Wäre eine Restauration des Kaiserreiches möglich gewesen?

Parsifal

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Guten Tag zusammen,

1924 konnte die monarchistische DNVP relativ gute Wahlergebnisse erzielen und war immerhin mit gut 20% zweitstärkste Partei im Reichstag. 1925 wurde der monarchistisch gesinnte Paul von Hindenburg Reichspräsident. Der Monarchist Alfred Hugenberg kontrollierte einen Großteil der deutschen Medien.

Hindenburg als Reichspräsident und Hugenberg als Medienmogul hätten doch gemeinsam mit der DNVP sicher die nötige politische, mediale und wirschaftliche Macht gehabt um auch große Teile der Reichswehr und einflußreiche Kreise im bürgerlich-industriellen Milieu für eine monarchistische Konterrevolution und eine Restauration des Kaiserreiches zu gewinnen.

Von allen Gruppierungen, die der Weimarer Republik kritisch/feindselig gegenüberstanden, hatten die Monarchisten die mit Abstand größte Machtfülle. Warum wurde dies nicht genutzt?
 
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Ich denke, dem Kaiserreich jammerte man eher emotional nach. Es war eine Erinnerung von Sicherheit gebender Ordnung und wirtschaftlichem Aufschwung. Das dies nicht einfach so durch eine Restauration wiederkehren würde, war wohl fast jedem klar. Der Faden war durchtrennt.
1924 bekam die DNVP zwar gute 20%, doch das relativierte sich 1928 wieder auf 14%. 1930 fiel sie gar auf 7%. So gut kann der Rückhalt in der Bevölkerung dann doch nicht gewesen sein, zumal man 1924 von der Hyperinflation traumatisiert war und sich irgendwo das Stabile wünschte.
 
... Warum wurde dies nicht genutzt?

Die Frage ist schon schräg. ;)

U.a. auch deshalb, weil kein geeigneter Thronprädendent zur Verfügung stand. Eine andere Dynastie als die Hohenzollern wäre nicht denkbar gewesen. Nur wer dann:

S.M. obsolet
der Kronprinz dito
der älteste Sohn des Kronprinzen zu jung
Brüder des Kronprinzen z.B. Eitel, schwer denkbar, da legitimistische Bedenken bestanden hätten

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Dann schau Dir bitte die Mehrheitsverhältnisse im Reichstag an (2. und 3. Reichstag), da gab es keine Mehrheit für ein monarchistisches Experiment. Staatsstreich; der ging 1920 gründlich schief, dann schau Dir den OB der Reichswehr an und sein Konzept der Reichswehr, da hätte ein Staatsstreich auch nicht gepasst und schließlich die wirtschaftliche Situation, die war ganz passabel - auch kein Grund. Wolfram Pyta findet in seiner Hindenburg-Biographie auch keine stark ausgeprägten restaurativen Tendenzen bei Hindenburg. Da bleibt selbst für eine kontrafaktische Diskussion wenig Raum.

M.
 
Die Frage ist schon schräg. ;)

Warum?

Hindenburg war Reichspräsident und damit der Mann mit der größten politischen Macht in der Weimarer Republik. Er konnte den Reichstag auflösen, mit Notverordnungen regieren und einzelne Artikel der Verfassung vorübergehend außer Kraft setzen. Er war auch der Oberbefehlshaber der Reichswehr und für die Soldaten eine Gallionsfigur. In der Reichswehr, insbesondere unter den Offizieren gab es viele Monarchisten. Wenn Hindenburg es gewollt hätte, dürfte es ihm möglich gewesen sein die Reichswehr für das Vorhaben einer Konterrevolution zu gewinnen und seine Macht als Reichspräsident für diesen Zweck zu nutzen.

Hugenberg kontrollierte gut die Hälfte der deutschen Medienlandschaft und hätte die Konterrevolution medial flankieren können. Zudem wäre es sicher möglich gewesen viele einflußreiche Personen aus der Wirtschaft für das Vorhaben zu gewinnen.

Als Kaiser hätte natürlich Kronprinz Wilhelm von Preußen zur Verfügung gestanden. Das Haus Hohenzollern hätte nach einem relativ kurzen Exil wieder das Deutschen Kaisertum übernehmen können. So war es doch von den deutschen Monarchisten ohnehin immer vorgesehen, auch noch von den meisten Widerständlern vom 20. Juli 1944.

Nationalsozialisten und Kommunisten hatten in den 20er Jahren nicht annähernd die nötigen Mittel um gegen die Weimarer Republik ernsthaft zu putschen. Das monarchistische Lager hatte alle nötigen Mittel dazu, hat sie aber nicht genutzt. Die Frage wäre nur, warum die Möglichkeiten nicht genutzt wurden.
 
Stichwort Ruhrbesetzung. Das Reich war schon stark Dezimiert. Und Frankreich hätte bei einem Staatsstreich von oben die Hände aufm Ruhrpott gehalten. Die Reichswehr war auch relativ schwach.
Und wenn Du Dir Wahlergebnisse von 1924 anguckst, dann fällt auf das die SPD stärkste Fraktion war. Und die USPD hätte in so einem Fall die SPD unterstützt. Und die KPDSU wohl auch.
Die Inthronisierung von einem Hohenzollern währe wohl politischer Selbstmord gewesen. Sowohl für die DNVP als auch das Haus Hohenzollern.

Apvar
 
=)

Nachdem die Monarchie erst einmal beseitigt war, hätte jede Restauration nicht nur die politischen Gegner sondern auch die materiellen Gewinner überwinden müssen.

Hindenburg hätte sich also selbst abschaffen müssen, Linke und eingefleischte Republikaner (nicht notwendigerweise Befürworter der Weimarer Republik) wären eh gegen eine neue Monarchie gewesen und dann fehlte immer noch ein Kaiser.

Die meisten Befürworter einer Monarchie hatten sich schon längst arrangiert, eine Änderung der Verhältnisse wäre ein großes Risiko für ihre Position und ihr Vermögen gewesen. Deshalb hätten sie im entscheidenden Moment sicher nicht an der Spitze der Bewegung gestanden.
 
Die meisten Befürworter einer Monarchie hatten sich schon längst arrangiert, eine Änderung der Verhältnisse wäre ein großes Risiko für ihre Position und ihr Vermögen gewesen. Deshalb hätten sie im entscheidenden Moment sicher nicht an der Spitze der Bewegung gestanden.

Wieviele wirkliche "Gewinner" der Republik gab es denn, die bei einer Restauration des Kaiserreiches ernsthaft Position und Vermögen verloren hätten?

Es gab doch eher eine ganze Menge "Verlierer" der Republik: Der Adel, die ostelbischen Großbrundbesitzer, große Teile der Schwerindustrie, das Beamtentum und natürlich die Reichswehr. Zudem hatten die deutschen Sparer durch die Hyperinflation ohnehin kurz zuvor ihr gesamtes Vermögen verloren und Millionen Arbeiter waren arbeitslos, hatten insofern sowieso nichts mehr, was sie noch hätten verlieren können.
 
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Wieviele wirkliche "Gewinner" der Republik gab es denn, die bei einer Restauration des Kaiserreiches ernsthaft Position und Vermögen verloren hätten?

Es gab doch eher eine ganze Menge "Verlierer" der Republik: Der Adel, die ostelbischen Großbrundbesitzer, große Teile der Schwerindustrie, das Beamtentum und natürlich die Reichswehr. Zudem hatten die deutschen Sparer durch die Hyperinflation ohnehin kurz zuvor ihr gesamtes Vermögen verloren und Millionen Arbeiter waren arbeitslos, hatten insofern sowieso nichts mehr, was sie noch hätten verlieren können.

Es gibt Teilnehmer des Forums die viele Quellen bemühen, und deren Einschätzungen aufgrund eines solchen Bemühens anerkannt sind und dergestalt auch Beachtung finden.
Es gibt auch solche, die eine These nach der anderen heraushauen, ohne dass eine solche Sorgfalt erkennbar wäre.
Letzere erkennt man mit geringer Mühe daran, dass sie entweder keine Quellen zitieren, oder diese sinnentstelllend 'nutzen'.

Gibt es ausser nicht passenden Travial-Links, die zudem noch tendeziell verkürzt dargestellt werden, sonst noch was Erhebliches?
Deine Beiträge sind eine Prüfung der Nachsicht, die üblicherweise dem Narren gewährt wird.
 
Es gab keine strukturelle Mehrheit für eine andere Verfassung es gab lediglich lange eine strukturelle gegen die Weimarer Verfassung. Das ist ein Unterschied. Die DNVP hätte sich wohl kaum mit einer umbenennung des Amtes des Reichspräsidenten in das des Kaisers zufrieden gegeben, sondern hätte eine Restauration der 1871er Verfassung als Bedingung gesetzt, genau wie die Hohenzollern wohl kaum eine rein repräsentative Rolle hätten übernehmen wollen. Dafür hätte es aber im Zentrum (aufgrund der bis 1918 problematischen Stellung der Katholiken im Kaiserreich), de DDP (aufgrund ihres positiven Verhältnisses zur parlamentarischen Demokratie) wie in der BVP (für die eine Dominanz Preußens im Bundesrat der Verfassung 1871 ein Graus im Bezug auf die föderalistische Ausrichtung der Partei war). Es blieben also für eine Restauration höchstens noch DVP und DNVP. Die DVP war bis zum Kapp-Putsch durchaus monarchistisch, war aber danach nicht mehr wirklich bereit die Systemfrage zu stellen, weil der Putsch gezeigt hatte, dass eine nationalistische Diktatur kein Ausweg war und nur noch mehr Chaos als die wenig geliebte Republik war. Die DVP-Wähler wären allerdings durchaus monarchistisch gewesen sein und die DVP hätte in stabilerer außen- und innenpolitischer Situation bei entsprechenden Mehrheiten einer Restauration zugestimmt. Selbst unter dieser Prämisse waren nur ca. 30% der Bevölkerung bereit Parteien, die zu einer solche Restauration befürworteten zu wählen. Ab 1928 zersplitterte sich aber selbst dieses Wählerklientel zunehmend und unterstützte teilweise reine Interessensparteien, wie die Wirtschaftspartei (die sich vor allem für den Mittelstand und das Handwerk einsetzte) oder die Christlich-Nationale Bauern- und Landvolkpartei (die sich vor allem für Kleinbauern einsetzte). Keine dieser Parteien hatte einen sonderlich starken Anspruch der Restauration des Kaiserreichs, sondern waren rein als Interessengruppen konzipiert. Ihre Stimmen gingen zumeist Anfang der 30er Jahre im Wählerpool der NSDAP auf, die wenig Interesse an der Restauration des Kaiserreichs hatte.
 
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