Harzburger Front am 11. Oktober 1931

BerndHH

Aktives Mitglied
Guten Morgen,
Heute möchte ich einmal das Thema Harzburger Front vorstellen.

WP:
Die Harzburger Front war ein Bündnis antidemokratischer Nationalisten gegen das zweite Kabinett Brüning. Das Bündnis zwischen NSDAP, DNVP, Stahlhelm, Bund der Frontsoldaten, Reichslandbund und dem Alldeutschen Verband trat nur bei einer Tagung in Erscheinung, die am 11. Oktober 1931 in Bad Harzburg stattfand. Der Tagungsort war gewählt worden, weil die NSDAP an der Regierung des Landes Braunschweig beteiligt war und Störungen durch Kommunisten, die vor allem in den Großstädten stark waren, nicht zu befürchten waren. Nachdem erste Spannungen bereits in Harzburg selbst spürbar geworden waren, bekämpften sich die beteiligten Gruppierungen kurze Zeit später wieder und traten bei der Reichspräsidentenwahl im März 1932 mit verschiedenen Kandidaten an.
(Harzburger Front ? Wikipedia)

Beteiligte: u.a. August Wilhelm von Preußen, Rudolf Blohm von der Werft Blohm & Voss, der Direktor der Werft Carl Gottfried Gok, der Organisator der Veranstaltung Herbert von Bose, der Schwerindustrielle Ernst Brandi, der Führer des Stahlhelmbunds Carl Eduard Herzog von Sachsen-Coburg und Gotha, sowie sein Vize Theodor Duesterberg, Spross der Hohenzollern-Familie Eitel Friedrich von Preußen, ebenfalls Stahlhelmbund, Heinrich Claß und die Alldeutschen, Wilhelm von Dommes und der Preußenbund, SA-Geheimdienstchef Karl Leon Du Moulin Eckart, SA-Führer Karl von Eberstein, Jenö von Egan-Krieger von der DNVP, Karl von Einem, preußischer Kriegsminister a.D. und Mitglied im Bund der Aufrechten, der jungkonservative DNVP-Politiker Edmund Forschbach, die DNVP Mecklenburg, repräsentiert durch Karl Eschenburg, Mitglied des Reichstags für die Nationalsozialisten Wilhelm Frick, General Max von Gallwitz, der preußische Staatsrat Wilhelm Freiherr von Gayl, Hans Bernd Gisevius von den Deutschnationalen, Erich von Gilsa, DNVP, Adolf Hitler zusammen mit Joseph Goebbels, Rudolf Heß, Heinrich Himmler, Adolf Hühnlein, Gerret Korsemann, Gregor Strasser und Hermann Göring.
(Liste der Teilnehmer der Harzburger Front ? Wikipedia)

Aufmarsch von 104.000 (!!) Personen in Braunschweig oder in Bad Harzburg? Die Rede ist vom Franzschen Feld im Prinz-Albrecht Park im Osten Braunschweigs, nicht Bad Harzburg. Bad Harzburg war damals als mondäner Kurort beliebt und bekannt, er bot reichlich Unterbringungsmöglichkeiten und war mit Bahn und Auto gut erreichbar. Bad Harzburg liegt bei Goslar, 48km Luftlinie von Braunschweig entfernt. Oder war e seine Doppelveranstaltung?
Anscheinend ein Mischmasch aus Kundgebungen, Gottesdiensten und anderen Veranstaltungen.
Oder habe ich das mit dem Massenaufmarsch der SA eine Woche später in Braunschweig verwechselt?

Hauptresolution der Harzburger Tagung (Harzburger Front):
Der Text formuliert die zentralen Elemente antirepublikanischer, antidemokratischer, nationalistischer und antisemitischer Politik der Harzburg folgenden Zukunft. Ziel der Politik sei die Stärkung der "blutsmäßigen Verbundenheit des deutschen Volkes" in einem "starken Staat", der "die zur Herbeiführung einer wahren Volksgemeinschaft notwendigen sozialen Maßnahmen durchführen" müsse. Den "Klassenkampf" gelte es nieder zu halten, den "Kulturbolschewismus" auszuschalten und den "Blutterror des Marxismus" zu bekämpfen, der "politischen, wirtschaftlichen und militärischen Entmannung Deutschlands" durch die "Regierungen und Staatsapparate" der Gegenwart entgegenzutreten. Auch wenn das Wort "Judenrepublik" nicht fiel, war der aggressive Antisemitismus dieses Pamphlets gegenwärtig. Denn ein Begriff wie "Kulturbolschewismus" meinte die kritische jüdische Intelligenz im Kulturbetrieb, hinter der Floskel von der Stärkung der "heimischen Wirtschaft" bei Zurückweisung "weltwirtschaftlicher Utopien (und) einer Politik der Unterwürfigkeit dem Ausland gegenüber" steckte das Feindbild vom jüdischen Weltfinanzkapital. Die Resolution ging über die von Seiten der Rechtsnationalisten bislang verbreiteten Schmähungen der Republik und ihrer Repräsentanten hinaus. Sie sagte ihnen den Kampf an – auch die bewaffnete Aktion. Den Versammelten war es mit dem Sturz der Reichsregierung Brüning und der sozialdemokratisch geführten Regierung Braun in Preußen ernst. "Im vollen Bewusstsein der damit übernommenen Verantwortung erklären wir, dass die in der nationalen Opposition stehenden Verbände bei kommenden Unruhen wohl Leben und Eigentum, Haus, Hof und Arbeitsstelle derjenigen verteidigen werden, die sich mit uns offen zur Nation bekennen, dass wir es aber ablehnen, die heutige Regierung und das heute herrschende System mit dem Einsatz unseres Blutes zu schützen." Um ihren Gewaltcharakter und das Monströse ihres Vorhabens zu unterstreichen "verlangen (wir) von allen Volksgenossen Pflichterfüllung und Opfer." In Kenntnis der Tatsache, dass sich die Rechte prinzipiell als Opfer des "Systems" sah, schon das Vorhandensein von Republik und Demokratie als persönliche und nationale Verletzung und Erniedrigung gebrandmarkt wurde, die man nicht opferwillig hinnehmen könnte, ging die Willenserklärung von Bad Harzburg über die Rechtfertigung schon lang praktizierter Gewaltattacken als angebliche Notwehrmaßnahme hinaus: Sie rechtfertigte Gewalt als Mittel "nationaler" Politik. Hitlers Sturmabteilungen erhielten einen Blankoscheck.
(Einführung Die Hauptresolution der Harzburger Tagung [Harzburger Front], 11. Oktober 1931 / Bayerische Staatsbibliothek (BSB, Mnchen))

Klingt alles schon sehr nach offenem Aufruhr, Umsturz und das schon 1931, als die Massenarbeitslosigkeit und die Weltwirtschaftskrise einen neuen Höhepunkt erreicht hatte.
Reaktion der Sozialdemokraten auf das Muskelspiel von Deutschlands Rechten und Deutschnationalen war im Dezember 1931 die Gründung der Eisernen Front, jenes Kamfbündnisses mit den drei Blitzen als Emblem.

Gruss,
Bernd
 
Die "Harzburger Front" war anscheinend auch nicht von Dauer, wenn nur ein Jahr später Deutschnationale und Nationalsozialisten im Wahlkampf wieder gegeneinander antraten.
 
...
Klingt alles schon sehr nach offenem Aufruhr, Umsturz und das schon 1931, ,,,

@BerndHH

Die Parteien die in der Harzburger Front sich versuchten eine gemeinsame Plattform zu geben, lehnten die Weimarer Republik komplett ab und standen im Widerspruch zu allen demokratischen Institutionen/Procederen etc. der Weimarer Republik (darin bestand Einigkeit zwischen ihnen, nur nicht im Führungsanspruch); insoweit ist die von Dir angeführte Resolution verständlich und bedeutete eigentlich nichts Neues.

Der von Dir angeführte Aufmarsch der 100.000 fand einige Tage später in Braunschweig statt (NSDAP => SA) und sollte den Führungsanspruch der NSDAP im "nationalen Lager" unterstreichen und verdeutlichen.

Die Harzburger Front resultierte aus einer fatalen Fehleinschätzung des NS seitens des national-konservativen Lagers in der Weimarer Republik und sollte sich wiederholen (Stichworte: von Papen, von Schleicher, Oskar von Hindenburg, von Hindenburg selbst, "1. Kabinett Hitler" etc.).

Ich weiß nicht, ob Dir das weiterhilft.

M. :winke:
 
Der Harzburger Front ging die Diskussion über die Annahme des "Yong-Planes" voraus. Vor diesem Hintergrund findet man beispielsweise bei MacGregor Knox (S. 376/377) eine Beschreibung der komplexen Konfliktstrukturen, nicht nur zwischen den demokratischen Käften, primär der SPD und teilweise auch dem Zentrum, und den anti-demokratischen Kräften auf der "Rechten", sondern auch dem komplexen Konfliktpotential innerhalb der Rechten. In diesem Sinne zwischen traditionellen Monarchisten, Anhängern einer elitären präsidialen Diktatur und revolutionären Nationalsozialisten. (vgl. dazu beispielsweise: Paxton: The Anatomy of Fascism und M. Mann: Fascists)

Vor allem der gemeinsame Feind - das Klischee der universellen kommunistischen Bedrohung, das "verhaßte" Regime von Weimar, das "Schandfrieden von Versailles" - hat die politische Rechte geeint. Die "Habsburger Front" war zu dem Zeitpunkt vor allem ein Symbol, das den Willen nach Außen zur Machtübernahme in der Weimarer Republik und in Preußen signalisierte. Intern bedeutete dieser Zusammenschluss zum einen die Rivalität der unterschiedlichen Parteien und zum anderen auch die Notwendigkeit zur "Kooption" der anderen Teilnehmer. Es bestand zudem bei keinem der Teilnehmer ein Interesse an einer partnerschaftlichen Kooperation.

To the Threshold of Power, 1922/33: Volume 1: Origins and Dynamics of the ... - MacGregor Knox - Google Books

Vor Shirer liegt eine Beschreibung der damaligen Verhältnisse vor und er streicht heraus, dass in Bad Harzburg vor allem die "Nationale Opposition", die vor allem vom "Stahlhelm" und der Partei von Hugenberg, (DNVP) geprägt war. Es nahmen mehr "Stahlhelmer" wie SA-ler an der Demonstration teil, was Hitler wohl geärgert haben soll.

Die eigentlich NS-Demonstration fand eine Woche später in Braunschweig statt, wie Melchior ja es schon erwähnte. Und signalisierte dann auch äußerlich bereits den schnellen Zusammenbruch des Bündnisses.

The Rise and Fall of the Third Reich - William Shirer - Google Books

Nicht zuletzt, da Overy (S. 44) hervorhebt, dass Hitler auf eine deutlich Distanz der NS-Bewegung und den anderen Organisationen bestand.

The Third Reich: A Chronicle - Richard Overy - Google Books

Das Ergebnis der Harzburger Front war, dass Hitler von der Radikalisierung auf der "Rechten" profitieren konnte. Er wurde nicht zuletzt durch dieses Bündnis und durch Hugenberg für die konservativen Eliten und die Wirtschaftseliten zu einer akzeptablen politischen Option. Und wurde ebenfalls für konservative Wählerschichten zu einer wählbaren Alternative.

Zudem, so weist Evans darauf hin, dass Hitler genau zu diesem Zeitpunkt, beispielsweise in der Rede 1932 im Düsseldorfer Industrie-Club vor 650 "Wirtschafts-Führern" sich als Alternative zur Gefahr des Kommunismus präsentierte. Und somit versuchte, seine gesamtgesellschaftliche Akzeptanz zu verbessern, da er mit "legalen Mitteln" an die Macht gelangen wollte (um sie dann mit illegalen zu stabilisieren).

The Coming of the Third Reich: How the Nazis Destroyed Democracy and Seized ... - Richard J. Evans - Google Books

Insgesamt war die Harzburger Front ein wichtiger Katalysator, um die radikale NS-Bewegung näher an die konservativen Eliten heranzuführen und sind ein wichtiger Schritt für Hitler gewesen auf dem Weg zur "Machtergreifung".
 
Zuletzt bearbeitet:
Hallo Melchior, Thanepower,
natürlich hilft mir das weiter. Habt beide recht herzlichen Dank.

@Thanepower "Habsburger Front" - hast Du Dich da verschrieben?

Gruss,
Bernd
 
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