Marneschlacht 1914 - Wahrnehmung und Wirkungen

silesia

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Nachdem "Ströme von Blut geflossen waren, flossen Ströme von Tinte". Daher ist eine Bestandsaufnahme der Deutung der Marneschlacht interessant. Der Kulminationspunkt des Sommer-Feldzuges 1914 lag an der Marne, die Umsetzung der Schlieffen-Idee war umstritten als Flucht nach vor, als kalkuliertes Risiko, als Hazard-Feldzug, als Verhängnis, als Wirken "höherer Mächte im Schicksalskampf", als verschenkter Sieg, als Folge persönlicher Schwächen.


- der "Betriebsunfall" führte zunächst bei Moltke, dann bei Falkenhayn und anderen zur Erkenntnis, der Krieg sei nun nicht mehr zu gewinnen. Die Politik wurde dagegen verzögert informiert, eine Option zum "billigen Frieden" bzw. Verhandlungsfrieden 1914 wurde nicht ergriffen. Die mangelnde Information der Öffentlichkeit führte nicht rechtzeitig zur Eindämmung der Kriegsziele.


- bzgl. der Öffentlichkeit wurde gezielte Desinformation betrieben, die über den Schock der Niederlage und in den Nachkriegsjahren auf Grundlage Unmengen von Rechtfertigungsschriften zur Legendenbildung führte. Dem schloß sich selbst das Reichsarchiv (Der Weltkrieg 1914-1918) an, indem "höhere Mächte" zur Erklärung bemüht wurden und das Einheitsprinzip von politischer und militärischer Führung im Krieg postuliert wurde (Napoleon, Friedrich).


- anknüpfend auch an das Reichsarchiv ergaben sich eine Forderungen bzgl. des Führungsprinzips, als deren Kulmination der Führungsanspruch bzw. das Führungsgebaren Hitlers im Zweiten Weltkrieg gesehen werden kann: Realisierung der nationalen Wahrnehmung von Fehlern aus dem Weltkrieg. Die Marneschlacht legte den Grundstein der Akzeptanz, auch in der höchsten Krise.


- die Marneschlacht als früheste "Version" einer Dolchstoßlegende: die fehlenden Rüstungsanstrengungen und die Verletzung der Schlieffenschen Ressourcenplanungen führten zur Niederlage. Die Niederlage wurde konsequent in einen (verpaßten) Sieg umgedeutet. Gerade die Logistik und die hohe Abnutzung und Erschöpfung (wäre ein begrenzter Sieg am 9.9.1914 möglich gewesen), wurde ausgeblendet.


- die tiefe Prägung des deutschen Militärs, geradezu die Psychose für den Zweiten Weltkrieg, keinen zu frühen Abbruch der Schlacht vorzunehmen - als Gipfel die Aussage Rundstedts in Nürnberg, der Krieg sei nach der Landung in der Normandie verloren gegangen, und nach Stalingrad nicht mehr zu gewinnen gewesen. Die Flankenfurcht und die Angst vor der operativen Lücke sind ein weiterer Aspekt, bis hin zu Arras und Dünkirchen 1940.


- die Personalisierung der Niederlage im Zeitalter industriell geführter und letzlich entschiedener Kriege zur kollektiven Verarbeitung: "wäre der Hentsch nachts gegen den Baum gefahren, hätten wir die Schlacht am 9.9.1914 gewonnen. In allen vorgeführten Szenarien war allerdings immer nur ein "billiger"/ordinärer Sieg am 9.9.1914 möglich, das Cannae in Frankreich dagegen nie.

Gibt es weitere Aspekte der Schlacht? Wie umstritten sind diese Aussagen?
 
- der "Betriebsunfall" führte zunächst bei Moltke, dann bei Falkenhayn und anderen zur Erkenntnis, der Krieg sei nun nicht mehr zu gewinnen. Die Politik wurde dagegen verzögert informiert, eine Option zum "billigen Frieden" bzw. Verhandlungsfrieden 1914 wurde nicht ergriffen. Die mangelnde Information der Öffentlichkeit führte nicht rechtzeitig zur Eindämmung der Kriegsziele.


- bzgl. der Öffentlichkeit wurde gezielte Desinformation betrieben, die über den Schock der Niederlage und in den Nachkriegsjahren auf Grundlage Unmengen von Rechtfertigungsschriften zur Legendenbildung führte. Dem schloß sich selbst das Reichsarchiv (Der Weltkrieg 1914-1918) an, indem "höhere Mächte" zur Erklärung bemüht wurden und das Einheitsprinzip von politischer und militärischer Führung im Krieg postuliert wurde (Napoleon, Friedrich).


Gibt es weitere Aspekte der Schlacht? Wie umstritten sind diese Aussagen?

Als Ergänzung:
Die Kriegsziele im sogenannten "September Programm", und was für Ziele! wurden erst nach dieser Niederlage verkündet.

Das rundet das Bild doch irgendwie ab.
 
- der "Betriebsunfall" führte zunächst bei Moltke, dann bei Falkenhayn und anderen zur Erkenntnis, der Krieg sei nun nicht mehr zu gewinnen. Die Politik wurde dagegen verzögert informiert, eine Option zum "billigen Frieden" bzw. Verhandlungsfrieden 1914 wurde nicht ergriffen. Die mangelnde Information der Öffentlichkeit führte nicht rechtzeitig zur Eindämmung der Kriegsziele.

Für Moltke war es leicht, solche Einsichten zu haben bzw. diese zu ventilieren. Er befand sich ja nicht mehr in Amt und Würde. Das einzige wozu er sich gefiel, war gegen sein Nachfolger Falkenhayn zu integrieren.

Immerhin hat Falkenhayn Bethmann Ende 1914 reinen Wein eingeschenkt und festgehalten, das der Krieg nicht mehr gwonnen werden könne. Wenn der Krieg nicht verloren ginge, sei dies bereits ein Gewinn. Das war für den höchsten Militär des kaiserlichen Heeres einesehr bemerkenswerte Erkenntnis und Realitätssinn.
Falkenhayn hat von Bethmann gefordert, das dieser nunmehr mit Frankreich oder dem Zarenreich, am besten mit beiden Mächten, ein Frieden herbeizuführen sei. Der Krieg sei denn gegen den eigentlichen "Erzfeind" Großbritannien fortzuführen. Bethmann hat sich nun aber nicht gerade überschlagen, um Falkenhayn seiner Forderung nachzukommen. Behtmann traute seinen Ohren nicht, denn er hat wohl noch sehr genau Falkenhyns massives Eintretenfür den Krieg in der Julikrise im Gedächtnis. Außerdem war Bethmann nicht gerade ein Fan von Falkenhayn, ja er schätzte ihn und seine fachliche Kompetenz nicht besonders hoch ein.
 
Für Moltke war es leicht, solche Einsichten zu haben bzw. diese zu ventilieren. Er befand sich ja nicht mehr in Amt und Würde. Das einzige wozu er sich gefiel, war gegen sein Nachfolger Falkenhayn zu integrieren.

Es gibt zitierte Quellen bei Fischer, wonach in den Stäben durchaus Mitte Spetember 1914 die Einsicht herrschte, der Krieg sei nun nicht mehr zu gewinnen. Bezüglich der Weitergabe dieser Einsichten an die Politik wurde aber wohl zögerlich gehandelt.

Die Wirkung hiervon ist der fortgesetzte Rauschzustand, der sich schon im August ergeben hatte. Sicher kam es danach viel komplizierter, , erst gegen drei große Mächte, dann vier, dann fünf, und zunächst hielten die Fronten. Entscheidend war aber, dass das Blitzkriegskonzept gescheitert war und für das Abnutzungskonzept keine Vorsorge getroffen war. Die ganze Tragweite des Fiaskos muß einem Moltke schlagartig klar geworden sein, weswegen man ihm den Kollaps durchaus abnehmen kann. Das passierte dem Jüngeren, dem Schlieffen 1905 mit auf den Weg gegeben hatte, dass die Mächte keinen Landkrieg gegen den deutschen Generalstab wagen würden, der das Geheimnis des Sieges gebucht hatte.

Soweit man das aus den Quellen entnehmen kann, waren wohl schon vor den Anstrengungen Sept-November 1914, also an der Marne, die deutschen Truppenkörper arg strapaziert und ausgezehrt. Nicht nur bzgl. der angeblichen Verwechselung von 1., 2. und 3. Armee wurde von "Schlacke" gesprochen.
 
Bzgl. der Schwächungen der deutschen Korps bei der 1.- 3. Armee habe ich zur Zeit keine detaillierten Angaben zur Hand. Wenn man die Vormarschkämpfe berücksichtigt, sowie die diversen Truppenabgaben und Festsetzungen im belgischen Hinterland, sind ggf. die bayerischen Zahlen ein Anhaltspunkt. Vor ihrer Verlegung an den westlichen Flügel wiesen sie in dem ersten Kriegsmonat Verluste von durchschnittlich 25% auf (Schlacht in Lothringen). Dabei ist zu berücksichtigen, dass hier keine Verbände im "Hinterland" beim Vormarsch stehen bleiben mußten, wie am rechten deutschen Flügel der Fall. Die Schwächung der Verbände am rechten Flügel (1. bis 3. Armee) in dieser Ausgangslage muß vielmehr auf bis zu 50% geschätzt werden. Zwar gab es laufend nachgeführten Ersatz, dabei ist aber zu berücksichtigen, dass dieser nicht mehr dem Ausbildungsstand der mobilisierten Armeen entsprachen, die hohen Unteroffiziers- und Offiziersverluste konnten überhaupt nicht angemessen ersetzt werden.

Die Umschichtung der Kräfte wurde von Moltke bereits am 5.9.1914 angeordnet. An diesem Tag erging an die 6. und 7. Armee am linken Flügel der Auftrag, jeweils ein Armeekorps sowie eine Kavalleriedivision abzugeben. Die Schwächungen auf dem Vormarsch am rechten Flügel litten also schon vor dem Rückzug unter dem Problem, dass der Angriff nicht mehr aus der Tiefe genährt werden konnte. Die Umschichtung traf indes auf das Problem, dass nur eine Eisenbahnstrecke vom linken zum rechten Flügel verfügbar war: Trier-Gerolstein-Aachen-Lüttich-Brüssel-Mons. Die OHL hing hier im Übrigen der Entwicklung hinterher, da die frz. Truppen bereits vor dem 5.9., und dazu mit dem Vorteil der schnelleren und qualitativ besseren inneren Linien, mit Verschiebungen aus Lothringen begonnen hatten (Richtung Amiens-Paris). Dieser Umstand ist beachtenswert, da er auch bei anderer Entwicklung an der Marne - weiterem deutschen Vormarsch und "erfolgreichem 9. September" - zu einer Umkehrung der Kräfteverhältnisse geführt hätte. Dagegen wären bei weiterem Vormarsch=größeren Entfernungen die deutschen Verschiebungen entsprechend später eingetroffen.
Datei:Battle of the Marne - Map.jpg ? Wikipedia

Die Maßnahme reichte Moltke jedoch nicht aus: noch am 8. September nachmittags vor der krisenhaften Zuspitzung und dem Rückzug an der Marne erging der Befehl an die 6. und 7. Armee am linken Flügel in Lothringen, die bislang zugeteilte schwere Artillerie sowie weitere Divisionen abzugeben. Die bisherigen Kräfte in Lothringen wurden zusammengelegt in der 6. Armee, während in Belgien eine neue 7. Armee errichtet wurde. Für diese Armee wurden nun sogar von der in laufender Reihe links stehenden 5. Armee Kräfte abberufen. Nach einigem Durcheinander, zeitweiligem Stopp der Umgruppierung, wurden schließlich am 9.9. auch noch das II. und III. bay. AK sowie das XXI. AK auf den rechten Flügel geworfen, zusätzlich wurden in Belgien Kräfte freigemacht. An diesen Maßnahmen ist ablesbar, dass dem rechten Flügel an der Marne nicht etwa nur einige Divisionen oder 2-3 Korps "in der Tiefe" zur Nachführung fehlten.

Die Umgruppierung erzeugte eine Überbeanspruchung des Eisenbahnwesens. Gelang noch die Vorführung des I. bay. AK vom 6.9. bis 10.9. nach Metz, ging es von da aus nur schleppend voran. Die Schienenstrecken zum rechten Flügel (1. Armee) schafften statt 40 Züge täglich nur kalkulierte 27 Züge (=etwa eine Division), zudem ergaben sich Zugausfälle und Verzögerungen durch einige Unfälle. Die Weiterführung eines Korps über die Reststrecke dauerte daher vom 13.9. bis zum 17.9. an. Es hätte sich noch höherer Zeitbedarf ergeben, wenn die 1. -3 Armee sich nicht in der Rückwärtsbewegung befunden hätte, also quasi "entgegenkamen". Die so anrückende neue 7. Armee wurde sofort verzettelt, und mußte mit Teilkräften in kritischer Lage in die 40km breite Lücke zwischen 1. und 2. Armee geschoben werden.

Die Zuführung der neuen Kräfte fanden zudem in einem Wettlauf der Umgruppierung mit den frz. Armeen statt. Diese versuchten fortwährend durch immer neue Kräftebildungen westlich/nordwestlich der 1. Armee, diese entscheidend zu umfassen, woraufhin weitereTeile der neuen 7. Armee in diese Räume geworfen werden mußten. Hinter und am bedrohten rechten Flügel gelang es jedenfalls vom 6.-17.9., die Divisionen von 8 nachgeführten deutschen Armeekorps einzuschieben (I., II., III. bay. AK, VI., XII., XVIII. AK, IX. ResK). Zusätzlich war mit der Vorführung der sechs weiteren Korps (XXII.- bis XXVII. ResK) kurzfristig zu rechnen).

Mit dieser Verschiebung wurde Moltke am 15.9. durch Falkenhayn abgelöst. Kurzzeitig wurde am ersten Tag von Falkenhayn eine neue Flankenverschiebung erwogen, um links der Mitte bei Brüssel und Namur einen Schwerpunkt zu setzen (wo die Versammlung der anrollenden Verstärkungen leichter und schneller möglich war). Dieses wurde wegen der starken frz. Kräftebildungen am rechten Flügel aber sofort verworfen, der Wettlauf um den rechten Flügel und die Annahme der Schlacht stand bevor.


Verdeutlich man sich diese Entwicklungen, dann wird klar, dass die Verschiebungen bereits im Wesentlichen den frz. Umgruppierungen - also reaktiv - folgten. Selbst mit 2-3 bereits verfügbaren Korps im Nachzug am 7.9.1914 (logistische Probleme außer Acht gelassen) wäre es bei weiterem Vormarsch der geschwächten deutschen Verbände nicht gelungen, die frz. Armeen zu umfassen oder in der Nachführung die Gefahr der Umfassung zu beseitigen. Die allierten Truppen hatten vielmehr bereits die entscheidende Schwerpunktverlagerung eingeleitet. Rein hypothetisch hätten sie im Zuge dieser Verlagerung seit Anfang September auch in der Defensive angetroffen werden können. Dann hätte sich im weiteren deutschen Vormarsch gegen anrollende starke Verbände östlich/nördlich Paris eine Abwehrschlacht entwickelt, die den Verteidiger begünstigt hätte. Nun entwickelte sich stattdessen eine Begegnungsschlacht am rechten Flügel. Deren Ablauf ist mit dem gedachten weiteren Vormarsch (nach einem deutscherseits "erfolgreichen" 8./9. September) nicht zu vergleichen. Ein Anhaltspunkt liefert allerhöchstens das Ergebnis der zerschellten deutschen Angriffe bis zum November 1914 auf diesen verstärkten Flügel der Westalliierten: Die Entscheidung war auch mit massiven Verstärkungen nicht mehr erzwingbar.
Datei:Race to the Sea 1914.png ? Wikipedia

Schlußfolgerung: sobald der rechte deutsche Umfassungs-Flügel auf eine stärkere Gruppierung trifft (die noch dazu vom 8. bis 17.9 massive Verstärkungen erfuhr), kommt er aufgrund der Vorteile der Defensive zu Stehen. Eine für den Durchbruch notwendige Relation 3:1 war auf dem rechten Flügel nicht herstellbar, selbst wenn die Heeresverstärkung 1912/13 um etliche Armeekorps größer - als tatsächlich erfolgt - ausgefallen wäre.

Literatur:
Reichsarchiv, Der Weltkrieg 1914-1918, Bände 2-4
Reichsarchiv, Schlachten des Weltkriegs, Bände 22-26 (Das Marnedrama 1/4)
Bayerisches Kriegsarchiv, Der Wettlauf um die Flanke in Nordfrankreich, Band 1 und 2
 
Dazu der Operationsbefehl von Moltke für den 5.9.1914:
Dokument: Befehl: Der deutsche Operationsbefehl vor Beginn der Marneschlacht, 1914

"Der Gegner hat sich dem umfassend angesetzten Angriff der 1. und 2. Armee entzogen und mit Teilen den Anschluß an Paris erreicht. Meldungen und sichere Agentennachrichten lassen ferner den Schluß zu, daß der Feind aus der Linie Toul-Belfort Truppen nach Westen befördert, sowie daß er an der Front der 3.-5. Armee ebenfalls Armeeteile herauszieht."
Dieses Problem ist keine Frage der Kräfteverteilung der deutschen Flügel, sondern der Vormarschgeschwindigkeit. Die Umfassung ist definitiv gescheitert, zumal sich die frz. Truppen östlich an den Festungsgürtel Paris als "Drehtür" anlehnen konnten. Jeder gedachte deutsche Vorarsch wäre vörwärts der Seine aufgelaufen, da eine Überlegenheit gegenüber der Defensive von 2:1 oder 3:1 nicht mehr herstellbar war. Die bereits angelaufene Umgruppierung der frz. Armeen war klar erkannt:
"Ein Abdrängen des gesamten französischen Heeres in südöstlicher Richtung gegen die Schweizer Grenze ist somit nicht mehr möglich."


Rätselhaft ist dieses:
"Die Marneübergänge von Chateau-Thierry abwärts sind für einen Uferwechsel besetzt zu halten."
Ist darin schon der Gedanke des notwendigen Rückzuges angedeutet? Oder ist der offensive Uferwechsel der 1. Armee gemeint, was erstaunlich wäre. Der weitere Vormarsch der 1. Arrmee war von der Kräfteballung um Paris (im Rücken) bedroht. Also doch Rückzugswege?

Als Hintergrund des Befehls ist die am 5.9. angelaufene Verstärkung des rechten Flügels durch Armeekorps aus Lothringen zu erwähnen, der letztlich den gleichlaufenden frz. Umgruppierungen folgt. In Verbindung mit den Anweisungen ist erkennbar, dass Moltke nun eine Entscheidungsschlacht vor Paris vorschwebte:
"Die 1. und 2. Armee verbleiben gegenüber der Ostfront von Paris, um feindlichen Unternehmungen aus Paris offensiv entgegenzutreten"
[und wurden hierfür massiv verstärkt]
 
Soweit man das aus den Quellen entnehmen kann, waren wohl schon vor den Anstrengungen Sept-November 1914, also an der Marne, die deutschen Truppenkörper arg strapaziert und ausgezehrt. Nicht nur bzgl. der angeblichen Verwechselung von 1., 2. und 3. Armee wurde von "Schlacke" gesprochen

Falkenhayn sprach in diesem Zusammenhang von einem "zertrümmerten Werkzeug."

Immerhin muss man den jüngeren Moltke zu gute halten, das er 1912 eine Heeresvermehrung von 3 Armeekorps, also gut 300.000 Mann, beantragt hat, die der damalige Kriegsminister von Heeringen nicht akzeptabel fand. Heeringen ging die Qualität über alles und bei so einer starken Heeresvermehrung bangte er um eben dieser Qualität. Moltke und Ludendorff haben in ihrer Großen Denkschrift ja dann auch bezeichnenderweise hinsichtlich der Erfolgsaussichten gegen Frankreich zum Ausruck gebracht, Hier ist eine rasche Entscheidung zu erhoffen."
Erst 1913 gelang es eine große Heeresvermehrung um über 130.000 Mann politisch durchzusetzen.

Bethmann Hollweg schrieb an seinem Vertrauten Eisendecher folgende interessante Zeilen:
Am schwersten hat mich der Eindruck belastet, den mich die Militärs in unsere Stärkeverhältnisse für den Fall des Krieges haben tun lassen. Man muß schon ein gut Teil Gottvertrauen haben und auf die russische Revolution als Bundesgenossen rechnen, wenn man einigermaßen ruhig schlafen will. Ob der Flotte haben wir die Armee vernachlässigt und uns mit der Flottenpolitik gleichzeitigt ringsrum Feinde geschaffen." (1)

Bezüglich der Weitergabe dieser Einsichten an die Politik wurde aber wohl zögerlich gehandelt.

Vollkommen korrekt. Man hat sich nämlich noch bis in dem November damit , also gut 2 Monate, Zeit gelassen. Falkenhayn meinte erst noch sein "Glück" bei Ypern versuchen, das Ergebnis ist bekannt, zu müssen, während Moltke sich in einem Brief gegenüber seiner Frau schon am 08.September beträchtliche Zweifel zum Ausdruck brachte.

Schon der älteren Moltke hat schon 1890 in seiner letzten äußerst bemerkenswerten Reichstagsrede zum Ausdruck gebracht, das der nächste Krieg ein siebenjähriger oder gar dreißigjähriger Krieg sein könnte. Diese Erkenntnis hätten später die Herren im Kriegsmnisterium und Generalstab auch haben können.

Man hätte also durchaus besser vorbereitet sein können, vorallem wenn man auch die Erkenntnisse des rusisch-japanischen Krieges mit berücksichtigt hätte.

(1) Hildebrand, reich, S.343, hier zitiert nach Stein, Heeresrüstungspolitik,S.328, Paderborn 2007
 
Zuletzt bearbeitet:
Immerhin muss man den jüngeren Moltke zu gute halten, das er 1912 eine Heeresvermehrung von 3 Armeekorps, also gut 300.000 Mann, beantragt hat, die der damalige Kriegsminister von Heeringen nicht akzeptabel fand. Heeringen ging die Qualität über alles und bei so einer starken Heeresvermehrung bangte er um eben dieser Qualität. Moltke und Ludendorff haben in ihrer Großen Denkschrift ja dann auch bezeichnenderweise hinsichtlich der Erfolgsaussichten gegen Frankreich zum Ausruck gebracht, Hier ist eine rasche Entscheidung zu erhoffen."
Erst 1913 gelang es eine große Heeresvermehrung um über 130.000 Mann politisch durchzusetzen.

Für die politische Durchsetzung gab es eine Vorab-Information im kleineren Kreis (Ausschuß des Reichstages). Dabei wurde ein düsteres Bild der deutschen Heereslage gemalt, insbesondere hinsichtlich des ständigen Anwachsens der russischen Stärke. Moltke breitete dabei Teile des Schlieffenplanes vor den Abgeordneten aus, gerade um die Verstärkung mit den Schlieffenschen Kräfteberechnungen zu belegen, und legte auch die geplante Verletzung der belgischen Neutralität (ggf. zusätzlich des Maastricht-Zipfels) offen. Der Sachvortrag soll eine gewisse Schockwirkung erzeugt haben. Zur Abschmückung und pro forma wurden dann einige Kavallerieeinheiten aus der Vorlage gestrichen.

Vom "Aufmarsch Ost" war beim Lagevortrag im Ausschuß keine Rede mehr, was im Rahmen der Fischer-Kontroverse als ein Indiz für den 1912/13 gedanklich bereits beschlossenen kurzfristigen Präventivschlag gesehen wurde.

Förster: Der doppelte Militarismus: Die deutsche Heeresrüstungspolitik
 
Bzgl. der Schwächungen der deutschen Korps bei der 1.- 3. Armee habe ich zur Zeit keine detaillierten Angaben zur Hand.

Das möchte ich noch nachtragen, da die Iststärken ein aufschlußreiches Bild für die hitzige Diskussion über den deutschen Rückzug bilden.

Die Soll-Gefechtsstärke eines Regiments am 2.8.1914: rd. 3.400 Mann; zum Vergleich die Gefechtsstärken an der Marne:

1. Armee:
3. ID: .......Regimenter zwischen rd. 1400 und 1800
4. ID: .......Regimenter zwischen rd. 1300 und 2400
5. ID: .......Regimenter zwischen rd. 1800 und 2800
6. ID: .......Regimenter zwischen rd. 1500 und 2400
7. ID: .......Regimenter zwischen rd. 1100 und 2000
8. ID: .......Regimenter zwischen rd. 1400 und 2400
17. ID: .....Regimenter zwischen rd. 1700 und 2100
18. ID: .....Regimenter zwischen rd. 1100 und 2000
7. Res.D: ..Regimenter zwischen rd. 1200 und 2300
22. Res.D: Regimenter zwischen rd. 1200 und 2000
(Stand nach Meldungen 11.9.1914)

2. Armee:
13. ID: .....Regimenter zwischen rd. 2400 und 2700
14. ID: .....Regimenter zwischen rd. 1500 und 2700
2. Garde-Res.D: Regimenter zwischen rd. 1100 und 1300
19. Res.D: Regimenter zwischen rd. 1200 und 2000
19. ID: .....Regimenter zwischen rd. 800 und 1700
20. ID: .....Regimenter zwischen rd. 1100 und 1800
1. Garde-ID: Regimenter zwischen rd. 1400 und 1700
2. Garde-ID: Regimenter zwischen rd. 1300 und 1700
32. ID: .....Regimenter zwischen rd. 1500 und 1700
23. ResD: .Regimenter zwischen rd. 1700 und 2300
24. ResD: .Regimenter zwischen rd. 1600 und 2500
(Stand nach Meldungen am 9.9. und 10.9.1914)

Die Zahlen belegen die oben behauptete starke Schwächung. Die Armeekorps beider Armeen waren aufgrund der Verluste beim Vormarsch und diverser Abgaben in die Etappe auf Stärken von 10.000 bis 20.000 Mann zusammen geschmolzen. Aufgrund der zeitlich eher anrollenden allierten Verstärkungen sollte damit ein "Andrücken" gegen die Festungslinie und ein Vorbeimarsch östlich Paris (der weitere Abstellungen für den Rückraum bedeutet hätte) ausgeschlossen sein, auch nach einem nur gedachten, temporären Erfolg am 8./10.9.1914.
 
die Personalisierung der Niederlage im Zeitalter industriell geführter und letzlich entschiedener Kriege zur kollektiven Verarbeitung: "wäre der Hentsch nachts gegen den Baum gefahren, hätten wir die Schlacht am 9.9.1914 gewonnen.

Hier sind zwei Aspekte von Interesse. War Hentsch eigentlich von OHL namentlich Moltke eigentlich definitiv dazu autorisiert in seinen Namen den Rückzug erst der 2. und dann der 1.Armee anzuordnen?

Und weshalb haben die Oberbefehlshaber der Armeen Bülow und Kluck ohne jegliche Kontaktaufnahmen mit der OHl gehandelt?
 
die Marneschlacht als früheste "Version" einer Dolchstoßlegende: die fehlenden Rüstungsanstrengungen und die Verletzung der Schlieffenschen Ressourcenplanungen führten zur Niederlage.

Na ja, der Schwerpunkt der Rüstung lag in den letzten Jahren vor dem Weltkrieg bis 1912 ganz eindeutig bei der Marine, obwohl man eigentlich hätte es besser wissen müssn. Die phasenweise numerische Überlegenheit der französischen Armee, trotz deutllich geringerer Bevölkerungszahl, war ja kein großes Geheimnis. Gleiches gilt für die russische Armee, inbesondere wenn die Beschlüsse zur personellen Verstärkung der Armee von 1913 Wirklichkeit geworden wären, hätte es düster ausgesehen.

Man darf sich also vor diesem Hintergrund durchaus die Frage stellen, ob der Kriegsminister aber auch der Generalstabschef des Heers nicht hätten deutlich mehr tun müssen?
 
Zuletzt bearbeitet:
Das möchte ich noch nachtragen, da die Iststärken ein aufschlußreiches Bild für die hitzige Diskussion über den deutschen Rückzug bilden.

Die Soll-Gefechtsstärke eines Regiments am 2.8.1914: rd. 3.400 Mann; zum Vergleich die Gefechtsstärken an der Marne:

1. Armee:
3. ID: .......Regimenter zwischen rd. 1400 und 1800
4. ID: .......Regimenter zwischen rd. 1300 und 2400
5. ID: .......Regimenter zwischen rd. 1800 und 2800
6. ID: .......Regimenter zwischen rd. 1500 und 2400
7. ID: .......Regimenter zwischen rd. 1100 und 2000
8. ID: .......Regimenter zwischen rd. 1400 und 2400
17. ID: .....Regimenter zwischen rd. 1700 und 2100
18. ID: .....Regimenter zwischen rd. 1100 und 2000
7. Res.D: ..Regimenter zwischen rd. 1200 und 2300
22. Res.D: Regimenter zwischen rd. 1200 und 2000
(Stand nach Meldungen 11.9.1914)

2. Armee:
13. ID: .....Regimenter zwischen rd. 2400 und 2700
14. ID: .....Regimenter zwischen rd. 1500 und 2700
2. Garde-Res.D: Regimenter zwischen rd. 1100 und 1300
19. Res.D: Regimenter zwischen rd. 1200 und 2000
19. ID: .....Regimenter zwischen rd. 800 und 1700
20. ID: .....Regimenter zwischen rd. 1100 und 1800
1. Garde-ID: Regimenter zwischen rd. 1400 und 1700
2. Garde-ID: Regimenter zwischen rd. 1300 und 1700
32. ID: .....Regimenter zwischen rd. 1500 und 1700
23. ResD: .Regimenter zwischen rd. 1700 und 2300
24. ResD: .Regimenter zwischen rd. 1600 und 2500
(Stand nach Meldungen am 9.9. und 10.9.1914)

Die Zahlen belegen die oben behauptete starke Schwächung. Die Armeekorps beider Armeen waren aufgrund der Verluste beim Vormarsch und diverser Abgaben in die Etappe auf Stärken von 10.000 bis 20.000 Mann zusammen geschmolzen. Aufgrund der zeitlich eher anrollenden allierten Verstärkungen sollte damit ein "Andrücken" gegen die Festungslinie und ein Vorbeimarsch östlich Paris (der weitere Abstellungen für den Rückraum bedeutet hätte) ausgeschlossen sein, auch nach einem nur gedachten, temporären Erfolg am 8./10.9.1914.


Dankeschön für diese beeindruckenden Zahlen! Ich frage mich aber schon, was Moltke angesichts dieser Zahlen geritten hat,sie werden ihn ja wohl nicht unbekannt gewesen sein, dann noch Truppen in den Osten zu verlegen. Moltke wird sicher Kenntnis darüber gehabt haben, wie viel Zeit es in Anspruch nimmt, bis diese dann in Osten ankommen.
 
Mich würde Spiegelstrich 1) von #1 näher interessieren.

Der deutschen Armee fehlte in den ersten Monaten die Führung (Moltke war nach eigener Einschätzung ein "Militärprofessor", zu allem Unglück war er im entscheidenden Augenblick schwer krank). Warum, frage ich mich, kam es danach wieder zu einer Fehlbesetzung? Als Moltke 1906 berufen wurde, galten C. von der Goltz oder H. von Beseler als die fähigsten Nachfolger Schlieffens, neben Moltke wurden noch Hindenburg und Bülow als (weitere) Kandidaten genannt. Falkenhayn nicht. Warum ist Falkenhayn ernannt worden (zumal sich nach Tannenberg Hindenburg/Ludendorff in Erinnerung gebracht haben)?

Wann gab Falkenhayn den Krieg verloren? 1914, als er in Ypern anstürmen ließ und - das ist das wesentliche - diese Schlacht nicht abbrach, haben die deutsche (und ö-u) Armee im Weichselbogen 6 russische Divisionen zu drei Viertel eingekreist. An Mannzahl deutlich schwächere deutsche Einheiten hatten die 2. russische Armee fast eingekesselt (etwa 300.000 Russen, also das dreifache Tannenberg war greifbar nahe, von einer evtl. Bedrohung der 1. russischen Armee will ich gar nicht sprechen). Von einer solchen Niederlage bei Lodz hätte sich Russland (schon wegen des Materialverlusts) nicht erholen können.

Hier sehe ich das eigentliche Problem der Marneschlacht. Diese war vorbei. Da war nichts mehr zu machen. Aber im Osten gab es sofort verwertbare Möglichkeiten. Diese Chance wurde nicht ergriffen. Dafür setzte der neue Generalstabschef Falkenhayn auf Materialschlachten.

Der nicht beliebte, aber von allen anerkannte Schlieffen (Wilhelm II. bezeichnet ihn als "genial") hatte gelehrt, dass Materialschlachten für Deutschland ungünstig sind. Dennoch hatte man diese Erkenntnis in einem sicherlich problematischen, aber keineswegs aussichtslosen Moment nicht berücksichtigt. Warum?
 
Wann gab Falkenhayn den Krieg verloren

Wenn mich nicht alles täuscht, hat Falkenhayn am 18.November 1914 Bethmann seine Schlußfolgerungen unterbreitet.


Warum ist Falkenhayn ernannt worden (zumal sich nach Tannenberg Hindenburg/Ludendorff in Erinnerung gebracht haben)?

Falkenhayn hat den Verlauf der Offensive im Westen ab einen gewissen zeitpunkt, ich weiß leider nicht das exakte Datum, mit einer deutlichen Skepsis verfolgt und machte daraus auch keinen hehl. Moltke hat ihn beispielsweise kurzerhand einfach mit der Bemerkung, das ihr Operationen nichts angingen, rausgeworfen. Wilhelm äußerte sich am 12.September dahingehend, sein Vertrauen zu Moltke war bereits dahin, das Falkenhayn ihn zur Seite stehen sollte. Am 12.September war Falkenhayn auch schon bereits bei Moltkes Lagevortrag dabei. In den nächsten Tagen ging es mit Moltke immer mehr bergab und Marschall und Lynker haben Wilhelm dann am 14.09. Falkenhayn als Cehf des Generalstabes ins Gespräch gebracht. Wilhelm hat sofort akzeptiert.

Afflerbach, Falkenhayn, S.179ff, München 1996
 
Zuletzt bearbeitet:
Mal wieder eine Ableitung:
Ich besitze ein Buch "Wir halten aus", das wohl ein Weihnachtsgeschenk 1914 war, das Buch endet mit der Nachricht von der Einnahme von Antwerpen.

Die Floskel "Wir halten aus" bezieht sich dabei auf die "Heimatfront". Ich möchte daraus ableiten, dass wohl schon im Oktober 1914 auch "zu Hause" klar wurde, dass es einen längeren Krieg mit größeren Einschränkungen geben würde.
Warum sonst "Durchhalteromane"

Momma, "Wir halten aus", Enßlin und Laiblin Reutlingen 1914
 
Deine erste Anmerkung, turgot, finde ich deswegen interessant, weil die sprachlich pointierste Kritik an Falkenhayn bezüglich seines Festhaltens an der Ypern-Operation von Bethmann kommt. Ich weiß leider nicht mehr, wo ich sie gelesen habe, aber vielleicht kennt sie einer der Diskussionsteilnehmer.
 
Na ja, der Schwerpunkt der Rüstung lag in den letzten Jahren vor dem Weltkrieg bis 1912 ganz eindeutig bei der Marine, obwohl man eigentlich hätte es besser wissen müssn.

Ich suche dazu mal Zahlen heraus, vorab Folgendes aus der Hand: die Marine hatte in den Jahren 1907-1913 nicht mehr als 25%-Anteil des Militärhaushalts.


Ich frage mich aber schon, was Moltke angesichts dieser Zahlen geritten hat,sie werden ihn ja wohl nicht unbekannt gewesen sein, dann noch Truppen in den Osten zu verlegen.
Angesichts der übrigen Auszehrung (die Rückhaltungen in Belgien sind wohl nach unklarer Lage nicht zu beanstanden) hätten die zwei Korps in der Marneschlacht mE nichts gebracht, lediglich Stabilität beim Rückzug und somit einen früheren Übergang zum Stellungskrieg. Damit war nichts erreicht, siehe den Kräftebedarf oben.


Wann gab Falkenhayn den Krieg verloren? 1914, als er in Ypern anstürmen ließ und - das ist das wesentliche - diese Schlacht nicht abbrach, ...
Hier sehe ich das eigentliche Problem der Marneschlacht. Diese war vorbei. Da war nichts mehr zu machen. Aber im Osten gab es sofort verwertbare Möglichkeiten.

Das übersieht den Wettlauf um die rechte Flanke, die direkte weitere Folge des 9.9.1914 aufgrund der Dynamik in den Kräfterelationen. Hier ging es bis Oktober zunächst und permanent um die Umfassung des rechten deutschen Flügels. Da war nichts an Truppen zum Osten abziehbar, um nicht die Vernichtung des rechtens Flügels zu riskieren. Mit diesem Bewegungskrieg war Ypern ein Versuch, die Truppenüberlegenheit der Westmächte (2,3 Mio. zu 1,7 Mio.) zum Patt abzuschneiden; der Ausgang im Osten war nicht absehbar und würde aus Sicht 1914 keine Entscheidung auch bei hohen russischen Verlusten bringen. Ich würde die Idee schon als Verzweifelungstat ansehen, um diese Pattsituation zu erreichen. Die erste Flandernschlacht ergab sich somit aus dem fehlgeschlagenen Versuch der Allierten, die Umfassung zu erreichen. Damit riskierte man selbst ein Abschneiden an der Küste, eine Folge des Fehlschlags: man war zu weit nach Norden marschiert. Falkenhayns Versuch war daher eine flexible reaktion auf die neue Lage, imho durchaus operativ berechtigt, um den drohenden langwierigen Stellungskrieg mit britischer Blockade zu vermeiden.


Noch zu Schlieffen: ich glaube, die volle Tragweite des Scheiterns an der Marne war ihm am 10.9.1914 klar, auch wenn er nach einigen Darstellungen noch Zweckoptimismus verbreitet hat. Ich habe in Erinnerung, seine Briefe verraten anderes. Das muß den Mann schier erdrückt haben.
 
Ergänzung: Kräfteverhältnis am rechten Flügel während der Marneschlacht

Deutsche
1., 2. und Hälfte 3. Armee: 14 1/2 Infanteriedivisionen, 6 Res.-Inf.Divisionen, 5 Kavalleriedivisionen
alle Divisionen auf 50 bis 75% ihrer Soll-Stärke


Allierte:
6., 5. und 9. frz. Armee, Briten: 26 Infanteriedivisionen, 9 Res.Inf.Divisionen, 8 1/2 Kavalleriedivisionen
Verbände überwiegend voll aufgefüllt


nach: Sewell Tyng: The Campaign of the Marne, 2007.
 
Noch zu Schlieffen: ich glaube, die volle Tragweite des Scheiterns an der Marne war ihm am 10.9.1914 klar, auch wenn er nach einigen Darstellungen noch Zweckoptimismus verbreitet hat.
Schlieffen? "Nur die Geister von demsölben spukten noch in den Gewölben.":winke:
Wenn Du Moltke meinst, hast Du recht. Wie die von seiner Frau 1922 veröffentlichten Schriftstücke zeigen (Erinnerungen Briefe Dokumente 1877-1916), meinte er Anfang Januar 1915 noch, ein entscheidender Sieg über Rußland wäre möglich und damit "der Krieg so gut wie gewonnen" (Brief vom 10.1.1915 an Bethmann Hollweg, S. 399-401). Dazu hätte aber seiner Ansicht nach Falkenhayn in die Wüste geschickt werden müssen, dessen Strategie des Eingrabens im Westen er als das Grundübel ansah.
 
Schlieffen? "Nur die Geister von demsölben spukten noch in den Gewölben.":winke:
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Natürlich Moltke ...:rotwerd:

Da sind mir wohl die Pferde durchgegangen.


Den Brief vom Januar 1915 würde ich relativieren, da sein Zustand am im September 1914 eingehend beschrieben worden ist: ein gebrochener Mann. Ich bezog mich vielmehr auf die Briefe im August und September an seine Frau, aus denen mE hervorgeht, welche Bedeutung er dem Durchstoß östlich Paris beimaß und welche düsteren Wolken sich zusammenzogen.

Die Moltkesche Meinungsäußerung zum Osten 1915 steht dem diametral entgegen und ist wohl nachträglicher Zweckoptimismus im Angesicht der eingetretenen Realitäten, nachdem der Westen "floppte". Dort konnte man nach überschlägiger Betrachtung noch Schlachten gewinnen, aber keine Entscheidung erzwingen.
 
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