Versprechungen an Italien

Arne

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Im Kriegs-Struwwelpeter von 1915 wird die wankelmütige Bündnistreue Italiens karrikiert. Deutschland und Österreich versprachen Italien nach einem Sieg österreichische Gebiete, sofern Italien bündnistreu bleiben würde, doch Italien fiel wegen "besserer Versprechen" ab.

Text zu den Bildern:

Bild 1
"Ob der Beppo endlich still
sich verhalten will?
Das verlogene Schaukelspiel
wird allmählich un zuviel.
Will er brav zu Tisch sich setzen,
darf er sich die Lippen netzen
mit Tiroler rotem Wein,
und die Trienter Mahlzeit
soll der Lohn der Tugend sein."
Doch der Beppo höret nicht,
was man also zu ihm spricht,
er hetzt und schürt
und integriert,
er trappelt
und zappelt
auf dem Stuhle ganz erpicht,
bis vorbei das Gleichgewicht.

Bild 2
Seht, ihr lieben Kinder, seht,
wie´s dem Beppo weitergeht.
Oben steht es auf dem Bild.
Seht er schaukelt gar zu wild,
bis der Stuhl nach hinten fällt.
Jetzt ist ihm der Spaß vergällt.
Noch will er in seiner Not
mit sich ziehen Wein und Brot.
Doch die Eltern halten´s fest,
und der Beppo hat zuletzt
eingebüßt der Tugend Lohn.
"Beppo, sieh, das kommt davon."

Bild 3
"Hättest du trotz d`Annunzios Leier
und dem Rat der anderen Schreier,
trotz der Bauernfänger Locken
mit den Grenzberichtigungsbrocken
Treu´ gewahrt bei Freundes Not,
wie Vertragspflicht dir gebot,
hättest du jetzt den fetten Bissen
und ein ruhiges Gewissen.
Beides hast du nunmehr nicht
und erfährst im Strafgericht
Züchtigung für Heuchelei
und gebrochne Bundestreu`"

Hat jemand vielleicht einen Überblick, was genau Italien von D und ÖU versprochen wurde, was es von den Kriegsgegner erhalten sollte und was es schließlich tatsächlich erhielt?

Da die Versprechungen von D und ÖU offiziell waren. Wie wurden diese Abtrittsversprechungen in den betroffenen Gebieten aufgenommen? Es waren ja scheinbar auch Teile Tirols dabei, waren dort deutsche Minderheiten beheimatet?
 

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Es gab Angebote seitens Ö-Us das Trentino (Teil der Grafschaft Tirol) und das Küstenlands (westlich von Triest rund um das Seebad Grado) betreffend. Die Brennergrenze war aber jenseits des vorstellbaren.
 
Rovere schrieb:
Es gab Angebote seitens Ö-Us das Trentino (Teil der Grafschaft Tirol) und das Küstenlands (westlich von Triest rund um das Seebad Grado) betreffend. Die Brennergrenze war aber jenseits des vorstellbaren.

Also das Gebiet um Trento(Trentin), nicht aber Süd-Tirol? Und Triest als Hafen wollten ÖU auch behalten. Richtig?
Ich habe mal gehört, daß Italien seitens der Kriegsgegner mehr versprochen wurde, als es nachher tatsächlich erhielt. Stimmt das?
 
Arne schrieb:
Also das Gebiet um Trento(Trentin), nicht aber Süd-Tirol? Und Triest als Hafen wollten ÖU auch behalten. Richtig?
Ich habe mal gehört, daß Italien seitens der Kriegsgegner mehr versprochen wurde, als es nachher tatsächlich erhielt. Stimmt das?

Historisch korrekt: das (italiensich bzw. ladinischsprachige) Trentino war seit jeher Teil Südtirols. Und außerordentlich Österreichtreu. Deine Frage oben - danach, was die betroffenen Menschen fühlten - würde dieses Buch sehr gut erklären:

"Liebling, erschieß Garibaldi!" von Isabella Bossi Fedrigotti

Kurztext: http://frauenbuch.org/htm/fb961100049.htm
 
Arne schrieb:
Also das Gebiet um Trento(Trentin), nicht aber Süd-Tirol? Und Triest als Hafen wollten ÖU auch behalten. Richtig?
Ich habe mal gehört, daß Italien seitens der Kriegsgegner mehr versprochen wurde, als es nachher tatsächlich erhielt. Stimmt das?
Südtirol als räumlicher Begriff gab es damals noch nicht, man kannte nur ein Welsch-Tirol und meinte damit das Trentino.
Ob seitens Ö-U eine Abtretung Triests, Istriens und Dalmatiens angedacht war kann ich leider nicht sagen. Die Entente hingegen hat Italien diese Provinzen versprochen, das Versprechen aber nicht gehalten. Dalmatien fiel an den SHS-Staat, es wäre beinahe zu einem Krieg zwischen Italien und diesem gekommen (Detail am Rande: Teile der K.u.K. Kriegsmarine, darunter das Flaggschiff "Viribus unitis" wurden von Italienern nach Kriegsende versenkt damit diese nicht in die Hände des SHS-Staats fallen).

Nach 45 wiederholte sich der Konflikt zwischen Italien und dem nun Yugoslawien genannten Staat. Damals gings um Istrien und Triest. Triest wurde zum Freistaat (bis 1957) erklärt, die Halbinsel Istrien fiel an Yugoslawien (heute Kroatien bis auf einen kleinen slowenischen Küstenstreifen rund um Koper und Piran).
 
Triest sollte ebenfalls an Italien gehen, aber mit Freihafenstatus für ÖU,
Deutschland wollte in Schlesien für ÖU einen gewissen Ausgleich schaffen.
Die alliierten versprachen außerdem 1. die Brennergrenze, 2. Dalmatien. 3. Teile Albaniens.
Dalmatien war aber schon den Serben versprochen, und Albanien war dann ebenfalls nicht zu kriegen. so dass die Südtiroler keine Chance mehr hatten.

Wobei noch zu beachten ist, die ÖU-Versprechungen galten für Beibehaltung der Neutralität!
Die Alliierten für den Kriegseintritt!

Grüße Repo
 
Als gutes, knappes aber sehr informatives Werk kann ich empfehlen:

Rolf Steiniger: "Südtirol - Vom Ersten Weltkrieg bis zur Gegenwart", Studienverlag, Innsbruck-Wien-München-Bozen 2003, 129 Seiten.

Der Autor ist Historiker, Universitätsprofessor und Vorstand des Instituts für Zeitgeschichte der Universität Innsbruck.

In diesem Buch (er hat noch mehr zum Thema Südtirol verfasst) beschreibt er, dass es in Italien schon lange vor dem 1. WK Überlegungen gegeben hat, die Brennergrenze anzustreben. Dies geschah u.a. dadurch, dass man Ortschaften, Flüsse, sogar Berge im deutschsprachigen Südtirol mit italienischen Namen versah und so im In- und Ausland vortäuschte, diese Gebiete seien eigentlich italienisch.

Die Versprechungen der Alliierten an Italien haben somit genau den Nerv jener getroffen, die das italienische Territorium bis an den Brenner ausdehnen wollten.

Nähere Infos unter http://www.rolfsteininger.at/st1918-1999.html

Grüße

Jacobum
 
Arne schrieb:
Ja, wirklich gut. Einmal mehr fragt man sich, worum überhaupt im Ersten Weltkrieg gekämpft wurde und die wofür Menschen starben..:mad:

Die nicht einlösbaren Versprechungen R/E/F s an Italien, (derweil etliches den Serben ja auch schon versprochen) führten nach dem Krieg in Italien zu einem Gefühl des "Betrogen worden seins", das letztendlich zum Faschismus führte.
Wobei der Duce auch noch einer der größten Kriegstreiber war.

Ähnliche Sachlage in Japan.

Und der Hammer an nicht eingehaltenen Versprechungen wurden in Nahost abgegeben. Dies beschäftigt und bewegt die Weltpolitik bis heute.


Grüße Repo
 
Wobei man noch anmerken sollte das Italien kurzzeitig in Dalmatien/Kroatien einfiel. Dadurch trat Kroatien und Dalmatien letztlich dem SHS staat bei.
 
Zuletzt bearbeitet:
Ich dachte das wäre vorher schon klar gewesen. Mindestens glaube ich mich an einen Befehl des letzten Karls zu erinnern, die Flotte dem "Südslawischen Staat" zu übergeben.

Grüße Repo
 
Mindestens glaube ich mich an einen Befehl des letzten Karls zu erinnern, die Flotte dem "Südslawischen Staat" zu übergeben.

Grüße Repo

Es heißt, dass Karl das getan hat in der Hoffnung, der neue Staat würde in einem habsburgischen Staatsverband verbleiben.
Der neue Staat war dabei der nur kurz bestehende Staat der Slovenen, Kroaten und Serben, der Ende November 1918 die Vereinigung mit dem Königreich Serbien beschloss als die Italiener begannen, die dalmatinische Küste zu besetzen. Daraufhin proklamierte Alexander I von Serbien das Königreich der Serben, Kroaten und Slovene, das spätere Jugoslawien.

Wenn man so will haben die Italiener damit die Italiener die Grundlage für diesen gescheiterten Vielvölkerstaat gelegt. Wie hätten sich die Dinge wohl entwickelt, wenn der Staat der Slovenen, Kroaten und Serben neben dem Königreich Serbien weiter bestanden hätte? Na, angesichts des serbischen Expansionsdranges wäre es wohl bald zu einem neuen Krieg in der Gegend gekommen.
 
Zuletzt bearbeitet:
Wenn die Italiener nicht einmarschier wären, hätten sich die Südslawen sicher nicht so einfach aus dem Habsburgischen Staate verabschiedet.
Denn die Kroaten genossen eine großzügige Autonomie, etawas was ihnen Serbien niemals garantierte und erst recht nicht umsetzte.
Der Anschluss an den SHS Staat bedeutete darum ein großes Risiko.
Wäre Italien also nicht Einmarschiert hätte Karl wohl einen Rumpfstaat (Österreich, Ungarn, Kroatien) retten können.
Hätte sich ein unabhänguger Staat der Kroaten uns Slovenen etabliert, wäre er füher oder später, eher früher, der italienischen oder serbischen Expansion zum Opfer gefallen.
 
"Was wäre gewesen wenn"-Diskussionen sind meist nicht sehr zielführend, gerade im äußerst sensiblen Bereich der mitteleuropäischen Geschichte. Gerade die These der Unausweichlichkeit des Zerfalls des alten Österreichs wurde in den 90er Jahren von Historikern wie Andre Fetijö oder auch Alan Sked heftigst widersprochen. Ich bin auch der Überzeugung dass das alte Österreich viel mehr als ein zufälliges Gebilde war, sondern ein Kulturraum der auch heute noch zu spüren ist. Auch Gebiete, die nur wenige Jahrzehnte unter dem Doppeladler waren, haben diese Mitteleuropa Punzierung erhalten, die auch nach fast einem Jahrhundert noch da ist.

Dennoch: Dieser Staat - oder besser, dieser Raum - ist untergegangen und zerfallen. Trotz effizientester Verwaltung, trotz Verfassungsreformen und Grundrechten, trotz Mehrsprachen-Verordnungen. Die alte Monarchie hat THEORETISCH alles versucht und vieles umgesetzt um sich zu modernisieren. Der mährische Ausgleich von 1910 ist ein Meisterwerk der Gewährung politischer Vertretung in gemischtsprachigen Gebieten.

Aber dieser Staat wurde verschlampt und verspielt durch billige Nationalismen ALLER Seiten (die radikalen Jungtschechen ebenso wie der Deutschnationale Auswurf a la Schönerer). Dieses Nationalistengesindel gabs in allen Provinzen der Monarchie, ihr einziges Credo war die Destruktion des Bestehenden, an einer Reform oder Kompomiss war niemand wirklich interessiert.

Die Regierung der Monarchie stand diesen Tendenzen hilflos gegenüber bzw. hat sich im Beschwichtigen und - Orginalzitat aus dieser Epoche - "Fortwursteln" geübt. Franz Joseph war ab 1900 einfach zu alt um noch irgendwas weiterzubringen. Der notwendige Schritt in die Moderne, von der Konstitutionellen zur parlamentarischen Monarchie, von ihm nicht zu erwarten.

Naja, wie auch immer, fast 9 Jahrzehnte trennen uns inzwischen von dieser Epoche.

[Bezug zur heutigen Politik gelöscht]

Conclusio: Der Untergang des alten Österreich kann ein Lehrstück sein, dass effektive Verwaltungsarbeit und/oder bemühte Reformversuche noch lang nicht reichen....
 
Zuletzt bearbeitet von einem Moderator:
Ich habe mal gelesen, dass die Mehrheit im ganzen ÖU Staat glücklich und zufrieden war mit dem Zustand.
Sich diese Mehrheiten im nationalistischen Furor 1918/19 aber nicht geäußert hätten, nicht getraut hätten zu äußern. Etliche werden auch gehofft haben, aus dem Konkurs des verlorenen Krieges so herauszukommen.

Irgendwo kann man es schon als Muster für die heutige EU sehen.

Grüße Repo
 
Naja, wie auch immer, fast 9 Jahrzehnte trennen uns inzwischen von dieser Epoche.

Total OT
Du hast Recht! Vor 40 Jahren hat Peter Alexander gesungen: "Wie Böhmen noch bei Österreich war., vor 50 Jahr, vor 50 Jahr........"

Damals Ewigkeiten zurück, heute, ein paar Jährchen.....

Grüße Repo..
 
Conclusio: Der Untergang des alten Österreich kann ein Lehrstück sein, dass effektive Verwaltungsarbeit und/oder bemühte Reformversuche noch lang nicht reichen....
Doch was soll man dann noch tun?
Hoffen, beten?
Was hätte man machen sollen?
Soweit dezentralisieren und reformieren bis daraus ein HRRDN oder eine EU wird?
Handlungsunfähig und machtlos?
Denn gegen Selbstsucht gibt es kein Heilmittel.
 
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