Verluste britischer Schlachtkreuzer am Skagerrak 1916

silesia

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Der zentrale Aspekt der deutschen Geschichtsschreibung nach dem Weltkrieg zur Skagerrakschlacht war die Versenkung der drei britischen Schlachtkreuzer Indefatigable, Queen Mary und Invincible im Verlauf der Seeschlacht. Das Ereignis wirkte sich dabei insbesondere auf zwei Interpretationen aus:

- These von der technischen Überlegenheit der Hochseeflotte
- Wertung der Skagerrakschlacht als taktischen deutschen Sieg

Zum Ablauf des Geschehens und der Ursachen der Versenkung:

1. HMS INDEFATIBABLE, 16.02 bis 16.04 Uhr, 31.5.1916

Das Ereignis:
Zu den Abläufen sind - da es nur 2 Überlebende der INDEFATIGABLE gab - die Augenzeugenberichte und die deutschen Quellen des Gefechts entscheidend. Die Versenkung wird wie folgt beschrieben: Das Schiff wurde ca. 16.02 Uhr durch ein 28-cm-Geschoss der „von der Tann“ auf ca. 140-145 hm getroffen, hinter dem Hauptmast. Für den Ablauf gibt es folgende Vermutung: das Geschoss durchschlug mit 15° Einfallwinkel zunächst eine gepanzerte 13mm-Seitenplatte über dem Oberdeck, anschließend das mit ca. 25mm (1-inch) gepanzerte Hauptdeck und dann die untere, schwächere 75mm-Panzerung (3-inch) der vorletzten Barbette (X-Turm bb mittschiffs). Dem Treffer folgte die Entzündung der Munitionskammern des X-Turms.

Der Trefferverlauf berücksichtigt die Entfernung: ein glatter Durchschlag der oberen schweren Barbettenpanzerung (ca 178mm) des X-Turms ist nämlich höchst unwahrscheinlich (-> Campbell). Auf diese Entfernung (145hm) könnten nur mit ganz geringer Wahrscheinlichkeit glühende Geschossfragmente durch ein trefferbedingtes Loch in der Barbetten-Panzerung auch in den Innenraum gedrungen sein und dort die Cordit-Ladungen in den Turmaufzügen entzündet haben (erste Stichflamme).

Der deutsche Schlachtkreuzer „von der Tann“ hatte das Schiff vermutlich mit der 8. Salve erstmals, danach bis zur 11. Salve weitere 4 Mal getroffen. Deutsche Schilderungen (von begleitenden Torpedobooten) berichten von 2 oder 3 Treffern ab 16.02 bis 16.04 Uhr (darunter 16.04 Vorschiff mit A-Turm). Einem schweren Feuer nach dem ersten Treffer (mittschiffs) soll ca. 2 Minuten später eine hohe Feuersäule gefolgt sein. Den britischen Berichten ist ebenfalls diese Initialexplosion des X-Magazins zu entnehmen. Diese dürfte große Teile der Bordwand weggerissen haben, da das Schiff innerhalb von 4 Minuten seitlich wegrollte, über das Heck und unter einer weiteren heftigen Explosion (A-Magazin?) sank. Außerdem muss das Ruder beschädigt worden sein (oder Kursbefehl zum Ausscheren aus der Linie in den 2 Minuten zwischen Treffer und Explosion), da das Schiff mit Höchstgeschwindigkeit scharf nach Steuerbord fuhr. Campbell schätzt nach den diversen Augenzeugenberichten insgesamt 5 Treffer mit 28cm (2 Überlebende, 1.017 Tote).

Hintergrund der Treffer:
Vor dem Zusammentreffen hatte Beatty die 6 Schlachtkreuzer (1st und 2nd BCS) sowie seine 4 schnellen Schlachtschiffe (5th BS) in Marschformation ausgerichtet. Die weit entfernte Backbord-Positionierung des 5th BS (über 100hm an Backbord) deutet darauf, dass zu diesem Zeitpunkt lediglich der vereinbarte Treffpunkt mit der Hauptstreitmacht Jellicoes angesteuert werden sollte und das Auftreffen auf deutsche Schlachtkreuzer nicht erwartet wurde (anderenfalls hätte - nach den Marschinstruktionen - das 5th BS dicht bei den Schlachtkreuzern, auf der Steuerbordseite der LION gesehen, in Richtung auf den Gegner stehen müssen -> Gordon).

Das Treffen beider Schlachtkreuzer-Flotten fand Beatty dann in ungünstiger Position: die schwächsten Schiffe (Indefatibable, New Zealand) liefen auf kürzester Distanz zum Gegner auf. Das nachfolgende exzentrische Manöver brachte die beiden schwächsten Schiffe zunächst sogar näher an Hippers Schlachtkreuzer (von NO auf O-Kurs), sodann in eine scharfe Wende nach SW, um sich hinter den 4 führenden Schlachtkreuzern gestaffelt einzureihen (erneute Wende nach NO). Die deutschen Schlachtkreuzer führten eine 180°-Wende von NW nach SO durch, wobei sie nach deren Abschluss um 15.48 Uhr das Feuer eröffneten. Die 4 überlegenen britischen Schlachtschiffe (5th BS) waren durch Beattys sofortigen und schnellen Antritt an den Gegner nach Sichtung ca 100 hm entfernt und außerhalb ihrer Schussweite/Reichweite zu den deutschen Schiffen.

Bei deutscher Feuereröffnung liefen die britischen Schiffe auf Ostkurs und konnten nur mit den vorderen Geschützen erwidern, INDEFATIGABLE erst ca. 15.57 Uhr (-> Feuereröffnung NEW ZEALAND laut Logbuch) nach erneuter 90°-Wende nach Süden (auf „von der Tann“, dem letzten deutschen Schiff in der Reihe).

Die mehrfachen Wenden des 2nd BCS (mit Indefatigable) hatten eine wesentliche Folge. Die Entfernungsmesser wurden hierdurch zweifach gestört:
- durch die starken Schiffsvibrationen bei fast 25 Knoten (Höchstgeschwindigkeit) auf die optischen Geräte (ca. 300 U/min der Antriebsanlage von New Zealand)
- durch die Technik der Entfernungsmessung (Dreyer-Tables), die durch scharfe Kurswechsel und wechselnde Raten der Entfernungsveränderung empfindlich gestört wurden. Die Sichtachse (W gegen O) der beiden Gruppierungen und die Windrichtung (SSO) waren zu dieser Tageszeit – anders im späteren Verlauf - vernachlässigbar.

Der INDEFATIGABLE blieben damit ca. 5 Minuten zum Einschießen auf den Gegner (lt. Signalvorgabe "von der Tann") bis zum entscheidenden Treffer 16.02, während „von der Tann“ das Feuer rd. 10 Minuten zuvor eröffnet hatte und ab der 5. Salve deckend schießen konnte. Bei konstanten Entfernungen, gleichbleibender Lage, Geschwindigkeit und Sicht auf ca. 150 hm reichten üblicherweise 4 Salven, um den Gegner „zu gabeln“. Im Zeitpunkt der Feuereröffnung durch INDEFATIGABLE schoss folglich VON DER TANN bereits mit genauer Zielerfassung.

Der Effekt von Beattys Manöver auf die Trefferstatistik von 15.48 Uhr bis 16.02 Uhr:
Lion: 3 Treffer von Lützow um 15.51, 15.52 und 16.00 Uhr
Princess Royal: 3 Treffer von Derfflinger um 15.58 und 16.00
Tiger: 9 Treffer von Moltke zwischen 15.50 und 16.00
Queen Mary: 1 Treffer von Seydlitz
Summe 16 Treffer

Seydlitz: 2 Treffer von Queen Mary um 15.55 und 15.57
Lützow: 2 Treffer von Lion gegen 16.00
Summe 4 Treffer

Indefatigable class battle-cruiser - HMS Indefatigable - SN Guides
File:Indefatigable class battlecruiser diagrams Brasseys 1923.jpg - Wikipedia, the free encyclopedia
Indefatigable class battlecruiser - Wikipedia, the free encyclopedia
German 28 cm/45 (11") SK L/45


Anmerkungen zur Panzerung der INDEFATIGABLE:
Diese war unwesentlich gegenüber den vorherigen Panzerkreuzern und schwach gestaltet. Der Gürtelpanzer war mittschiffs auf 6-inch (152mm) bis zu 4 inch (101mm) ausgelegt. Die Barbetten besaßen über dem Hauptdeck 7-inch (178mm), unter dem Hauptdeck 3-inch (76mm). Das Deck wies über den Antriebsanlange 2-inch (51mm) Panzerung, ansonsten 1-inch (25mm) Panzerung auf. Ein Durchschlag der Seiten- und anschließenden Barbettenpanzerung (4 plus 3 inch) bis in die Munitionskammer ist auf 150hm für die deutschen 28cm-Geschütze technisch ausgeschlossen. Ebenso unwahrscheinlich ist der Durchschlag durch die obere Barbettenpanzerung von 7-inch (178mm), während der Eintritt über die Deckspanzerung (1-inch), Ablenkung und anschließendem Durchschlag der unteren Barbettenpanzerung (3-inch) möglich war. Ein direkter Turmtreffer (obere oder frontale Panzerung mit 5 bis 7-inch beim X-Turm) ist nach den Augenzeugenberichten unwahrscheinlich.

Wertung:

Nach diesem Ablauf sind die Ereignisse der ersten 15 Minuten entscheidend durch Beattys hastige Manöver geprägt (so Brooks, Gordon, Tarrant, Campbell). Die raschen Kursänderungen und die befohlenen Geschwindigkeiten verursachten systembedingte/technisch unvermeidbare Fehler in der britischen Entfernungsmessung, während zudem die dicht liegenden deutschen Salven (masthohe Wassersäulen) bereits die Sicht und Messung der britischen Schiffe behinderte. Beattys Marschformation ist außerdem die Deplazierung der 5th BS zuzuschreiben, die im Kampfwert die 5 deutschen Schlachtkreuzer weit übertraf. Das Ergebnis der riskanten Manöver Beatty zeigt sich in der Trefferstatistik 16:4 in den ersten 15 Minuten (wobei die deutschen Schiffe in dieser Zeit etwa die doppelte Schusszahl abgefeuert haben, was die Trefferquote auf 2:1 reduziert).

Der Verlust der INDEFATIGABLE ist somit entscheidend der überhasteten Aktion Beattys während des Gefechtsauftaktes zuzuschreiben, die der deutschen Seite während der 15 Minuten einen mehrerer Minuten andauernden Zeitvorsprung im Einschießen, erheblich bessere Messungs-Bedingungen (Sicht, Eigenbewegungen der Schiffe) und letztlich eine 2:1 Überlegenheit bei den Gefechtssalven gewährte.
 
„von der Tann“ (vdT) und „Indefatigable“ – die Gegner im Vergleich:

Beide Schiffe sind etwa zeitgleich (1907/1910 bzw. 1908/1911) entstanden, allerdings war die schwere Panzerung des deutschen Schlachtkreuzers nicht bekannt (Brasseys 1911 ging bezüglich vdT von 152mm Gürtelpanzer wie bei den ersten britischen Schlachtkreuzern aus). Am britischen Schiff ist außerdem kritisiert worden, dass es konstruktiv keine Weiterentwicklung der ersten Schlachtkreuzer („Invincible“-Klasse) brachte.

Die Schiffe im Vergleich: (1) von der Tann (2) Indefatigable
Tonnage: (1) rd. 21.100 to. (2) rd. 18.800 to.
Panzerung: (1) rd. 6.200 to. (2) rd. 3.700 to.

Die „von der Tann“ hatte damit einen Gewichtsvorsprung (+2.300 to) in der Gesamttonnage, der vollständig in der Panzerung des deutschen Schiffs eingesetzt wurde. Abhängig von der globalen Verwendung der britischen Schiffe hatten diese außerdem in der Tonnage ein Mehrgewicht von 1.100 to. (Kohle, Öl) zu verkraften. Zusätzlich ist berücksichtigen, dass das größere britische Artilleriekaliber (30,5cm-Geschütze ggü. 28cm-Geschützen bei vdT) Gewichtseinsatz von der möglichen Panzerung abzog: vdT 2.100 to. gegenüber 2.600 to. Indefatigable, also rd. +500 to. Gewichtsdifferenz der Artillerie). Daraus erklärt sich insgesamt der entscheidende Unterschied im dargestellten Gesamtgewicht der Horizontal-, Quer- und Gürtelpanzerung zwischen beiden Schlachtkreuzern.

Gürtelpanzer längs: (1) 250 – 152 – 102 mm (2) 152 – 127 – 102 mm
Gürtelpanzer Höhe (1) 250 bis 150mm Oberdeck über alle Decks (2) nur Hauptdeck 152 mm, damit 2 Decks seitlich ungeschützt
Türme/Barbetten: (1) 230 mm bis 90 mm (2) 178 bis 76 mm der unteren Barbette
Deckspanzer summiert: (1) bis zu 100mm (2) bis zu 51mm

Auffällig ist zunächst, dass durchgehend deutlich schwächere Werte in der Panzerung bestanden. Hinzu kam ein entscheidender Nachteil: die Gürtelpanzerung der Indefatigable war zwar fast über die gesamte Schiffslänge gezogen, allerdings nur schwach in der Höhe (2 Decks ungeschützt!) und in seiner größten Stärke von 152mm nur vor der Maschinenanlage, nicht vor den Barbetten (102mm, was auch durch die Projektil-Entwicklung der APC-Granaten mit Lyditte-Füllung bedingt war – Priorität des Splitterschutzes).

Folge: der Gürtelpanzer konnte auf größere Entfernung – zB 120-150 hm - „überschossen“ werden (Roberts, S. 101), gegen diese Projektile würde nur ein schwacher Seiten- und 25 bis 50mm Horizontalpanzer stehen. Genau diese Schwachstellen wurden um 16.02 (X-Turm) und 16.04 (A-Turm, bereits während des Sinkens) entscheidend getroffen.

Diese Datenlage war der britischen Seite 1916 nicht bekannt. Brasseys Naval Annual 1913 weist als maximale Gürtel- und Barbettenpanzerung der „von der Tann“ 152mm aus, tatsächlich betrugen die Werte 225 bis 250mm. Beatty stellte damit seinen schwächsten Schlachtkreuzer an das Ende der Linienformation gegen den vermutet gleichstarken und gleich gepanzerten deutschen Kontrahenten „von der Tann“.

Bei der Kampfentfernung von ca. 145 hm waren die britischen Geschütze auch theoretisch kaum in der Lage, durchschlagende Treffer in die Vitalzonen zu erzielen, während umgekehrt dafür eine hohe Wahrscheinlichkeit aufgrund der zahlreichen Schwachstellen in der Panzerung der „Indefatigable“ bestand. Dieses Schiff fuhr auf 145hm Entfernung quasi "ungeschützt" auf den deutschen Gegner auf. Hinzu kam eine Zeitdifferenz von 10 Minuten (äquivalent zu vermutlich etwa 7-8 Salven) durch die oben beschriebenen Kursmanöver, die der vdT einen entscheidenden Vorsprung beim Einschießen gegeben hatte.

Quellen: Roberts/Breyer/Burt/Parkes/Koop-Schmolke/Brasseys 1913
 
2. HMS QUEEN MARY (QM) 16.26 Uhr, 31.5.1916

Das Schiff stammt aus der dritten Serie von britischen Schlachtkreuzern-Konzepten (LION, TIGER, QM), die wesentlich größer als ihre Vorgänger waren und etwa verdoppelte Panzerung (über 6.000 to.) sowie einen Anstieg beim Hauptkaliber auf 13,5inch (34,3cm) aufwiesen. Die neuen Schlachtkreuzer übertrafen aufgrund ihrer Abmessungen und ihrer leistungsstarken Maschinenanlage die etwa gleich-alten britischen Schlachtschiffe ("Super-Dreadnoughts" ab ORION-Klasse) noch um mehr als 15% in der Tonnage.
HMS Queen Mary - Wikipedia, the free encyclopedia

Mit dem Untergang des britischen Schlachtkreuzers „Indefatigable“ hatte der „run to the south“ begonnen, bei dem die restlichen 5 britischen Schlachtkreuzer (verstärkt durch die verfolgende 5th Battle Squadron mit den 4 neusten schnellen Schlachtschiffe) die Aufklärungsgruppe von Admiral Hipper mit seinen 5 Schlachtkreuzern verfolgten. Dieser Wettlauf endete später, als die beiden Gruppen auf Scheers Hauptstreitmacht aufliefen (danach begann der „run to the north“).

Das Ereignis:
Zwischen 16.21 und 16.26 Uhr wurde QM von den deutschen Schlachtkreuzern „Seydlitz“ (28cm-Geschütze) und „Derfflinger“ (30,5cm-Geschütze) beschossen. Im Zeitraum 15.48 Uhr (Feuereröffnung) bis 16.26 Uhr (Explosion QM) wurden 7 Treffer schwerer Kaliber beobachtet:
Bis 16.15 Uhr: 4 Treffer durch 28cm der „Seydlitz“, größere Entfernung, geringe Schäden
16.21 Uhr: 1 Treffer durch 30,5cm der „Derfflinger“ auf dem X-Turm der QM -rechtes Geschützrohr außer Gefecht
16.26 Uhr: 2 Treffer durch 30,5cm der „Derfflinger“ im Bereich A- oder B-Turm auf dem Vorschiff sowie im Bereich Q-Turm.

Es folgte in wenigen Sekunden um 16.26 Uhr die Katastrophe: die erste (kleinere) Explosion im Bereich A/B-Turm sorgte für den Ausfall der Hydraulik auch im Bereich der hinteren Türme (Q). Eine sofort folgende zweite, viel größere Explosion riss das komplette Vorschiff der QM vor dem Hauptmast ab; durch den zweiten Treffer entstand ein Korditbrand im Magazinbereich des Q-Turms. Das verbliebene Heck des Schiffes hob sich aus dem Wasser, im Sinken erfolgte eine dritte große Explosion höchstwahrscheinlich des Q- oder evt. des X-Magazins. Die Explosionswolke erreichte eine Höhe von ca. 700 Meter, das 3-fache der Schiffslänge. Die nachfolgenden Schlachtkreuzer TIGER und NEW ZEALAND passierten die Untergangsstelle bzw. wichen dem Wrack aus, wobei ein Trümmerregen auf das Deck der TIGER niederging (20 Überlebende, darunter 2 vom Q- und X-Turm, 1266 Tote).

Hintergrund der Treffer:
Die deutsche „Derfflinger“ wechselte in der Zielverteilung um 16.17 Uhr auf „QM“ und schoss in den folgenden 9 Minuten 11 Salven ab. Vermutlich die letzte Salve brachte den entscheidenden Treffer im Bereich des A- oder B-Turmes der QM, in dessen Folge Sekunden später eine/beide vorderen Munitionskammern explodierten und das Vorschiff vor dem Mast abrissen. Auch der hintere Treffer im Bereich des Q-Turmes war vernichtend, die Explosion hier erfolgte allerdings erst während des Sinkens des Schiffes.
SMS Derfflinger - Wikipedia, the free encyclopedia

Zum Zeitpunkt der Treffer betrug die Entfernung 132hm zwischen QM und „Derfflinger“, etwa 135hm zu „Seydlitz“. Die Durchschlagsleistung des 406 kg schweren Geschosses der deutschen 30,5cm gefährdete auf diese Entfernung theoretisch 250mm (ca. 10inch) starke Seitenpanzerung (Durchschlag Panzerung mit Explosion des rd. 14 kg schweren Sprengkopfes nach wenigen Metern -> Campbell). Zum Vergleich: die 28cm der „Seydlitz“ (28 cm/50 SK L/50 – das Geschoss mit 302kg rd. 100 kg leichter) durchschlug auf 135 hm nur etwa 200-220mm Seitenpanzerung (8 bis 8,5 inch).

Da Ursache der sofortigen Explosion der Munitionskammern (A/B) nur ein direkter Turm- oder Barbettentreffer auf Vorschiff der QM gewesen sein kann (Panzerung dort Turm-frontal 9inch, Turmdecke 3inch, Barbette/oben 9inch, Barbette ab Hauptdeck 3+8inch, Barbette unter Wasserline 5+3inch), ist eine Einwirkung der 28cm-Geschosse von „Seydlitz“ als unwahrscheinlich ansehen.

Für die Trefferwirkung sind wiederum die kurz vorhergehenden Kursmanöver entscheidend: die britischen Schiffe hatten sich bei direkten Zusammenstoß anfangs vor 15.48 Uhr/kurzfristig auf 110 hm den deutschen Schiffen genähert, dann die Entfernung wieder auf bis zu 170hm vergrößert. Etwa 16.10 Uhr, wenige Minuten nach der Explosion der „Indefatigable“, betrug der Abstand 160 hm. Die nun von Beatty befohlenen Kursänderungen (die wohl durch das schnelle Aufholen der 5th BS beeinflusst waren – MALAYA feuerte erstmals 16.15 Uhr) führten die Schiffe in den nächsten 10 Minuten wieder auf den kritischen Abstand zusammen.

Die rasche Annäherung der beiden Schlachtkreuzer-Linien ab etwa 16.15 Uhr ist – defensiv – von großer Bedeutung, weil die Annäherung (nur) die deutschen 30,5cm-Geschütze begünstigte und ihnen nun durchschlagende Wirkung bei der frontalen Turmpanzerung, Barbetten- und Gürtelpanzerung der 4 stärksten britischen Schlachtkreuzer verschaffte. Dieser Effekt der kritischen Zone bei etwa 120-140hm konnte auch aus den – etwas schwächeren – Leistungen der britischen 30,5cm-Geschütze abgeleitet werden (und war durch Erfahrung aus der Doggerbank-Schlacht bekannt!). Bei etwa 100hm durchschlugen britische Geschütze dieses Kaliber bereits etwa 10inch-Gürtelpanzer (254mm), demnach geschätzt 8 bis 9inch (200-225mm) bei etwa 140-120hm. Beatty verließ also die Zone relativer Immunität (Zonenbetrachtung exklusiv der schwächeren „New Zealand“ am Schluss der Formation), ohne dazu gezwungen gewesen zu sein und das Aufholen des rasch anschließenden 5th BS abzuwarten.

Bemerkenswert an Beattys Befehl ist weiterhin, dass – offensiv - die größere Entfernung von 160 hm den 4 britischen Schlachtkreuzern mit 34,3cm-Geschützen bereits durchschlagende Wirkung bei 9 bis 10inch-Gürtelpanzer einräumte (die Geschoßgewichte betrugen rd. 400 -30,5cm- gegen 635 kg -34,3cm-). Die Entfernungs-Reduktion zwischen 16.10 und 16.21 Uhr von rd. 2500 Meter hatte damit für die Ereignisse eine wesentliche Bedeutung und für die Wirkung der drei Treffer auf QUEEN MARY.
 
Die Panzerung der Kontrahenten QM und Derfflinger:

Beide Schiffe sind etwa zeitgleich (1911/1914) entstanden, allerdings war die schwere Panzerung des deutschen Schlachtkreuzers nicht bekannt (Brasseys 1913 ging bezüglich Schlachtkreuzer „K“ von 152mm Gürtelpanzer und 254mm Turmpanzerung sowie von evt. 30,5cm-Geschützen aus: vermutet wurden 30.000 to., 27 Knoten). QM gehörte der 3. Generation britischer Schlachtkreuzer an und war gegenüber den Vorbauten wesentlich in Panzerung und Armierung verbessert worden.

Die Schiffe im Vergleich: (1) Derfflinger (2) Queen Mary

Konstruktions-Tonnage: (1) rd. 26.600 to. (2) rd. 27.000 to. (Einsatz-To. je rd. 31.000)
Panzerung: (1) rd. 9.800 to. (2) rd. 6.600 to., also +3.200 bzw. 50%

Beide Schiffe hatten eine vergleichbare Gesamttonnage, aber ein völlig unterschiedliches Panzerungskonzept. Zu berücksichtigen ist, dass das größere britische Artilleriekaliber (34,3cm-Geschütze ggü. 30,5cm-Geschützen bei Derfflinger) Gewichtseinsatz von der möglichen Panzerung abzog: Derff. 2.700 to. gegenüber 3.250 to. Bei QM, also rd. +550 to.). Zusätzlich wiesen die britischen Maschinenanlagen ein Mehrgewicht von 1.700 to. (wesentlich größere Abmessungen) Schließlich hatte der britische Schiffskörper rund 1.600 to. Mehrgewicht ggü. Derfflinger, die auf Verteilungsabweichungen bei Panzerung/Schiffskörper schließen lassen. Der oben genannte Gesamtunterschied ist daher etwas zu reduzieren (geschätzt 2.000-2.200 to.).

Gürtelpanzer längs: (1) weitgehend 300 mm – 100 mm (2) 254 – 127 – 102 mm
Gürtelpanzer hoch (1) 260 – 150mm Oberdeck (2) bis Hauptdeck 152 mm/Oberdeck 127mm
Türme/Barbetten: (1) 300/250 mm (2) 225/200mm
Deckspanzer summiert: (1) 115-125mm (2) bis zu 76mm

Auffällig ist zunächst, dass wegen des Unterschieds im Panzerungsgewicht von rd. 33% durchgehend etwas schwächere Werte in der Horizontal- und Seitenpanzerung bestanden. Die schwächere Panzerung wurde in der britischen Konstruktion gegen die größere Offensivfähigkeit (+ rd. 50% im Breitseitengewicht der Artillerie, dazu die schwerer Maschinenanlage) eingetauscht. Die höheren Panzerungsdaten der „Derfflinger“ waren allerdings der britischen Seite nicht bekannt. Im Ergebnis führten damit Gefechtsdistanzen unter 150hm für das britische Schiff zu einer deutlichen Gefährdungslage.

Die drei Treffer um 16.21 Uhr und 16.26 Uhr durchschlugen auf ca. 132 hm die schwächere britische Panzerung und führten fast unmittelbar (A- oder B-Barbette, Q-Turm eine halbe Minute später) zur Explosion der Munitionskammern.

Hintergrund:
Beatty auf der LION (vergleichbar der QM) hätte gegen 16.00 Uhr gewarnt sein müssen: auf ca 150hm durchschlug eine 30,5cm-Granate der „Lützow“die 225mm- Frontpanzerung (9inch –entsprechend der Stärke des Gürtelpanzers) des Q-Turm und detonierte im Innenraum. Gegen das dort entstehende Feuer wurden die Magazintüren geschlossen und das Magazin geflutet. Die oben befindlichen Korditladungen führten dennoch zu einer masthohen Stichflamme, die jedoch die Magazine nicht mehr erreichen konnte. Die LION entging – da der Vorgang in mehreren Minuten bis zur Explosion ablief – der QM-Katastrophe. Allerdings wurde dieser Vorgang der Brücke erst später gemeldet. Die Durchschlagswirkungen der Kaliber waren allerdings konstruktiv bereits bekannt, der Warnung bzgl. der abnehmenden Entfernungen bedurfte es daher nicht.

Trotzdem liefen gegen 16.15 die Kontrahenten auf konvergierenden Kursen: Beatty SO und Hipper SSW - die Gefechtsentfernung verringerte sich mit ca 200-300 Meter je Minute. In Zusammenhang mit oder ganz kurz vor (!) den entscheidenden Treffern auf QM (Brooks: 16.20 Uhr) gab Beatty den Befehl, den konvergierenden Kurs SO um 2 Punkte auf SSO abzuschwächen, da die Entfernungen zu gering wurden. 10 Minuten später (16.30 Uhr) drehte Hipper scharf auf SO ab, da sich die 5th Battle Squadron auf die deutschen Schiffe seit 15 Minuten eingeschossen hatte und „Moltke“ und „von der Tann“ bereits 38-cm-Treffer erhalten hatten (vdT fuhr bereits Schleifenkurse zum Ausweichen in der Linie). Die Kursänderung Hippers entsprach einem optimalen Fluchtmanöver vor der annähernden 5th BS. Um 16.30 Uhr meldeten die vorausfahrenden Leichten Kreuzer Beattys den ersten Kontakt mit dem Kreuzerschirm von Scheers Schlachtschiffen.

Bewertung:
Beattys fuhr wenige Minuten nach der Explosion der „Indefatigable“ zweifelsfrei ein Angriffsmanöver gegen den flüchtenden deutschen Schlachtkreuzer-Verband, bei dem er eine wesentliche Verringerung der Gefechtsentfernung vor der Annäherung der 5th BS in Kauf nahm. Dieses Manöver hätte – Hippers Fluchtkurs mit konsequenten Abdrehen nach SO vorausgesetzt – die weitere Annäherung des 5th BS sogar erschwert. Von der nahen Hochseeflotte Scheers lagen ihm noch keine Informationen vor. Die verringerte Gefechtsentfernung brachte die britischen Schlachtkreuzer in das Risiko, in die Vitalzonen (Magazine bzw. Maschinenanlagen) durchschlagende Treffer der 30,5 bzw. 28cm-Geschütze

Unmittelbar nach der Explosion der „Queen Mary“ wird Beatty das Zitat zugeschrieben: „(Chatfield: ) there seems to be something wrong with our bloody ships today.” (fälschlicherweise wurde ihm aufgrund weiterer Nahtreffer auch die Explosion der „Princess Royal“ gemeldet - das Zitat wird berichtet, als „Tiger“ aus der Explosionswolke der QM herausfuhr: Gordon, S. 120). Andere Version nach der Schlacht, und bezogen auf die britischen Feuerleitsysteme und die Munition, denen Beatty die Schuld an dem Desaster gab:
JSTOR: An Error Occurred Setting Your User Cookie

[Quellen: siehe oben]
 
Ein kleiner Einschub zur Erläuterung der Schlacht, bevor der Verlust der INVINCIBLE beschrieben wird:

Beattys verbliebene 4 Schlachtkreuzer sowie die 4 schnellen Schlachtschiffe der QUEEN ELIZABETH-Klasse (5th Battle Squadron) liefen in der Verfolgung von Hippers Schlachtkreuzern auf den Kern der deutschen Hochseeflotte auf: Scheers 16 Schlachtschiffe näherten sich von Süden.

Die britischen Schiffe fuhren eine 180°-Wende und drehten von Süd- auf Nordkurs ab: es begann der "run to the north", die Flucht von Beatty vor der Übermacht Scheers.

Das ist hier teilweise beschrieben:
http://www.geschichtsforum.de/428830-post55.html

Die Ereignisse um den Untergang der INVINCIBLE setzen ein, als die Flucht Beattys nach Norden abrupt beendet wurde und nunmehr Scheer und Hipper auf die Hauptstreitmacht Jellicoes, 24 britische Schlachtschiffe (plus 3 Schlachtkreuzer der 3rd BCS, darunter "Invincible"), prallten.
 
Also silesia, erstmal eine Anmerkung für die exzellente Ausarbeitung der Vorgänge zu beginn der Skagerrakschlacht, aber ich sehe einiges anders, vor allem die Behauptung:
Der Verlust der INDEFATIGABLE ist somit entscheidend der überhasteten Aktion Beattys während des Gefechtsauftaktes zuzuschreiben, [...]
kann ich so nicht für richtig finden.

Zum einen spricht im allgemeinen erstmal dagegen, daß man in so einer Schlacht bzw. Gefecht nicht das einzelne Schiff herauslöst, um die Verlustursache der Manöveraktion zu zuschreiben, denn die Manöver wurden auch vom 1st BCS und 2nBCS gefahren, also insgesamt 6 Schlachtkreuzer:

1st Battlecruiser Squadron
Lion
Princess Royal
Queen Mary
Tiger

2st Battlecruiser Squadron
New Zealand
Indefatigable

und diese wurden vorerst nicht versenkt.

Beattys Manöver würde ich jetzt auch nicht als „überhastet“ beurteilen, so waren die beiden Squadrone beim ersten Sichtkontakt mit Hippers Schlachtkreuzern in Richtung Nordost bis Ost unterwegs. Hippers Kurs wurde als Nordwest festgestellt, worauf auch Beatty auf Nord einbog. Im gleichen Moment ging aber Hipper auf eine Wende Richtung Südost auf Gegenkurs, worauf man bei Beatty auch wieder auf Nordost bis Ost ging, um nach eindeutiger Feststellung des deutschen Kurses auf Südost auf Parallelkurs zu gehen. Zu diesem Zeitpunkt hatte man aber auf der deutschen Seite schon begonnen zu Schießen, was wohl sicherlich einen enormen Vorteil brachte, doch dies hat nichts mit der Versenkung der „Indefatigable“ zu tun, den wenig später wurde auch noch die „Queen Mary“ versenkt sowie die „Lion“ schwer getroffen. Zu diesen Zeitpunkt waren aber die „überhasteten Manöver“ längst abgeschlossen.

Zu den Panzerungen der Schlachtkreuzer möchte nicht auf Stärke oder Anordnung des Panzer zu sprechen kommen, sondern ein Jahr vorgreifen, als 1915 in der Doggerbankschlacht die „Seydlitz“ fast verloren ging, durch einen menschlichen Fehler. Nach einem Treffer im Bereich der beiden achteren Türme und der Explosion der Granate im Munitionslager und Aufzugsbereich konnte durch eine fahrlässige Offenhaltung der Zugänge bzw. Schotts zwischen den beiden Gefechtstürmen die dort lagernde Munition entzündet werden und beide Türme branden aus. Diese wurde nach der Schlacht geprüft und ausgewertet und der Fehlerpunkt behoben durch die im Gefechtsfall permanente Schließung des Schotts.

Diese Problematik war bei den britischen Schlachtkreuzern bisher nicht aufgetreten, denn auch hier sind Munitionskammern zwischen Türmen angeordnet. Hinzukommt, das die Panzerung wesentlich dünner gehalten war, als bei deutschen Schlachtkreuzern. Als Knackpunkt kann dies bewertet werden, da sich auch Treffer in den Munitionslagerbereich auf den Schiffen „Lion“ und „Queen Mary“ ereigneten, wobei letzter auch sank, wären auf „Lion“ durch ein rechtzeitiges Fluten des betroffenen Bereiches das Schiff gerettet wurde.

Dies lässt eindeutig auf einen Konstruktionsfehler schließen, im direkten Zusammenhang mit fehlerhafter Bedienung der Anlagen bzw fahrlässiger Handhabung des Sicherheitsbereiches in den Umladekammern und Munitionslagerbreichen.


Was noch interessant ist, dass 5 deutsche Schlachtkreuzer (Lützow, Derfflinger, Seydlitz, Moltke und von der Tann) 6 britischen Gegenüberstanden und anhand der Schadensbilanz ist zu sagen, das 5 britische Schlachtkreuzer schwere Beschädigungen aufwiesen in deren Folge 2 gesunken sind. Die „New Zealand“ aber nur 1 Treffer erhielt.
In irgend einem Buch hatte ich gelesen (Koop/Schmolke), daß sich der deutsche Schlachtkreuzer Moltke im Gefecht “verschossen” hatte.
So waren die Zuteilungen der zu beschießenden britischen Schlachtkreuzer klar verteilt, doch „Moltke“ beschoss das gleiche Schiff wie die „von der Tann“ oder „Seydlitz“. Somit schossen die deutschen Kreuzer zwar eine Viertelstunde früher als die britischen, aber doch etwas unkoordiniert.

Und noch eine kleine Anmerkung:
Das Schiff stammt aus der dritten Serie von britischen Schlachtkreuzern-Konzepten (LION, TIGER, QM),
Zu der Queen Mary – Klasse waren 4 Schiffe geplant, drei wurden nach den gleichen Plänen gebaut, die „Queen Mary“, „Lion“ und „Princess Royal“. Die „Tiger“ wurde nach geänderten Plänen in Anpassung an die für Japan gebaute „Kongo“ gebaut und ist als Einzelschiff zu betrachten.
 
Der Jäger

Mit der „Tiger“ hast Du natürlich recht, habe ich mit der „Princess“ verwechselt. Bevor ich auf die Frage der Verantwortung eingehe, eine kurze Skizze des Hauptdarsteller des Ersten Aktes:

Ein schneidiger Offizier, am Skagerrak gerade 45 Jahre alt, schon 6 Jahre Admiral, der jüngste (nichtadlige) mit 39 in der Navy seit dem verehrten Lord Nelson. Da stand der Kommandeur der Schlachtkreuzer, die sich als Garde der Flotte, als Husaren zur See präsentierten. Beatty wurde von der Presse geliebt und verhätschelt, in der Gesellschaft sorgten seine versierten Auftritte für Aufsehen. Nur ein kleiner Schatten war in seiner kometenhaften Karriere in der Navy entstanden: hätte er an der Doggerbank nicht mehr erreichen können als die Versenkung eines alten Panzerkreuzers, den man hilfsweise den Schlachtkreuzern zugeschlagen hatte?

Sein Selbstbewusstsein als Husar der Flotte war im Mai 1916 frisch gestärkt, nachdem er in wochenlangen hartnäckigen Schriftwechseln die Zuordnung der neuen, mächtigen schnellen Schlachtschiffe der QE-Klasse durchgesetzt hatte: die sollten nicht bei den langsamen Kolonnen von Jellicoes Dampfwalze vergammeln.
Rund 60 Minuten hat er wohl bereits unter Adrenalin gestanden, am 31.5.1916 bei der Jagd auf dem Karten- und Admiralstisch: welcher Fisch würde es sein? Nach 45 Minuten bekam er seine Steigerung: er hatte Hippers Schlachtkreuzer vor sich und er war in der günstigen Position, ihnen den Rückweg abzuschneiden. Ein Blick zurück:

Nach einigen langweiligen Positionen als 17-jähriger kam er so um die 20 für zwei Jahre zur hohen Artillerieschule in Portsmouth – Theorie und Übung satt. Dann ein paar Stationen, die er mit 26 als Kommandant des Zerstörers „Ranger“ abschloss. Dann kam die Gelegenheit zum Waffengang: Beatty mischte auf einem Kanonenboot bei Kitcheners Khartum-Expedition mit, kommandierte dann nach Ausfall seines Vorgesetzten die ganze Flotte und stürzte sich (Churchill war auch auf dem Feld) tollkühn flußseitig in die Schlacht von
Battle of Omdurman - Wikipedia, the free encyclopedia
Die Dekorationen und die Bekanntschaft von Churchill waren das Ergebnis. Mit 27 und halber Plan-Leutnants-Laufbahn wurde er Executive Officer auf dem Schlachtschiff Barfleur. Nun rief der Boxer-Aufstand, der ebenfalls nicht ohne stattfinden durfte: obendrein kam er mit zwei Verwundungen aus dem Einsatz der Marinebrigade zurück nach London. Dort heiratete er in die amerikanische Field-Familie, was ihm Zutritt zu höchsten Kreisen bis zu Edward und eine Menge Geld verschaffte.

Sein eigenwilliger Kleidungsstil – ebenfalls in der Presse viel beachtet und bestaunt, "trendsetting 1903" - passte prima zu einem weiteren Kommando auf „HMS Arrogant“, dem letzten Ramm-Kreuzertyp der Navy. Etwas gehobener war dann das Kommando auf dem Linienschiff „HMS Queen“ in 1908, einem typischen Pre-Dreadnought, das aber nur in langweiliger Kolonnen-Formation operieren sollte - Amboss statt Hammer.

Dann wurde ihm das Vize-Kommando über die Atlantikflotte angeboten, bei der er sicherlich den heftigen Streit um das richtige Feuerleitsystem mitbekommen hätte (Dreyer vs. Pollen). Hat er aber nicht: die scheinbar perspektivlose Stelle lehnte er großzügig ab, und das eine Jahr ohne Stelle verbrachte er problemlos mit den Familienfinanzen.

Churchill – drei Jahre jünger als Beatty - erinnerte sich an den forschen Offizier 1911 und machte ihn zum einflussreichen Privatsekretär des First Lord of the Admiralty: „You seem very young to be an Admiral." "And you seem very young to be First Lord.” Als der Rear-Admiral dann 1913 ersehnt, aber überraschend während seines Urlaubs in Monte Carlo – Spieleergebnisse sind nicht bekannt - zum Kommandeur des Ersten Schlachtkreuzer-Geschwaders (1st BCS) berufen wurde, hielt er es nicht für angebracht, deswegen etwa seinen Urlaub vorzeitig zu beenden.

Seine neuen Untergebenen schockierte er sogleich mit neuartigen schriftlichen Operationsanweisungen: „Captains...to be successful must possess, in a marked degree, initiative, resource, determination, and no fear of accepting responsibility”. Selbstverständlich vertrat Beatty diese Grundsätze in gleicher Weise gegenüber seinen Vorgesetzten. Am 31.5.1916 gegen 15.30 Uhr wurde klar: Es war „Der Tag“, Ende des „Großen Wartens“.

Die erste Sichtung versprach viel: Hipper stand Richtung NO mit eigenem Kurs NW und lief kartenseitig den Giganten der 5th Battle Squadron mit den 4 mächtigsten britischen Schlachtschiffen in die Arme. Und dahinter – 53 Meilen bzw. nur 1,5 Stunden Kollisionskurs zurück, stand der 24-köpfige Schlachtflottenkern von Jellicoe. Dieser nüchtern-vorsichtige Kalkulator hätte nach einem kurzen Blick auf die Karte 15.15 entschieden: Noch vor dem Gefechtskontakt Kurs Südost für die 6 eigenen Schlachtkreuzer, um Hipper jeden Rückweg abzuschneiden und um aufzuklären, ob 45 Seemeilen hinter Hipper noch Scheers Schlachtflotte stehen könnte. Nicht so die Kavallerie der Flotte: Beatty entschied sich 15.10 weiter für den schnellsten Kollisionskurs NO. Auf SSO ging er erst 15.30, als Hipper wendete. LIONs Entfernungsmesser -reichlich durch full-speed-Vibrationen und Wende gestört - gaben 2000 Yards zu hohe Werte: Die "Scheissschiffe" (bloody ships) funktionierten nicht an diesem Tag, ebenso wenig wie das "bloody system" (die Dreyer-Tables bei hohen Annäherungsraten).

Quelle: Roskill (Earl Beatty), Gordon, Brooks, Tarrant.
 
1. Phase: Official Dispatches

Berichte/Meldungen der britischen Schlachtkreuzer-Flotte 15.10/16.38:

14.25 Meldung „Galatea“, dass feindliche Schiffe in der Nähe seien (vermutlich Leichte Kreuzer)
14.45 Kurs NNO, Kolonnenformation
15.10 Kursänderung NO, auf 23 Knoten, Kolonnenformation
15.16 „Galatea“ berichtet feindliche Kursänderung auf NW
15.25 LION sichtet feindlich Schiffe Steuerbord, Richtung NO
15.26 gleiche Meldung durch „Princess Royal“,
15.27 Befehl Besetzung Gefechtsstationen, Kolonnenformation
15.30 Flugzeug der „Engadine“ meldete feindliche Schiffe; Hippers Wende nach Süden wird beobachtet. Kursangabe Hipper mit NW
15.30 LION misst Entfernung ca. 200 hm. „Princess Royal“ meldet Gegnerkurs NO, Gegner wendet nach Süden.
15.30/15.33 Befehl Beatty : Geschwindigkeit 25 Knoten, Befehl zur Einnahme der Schlachtlinie, 1st BCS/2nd BCS gehen auf OSO, 2nd BCS geht auf SSW, um sich einzureihen.
15.30/15.33 3rd LCS berichtet Wende des Gegnerkurses auf SSO
15.33 „Engadine“ funkt die Kursänderung Hippers: deutsche Schlachtkreuzer nunmehr auf Südkurs.
15.36 2nd BCS geht auf Südkurs (S-Kurve), um sich in Linie hinter 1st BCS einzureihen
15.40 Funk Beatty an Jellicoe: Dringend. Feindliche Schlachtkreuzer, Anzahl 5, Richtung NO, Kurs unbekannt.
15.42 (abweichende Uhrzeit zu 15.40) Chef BCS berichtet an Jellicoe (CiC): Kontakt mit deutschen Schiffen mit demselben Inhalt.
15.44 Feindliche Schiffe auf LION als Schlachtkreuzer erkannt, sich schnell nähernd. Meldung geht auch an TIGER
15.45 Linienformation eingenommen, Kursbefehl auf OSO
15.45 „New Zealand“ (2nd BCS) in Linie hinter TIGER, Kurs O
15.45 Beatty zur britischen Feuerverteilung: „leading pair engage right-hand ship of enemy“
15.45 Funk Beatty an Jellicoe: Dringend. Gegnerkurs Südost. Meine Position …
15.48 Feuereröffnung durch deutsche Schiffe auf ca. 165/170 hm
15.48 Einzelschüsse von LION
15.51 zwei Treffer auf LION, deutsches Feuer liegt deckend
15.51 Feuereröffnung TIGER auf 165 hm, in den folgenden 9 Minuten 9 Treffer auf TIGER
15.55 Funk Beatty an Jellicoe: Dringend. Greife Gegner an. Meine Position …
15.55 Flaggensignal Beatty an Alle: „schneller Feuern“
15.56 Flaggensignal 5th BS an Zerstörer: Halten Sie sich aus unserem Weg.
15.57 Feuereröffnung „New Zealand“ auf 155/160 hm (Differenz zu GR!)
15.57 Kurs LION zeitweise auf S, um deutsche Feuerleitung zu irritieren, Hauptrichtung SSO
16.00 Entfernung lt. LION ca 155 hm, BCS mit Kurs SSO, Entfernung „New Zealand“ 135 hm (Differenz zu GR!), 25 Knoten
16.00 „Warspite“ Feuereröffnung
16.02 „New Zealand“: Entfernung zwischen Schlachtkreuzern 130hm
16.04 Explosion „Indefatigable“ wird gemeldet, vermutlich Munitionskammern
16.08 Beatty bekommt Meldung von ersten Schüssen der 5th BS.
16.08 Befehl Evan-Thomas: 5th BS konzentriert Feuer paarweise auf die beiden deutschen Schlussschiffe
16.09 Beatty: Befehl an 2nd LCS zum Torpedoangriff auf die deutschen Schlachtkreuzer
16.12 Kurs LION auf SSO, Entfernung 185hm, Kursänderung 2-Punkte auf SO „to close the enemy“
16.26 Beobachtung Explosion der „Queen Mary“ auf LION
...
16.38 Meldung 2nd LCS: deutsche Schlachtflotte im Süden gesichtet.

Dazu die zT fehlerhaften Entfernungsmessungen (gunnery reports) in Yards: (1) „Princess Royal“ (2) „Tiger“ (3) „New Zealand“ (4) „Lion“

15.47 - 16.000 - ?????? - ?????? - 18.500 (erste Messung 15.30 auf 23.000 - vermutlich 2.000 zu hoch)
15.48 - 14.000 - ?????? - ??????
15.50 - 14.200 - 18.500 - ??????
15.52 - 13.200 - 18.200 - ??????
15.54 - 12.800 - 15.700 - ??????
15.58 - ?????? - 11.400 - 15.800
16.00 - ?????? - 10.750 - 12.500 - 19.000
16.02 - ?????? - 11.700 - 10.800 - 14.600
16.04 - ?????? - 12.200 - 11.600
16.06 - 19.100 - 12.000 - 12.300
16.08 - ?????? - 14.300 - 13.800
 
3. HMS INVINCIBLE 31.5.1916, 18.34 Uhr (INV)

Das Ereignis:

Das Schiff gehörte zur 3rd Battlecruiser-Squadron, und stammte zusammen mit den beiden Schwesterschiffen aus der ersten Serie britischer Schlachtkreuzer. Der Verband fuhr am 31. Mai 1916 nicht unter Beattys Kommando, sondern als schnelle Vorhut von Jellicoes 24 Schlachtschiffen. Beatty Verband wurde nach Zuordnung der schnellen neuen Queen-Elizabeth-Schlachtschiffe als stark genug angesehen; außerdem sollte die 3rd BCS wegen ihrer bekannt schlechten Schießleistungen auf größere Entfernung (was relativ für alle Battlecruiser galt) in Scapa Flow bei der Schlachtflotte Schießübungen abhalten.

Es folgte der Zusammenstoß britischer und deutscher Schlachtkreuzer am 31.5.1916, 15.30 Uhr. Gegen 16.06 Uhr erhielt die 3rd BCS (Kommando: Admiral Hood) von Jellicoe den Auftrag, mit größter Geschwindigkeit vorauszufahren und Beatty zu unterstützen. Der Abstand betrug rd. 53 Seemeilen. Gegen 17.30 Uhr war erstes Geschützfeuer auf INV zu hören (Kurs SSO), Beatty befand sich auf der Flucht vor Scheers Schlachtschiffen und Hippers Schlachtkreuzern. Um 17.36 wurde der deutsche Kreuzer „Frankfurt“ vom eigenen Zerstörer-Schirm gesichtet, der Hippers Schlachtkreuzern etwa 5 sm NW vorausfuhr. Die Blitze im Artilleriegefecht „Frankfurt“/“Chester“ wurden auf INV um 17.40 gesichtet, das 3rd BCS drehte auf Kurs SO. Als man auf „Chester“ zufuhr, wurden 17.53 die Umrisse von 4 Kleinen Kreuzern sichtbar: Obwohl nach SW gerichtet, betrug die erste Sichtentfernung nur noch rd. 105 hm: die Schlachtkreuzer eröffneten das Feuer.

Auf der deutschen „Wiesbaden“ wurde sofort die Maschinenanlage außer Gefecht gesetzt, auf „Pillau“ explodierte eine Granate der „Inflexible“. Die 3rd BCS ging kurz danach auf Kurs West, um rasch näher an Beatty aufzuschließen und sich vor ihm einzureihen. Dabei wurden Ausweichmanöver gegen zahlreiche angreifende deutsche Torpedoboote gefahren.

Um 18.20 klärte sich die Situation durch die Sichtmeldungen: auf etwa 100 hm im Westen kamen Beattys restliche 4 Schlachtkreuzer in Sicht, die in ein laufendes heftiges Gefecht mit Hippers Schlachtkreuzern (südwestlich von Beatty, südlich von Hood stehend) verwickelt war. Die deutschen Schiffe tauchten nun knapp unter 100hm SW von der INVINCIBLE aus dem Dunst und Qualm auf. Hood fuhr mit seinen 3 Schlachtkreuzern eine sehr scharfe 180°-Wende (einen Halbkreis) und reihte sich ca. 25hm vor Beattys Schiffen an der Spitze ein, nunmehr auf Parallelkurs mit den 5 deutschen Schlachtkreuzern liegend, die rd. 80hm an Steuerbord lagen. Auf diese Entfernung und den gegebenen Lagenwinkel boten die schweren deutschen Seitenpanzer noch Schutz gegen britische 30,5cm-Granaten an den Stellen der Maximalpanzerung von 300mm sowie an der 270mm-Turmpanzerung.
Britain 12"/45 (30.5 cm) Mark X

Um 18.26 eröffnete – mit Abschluss des Wendemanövers – INV das Feuer auf das deutsche Spitzenschiff LÜTZOW (der „Derfflinger“ vergleichbar“ – daher zum direkten Vergleich siehe oben „Indefatigable“/“Derfflinger“). In den nächsten 8 Minuten – bis 18.34 – erzielte INVINCIBLE gegen die klar sichtbare LÜTZOW auf 85hm 8 Treffer (von ca. 50 Schuss in Salven). Der überlebende Artillerieoffizier Dannreuther auf INV bekam die Meldung von Admiral Hood: „ Your firing is very good, keep at it as quickly as you can, every shot is telling.” LÜTZOW sah nach Norden gegen den Dunst und Qualm so gut wie nichts von INV außer Mündungsblitzen.

In der Zwischenzeit schwenkte auch “Derfflinger” (die zuvor Hoods neu anlaufende Schlachtkreuzer nicht bemerkt hatten) das Feuer auf INV ein, die nun von den zwei größten deutschen Schlachtkreuzern auf kurze Entfernung beschossen wurde: zunächst 1200 Yards zu kurz, dann schnell näherkommend, dann deckend.

16.33 sahen Augenzeugen auf der Brücke der nachfolgenden „Indomitable“, dass eine Salve der „Derfflinger“ das Achterschiff der INV ohne erkennbaren Effekt traf. 16.34 traf die nächste Salve das Mittelschiff der INV im Bereich des Q-Turms. Entfernungsmesser Bryan Gasson aus dem Q-Turm berichtete vom Treffer, der die 7inch (178mm)-Frontalpanzerung glatt durchschlug, im Innenraum explodierte und das komplette Turmdach absprengte (wie auch beim P-Turm, wie Tauchergänge zum Wrack entzwischen entdeckt haben sollen).


Ab hier gibt es zwei Erklärungen mit gleicher Plausibilität (Tarrant/Invincible):
- entweder entzündete der Treffer im Q-Turm durch das dort vorhandene Kordit eine große Stichflamme, die sich nach unten ca. 20 Meter ins Schiff bis zu den Munitionsmagazinen verbreitet hat
- ein zweites Geschoss derselben Salve von „Derfflinger“ hatte die dünne Seitenpanzerung oberhalb des Gürtels und die folgende Deckspanzerung oder den Gürtel von 6inch durchschlagen und die Munitionsmagazine erreicht.

Jedenfalls explodierte das ganze Munitionsmagazin des Mittelschiffs (für P- und Q-Turm) in einem gigantischen Feuerball, der das Schiff in zwei Hälften riss. Sekunden danach waren nur Heck und Bug aus dem Wasser ragend zu sehen (6 Überlebende, 1026 Tote).
http://upload.wikimedia.org/wikiped....jpg/800px-InvincibleBlowingUpJutland1916.jpg

Hintergrund der Treffer:
Gegen 18.20 lief „Lützow“ noch Kurs NNO, um dann unter dem heftigen Feuer des 3rd BCS auf Südkurs zu drehen. Die deutschen Schiffe hatten äußerst schlechte Sicht (Dunst, Qualm, Sicht gegen Norden) auf die britischen Schlachtkreuzer, als sich gegen 18.30 schlagartig die Sicht wesentlich besserte. Die INV tauchte für "Derfflinger" und "Lützow" auf kürzeste Entfernung auf, bei der die britische Panzerung selbst an den stärksten Stellen keinen Schutz mehr bot.

Die zwei Treffer von INV auf „Lützow“ hatten ebenfalls schwere Folgen: einer unterschlug den vorderen Gürtelpanzer, ein zweiter durchschlug auf die kurze Entfernung den 5inch-Seitenpanzer im Vorschiff. „Lützow“ besaß vorwärts des A-Turms kein Torpedoschott, so dass viel Wasser (ca. 2000 to.) in das Schiff eindrang, und sie die Geschwindigkeit reduzieren mußte, damit durch den Wasserdruck die vorderen Querschotten zunächst halten konnten. Ein dritter Treffer endete nach Durchschlagen des hinteren 150mm-Gürtelpanzers (Kappenabriß beim Durchschlagen) ohne Detonation. Ein viertes Geschoss explodierte direkt auf dem maximalen 300mm Gürtelpanzer mittschiffs, ohne zu durchschlagen.
 
HMS INVINCIBLE 31.5.1916, 18.34 Uhr (INV)

Das Manöver der 3rd Battlecruiser-Squadron unter Admiral Hood, welches in die dann katastophale Nähe zu Hippers Schlachtkreuzern brachte, war keineswegs unter mangelnder Vorsicht, aus Leichtsinn, Draufgängertum o.ä. erfolgt. Dieses aus mehreren Gründen:


- zunächst war Hood die Einreihung in Beattys Schlachtkreuzerverband befohlen worden. Er handelte also auf Anweisung. Das "Einreihen" in Marschgeschwindigkeit zwecks "Setzen an die Spitze der Kolonne" war ein vielfach geübtes Manöver, ausweislich der ergangenen Battlecruiser Operation Instructions. Über Hippers Position war ihm dabei nichts bekannt.

- zudem betrug die Sicht - das Auftreten von Nebel neben dem Rauch und Pulverqualm war oben nicht erwähnt worden - zwischen 40 (!) und 120 hm in wechselnden Abschnitten. Nach einer Darstellung sichtete Hood die Schiffe Beattys erst wegen "Nebel" auf 4000 Meter. So wird auch der Vorgang aus Sicht der "Derfflinger" geschildert, die überraschend durch den Dunstschleier die "Invincible" vor sich hatte.

- bis nach dem Krieg 1919 ging die britische Seite davon aus, dass die deutschen Schlachtkreuzer Gürtelpanzer von maximal 7inch (180mm) aufweisen würden und das nur die Geschütztürme einen maximalen frontalen Panzer von 10inch (254mm) aufweisen würden: Watts, Transactions of the Royal Institution of Naval Architects 1919, S. 33. Demnach mußte Hood bei den geringen Entfernungen (7inch würden von der britischen 30,5cm-Artillerie bei der realisierten Gefechtsdistanz durchschlagen werden können) davon ausgehen, dass die von seinen Schiffen in wenigen Minuten erzielten Treffer unmittelbar große Wirkung haben würden. Wie oben das Beispiel "Lützow" zeigt, war aber ein Durchschlagen des Gürtelpanzers (bzw. der Türme und Barbetten) an den vitalen Stellen mittschiffs und vor den Munitionskammern nicht möglich.
 
Fisher und seine „Battlecruiser“

Die Ereignisse am Skagerrak kann man als Desaster eines stets umstrittenen Schiffskonzepts ansehen, das – gemessen an der artilleristischen Stärke der Royal Navy 1907-1918 – immer nur einen, wenn auch qualifizierten Bruchteil der Seemacht Großbritanniens ausgemacht hat. Am Skagerrak versanken in jeweils wenigen Minuten drei Schlachtkreuzer.

Diese Beurteilung ist nur auf den ersten Blick richtig, der zweite macht es kompliziert. Fisher hatte nämlich diese Schiffe von ihrer Geburtsstunde an als „new testament ships“ bezeichnet und als finales Konzept angesehen, im Gegensatz zu Schiffen des „Dreadnought“-Typs, die er beharrlich bis 1918 als „old testament ships“ ansah.
Gegen diese Konstruktionen gab es beachtliche Widerstände, auf die Fisher verbittert noch 1917/18 zurückkam und sich bemühte, indem er sich genötigt sah schriftlich die Vorteile seiner „new testament ships“ aufzuzeigen: Sie seien für alle Erfolge des Seekrieges verantwortlich gewesen, für die Versenkung von Spees Geschwader bei den Falklands, die Versenkung der „Blücher“ vor der Doggerbank, die erfolgreichen Vorstöße auf Helgoland 1914 und 1918: sie stehen für die Offensivkapazität der Royal Navy.

Fishers Memorien legten auch klar offen, mit welcher Besessenheit und Raffinesse er diese Baustrategie bis ins Extrem verfolgte: aus Haushaltsgründen wurden „old testament“ Dreadnoughts aufgelegt (die er eigentlich nicht weiterbauen wollte), nur um einige „new testament ships“ als Begleitung, quasi „unter dem Tisch“ zu bekommen. Stolz und begeistert schrieb Fisher später über diesen coup. Insgesamt brachte er es trickreich auf 10 dieser Schiffe bis 1916, die letzten übertrafen an Größe sogar die zeitgleichen „Dreadnoughts“:

- die drei ersten Invincibles, Prototypen des Fehlschlusses „speed is protection“
- die drei Indefatigables, aufgrund von Fehlinformationen und Haushaltslöchern der ersten Generation weitgehend entsprechend
- die 4 LIONs (TIGER wurde dann aufgrund der neuen Entwicklungen – KONGO - abgeändert).

Seine große Stunde kam 1914 mit der Rückkehr als „First Sea Lord“. Er brachte ein immenses („emergency“) Bauprogramm auf den Weg, ließ 3 der 8 schon genehmigten Schlachtschiffe der Revenge-Klasse stornieren (und den Rest auf Ölfeuerung umbauen). Sein Bauprogramm umfasste über 600 Schiffe, darunter auch 4 weitere Schlachtkreuzer (zwei "R" wurden gebaut: Repulse, Renown – die eigentlich als Revenge-Typ gebaut werden sollten, 2 weitere BC konnten mangels Werftkapazität nicht realisiert werden). Dieses gigantische Kriegs-Bauprogramm wurde unter Fishers einzig leitender Hypothese durchgesetzt, nämlich der Royal Navy ihre „Offensivkapazitäten“ zu verschaffen bzw. zurückzugeben.

Und die Gefahren der Schiffe schätzte er unverändert niedrig ein: Die RENOWN sollte das stärkste verfügbare Geschützkaliber (38,1 cm) bekommen, die deutsche HINDENBURG an Geschwindigkeit übertreffen und deshalb aus Gewichtsgründen nur eine Panzerung vergleichbar der 10 Jahre älteren INVINCIBLE aufweisen (6inch/152mm Gürtelpanzer). Rückblickend mag man am Verstand zweifeln, dieses Baukonzept resultierte aber direkt aus der Falkland-Euphorie. Fishers Schlachtkreuzer waren Kreuzer-Jäger, und die Rolle sollten sie auch im prognostizierten Flottillenkrieg in der Nordsee ab 1916 spielen. Für die Konfrontation in der Linie waren sie nie vorgesehen und auch nicht konstruktionsseitig ausgestattet.

Fisher sah die Dreadnoughts schon 1906 mit ihrem Prototyp als Auslaufmodell an, ungeeignet und nicht mehr entscheidend für den Nordseekrieg, daneben allerdings stets als günstiges Mittel zum Zweck, um seine Battlecruiser fiskalisch gegen alle Widerstände mit genehmigt zu bekommen. Bereits vor dem Krieg hatte er mehrfach die Vision geäußert, dass die Nordsee im Flottillen- (Uboote, Torpedoboote) und Minenkrieg ersticken werde.

Diese Schlachtkreuzer werden nun 1914 mit dem Flottillenkrieg in der Nord- und Ostsee in Verbindung gebracht. Diese Initiative Fishers konkurrierte Ende 1914 mit der alten Idee der Öffnung der Dardanellen. Interessant sind die Wurzeln der Dardanellen- und Ostsee-Strategie: diese stammen ursprünglich aus der Konfrontation mit Russland vor 1904. U.a. Curzon hatte bereits die britische Hilflosigkeit treffend beschrieben, Russland in einem potentiellen Krieg empfindlich zu treffen, während es seinerseits und umgekehrt Indien bedrohen könne. 1904 gerieten beide Mächte an der Doggerbank aneinander, in London (Japans Verbündetem) kursierten Kriegspläne der zwei Flanken: ein Schlag in der Ostsee einerseits, und die Besetzung der Dardanellen andererseits mit Öffnung des Schwarzen Meeres.

Die Konfrontation mit Deutschland brachte die Renaissance dieser Ideen, quasi mit umgekehrten Vorzeichen: die Dardanellen müssten für die russische Versorgung offen gehalten werden; und für Deutschland wurde auf die Empfindlichkeit der Nordflanke "seit Friedrich d.G." abgestellt, bei deren Bedrohung die deutsche Flotte sich würde stellen müssen. Der Ausgang dieser „Schlacht ohne Ausweg“ wurde von Fisher klar mit der totalen Vernichtung der deutschen Schlachtschiffe in der Nordsee kalkuliert. Es kam nur darauf an, eine glaubwürdige Bedrohung zu konstruieren, die eine deutsche Reaktion determiniert. Das waren aber noch Vorkriegs-Überlegungen.

Die schnelle Entwicklung der Fronten im Ersten Weltkriegs brachte eine weitere Veränderung und Ergänzung der strategischen Gedanken: nun stand die deutsche Nordseeküste und vor allem Belgien im Fokus, die deutsche Schlachtflotte in einer prinzipiell defensiven Position, mit ärgerlichen kurzen Ausfällen. Fisher blieb bei seiner Grundthese, dass sich die Nordsee im Flottillen- und Minenkrieg als Schlachtfeld ersticken lassen würde (noch Ende 1916, nach dem Skagerrak kam er auf die Idee zurück: er würde damit die deutsche U-Boot-Gefahr "mit Tausenden über Tausenden Minen" binnen weniger Wochen auf Null reduzieren). Damit kam er gedanklich zugleich wieder beim Schlachtkreuzer-Konzept an: Durchbruchs-Unterstützung für die kleineren Streitkräfte.

Ausgehend nun von diesen Prämissen (deren schnellste Realisation er bereits Ende 1914 mit vielen zehntausenden Minen forderte, die nicht vorhanden waren), gab es Ende 1914/Anfang 1915 mehrere Denkansätze für die britische Offensive:

1. Dardanellen und Öffnung des Versorgungsweges für die entscheidende russische Unterstützung zu Lande (was Fisher als „zu langsam“ ansah, und was seine Grundbedingung der massiven Mitwirkung der Armee – combined operation - verletzte)
2. Belgien etc.: Offensivhandlung der Navy, unter Mitwirkung einer Armee > 100.000 Mann, Sperren der Nordseeinseln.
3. Ostsee: Durchbrechung der deutschen Minensperren am Belt, konkrete Bedrohung der Zufahrtswege und in der direkten Folge Hervorlocken der Hochseeflotte zur letzten Schlacht [-> Lambert]. Nach dem Niederringen der Hochseeflotte würde dann die Blockade Deutschlands gegen Skandinavien kein Problem mehr sein, um schließlich den Krieg in kurzer Zeit zu beenden.

Fisher stritt für Nr. 3, erhielt gewisse Unterstützung für seine Ideen zu 2. und lehnte 1. In Unkenntnis der mittelfristigen Wirkung und strategischen Bedeutung ab, worüber es mit Churchill zum heftigen Streit kam, der am 28.1.1914 eskalierte. Mit Fishers Abgang im Mai 1915 war das „baltic theme“ erledigt, obwohl er es 1917 wieder verstärkt von außen und schriftlich vorbrachte (z. B. unter dem Eindruck der deutschen Landung im Baltikum). Es blieb allerdings sein Not-Bauprogramm für die Offensive in Belgien und ggf. die Ostsee, das er erfolgreich angeschoben hatte.

Konstruktive Folgen:
Für diese Offensiv-Kapazität gegen die Nordsee-/Kanalküste und die optionale Bedrohung in der Ostsee wurden auch die „Large Light Cruisers“ (LLC) als finale Konzepte entworfen, weiterhin die Monitore, aber auch die Massen von Minensuchern und Landungsfahrzeugen, sowie eine Kreuzerflotte von Fisher aufgelegt.

Zeitgleich argumentierte er für die LLC ganz unterschiedlich mit „gebaut für Berlin und die pommersche Küste“, aber auch mit dem Argument „Kreuzerjäger“ in der Offensive. Auf Letzteres verwies er nochmals stolz anlässlich eines großen britischen Vorstoßes in die Nordsee. Die „new testament ships“ hätten in dem Flottillen- und Kreuzerkrieg auch hierbei wieder entscheidend die Wege geöffnet, die herkömmlichen Dreadnoughts seien für diese Operationen zu langsam. Roberts („Battlecruiser“) hat aufgrund dieser Dualität überzeugend herausgearbeitet, dass es sich selbst bei der letzten Generation der LLC nicht um „baltische“ Schiffe, sondern um die Realisation des generellen Offensivkonzepts von Fisher unter den von ihm angenommenen Bedingungen handelte: die Schiffe waren von Beginn an gleichwertig auch für die Nordsee-Operationen vorgesehen.

Ihr Grundansatz war Offensivkapazität, z. B. gegen Kreuzer (weswegen sie bereits konstruktiv – trotz des „Berlin“-Arguments – überwiegend mit AP-Geschossen, nicht mit HE-Geschossen geplant wurden -> Roberts). Auch hierfür galt wieder, was in der Literatur als Fishers Maxime dargestellt wird: andere nicht erkennen lassen, was man denkt. Oder wie Lambert treffend formulierte: Was Fisher wirklich vorhatte, nahm er mit ins Grab. Lambert ist sich lediglich sicher, was mit dem vorgetäuschten „baltic threat“ eigentlich beabsichtigt war: die Entscheidungsschlacht mit der Hochseeflotte in der Nordsee, die nur einen denkbaren Ausgang haben konnte. Würde aber die Hochseeflotte vernichtet werden können, wäre der Krieg lt. Fisher schnell durch Blockade Skandinaviens beendet.

Soweit zum Hintergrund.
Fishers Schlachtkreuzer nahmen in dieser Entwicklungsgeschichte (die zum Schluss zwei Verästelungen aufweist) immer monströsere Formen an. 1915 forderte er in einer Art „megalomania“ schließlich „Battlecruiser“ mit 40.000 Tonnen, 35 Knoten Geschwindigkeit und 20inch-Kaliber (abgesehen von der Tonnage übertraf er damit noch die YAMATO, 20 Jahre später). Dazu kam es nicht mehr. Die „admiral-class“ (zu der auch HMS HOOD gehörte) wurde nach den Katastrophen am Skagerrak in der Panzerung völlig umkonstruiert; was sie trotz +5000 Tonnen KC-Stahl nicht – auch aufgrund weiterer verschobener Umbauten in den 1930ern - davor schützte, das gleiche Schicksal in der Dänemark-Straße 1941 wie ihre Vorgänger am Skagerrak 1916 zu erleiden, als sie an den BADEN-Nachfolger in Gestalt der BISMARCK geriet.
 
silesia schrieb:
- bis nach dem Krieg 1919 ging die britische Seite davon aus, dass die deutschen Schlachtkreuzer Gürtelpanzer von maximal 7inch (180mm) aufweisen würden und das nur die Geschütztürme einen maximalen frontalen Panzer von 10inch (254mm) aufweisen würden: Watts, Transactions of the Royal Institution of Naval Architects 1919, S. 33. Demnach mußte Hood bei den geringen Entfernungen (7inch würden von der britischen 30,5cm-Artillerie bei der realisierten Gefechtsdistanz durchschlagen werden können) davon ausgehen, dass die von seinen Schiffen in wenigen Minuten erzielten Treffer unmittelbar große Wirkung haben würden. Wie oben das Beispiel "Lützow" zeigt, war aber ein Durchschlagen des Gürtelpanzers (bzw. der Türme und Barbetten) an den vitalen Stellen mittschiffs und vor den Munitionskammern nicht möglich.
Irgendwann in der Zeit von 1911 bis 1913 hat ein deutscher Ingenieur einen Bauplansatz der (späteren) SMS "Seydlitz" an die Briten verkauft. In Anbetracht dieses Wissens, in wie weit ist die Behauptung von Watts glaubwürdig?
:grübel:
 
Irgendwann in der Zeit von 1911 bis 1913 hat ein deutscher Ingenieur einen Bauplansatz der (späteren) SMS "Seydlitz" an die Briten verkauft. In Anbetracht dieses Wissens, in wie weit ist die Behauptung von Watts glaubwürdig?:grübel:

Ich halte die Aussage - die auch aus weiteren Beispielen hervorgeht - für glaubwürdig.

Dafür kann es mehrere Erklärungen geben:
- die Baupläne waren unvollständig
- die Panzrstärken waren nicht enthalten
- die Informationen waren richtig und vollständig, sind aber versickert oder wurden absichtlich nicht beachtet.

(1) Ende 1914 stornierte Fisher die letzte Hälfte des Bauprogramms der R-Schlachtschiffe und legte stattdessen 3 "R"-Schlachtkreuzer vor. Diese wiesen wiederum nur 6inch-Gürtelpanzer auf. (2) Churchill schreibt an Beatty in 1914 das die "Tiger" problemlos mit "Derfflinger" fertig werden würde und in allen Belangen überlegen sei. (3) Mit den LIONs hatte man den Gürtelpanzer auf 9inch verstärkt, immer noch schwächer als die deutschen Vergleichsschiffe und unterhalb des Niveaus des ersten deutschen Schlachtkreuzers "von der Tann" (9 3/4 inch). (4) Die Entwürfe für stärkeren Seitenpanzer lagen seit "Invincible" vor (9inch), wurden bei den ersten 6 Schiffen (bis "Indefatigable") aus Kostengründen nicht realisiert. (5) bei den Dogerbank-Aktionen etc. 1914/15 gingen Beatty und die Admiralität stets in den Diskussionen vom +60%-Ideal aus (3:2), wobei die älteren Schlachtkreuzer voll gezählt wurden. (6) Einzig die "Blücher" wurde bereits intern bei der Admiralität nicht mitgezählt, obwohl die Zuordnung dieses deutschen Schiffes zu den Schlachtkreuzern Hippers aufgeklärt worden ist.

Andererseits: Dass man schon ab "Moltke"/"Goeben" mit den deutschen Schlachtkreuzern Probleme bekommen würden, zeigen die Ereignisse im Mittelmeer: (a) es werden 3 ältere britische Schlachtkreuzer detachiert, um mit der "Goeben" ein Gefecht durchzustehen (b) 4 britische Panzerkreuzer, artilleristisch dem deutschen Schlachtkreuzer ebenbürtig, lassen "Goeben" entkommen - der kommandierende Vizeadmiral wird später vor ein Gericht gestellt, allerdings freigesprochen. Für die "3" statt "2" können andere Gründe gesprochen haben, so auch Dislokation.

Roskill war mE der Erste, der den Fokus in den Diskussionen auf das Panzerungs-Konzept legte. Da ihm die Akten der Admiralität vollständig offenlagen (inkl. Harper-Report etc.), er aber den Hinweis nicht für die Vorgänge um "Indefatigable" und "Invincible" verwendet, dürfte es also keine Warnung an die Flottenoffiziere gegeben haben.
 
Irgendwann in der Zeit von 1911 bis 1913 hat ein deutscher Ingenieur einen Bauplansatz der (späteren) SMS "Seydlitz" an die Briten verkauft. In Anbetracht dieses Wissens, in wie weit ist die Behauptung von Watts glaubwürdig?
:grübel:

Nachtrag:

1. Das endgültige Design der LIONS (Battlecruiser "C-5") stammt vom 7.6.1909. Die erhöhte Armierung (13,5inch-Geschütze), verstärkte Panzerung (Gürtel 9-6-5inch) als auch die erhöhte Geschwindigkeit entsprachen Forderungen Fishers vom März 1909: "... we have to work hard in the next 2 years to build 8 'nonpareils' to meet cruisers E, F, G and H. Cruiser 'E', the "Blücher", has 8 11-inch-guns and a speed of 25 knots - you want 28 to catch her."
Fisher lag völlig falsch in der Beschreibung der "Blücher". Der "Cruiser H" war die "Goeben" aus dem 1909er-Bauprogramm, auf die die Beschreibung passt. Wenn Fisher keine Verwechselung passiert ist, dürfte er die "H" noch stärker eingeschätzt haben, daraus werden die LION-Vorgaben plausibel.

2. Das endgültige Design der TIGER (Battlecruiser "A-2") stammt vom 20.12.1911. Es weist keine prinzipiellen Abweichungen zu den LION-Vorgaben auf, nur Detail-Veränderungen. Danach gab es unter Churchill das "fast battleship" und insoweit eine Abkehr von Fisher. Die Orientierung erfolgte an deutschen Schlachtschiff-Entwürfen. Schriftlich forderte Fisher in dieser Zeit ("megalomania") bereits einen 30-Knoten-Schlachtkreuzer mit 8*15inch (1912/13), unter dem Eindruck der "Kaiser"-Klasse von Schlachtschiffen.

3. Mit Fishers Rückkehr wurde die Schlachtkreuzer-Idee reaktiviert (19.12.1914). Er setzte die RENOWN-Klasse um, mit 6*15inch, allerdings nur 6inch Gürtelpanzer (8inch-Barbetten und Türme) und 32 Knoten. Konstruktive Einflüsse der "Seydlitz" sind wiederum nicht erkennbar, im Gegenteil: auch die nun jüngsten deutschen Schlachtkreuzer-Entwürfe ("Derfflinger") wurden im Gürtelpanzer unterschätzt (Brasseys 1913: 7inch sowie 10inch für Türme und Barbetten). Dieses Design blieb bis 22.4.1915 unverändert. Einige Verstärkungen der Panzerung ergaben sich erst nach dem Skagerrak. Beide Schiffe waren mit zahlreichen Mängeln aufgrund der hastigen Bauweise behaftet (navy-slang: HMS "Refit" and HMS "Repair")
 
Die rasche Annäherung der beiden Schlachtkreuzer-Linien ab etwa 16.15 Uhr ist – defensiv – von großer Bedeutung, weil die Annäherung (nur) die deutschen 30,5cm-Geschütze begünstigte und ihnen nun durchschlagende Wirkung bei der frontalen Turmpanzerung, Barbetten- und Gürtelpanzerung der 4 stärksten britischen Schlachtkreuzer verschaffte. Dieser Effekt der kritischen Zone bei etwa 120-140hm konnte auch aus den – etwas schwächeren – Leistungen der britischen 30,5cm-Geschütze abgeleitet werden (und war durch Erfahrung aus der Doggerbank-Schlacht bekannt!).

In der Literatur wird häufig auf die deutsche Auswertung der Doggerbank-Schlacht verwiesen (Korditbrände nach Turmtreffer, Gefahr der Explosion der Magazine).

Es gab allerdings auch eine britische Auswertung, die die Schwäche der britischen Panzerung gegen deutsche 28cm- oder 30,5cm-Treffer klar erwies. Diese Auswertung wiederum war Beatty wohlbekannt:

Der britische Schlachtkreuzer LION erhielt auf Gefechtsentfernungen von 100 bis 150 hm am 24. Januar 1915 insgesamt 16 Treffer der deutschen schweren Kaliber (zumeist 28cm/11-inch-Kaliber plus einen 21cm-Treffer der Blücher.). Zusätzlich erhielt TIGER 6 schwere Treffer (Roskill, Earl Beatty, S. 112, 119). Ein 28cm-Treffer durchschlug auf LION glatt die obere schwächere Gürtelpanzerung von 128mm/5inch.

Roskill kritisiert hier völlig zu Recht die Darstellung der Skagerrakschlacht bei Marder, der dieses Gefecht am Skagerrak als Schlüsselereignis für die Feststellung der Schwäche der britischen Panzerungs-Schemata herausstellt und damit eine Legende kreiert hat: " ... which ignores Beattys grave concern over the failure of the LION`s 5-inch armour against a German 11-inch shell in the Dogger Bank action. ... In sum there is no doubt, that Beatty was right to point to the inadequacy of his ships protection in 1915, and the whole question of ship design ... during the Fisher era ..." Nebenbei: einen ganz ähnlichen Vorgang gibt es betr. Jellicoe im Juli 1914, als er Churchill schriftlich einen Vergleich der deutschen und britischen dreadnought-Klassen seit 1907 vorlegte und dabei alle zeitgleichen Bauserien verglich. Jellicoe hob hier die stärkere deutsche Panzerung bis 1913 hervor (beendet erst durch die QE- und die R-Klassen, die ca. gleichwertige Panzerungen aufwiesen - NA 1921, S. 13ff.).

Die Diskussion 1915 belegt, dass Beatty am 31.5.1916 die Problematik der kurzen Gefechtsentfernung völlig bewußt war.

Wie oben dargestellt, führte sein Auftaktmanöver die britischen Schlachtkreuzer zu nahe an ihre deutschen Kontrahenten heran, was durch die falsche Aufstellung und die Kursorder bedingt war. Beattys folgende Befehle vergrößerten die Entfernung wieder, zu spät für die in diesen Minuten explodierte "Indefatigable".
Die vergrößerte Entfernung wurde eingangs und mindestens um 16.12 Uhr von LION mehrfach falsch, nämlich ca. 2 Kilometer zu hoch eingemessen, was 15 Minuten später zur Katastrophe auf der "Queen Mary" auf ca. 135 hm führte. Der falschen Entfernungsmessung vorausgegangen war Beattys Befehl zur Annäherung der Verbände unter die gemessenen 185hm (tatsächlich ca. 160-165 hm, die durch den Befehl verringert wurden).
 
Die Ausführungen zu dem Schlachtkreuzer"Problem" sind sehr gut gegliedert.
Aber das Grundproblem wurde nicht ins Auge gefasst. Mit welchem Hintergrund und mit welchen taktischen Aufgaben wurden die britischen Schlachtkreuzer konstruiert?

Die brit. Schlachtkreuzer der 1. Dekade waren schwer an die letzten Panzerkreuzerbauten angelehnt und waren entsprechend als Kreuzerjäger ausgelegt. Sicherung der Handelswege und schneller Einsatzortverlagerung war das Hauptaugenmerk. Also nicht die Linienfähigkeit, die bei den deutschen Schlachtkreuzerbauten aber wiederum an vorderster Stelle stand (somit die Standkraft).

Somit würde ich hier nicht das Manöver im Gefecht als Grund für die Versenkung der brit. Schlachtkreuzer in den Vordergrund setzten, sondern der allgemeine falsche Einsatz dieser Schiffe.
Und damit Teilen Sie das gleiche Schicksal, wie anderthalb Jahre zuvor die versenkte deutsche Blücher.
Aber in der Skagerrakschlacht wurden auch zwei Panzerkreuzergeschwader von den Briten mitgeführt. Auch hier gab es hohe Verluste unter den Schiffen.

Warum hat man hier alt mit neu kombiniert? War es Unwissenheit oder Überschätzung der Möglichkeiten der jeweiligen Schiffstypen? Zählte nur das Breitseitengewicht?
 
Somit würde ich hier nicht das Manöver im Gefecht als Grund für die Versenkung der brit. Schlachtkreuzer in den Vordergrund setzten, sondern der allgemeine falsche Einsatz dieser Schiffe.
Und damit Teilen Sie das gleiche Schicksal, wie anderthalb Jahre zuvor die versenkte deutsche Blücher.
Aber in der Skagerrakschlacht wurden auch zwei Panzerkreuzergeschwader von den Briten mitgeführt. Auch hier gab es hohe Verluste unter den Schiffen.

Warum hat man hier alt mit neu kombiniert? War es Unwissenheit oder Überschätzung der Möglichkeiten der jeweiligen Schiffstypen? Zählte nur das Breitseitengewicht?

Nun ja, es gibt eine Auffassung - und die verweist auch auf das Wehklagen von Fisher nach den Verlusten - die Schiffe seien "falsch" eingesetzt worden.


Da möchte ich eine Gegenmeinung vortragen (-> Roberts), die sich auf die britische und deutsche Schlachtplanung bezieht:

die größte Leistung des Schlachtkreuzer-Konzeptes lag defensiv in der Vorhut Hippers bei Annäherung an die Grand Fleet, die der Hochseeflotte überhaupt zeitlich die Gefechtskehrtwende erlaubte. Ohne diesen Schlachtkreuzer-Schirm wäre der Aufprall beider Schlachtflotten bei guten Sichtbedingungen für die Briten auf kürzere Entfernung erfolgt.

Offensiv lag der größte britische Erfolg des Schlachtkreuzer-Konzeptes darin, dass es Beatty durch die Unvorsichtigkeit Scheers gelang, ihn in Kontakt mit Jellicoe zu ziehen. Beide Erfolge hängen also mit dem run-to-the-north zusammen, beide Erfolge neutralisierten sich im Ergebnis. [Anmerkung: Diese Neutralisation hat Beatty im Ansatz erkannt: deswegen die scharfe Biege vor der annähernden Grand Fleet, um die Schirmfunktion der deutschen Schlachtkreuzer abzuschwächen und die aufkommende Grand Fleet bis zm letzten Moment abzudecken - die 4 QEs erhielten dabei die Order, sich an Jellicoe anzuhängen. Beatty teilte also auch seinen Verband auf]

Nur ergänzend: es gab vorab britischerseits Überlegungen, die alten Schlachtkreuzer (3*Invincible, 2*Indefatigable - 2nd und 3rd BCS) dem Großkampf fernzuhalten. Bei den 3 Invincibles wollte man allerdings nicht auf die Vorhutfunktion für die Grand Fleet verzichten, angesichts der ursprünglich nahen Marschordnung wäre das auch unproblematisch gewesen - Jellicoe nahm sie also mit ins Gefecht, zur Fernsicherung gegen deutsche Kreuzer. Die 3 Schiffe von Hood (3rd BCS) wurden von der Grand Fleet dann abgetrennt und vorausgeschickt, um Beatty gegen die Schlachtkreuzer zu unterstützen. Beattys Marschformation hatte daneben die 4 QE-Schlachtschiffe (5th BS) mit den 2 schwachen Schlachtkreuzern (2nd BCS) in den Flanken vertauscht. Ansonsten hätten die QEs südwestlich von Hipper gestanden und nicht abseits bei der ersten Gefechtsberührung - für Hipper wären die überlegenen schnellen Schlachtschiffe höchst gefährlich geworden.

So läßt sich die Ansicht vertreten, dass die geplante Funktion der Schlachtkreuzer-Gruppen durchaus sinnvoll war und das sie die Kernaufgabe jeweils gelöst haben - mit den Verlusten auf britischer und deutscher Seite in dieser Kernaufgabe kann man nur "Lützow" und "Invincible" in Verbindung bringen.

Ein Nachsatz zu den Panzerkreuzer-Verlusten der Briten:
diese resultierten direkt aus der Aufgabenstellung, nämlich "Sicherungsschirm" und Aufklärung für den Schlachtflottenkern von Jellicoe. Der Verlust von "Defence" und "Warrior" folgte daraus, dass sie als Bestandteil dieser Abschirmung direkt zwischen die beiden Schlachtflotten gerieten - der Preis für das gebildete Crossing-the-T. Die beiden Fluchtwege SO und NW zwischen den Linien und der geringe Abstand, zu dem Jellicoe bis zur Entfaltung der Linien auflaufen wollte, erschwerte diesen beiden Schiffen - wie den begleitenden Kleinen Kreuzern - den Rückzug beim Zusammenprall. Deutscherseits wurde das übrigens populär als "Rache" und "gerechte Strafe" dargestellt, wegen des Beschusses der kampfunfähigen "Wiesbaden" durch die Panzerkreuzer. Tatsächlich lag dem Vorgang ein Manöverierproblem zugrunde. Der dritte Panzerkreuzer wurde in den nächtlichen Wirren bei versehentlicher Annäherung an die deutsche versenkt. Dem gleichen Schicksal ist übrigens die "Seydlitz" entgangen, ein Beschuss durch die Briten erfolgte trotz Sicht-Annäherung in der Nacht nicht, weil man das Schiff nicht als feindlich einordnete.
 
Also zu den Verlusten der britischen Schlachtkreuzer, kann man zwar eine fehlerhafte Führung während des Gefechtes vorwerfen aber als wichtigsten Grund überzeugt mich dies nicht.

Die schwere Artillerie hat dazu verleitet, die Schiffe in irgendeiner Form in die Schlachtlinie zu integrieren, doch dass ihre Panzerung und damit die Standkraft für diese Art von Einsatz nicht ausgelegt waren führte doch nachhaltig zum Verlust der Schiffe.

Ein Vergleich von den meisten Treffern, die auf Schiffen in der Skagerrakschlacht erzielt wurden, zeigt deutlich, welche einen baulichen Nachteil hatten.

Britische Schiffe
17 Tiger (Schlachtkreuzer)
15 Warrior (Panzerkreuzer) Gesunken
15 Black Prince (Panzerkreuzer) Gesunken
13 Warspite (schnelles Linienschiff)
9 Princess Royal (Schlachtkreuzer)
8 Malaya (schnelles Lininschiff)
7 Defence (Panzerkreuzer) Gesunken
6 Barham (schnelles Linienschiff)
5 Queen Mary (Schlachtkreuzer) Gesunken
5 Indefatibagle (Schlachtkreuzer) Gesunken
5 Invincible (Schlachtkreuzer) Gesunken

Deutsche Schiffe
24 Lützow (Schlachtkreuzer) Gesunken
21 Seydlitz (Schlachtkreuzer)
17 Derfflinger (Schlachtkreuzer)
10 König (Linienschiff)
8 Großer Kürfürst (Linienschiff)
4 Moltke (Schlachtkreuzer)
5 Markgraf (Linienschiff)
4 Von der Tann (Schlachtkreuzer)

Diese Aufstellung zeigt doch eindeutig, dass die deutschen Schiffe in ihrer Konstruktion deutlich besser aufgebaut waren, als britische Gegenstücke. Hinzukommt, dass die Verluste der Briten eindeutig darlegen, dass hier falsche Kriegsschiffe am direkten Kampfeinsatz beteiligt waren.

Selbst das überlegene Kaliber der 34,3cm und 38,1cm Geschütze, konnten die Briten nicht Nutzen. Das Beispiel der Derfflinger zeigt, dass sie permanent getroffen wurde, aber nicht gesunken ist, wie die Vergleichs Schlachtkreuzer der Queen Mary- Klasse.

Derfflinger erhielt:
von 16:54 Uhr bis 18:15 Uhr 3 38,1cm Treffer
von 18:15 Uhr bis 19:00 Uhr 3 30,5 cm Treffer
von 19:00 Uhr bis 19:45 Uhr 7 38,1 cm und 7 30,5cm Treffer
von 19:45 Uhr bis 21:30 Uhr 1 34,3cm Treffer

Diese Daten belegen allesamt in meinen Augen, dass die Verluste der britischen Schlachtkreuzer in erster Linie nicht mal die schlechte Konstruktion war, denn als Panzerkreuzerjäger wären sie optimal gewesen, aber als Einsatz in einer Linienformation als schneller Flügel, war ihr Belastungsgrenze schnell erreicht.

Quelle:
Die großen Kreuzer Von der Tann bis Hindenburg; Koop/Schmolke
 
Da Du sie nochmal ansprichst, lass uns zunächst bei den britischen Panzerkreuzer-Verlusten verweilen:
Die schwere Artillerie hat dazu verleitet, die Schiffe in irgendeiner Form in die Schlachtlinie zu integrieren, doch dass ihre Panzerung und damit die Standkraft für diese Art von Einsatz nicht ausgelegt waren führte doch nachhaltig zum Verlust der Schiffe.
15 Warrior (Panzerkreuzer) Gesunken
15 Black Prince (Panzerkreuzer) Gesunken
7 Defence (Panzerkreuzer) Gesunken
...Diese Aufstellung zeigt doch eindeutig, dass die deutschen Schiffe in ihrer Konstruktion deutlich besser aufgebaut waren, als britische Gegenstücke. Hinzukommt, dass die Verluste der Briten eindeutig darlegen, dass hier falsche Kriegsschiffe am direkten Kampfeinsatz beteiligt waren.

Mit der Hereinnahme in die Aufstellung habe ich Probleme. Nebenbei: auch die Trefferstatistiken werden durch diese 3 Ereignisse zB durch das deutsche "Marine-Archiv" frisiert. Ich will das kurz erläutern:

Die britischen Panzerkreuzer wurden entsprechend der Schlachtorder und der Marschbefehle völlig zweckentsprechend plaziert. Maßgebend war die Cruiser-Order No. 1 für die Grand Fleet:

First Cruiser Squadron (armoured cruisers):
Defence / Warrior / Duke of Edinburgh / Black Prince
Second Cruiser Squadron (armoured cruisers):
Minotaur / Shannon / Hampshire / Cochrane

Für die Marschordnung war "disposition L.S. 1-" vorgegeben: in einer Schirmformation A-C-D-F-G wurden die 8 Schiffe voraus vor den 6 Kolonnen der 24 Schlachtschiffe Jellicoes positioniert (von Backbord "Minotaur" bis Steuerbord "DoE"). Der Kreuzerschirm diente der Aufklärung und wurde zudem von T-Boote und der 4th Light Cruiser Sq. begleitet. Kurz vor dem Aufprall beiden Schlachtflotten fand östlich der Zusammenstoß der Gruppe um Hood mit den deutschen Kreuzerschirm Hippers statt.

Jellicoe wollte die Schlachtformation möglichst nah an der Hochseeflotte Scheers vornehmen. Für die 1st und 2nd CS hieß dieses, die Position bis kurz vor dem Zusammenprall zu halten. In der Phase geriet man an die deutschen Kleinen Kreuzer von Hipper, die bereits Treffer der Schlachtkreuzer von Hood erhalten hatten.

"Warrior" und "Defence":
Prallen nun die beiden Schlachtflotten aufeinander, hieß das für den Kreuzerschirm, sich seitwärts (hier NO bzw. SW) zu entfernen. Dabei geriet man SW auf Kollissionskurs mit den heraneilenden Schiffen Beattys (4 Schlachtkreuzer, 4 schnelle Schlachtschiffe). Die Schiffe passierten zT in wenigen Hundert Meter Entfernung. Die sich entferndenden "Warrior" und Defence" boten in diesen Minuten - neben der kreisenden "Warspite", die zurückblieb - gut sichtbare Ziele für Scheers und Hippers Schlachtschiffe und Schlachtkreuzer, die in diesen rd. 15 Minuten von ca. 100 deutschen Salven schwerer Kaliber auf 80hm bis 110 hm (Entfernung nach "Kaiser") beschossen wurden.

Die beiden "Armoured Cruiser" wiesen eine leicht schwächere, aber der "Invincible" noch vergleichbare Panzerung auf (6inch, allerdings kein KC-Stahl) und waren für den Kreuzerkampf der jeweiligen Aufklärungsgruppen vorgesehen und eingeordnet. Auf diese Entfernung und gegen diese Kaliber gegnerischer Schlachtschiffe (28 und 30,5cm) wiesen sie keine ausreichende Panzerung auf. "Defence" explodierte nach Treffer in die Munitionskammern (geschätzt 7 Treffer, kein Überlebender, 903 Tote), "Warrior" (15 Treffer, 71 Tote) sank später. Dass sie derart zwischen die beiden Schlachtflotten gerieten, war der Disposition Jellicoes und der spätestmöglichen Entwicklung der britischen Kolonnenformation zur Linienformation im Crossing-the-T geschuldet. So gesehen war der Verlust dieser beiden Schiffe der "Preis" der Annäherung, man hat darin auch in der britischen Literatur keinen "Manöverfehler" gesehen.

Dass die Schiffe den deutschen Schlachtschiffen nicht standhalten konnten, ist selbstverständlich (ebenso unsinnig wäre es, ein deutsches Linienschiff "Pommern" gegen 4 "ORIONS" zu stellen), aber unmittelbare Folge der Aufklärungs-/Schirmformation an der Spitze vor der Grand Fleet. Die deutsche Flotte praktizierte Ähnliches mit ihren Kleinen Kreuzern.


"Black Prince", der dritte Verlust, ist ein Sonderfall. Das Schiff geriet im Nachtmarsch versehentlich an die deutsche Schlachtflotte und wurde auf kürzeste Distanz (ca. 700-1000 Meter) in 2-3 Minuten zusammengeschossen. "Thüringen" feuerte 10*28cm und 27*15cm, "Ostfriesland" eine unbekannte Zahl 15cm, die folgende "Nassau" vermutlich einige 28cm. Auf die "Black Prince" schoss anschließend "Friedrich der Große" mehrere 30,5cm, und vermerkte nach 46 Sekunden zwei schwere Explosionen vorn und achtern. "Black Prince" gelang es anfangs, mit ein oder zwei Salven zu erwidern, dann ging das Schiff mit seiner Besatzung von 857 Mann unter, keine Überlebenden. Campbell schätzt nach der Aktenlage ca. 12 schwere Treffer auf dem Panzerkreuzer, sowie eine unbekannte Anzahl 15cm-Treffer. Bereits ein 15cm-Geschoss kann auf diese Entfernung vertikal die 6inch-Panzerung (ca. 15cm Dicke) britischer Panzerkreuzer durchschlagen.

Ergebnis:
- weder kann bei diesen drei Ereignissen von einer "Konstruktionsschwäche", noch von einem Führungsfehler gesprochen werden, auch nicht von einer Mißachtung der "Belastungsgrenze".
- nimmt man das regelrechte "Zusammenschießen" dieser drei Schiffe (wie auch das Schicksal der "Wiesbaden", jeweils als Sonderfälle) aus der Betrachtung heraus, ergeben sich bei den beiden Flotten ähnliche Trefferquoten der schwersten Kaliber von 3% -> siehe dazu die Analysen bei Campbell.

Indessen wurde das Schicksal der drei Panzerkreuzer vom Marinearchiv benutzt, um an der Legende der besseren deutschen "Schießleistungen" zu stricken (34 von 122 der Kaliber 28 und 30,5cm). Black Prince war ein Sonderfall, der sich in den Wirren der Nachtschlacht gegen 00.10 Uhr ergab. Die beiden anderen Panzerkreuzer konnten sich nicht rechtzeitig aus dem Zusammenprall beider Schlachtflotten entfernen und wurden von den deutschen schweren Schiffen als Ziel aufgefaßt, da die britische Schlachtflotte nach Norden keine Zielerfassung erlaubte. Dieses Ereignis war zugleich das "Glück" der WARSPITE, die sich aufgrund temporären Schadens im Kreis neben den Panzerkreuzern drehte, aber dadurch nur einen schwächeren Teil des Feuers auf sich zog, und ansonsten möglicherweise versenkt worden wäre.
 
Die britischen Panzerkreuzer wurden entsprechend der Schlachtorder und der Marschbefehle völlig zweckentsprechend plaziert. Maßgebend war die Cruiser-Order No. 1 für die Grand Fleet:
Na sicherlich war es taktisch so bei der Royal Navy vorgesehen, dass möchte ich nicht bestreiten.

Aber ich kann doch nicht den Verlust von Kriegsschiffen in einer Seeschlacht ausschließlich auf falsche Manöver reduzieren. Dieser Aspekt kann nur als hervorgehoben gelten, wenn die Kontrahenten nahezu gleiche Mittel benutzen.

Bei der Skagerrakschlacht spielen wohl dann doch noch weit mehr Gründe für den Verlust der Schiffe eine Rolle.

Waren die eingesetzten Schiffe in Art ihrer Konstruktion für den Einsatz in einer großen Seeschlacht noch geeignet?
Entsprachen die Mittel und die Strategien dem Stand der Technik?

Das betrifft natürlich die Navy mit den Panzerkreuzergeschwadern genauso, wie das Mitführen des 2. Geschwaders in der Hochseeflotte.

Obwohl man in der deutschen Flotte die Erfahrung schon 1915 auf der Doggerbank machte, was passiert, wenn man einen Flottenverband „mixt“, siehe Panzerkreuzer Blücher.
So war auch die Prinz Heinrich 1914 an der Beschießung von Hartlepool beteiligt!
Ich glaube, ohne die Erfahrung der Doggerbank und den Verlust aller deutschen Panzerkreuzer in den ersten Kriegsjahren (bis auf Roon), wären die wohl hier auch zum Einsatz gekommen!?
 
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