Schlachtplan

Hallo Leute
Ich habe heute zwei Anliegen, worüber ich mir schon länger Gedanken mache
Und zwar planten die Deutschen doch 1914 Frankreich nach dem Schlieffenplan zu besiegen. Diesen Plan von 1905 sahen sie als einzige Lösung, die französischen Befestungen zu umgehen. 1916 aber dann im Stellungskrieg haben sie es dann aber doch versucht, die Festungen niederzuringen (Schlacht um Verdun).
1. Warum haben sie es nicht auch 1914 schon so versucht, zumal sie ja mit der "Dicken Bertha" (420mm) auch 1914 so ein Megageschütz besaßen. Waren die Französischen Festungen selbst für diese Geschosse zu stark oder hielt man aus Prinzip an dem alten Schlieffenplan fest?

2. Hatte Deutschland eigentlich an der Westgrenze zu Frankreich Grenzbefestigungen so wie Frankreich zur deutschen Grenze? Oder rechneten die deutschen Militärs immer nur mit der eigenen Offensive und die Franzosen mit ihrer Defensive. Es ist nämlich (mir jedenfalls) nichts von einem offensiven französischen Plan bekannt. Was wäre gewesen, wenn Frankreich auf einmal offensiv geworden wäre? Dann wäre der Schlieffen-Plan ja wohl fürn A**** gewesen oder? Und was wären die Französischen Ziele dann gewesen? Berlin?
Auch an der Ostgrenze vermisse ich deutsche Befestigungen, was sich mit dem zügigen Einmarsch Russlands meines Erachtens bös rechte. Warum in allem in der Welt hatten die deutschen es nicht für nötig gehalten Befestigungen zu bauen, wo doch fast jedes andere europäische Land solche großen Anlagen besaß (Ö-U, Frankreich, Russland, Belgien)

Danke schon mal im Vorraus für eure Stellungnahmen

Gruß
Deutschritter:winke:
 
Deutschritter schrieb:
Hallo Leute

2. Hatte Deutschland eigentlich an der Westgrenze zu Frankreich Grenzbefestigungen so wie Frankreich zur deutschen Grenze? Oder rechneten die deutschen Militärs immer nur mit der eigenen Offensive und die Franzosen mit ihrer Defensive. Es ist nämlich (mir jedenfalls) nichts von einem offensiven französischen Plan bekannt. Was wäre gewesen, wenn Frankreich auf einmal offensiv geworden wäre? Dann wäre der Schlieffen-Plan ja wohl fürn A**** gewesen oder? Und was wären die Französischen Ziele dann gewesen? Berlin?
Auch an der Ostgrenze vermisse ich deutsche Befestigungen, was sich mit dem zügigen Einmarsch Russlands meines Erachtens bös rechte. Warum in allem in der Welt hatten die deutschen es nicht für nötig gehalten Befestigungen zu bauen, wo doch fast jedes andere europäische Land solche großen Anlagen besaß (Ö-U, Frankreich, Russland, Belgien)

Danke schon mal im Vorraus für eure Stellungnahmen

Gruß
Deutschritter:winke:

Im Westen war Metz Festung, Ulm, z. b., im Osten Posen, Königsberg, Thorn ebenfalls z. B., man wird mehr finden können.

Grüße Repo
 
1. Warum haben sie es nicht auch 1914 schon so versucht, zumal sie ja mit der "Dicken Bertha" (420mm) auch 1914 so ein Megageschütz besaßen. Waren die Französischen Festungen selbst für diese Geschosse zu stark oder hielt man aus Prinzip an dem alten Schlieffenplan fest?

wenn ich mich richtig erinnere, sah der Gesamtplan eine schnelle Niederwerfung Frankreichs vor, um dann die Russen im Osten zu bekriegen. Ein Kampf um die doch sehr starken franz. Festungen hätte wohl zuviel Zeit und Material/Menschen gekostet.

zu 2. noch kurz: Im Schliefenplan waren sogar deutsche Verluste im Süden mit eingeplant, man setzte auf einen gewissen Drehtüreffekt.
 
Der Schlieffen Plan - Entstehung und Kritik

Der folgende Text ist eine zusammengefasste Darstellung der Entstehung des Schlieffen Planes, diese Darstellung stammt ursprünglich von Siegfried Fiedler. (mit eigenen Worten ergänzt und umgeschrieben).

Deutschland und auch Österreich-Ungarn zählen zu den Ländern, deren Geographische Lage eine Strategie der reinen Defensive ausschließt. Die langen, offenen Grenzen rundum können unmöglich passiv verteidigt werden; keines der lebenswichtigen Zentren des Reiches befand sich damals weiter als 200 km vom Gebiet der zahlreichen potentiellen Feinde entfernt.
Deshalb entschied man sich früh schon für eine primär Offensive Strategie. Dazu kam die zeittypische Offensivdoktrin die sich zwischen 1871 und 1914 immer mehr auf die Offensive hin orientierte und wegen der Sachzwänge der Geographie in Deutschland besonders starken und frühen Anklang fand.

Für Deutschland kamen noch das Problem des Zweifrontenkrieges und die numerische Unterlegenheit gegenüber den potentiellen Kriegsgegnern hinzu. Daraus ergab sich automatisch nur eine mögliche Lösung, nämlich eine möglichst frühe Offensive mit zusammengefassten Kräften auf der einen Front, Abwehr auf der anderen, dann die Hauptmacht nach raschem Sieg dorthin zu einem zweiten Angriff herumwerfend. Diese Lösung war im Prinzip eine reine Notlösung weil keine andere Option möglich war. In seiner Denkschrift vom 27.April 1871 bezeichnete vMoltke den gleichzeitigen Krieg mit Frankreich und Russland bereits als wahrscheinlich und zugleich als "gefährlichste Probe, welche der Fortbestand des neuen deutschen Reiches auszuhalten hat."

Seit der Krieg-in-Sicht Krise 1875, als Frankreichs militärisches Wiedererstarken erkannt wurde, kam vMoltke zu dem Schluß, daß eine Teilung der Kräfte in einem Zweifrontenkrieg für das Reich zur höheren Wahrscheinlichkeit zu einer Niederlage führen würde. Die Operationen der Inneren Linie wurden in der Folge zur Grundlage der strategischen Überlegungen. 1877 entwarf vMolkte den ersten Plan der das obig beschriebene schnelle Zuschlagen an einer Front, dann das Herumwerfen der Streitkräfte an die andere beinhaltete. Das war während des Balkankrieges, der Schwerpunkt sollte hier im Westen liegen, und vMoltke sah hier die unverzügliche Schlacht in Lothringen als vordringliches Ziel an. Der Sieg sollte aber nicht bis nach Paris ausgebeutet werden, sondern nur den Status Quo sichern, die Operationsarmee sollte dann in den Osten transportiert werden wo bis dahin defensive Heeresteile die Weichsellinie schützen sollten.

Im Fall eines mißglückten Schlachverlaufs gegen die Franzosen sah vMoltke den Rückzug bis zum Rhein vor, um sich dann primär gegen die Hauptmacht der Russen zu wenden. vMoltke ging auch davon aus, daß in dem kommenden modernen Krieg wie er es nannte eine kriegsbeendende Entscheidungsschlacht nicht mehr möglich sein würde. Er hielt es für unmöglich, daß neue nationale Volksheer Frankreichs in einem einzigen schnellen Feldzug zu schlagen. Seine Strategie die er hier, 1877 entwarf entspricht im Endeffekt dem Verlauf, den dann die Deutschen Operationen gezwungenermaßen 1914 genommen haben. vMoltke sah primär in der Niederringung Russlands und dann der Fortführung eines Ermattungskrieges mit den russischen Ressourcen die einzige Chance Frankreich niederzuringen. Dabei sollte Deutschland im Westen nach Schaffung einer Sicherungszone durch die Kämpfe in Lothringen eben defensiv bleiben, ja sogar ev sich Stück für Stück ohne Offensive zum Rhein zurückdrängen lassen.

Der pessimistischen Strategischen Planung vMoltkes entsprach die "cauchemar des coalitions" von Bismarck. Beide waren der Überzeugung, daß man Deutschland vor einem Zweifrontenkrieg bewahren müsse. Ließ sich ein potentielles Zweifrontenbündniss nicht auflösen, so gab es nach Meinung vMoltkes nur die Zerlegung der Militäraktion bei der nächsten sich bietenden Gelegenheit, also zuzuschlagen wenn der eine Partner dem anderen keine Waffenhilfe leisten könne.
Aus diesen Plänen wurde 1879 die Grundstrategie für den Fall der Fälle weiter in Richtung einer Primären Offensive im Osten abgewandelt. Mit dem Ausbau der großen Festungskette in Lothringen hielt vMoltke seine ursprüngliche Idee einer Offensive in Lothringen mit dem Ziel der Schaffung eines Vorraumes zum Reich nicht mehr für durchführbar. Er setzte daher in seinen Überlegungen auf eine reine Defensive im Westen und eine Schwerpunktoffensive im Osten. Dabei sollte zusammen mit Österreich zwischen Weichsel und Masurischen Seen über den Narew und von Süden her zwischen Bug und Weichsel nach Nordosten die Russischen Hauptstreitkräfte in die Zange genommen werden, noch ehe der vollständige Feindaufmarsch aus der Tiefe des Hinterlandes vollendet sein würde. Dazu waren vier Deutsche Armeen vorgesehen, wobei die stärkste Angriffsgruppe zwischen Thorn und Ortelsburg Aufstellung nehmen sollte.

vMoltkes Nachfolger seit 1888, General dKav Graf vWaldersee (seit 1882 mit der Stellvertretung beauftragt) hielt an dieser Grundsätzlichen Idee fest, begann aber die Idee einer Offensive in Lothringen erneut zu diskutieren. Aber erst Graf Alfred vSchlieffen (1833 bis 1913) löste sich von Moltke und führte den völligen Umschwung der Strategie für den Zweifrontenkrieg herbei. vSchlieffen kam zu dem Entschluß, daß der stärkste Gegner, also Frankreich als erstes bezwungen werden müsse. Daher war er der Auffassung, daß man einen solchen Krieg mit einer gewaltigen deutschen Offensive im Westen möglichst früh eröffnen müsse, während man im Osten mit möglichst geringen Kräften an der Seite Österreichs die Abwehr durchhalten könne.

Noch vor dieser gravierenden Schwerpunktverlagerung änderte vSchlieffen die bisherigen Pläne einer Ostoffensive ab. Um möglichst früh den Rücken für die große Schlacht gegen die Franzosen frei zu haben, drängte Schlieffen aus Mißtrauen gegen die Kampfkraft der Österreicher auf einen engeren Anschluß. Er schlug daher die Offensive Schulter an Schulter aus Schlesien vor. Die von Norden greifende Zange gab er zugunsten eines geballten deutschen Angriffs aus dem Raum Posen gegen die Weichsel hin auf. Es ist die Frage, inwieweit dieser Plan von Schlieffen überhaupt noch ernst gemeint war. Notgedrungen war der Plan für den Osten offensiv, da eine reine Defensive für Deutschland im Osten gar nicht, für Österreich allenfalls in den Karpaten möglich war. vSchlieffen schätzte die Österreicher militärisch nicht und ging von dem Grundsatz, daß sich Deutschland primär auf sich selbst verlassen müsse.

Im völligen Gegensatz zu Feldmarschall vMoltke war Schlieffen von der Idee der Zerschlagung des Feindes in einer einzigen gewaltigen Vernichtungsschlacht geradezu besessen. Schlieffen ging davon aus, daß die moderne Waffentechnologie jeden Ermattungskrieg wie von Moltke vorgesehen extrem verlustreich machen würde, selbst wenn man im Westen in der reinen Defensive bleiben würde. Anfänglich teilte der die Idee einer Primäroffensive im Osten, kam jedoch aus Gründen der sich immer weiter verschlechternden Macht-Raum-Zeit Relation davon ab. Wegen des sumpfigen Vormarschgeländes und der zunehmenden Festungsbautätigkeit der Russen an Narew und Njemen hielt er eine Offensive im Osten zwar für möglich, aber für zu Zeitraubend. vSchlieffen ging davon aus, daß die Erste Offensive in viel kürzerer Zeit als man bisher angenommen hatte zum Zusammenbruch eines der beiden Gegner führen mußte.

Der Angriff zuerst gegen Russland würde nach der Meinung vSchlieffens zu viel Zeit kosten, in der Folge dessen müßte Deutschland Truppen in beträchtlicher Stärke im Westen einsetzen müssen um die zu erwartende Französische Offensive auffangen zu können und den Übergang über den Rhein zu verhindern. Dann würde in der Folge an beiden Fronten ein ungünstiges Zahlenverhältnis bestehen.

Bis zur vollständigen Ausarbeitung eines neuen Offensivplanes im Jahre 1905 arbeitete nun vSchlieffen unermüdlich an einer völlig neuen Lösung. Schon im Ersten Entwurf 1894 war die Überzeugung klar zu erkennen, daß der Gegner nicht aus der Nachhand zu schlagen sei, eine solche Strategie also die Niederlage des Reiches zur Folge haben würde. vSchlieffen setzte also auf eine Hauptoffensive im Westen, die Notwendigkeit des extrem raschen Sieges schied aber das zeitraubende frontale Durchbrechen des französischen Festungsgürtels aus, was zwangsläufig die Idee einer Umgehung ergab.

1897 entwarf vSchlieffen die ersten Pläne einer Umgehung der Feindstellung vor allem an der Maas. Dabei sollte ein großer Teil der Westarmeen um Verdun herumschwenken und schließlich die französische Front bis Lille in ganzer Breite angreifen. Das Vorgehen erforderte aus schieren Platzgründen den Marsch durch Teile Belgiens. Schlieffen ging davon aus, daß der rechte Flügel dazu siebenmal so stark sein müßte, wie der linke Flügel und das Zentrum in Lothringen zusammen. Nach der Vernichtung des regulären Linienheeres sollte dann der Krieg gegen die Territorialtruppen (levee en masse) in einem Vorstoß direkt hinter Paris fortgeführt werden. Die Aufgabe der schwachen Kräfte in Lothringen bestand dabei in einem Ansaugen der französischen Angriffe. vSchlieffen verwendete das Bild einer Drehtür, je stärker die Franzosen die Deutschen zum Rhein zurückdrängen würden, um so stärker würde sie der Stoß von Norden in den Rücken treffen. Dabei war in dieser ursprünglichen Konzeption die sofortige große Umgehung von Paris nicht vorgesehen, das bekannte Bild einer Kaffeemühle deren Griff weitausholend an der Küste entlang über die Seine schwingt, der Drehbolzen in Verdun-Metz, war so nicht, bzw nur für den eigentlich unerwünschten Fall einer großen Flügeloperation gedacht.

Vollständig stand der Plan mit der Dezemberdenkschrift 1905 die vSchlieffen kurz vor seinem Ruhestand fertig stellte. Sie trug den Titel :"Krieg gegen Frankreich" und stand im Zusammenhang mit dem Plan für den großen Westaufmarsch 1905 der schon am 1 April in Kraft trat. vSchlieffen forderte für das Jahr 1905 wegen des Russsich-Japanischen Krieges den sofortigen Angriff auf Frankreich und wollte dafür das ganze deutsche Operationsheer zum Ansatz bringen. Dabei sollten 7 Armeen den rechten Heeresflügel bilden, und nur eine verstärkte Armee ostwärts von Metz operieren. Dennoch kam es nicht zum Angriff.

Der Schlieffenplan erweckt den Eindruck, daß hier Aufmarsch, Operation und Hauptschlacht in einer einheitlichen, gleichsam uhrwerkhaften Gesamtaktion systematisch vorausdisponiert wurden. Das täuscht jedoch, bis auf den Kräfteansatz im Aufmarsch und die operative Grundidee war nichts genauer festgelegt. Der ganze Feldzugentwurf enthielt nur die Markierungen der voraussichtlichen Vormarschabschnitte, er enthielt keine Kampfaufträge und auch keine Dispositionen über das Zusammenwirken der Armeen. vSchlieffen ging davon aus, daß sich ein derart kühner Plan nur durch überlegene Führungskunst umsetzen ließe, er war sich der Bedeutung des Planwidrigen Erfolges und Mißerfolges, der Friktionen durchaus bewußt. Deshalb setzte vSchlieffen alles auf die Schulung des Generalstabes und des Offizierkorps.
 
vSchlieffens Operationsentwurf der Westoffensive wurde nun von seinen Anhängern als makelloses Siegesbrevier für die schnelle Niederwerfung Frankreichs kanonisiert, von seinen Kritikern jedoch als rein technisch Unmöglich eingestuft. Hätte der Schlieffenplan also überhaupt zum Erfolg führen können bzw warum tat er dies nicht?

Der erste entscheidende Aspekt war hier das Versäumnis eines Präventivkrieges 1905 gegen Frankreich. vSchlieffen drängte den Kaiser nicht wie er es als Generalstabchef hätte tun müssen, er erteilte keinen vorantreibenden Rat oder gar eine Forderung, obwohl die strategisch herausragende Lage überdeutlich war. Mit der Verabschiedung vSchlieffens 1906 diente dann der Plan nur noch als Vermächtnis an den Nachfolger. Hier erfolgte nur der zweite, noch entscheidendere Fehler, die mangelnde Heeresrüstung. Deutschland versäumte es ab 1906, seine Wehrkraft für das Heer voll auszuschöpfen, der Schlieffenplan machte aber eine solche volle Ausschöpfung der Wehrkraft unumgänglich wenn er funktionieren sollte.

Der Nachfolger, Helmuth vMoltke nutzte den ohnehin nicht ausreichenden Zuwachs an mobilen Truppen dazu, den bisher sehr schwachen linken Flügel zu verstärken, ja sogar in eine Starke Angriffsgruppe umzuwandeln. Er schätzte dabei die Auswirkungen eines Einbruchs französischer Kräfte in das Reichsgebiet als zu große strategische Bedrohung für das Saargebiet ein, indem ein Zentrum der Industrie lag. Zur Verstärkung des rechten Flügels sah vMoltke hier nun 6 weitere Armeekorps vor, diese richtige Entscheidung war jedoch Makulatur weil bis zum Kriegsausbruch ein Gros dieser Einheiten nur auf dem Papier bestand. vMoltke versuchte zudem das strategische Konzept so abzuwandeln, daß es möglichst früh zu einer Schlacht der Hauptkräfte kommen würde, was für vSchlieffen gegenüber der Umfassung weniger Prioritär gewesen wäre. Auch diese Überlegung vMoltkes war nicht grundlegend falsch, es fehlten jedoch dazu die Kräfte.


Eine weitere Abwandlung war der Verzicht auf das Durchschreiten des holländischen Südzipfels von Maastricht, das der Plan Schlieffens noch vorgesehen hatte. vSchlieffen hatte dies aus Raumgründen vorgesehen, da seiner Meinung nach die immer weitere Vergrößerung der Streitkräfte Frankreichs ebenso eine weitere Verstärkung des rechten Flügels notwendig machen würde. Der Verzicht darauf um Holland nicht in den Krieg gegen Deutschland zu ziehen hatte jedoch zur Folge, daß der Vormarsch der 1 Armee am äußersten rechten Flügel technisch aus Raumgründen gar nicht mehr machbar war, darüber hinaus ein Handstreich auf Lüttich notwendig wurde.

Trotz all dieser Abweichungen hätte der abgeänderte Schlieffenplan nicht an der Marne und Aisne enden müssen (9 - 15 September) wenn gravierende Führungsfehler auf deutscher Seite vermieden worden wären. Das mangelnde Zusammenwirken der Armeen, unter viel zu losem Zügelgriff der Obersten Heeresleitung, der unbegreifliche Optimismus in den Direktiven zur Feindverfolgung, und die Durchbruchsversuche an der lothringischen Festungslinie durch deutsche Truppen der Mitte führten dazu. Es hätte sich bei Vermeidung all dessen eine viel günstigere Ausgangslage an der Seine ergeben. Noch anders wäre die Lage gewesen, wenn Deutschland die 600 000 felddienstfähigen Leute, die während der Operationen noch zu Hause saßen in Gestalt weiterer Armeekorps gezielt an den rechten Flügel geworfen hätte.

Der Schlieffenplan scheiterte also primär aus dem Wiederspruch der benötigten Mittel und dem tatsächlichen deutschen Rüstungsstand der im Gegensatz zu dem was man gemeinhin annimmt deutlich hinter seinen Möglichkeiten geblieben war. Das Mißverhältnis zwischen der Aufgabe und den dafür eingesetzten Kräften ist unbegreiflich. vSchlieffen wies in seiner letzten Denkschrift noch auf die nötigen, aber noch fehlenden Truppen hin, ihn trifft also kein Vorwurf. Zuletzt schrieb er dem Kriegsminister, dessen Ansicht über die abgeschlosssene Heeresentwicklung nicht teilen zu können, doch Konsequenzen wurden vom Kriegsministerium nicht daraus gezogen.

Selbst seine noch kurz vor dem Tode verfasste allgemeine Studie vom 28 Dezember 1912 forderte hinsichtlich der als mangelhaft bezeichneten Truppenstärke eine völlige Heeresumgestaltung. vSchlieffen äußerte auch die Sorge, der Vormarsch könnte in Belgien stecken bleiben und sah eine Verkleinerung der Divisionen vor, um die Beweglichkeit zu erhöhen und erneut den Durchmarsch durch Südholland mit starken Kräften. Die gesamte Landstreitmacht solle inklusive der Landwehr und den Ersatzdivisionen einen gigantischen Erstschlag ausführen, alles auf eine Karte setzend und die Russen ignorierend, bis hin zur Aufgabe Ostpreußens. Diese Planung entsprang der Erkenntnis einer mangelnden Truppenstärke des Reiches. Auch dies wurde als zu radikal beiseite geschoben. Erst vLudendorff gelang es 1913 seine Vorgesetzen von der Notwendigkeit einer Erweiterung des Heeres zu überzeugen. Die Kürze der Zeit reichte aber nicht mehr aus, von 1906 an hätte sie es.

Das alles zeigt auch klar, daß das Bild, die stereotypische Anschuldigung des rücksichtslos zum Krieg aufrüstenden deutschen Reiches so nicht stimmt. In Hinblick auf das Heer kann davon für den Zeitraum zwischen 1892 (russische-französisches Militärbündniss) und 1913 schon rein quantitativ gesehen überhaupt nicht die Rede sein. Die Ausgaben für die Armee lagen selbst 1913 noch, als man begann hektisch nachzuziehen in Deutschland bei 23,2 Mark pro Kopf, während sie in Frankreich bei 32,8 Mark pro Kopf zu liegen kamen. Deutschland stellte dabei nur 52 bis 54% der Wehrpflichtigen ins Heer ein, während die Ausschöpfungsquote in Frankreich bei 82% lag. Dazu kam die in Frankreich dann 3Jahre währende Wehrdienstzeit wodurch ab 1912 die jährliche Rekrutenquote nochmal um 50 000 Mann gesteigert wurde. Bis 1916 wollte Frankreich dann sein Heer nochmal um weitere 40% verstärken, um 11 772 Offiziere und 468 200 Mann. Präsident Poincare forderte angesichts der Zweifel der Franzöischen Militärs an den Russen die eigene Rüstung bis zum äußersten zu führen, er setzte seit 1912 auch alles auf eine Verkürzung der Mobilmachungszeit und stellte dazu bis 1914 13 neue Eisenbahnlinien mit 21 Gleisen fertig. Die deutschen Militaristen hatten dagegen die weitere Aufrüstung bis 1913 zwar erörtert, aber nie ausreichend ausgeführt, darin liegt der Hauptgrund für das schlußendliche Scheitern ihrer Strategie.

Beschließend der französische General Buat, währen des Krieges dann Generalstabchef dazu : "Die Feindliche Armee war bei Kriegsbeginn viel zu schwach für ihre tollkühnen Pläne und gelangte erst im weiteren Verlauf dann zu einer erschreckenden Stärke. Hätte Deutschland aber ein dem unseren entsprechendes Opfer gebracht und alle ausgebildeten Mannschaften bis zum Alter von 32 Jahren mobilisiert, so hätte es mit einem um eine halbe Millionen Mann stärkeren Heer den Feldzug eröffnet und seine Pläne realisiert."
 
Quintus Fabius:
recht herzlichen dank, hast dir ja echt mühe gemacht
ich fands sehr interessant
Das mit den Truppenverhältnissen Deutschland-Frankreich so wie du es schilderst hab ich auch schon mal gehört und ich muss sagen, ich kann es wirklich nicht verstehen
Deutschland hatte damals (1914) über 65mio Einwohner und Frankreich nur ca. 40mio. Trotzdem kamen die Franzosen fast an die deutsche Heeresstärke heran
Vergleich: Deutsches Reich-Frankreich ca. 4,5mio - 4,1mio Soldaten (Zahlen schwanken immer etwas)
Hätte Deutschland prozentual genausoviel rekrutiert wie die franzosen, hätte Deutschland auf ein 6,5mio Heer kommen müssen.
Dazu kommt noch das Problem bei der Marne-Schlacht. Die Franzosen hatten während der Schlacht nur noch Munition für 2 Tage - die Deutschen für über 2 Wochen. Hätten die deutschen Generäle das gewusst, hätten sie mit sicherheit ohne Rücksicht auf Verluste die Offensive weiter geführt, da Frankreich nur noch hätte 2 Tage abwehren können und dann wärs vorbei gewesen. Nur wussten sie es leider nicht.
Bei den Geschützen hatte Deutschland übrigens einen Vorteil von 4:3 zur französischen Armee. Bei den Maschinengewehren war es sogar 2:1.

Gruß
Deutschritter
 
Deutschritter schrieb:
...
Dazu kommt noch das Problem bei der Marne-Schlacht. Die Franzosen hatten während der Schlacht nur noch Munition für 2 Tage - die Deutschen für über 2 Wochen. Hätten die deutschen Generäle das gewusst, hätten sie mit sicherheit ohne Rücksicht auf Verluste die Offensive weiter geführt, da Frankreich nur noch hätte 2 Tage abwehren können und dann wärs vorbei gewesen. Nur wussten sie es leider nicht.
Bei den Geschützen hatte Deutschland übrigens einen Vorteil von 4:3 zur französischen Armee. Bei den Maschinengewehren war es sogar 2:1.

Gruß
Deutschritter

soso, deutschritter, da hätten die deutschen den krieg also mal eben gewinnen können. prima, aber wozu eigentlich?
 
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