Der "Pakt mit den alten Mächten" - Problematik

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Gast

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Was stellt ihr euch unter der "Problematik des Pakts mit den alten Mächten" vor?

Ich bin bisher nur auf
- die instabile Basis gekommen, auf der der Neuaufbau der Republik von statten ging und
- die geringe (bis gar keine) Loyalität die die alten Mächte der von der SPD begründeten Republik entgegenbrachten.

zählt vll auch noch das durch den Pakt entstandene Misstrauen in der SPD-Wählerschaft?

Ich glaube ich bin ziemlich ratlos und hoffe ihr könnt mir helfen.
 
Der „Pakt mit den alten Mächten“ = Militär, Justiz, Verwalltung

Ebert u. General Groener schlossen das Bündnis zwischen SPD und Militär, mit deren Hilfe Ebert die Junge Republik zu stabilisieren erhoffte.

Gründe waren auch, die innere Ordnung wieder herzustellen und gegen Linksradikale vorzugehen.

Dadurch kommt es natürlich auch innerhalb der SPD zu Spannungen sowie die völlige Abtrennung der linken Flügel in die USPD sowie die neue KPD.

Bei der Loyalität der "alten Mächte" zur SPD nach 1919 ist natürlich zu erwähnen, wie man der SPD vor der Republik gegenüber stand.
Und als Beispiel für die Zeit nach dem Krieg kann man die "Dolchstoßlegende" nennen, die der SPD vorgeworfen wird und deutlich zeigt, wie die "alten Mächte" wirklich dachten.
 
Und als Beispiel für die Zeit nach dem Krieg kann man die "Dolchstoßlegende" nennen, die der SPD vorgeworfen wird und deutlich zeigt, wie die "alten Mächte" wirklich dachten.

Um es noch mal auf den Punkt zu bringen: Die Problematik bestand mE darin, dass es umfassende personelle Kontinuitäten zwischen Kaiserreich und Weimarer Republik gab. Zum Beispiel behielten viele (oder nahezu alle?) Richter ihren Posten - und urteilten dementsprechend. Wer im Kaiserreich Richter wurde, war nämlich Kaisertreu und dementsprechend eher der politischen Rechten als der politischen Linken zugetan. Das äußert sich in den Urteilsstatistiken. Vergleiche hierzu folgenden Thread: http://www.geschichtsforum.de/238985-post3.html

mfg
Anselm
 
Um es noch mal auf den Punkt zu bringen: Die Problematik bestand mE darin, dass es umfassende personelle Kontinuitäten zwischen Kaiserreich und Weimarer Republik gab.

Das ist ein Teil der Problematik. Im Anschluss an das von Köbis17 zitierte "Bündnis zwischen SPD und Militär" muss auch konstatiert werden, dass die eine Bündnisseite, eben die SPD-Führung, sich offenbar Illusionen machte über ihren Bündnispartner.

Zur Stabilisierung der Republik war der nämlich nur sehr begrenzt bereit: "Reichwehr schießt nicht auf Reichwehr" lautet der bekannte Satz von Seeckt, als die Regierung Hilfe gegen Kapp & Consorten erbat (vgl. hierzu nur Die Reichswehr).
 
Hatte die Republik unter diesen Voraussetzungen überhaupt eine Chance sich zu entwickeln?

Schließlich übernahm man den innerstaatlichen Apparat aus der Kaiserzeit und hoffte das Militär für sich zu gewinnen, was wohl nicht wirklich gelang.
Sprich alles Institutionen, die noch vor kurzen die SPD als „vaterlandslose Gesellen“ abstempelte.

Hatte die SPD eigentlich ein Konzept für die Regierungsgewalt oder wurde man von den Wirren der Revolution überrascht und reagierte, bevor die Soldatenräte und die Linken dieses Vakuum nach den Novembertagen 1918 für sich nutzen konnten, wie z. B. die Bolschewiki in Russland?
 
Dazu ist ein persönlicher Brief von Groener an Ebert zur Verfassungsfrage vom 29.1.1919 ganz interessant.

Groener sieht Gefahren durch den "unverbesserlichen deutschen Partikularismus" und empfiehlt, eine starke Zentralgewalt zu schaffen. Für diesen Preis - die Chance für ein "alle deutschen Stämme umfassendes zentralistisches Reich" ... "sei seit Karl dem Großen" nicht dagewesen - würde er auch die Zerschlagung Preußens als logisch und richtig ansehen, ansonsten 'macht die ganze Leich kein Freud' ... Die deutsche Nationalversammlung müsse den Einzelstaaten ihren Willen aufzwingen.

Abdruck:Zwischen Revolution und Kapp-Putsch, Quellen zur Geschichte des Parlamentarismus und der politischen Parteien, Reihe II, Band 2, S. 53. Die weiteren Passagen betreffen Waffenstillstand, falsche Strategie Friedensverhandlungen, Untragbarkeit der Soldatenräte.
 
Zuletzt bearbeitet:
Hatte die SPD eigentlich ein Konzept für die Regierungsgewalt ...?

Gute Frage, die mE zu verneinen ist. (Ich nehme aber an, das wird ewig kontrovers bleiben.)

Ulrich Kluge (Soldatenräte und Revolution. Göttingen: Vandenhoek & Ruprecht 1975, S. 66) fasst die Zielrichtung des SPD-Vorstands um Ebert in den kritischen Tagen vor dem 9.11.1918 so zusammen:
Beruhigung der Massenbewegung durch Appelle und Aufrufe, freie Hand für die Reichsregierung und die preußischen Behörden zur Eindämmung der Bewegung, Stillhalteabkommen mit den Mehrheitsparteien bis zur Unterzeichnung des Waffenstillstands, danach Neubildung der Reichsregierung mit den Mehrheitsparteien unter möglicher [sic] Kanzlerschaft Eberts, Bewahrung der Monarchie [sic], allmähliche Parlamentarisierung der Bundesstaaten unter dem Druck durch das Reich.
Ich denke, die Angst vor dem Chaos - was immer das sein konnte - war für die SPD bestimmender als alles andere.

... Brief von Groener an Ebert: ... Untragbarkeit der Soldatenräte

Groeners Bedeutung und Meinung muss sehr hoch eingeschätzt werden. Er war es, der das "Bündnis" auf militärischer Seite einfädelte - "ein raffinierter Taktiker, der den Zivilgewalten die Schuld an der militärischen Misere zuschob" (Kluge, S. 128).

Beim Nachlesen kam mir noch unter, dass ausgerechnet Falkenhayn - bis zum 23.1.1919 Chef der 10. Armee - einer der wenigen hochrangigen Militärs war, "die im Gegensatz zu Hindenburg und Groener die Rätebewegung wegen ihrer Verdienste um die Rückführung des Ostheeres akzeptierten" (S. 288). - Dies nur als Hinweis, dass man auch das Militär differenziert betrachten darf.
 
... - "ein raffinierter Taktiker, der den Zivilgewalten die Schuld an der militärischen Misere zuschob" (Kluge, S. 128).

Beim Nachlesen kam mir noch unter, dass ausgerechnet Falkenhayn - bis zum 23.1.1919 Chef der 10. Armee - einer der wenigen hochrangigen Militärs war, "die im Gegensatz zu Hindenburg und Groener die Rätebewegung wegen ihrer Verdienste um die Rückführung des Ostheeres akzeptierten" (S. 288). - Dies nur als Hinweis, dass man auch das Militär differenziert betrachten darf.

Sehr richtig,
die Stellungnahme zur Verfassung kam auch im Schreiben an "Rang 4", siehe oben. Was davon nun Taktik war? Die Haltung zu Preußen könnte einen vom Stuhl hauen, aber ... die radakil unitarische Haltung von Groener läßt sich verschiedentlich zeigen.

Seine ebenso radikale Ablehnung der Soldatenräte ist Teil des "Abkommens". Groener sah darin eine Aushöhlung der Disziplin und Autorität, Einheiten ließen sich nicht "von 19- oder 20-jährigen" herumkommandieren. Spiegelbild dieser Auffassung ist dann seine Auffassung vom staats- (nicht republik-)tragenden Charakter des Militärs, von der geschwächten 100.000-Mann-Reichswehr war da noch nicht die Rede. Staatstragend: nach innen, wie nach außen, gegen die Bedrohung der Reichsgrenzen insb. im Osten, durch Polen oder durch kurzfristige Absonderungstendenzen in Ostpreußen etc.
 
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