Der ganze Prozess war eine Farce.
Diese Beschreibung ist sicherlich zutreffend und beleuchtet die prekäre Situation einer Justiz, die während der Weimarer Republik es nicht geschafft hat, ihren wilhelminischen Charakter und ihre politische Gesinnung abzustreifen.
Generell ist mit Kirchheimer sicherlich festzuhalten, dass die Justiz, in Fortführung ihrer Rolle während der Kaiserzeit, eine "politische Justiz" war, sofern es um die "öffentliche Ordnung" ging. In ihrer Funktion unterwarf sie das politische Handeln der Akteure einer gerichtlichen Überprüfung und steuerte somit direkt den Umfang der Aktivitäten der politischen Akteure.
Deutlicher noch stellt Kehr die Justiz in den Zusammenhang mit der Ausformung der Bürokratie während des Kaiserreichs und sieht sie insgesamt in der Funktion, die Strukturen und vor allem die Werte des wilhelminischen Deutschlands abzusichern. Und in diesem Fall vor allem gegen die in ihrer Bedeutung zunehmenden politischen Repräsentaten der Arbeiterschaft, wie beispielsweise die SPD.
Vor diesem Hintergrund vertritt Müller die These, dass die Justiz eine sehr einseitige Rolle bei der Verfolgung politisch motivierter Gewalt gespielt hatte. Die Richterschaft neigte, so Müller, mehrheitlich der DNVP zu und stand psychisch unter dem Schock der "Dolchstoßlegende" und dem Verhalten der "Vaterlandslosen Gesellen" bzw. der "Novemberverbrecher".
Diese politischen wilhelminischen Werte und Weltbilder nahm die Justiz und in besonderem Maße auch die Richterschaft als Erbe mit in die Weimarer Republik.
Vor diesem Hintergrund erschien das Agieren der linken Parteien, auch im Sinne Carl Schmitt, dem Muster der Freund vs. Feind-Erkennung zu folgen, und in besonderem Maße zu verfolgen.
Demgegenüber schien das Agieren der deutschnationalen (Ludendorff etc.) bzw. rechtsextremen Kräfte (Hitler) eine "legitime politische Handlung", da sie die "deutsche Ehre" vorgab schützen zu wollen.
Den massiven Umfang dieser Rechtsbeugung durch eine politische Justiz in der Weimarer Republik beschreibt Müller drastisch.
In der Folge der Ausrufung des "Volksstaates Bayerns" und der Ausrufung einer "Räterepublik" veranstalteten die Reichswehrtruppen ein "Blutbad", indem sie ca. 1100 Arbeiter standrechtlich erschoss. In der Folge sprachen Gerichte in diesem Zusammenhang ein Todesurteil und 2209 Freiheitsstrafen aus.
Der Kapp-Putsch, März 1920, der die Spitze der hochverräterischen Aktivitäten darstellte, führte zwar zu 200 standrechtliche Erschießungen durch die Putschisten!!!!!!!, aber führte nur anschließend zu einer Verurteilung der Putschisten. Weitere 507 weitere Verbrechen, die verfolgt wurden, wurde durch die Amnestie vom 4. August 1920 der weiteren Strafverfolgung entzogen.
Diese einseitige Strafverfolgung durch eine politische Justiz zog sich durch die Weimarer Republik hindurch und kann für die politischen Morde bzw. Fememorde ähnlich beurteilt werden.
In diesem Kontext ist auch der Prozess gegen Hitler und Ludendorff zu sehen und findet seinen "Höhepunkt" in der Rechtfertigung der brutalen politischen Morde von Hitler gegen Teile der NS-Bewegung im Rahmen der "Nacht der langen Messer".
Insgesamt zeigt sich daran, dass die politische Kultur, auch als eine demokratische Gesinnung, nach 1918 nicht erzwungen werden konnte und die Freiheit von "Justitia" in ihrer Urteilsfindung grundsätzlich ein Merkmal eines Rechtsstaates ist. Allerdings in diesem Fall die Verfassungsnorm und die Verfassungsrealität nicht übereinstimmten.
Ergo: 1918 hätten die demokratischen Parteien mit eisernem Besen die wilhelminische Bürokratie "reinigen" müssen und alle anti-demokratischen Kräfte aus dem Amt entfernen müssen. Das betraf vor allem das Außenministerium, die Reichswehr und die Justiz.
Kehr, Eckart, Die Diktatur der Bürokratie, in ders. (1965): Der Primat der Innenpolitik. Gesammelte Aufsätze zur preußisch-deutschen Sozialgeschichte im 19. und 20. Jahrhundert. Hg. v. Hans-Ulrich Wehler. Berlin: de Gruyter, S. 244ff.
Kirchheimer, Otto (1993): Politische Justiz. Verwendung juristischer Verfahrensmöglichkeiten zu politischen Zwecken. Hamburg: EVA.
Müller, Ingo (1987): Furchtbare Juristen. Die unbewältigte Vergangenheit unserer Justiz. München: Kindler.