschechoslowakei.
Wobei ich die Zerschlagung ÖUs und des Osman. Reiches von Seiten der Westmächte eher für kontraproduktiv halte, aber man sah in denen wohl nur die "Unterstützer der Deutschen".
 
Im Frankfurter Frieden, der im Mai 1871 geschlossen worden war, wurde Frankreich eine Zahlung von 5 Milliarden Goldfranken auferlegt. Das war für damalige Verhältnisse eine enorme Summe.

Des Weiteren wurde die Abtretung Elsass-Lothringens durchgesetzt, was in der Folge eine wirkliche Aussöhnung und Normalisierung der Beziehungen zwischen dem Deutschen Reich und Frankreich nachhaltig behinderte.

Im Abhängigkeiten der Zahlungen der französischen Regierung wurde das Räumen der von deutschen/preußischen Truppen besetzten Gebiete geregelt.

So steht dann im Artikel 8 u.a. zu lesen, das "die deutschen Truppen werden auch ferner in den besetzten Gebieten sich der Requisitionen in Naturalien und in Geld enthalten; da aber dieser ihrer Verpflichtung die von der Französischen Regierung wegen ihrer Verpflegung übernommenen Verpflichtungen gegenüberstehen, so sollen die Deutschen Truppen, wenn die Französische Regierung ungeachtet wiederholter Aufforderungen der Deutschen Regierung in Ausführung der gedachten Verpflichtungen zurückbleiben sollte, das Recht haben, sich das Nöthige für ihre Bedürfnisse durch Erhebung von Steuern und Requisitionen in den besetzten Departements und, wenn deren Hülfsmittel nicht hinreichen sollten, selbst außerhalb derselben zu beschaffen."

Im Artikel 3 heißt es dann "Die Französische Regierung wird der Deutschen Regierung die Archive, Dokumente und Register übergeben, welche die bürgerliche, militärische oder gerichtliche Verwaltung der abgetretenen Gebiete betreffen. Sollten einige dieser Aktenstücke fortgeschafft worden sein, so wird die Französische Regierung dieselben auf Verlangen der Deutschen Regierung wieder zurückgeben."
 
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