Warum Notstandsverordnung?

G

geschichtler

Gast
1968 trat die Notstandsverordnung in Kraft, bereits 13 Jahre zuvor gab es erste Entwürfe dafür.
War die Notstandsverordnung eine Art Schutz gegen Zustände wie im 3. Reich, oder wie wurden diese begründet?
Habe dazu schon ausführliche Recherchen getätigt, bin jedoch nie auf ein direktes "Warum?" gestoßen.
 
Ohne auf die schwierige Bewertung einzugehen: Damals gab es noch zwei einander feindlich gesinnte deutsche Staaten. Die BRD wollte sich nicht kommunistisch unterwandern lassen. In der Bevölkerung sind die Notstandsgesetze sehr unterschiedlich aufgenommen worden. Nicht zu verwechseln sind die Notstandsgesetze mit den Notverordnungen der Weimarer Republik.
 
Danke erstmal!
Das heißt also, dass sich die BRD gegen die DDR schützen wollte? Die Notstandsgesetze galten ja nur in der BRD, soweit ich weiß.
Ich meine durchaus die Notstandsgesetze vom 1968 und nicht die Notverordnungen
 
Noch eine Frage zur BRD fällt mir ein: Wer beschließt das Notparlament laut Notstandsgesetz?
 
Erstmal Danke!
D.h. Die BRD wollte sich gegen die DDR schützen und mehr Souveranität erhalten?
Wurde das je als Grund angegeben bzw wurde je irgendein Grund öffentlich gemacht?

Wer hatte denn in der BRD das Recht das Notparlament zu entscheiden?

(Ich befürchte mein vorheriger Post ist nicht angekommen, da ich keinen Titel eingegeben hatte, andernfalls entschuldige ich mich für einen Doppelpost)
 
War die Notstandsverordnung eine Art Schutz gegen Zustände wie im 3. Reich, oder wie wurden diese begründet?
Die Begründung findet sich im Deutschlandvertrag von 1952:
Art. 5 (2) schrieb:
Die von den Drei Mächten bisher innegehabten oder ausgeübten Rechte in bezug auf den Schutz der Sicherheit von in der Bundesrepublik stationierten Streitkräften, die zeitweilig von den Drei Mächten beibehalten werden, erlöschen, sobald die zuständigen deutschen Behörden entsprechende Vollmachten durch die deutsche Gesetzgebung erhalten haben und dadurch in Stand gesetzt sind, wirksame Maßnahmen zum Schutz der Sicherheit dieser Streitkräfte zu treffen, einschließlich der Fähigkeit, einer ernstlichen Störung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung zu begegnen. Soweit diese Rechte weiterhin ausgeübt werden können, werden sie nur nach Konsultation mit der Bundesregierung ausgeübt werden, soweit die militärische Lage eine solche Konsultation nicht ausschließt, und wenn die Bundesregierung darin übereinstimmt, daß die Umstände die Ausübung derartiger Rechte erfordern. Im übrigen bestimmt sich der Schutz der Sicherheit dieser Streitkräfte nach den Vorschriften des Truppenvertrags oder den Vorschriften des Vertrags, welcher den Truppenvertrag ersetzt, und nach deutschem Recht, soweit nicht in einem anwendbaren Vertrag etwas anderes bestimmt ist.

Damals gab es noch zwei einander feindlich gesinnte deutsche Staaten. Die BRD wollte sich nicht kommunistisch unterwandern lassen.
Das stimmt zwar, das ist allerdings nicht der einzige Eventualität, die die Notstandsgesetze abdecken. Allgemein sind das der Spannungs- sowie der Verteidigungsfall, der Katastrophenfall und der der Innere Notstand infolge von Katastrophen.

In der Bevölkerung sind die Notstandsgesetze sehr unterschiedlich aufgenommen worden.
Ja, gerade die Hauptbegründung der Erforderlichkeit der Notstandsgesetze aus Artikel 5 des Deutschlandvertrags war doch arg im Fokus der Diskussion.

Noch eine Frage zur BRD fällt mir ein: Wer beschließt das Notparlament laut Notstandsgesetz?
Das Notparlament entspricht dem Gemeinsamen Ausschuss, der in Artikel 53a GG geregelt ist:
(1) Der Gemeinsame Ausschuss besteht zu zwei Dritteln aus Abgeordneten des Bundestages, zu einem Drittel aus Mitgliedern des Bundesrates. Die Abgeordneten werden vom Bundestag entsprechend dem Stärkeverhältnis der Fraktionen bestimmt; sie dürfen nicht der Bundesregierung angehören. Jedes Land wird durch ein von ihm bestelltes Mitglied des Bundesrates vertreten; diese Mitglieder sind nicht an Weisungen gebunden. Die Bildung des Gemeinsamen Ausschusses und sein Verfahren werden durch eine Geschäftsordnung geregelt, die vom Bundestage zu beschließen ist und der Zustimmung des Bundesrates bedarf.
 
Du scheinst viel Ahnung zu haben, dir auch vielen Dank!
Der Notstand wurde nach 68 aber nie ausgerufen, nicht wahr? Bestehen die Gesetze denn noch?
 
Nein, der Notstand wurde bisher noch nie ausgerufen und ja, die Gesetze bestehen nach wie vor, sie sind Teil des Grundgesetzes.
 
Und letztendlich hat man sich für den Lücke-Entwurf entschieden, der alle vorherigen Änderungen des GG plus zusätzliche hatte?
 
Naja,es wurden ja verschiedene Entwürfe für die Notstandsverordnung vorgelegt und abgelehnt. Aber für einen muss man sich ja letztendlich entschieden haben? Ich wollte nur sichergehen, dass das der sog. Lücke-Entwurf war, wohl weil er von einem gewissen Lücke entworfen wurde
 
Ach jetzt :autsch: du meinst den damaligen Innenminister Paul Lücke. Ja, der war an der Notstandsgesetzgebung maßgeblich beteiligt, allerdings entzieht es sich meiner Kenntnis, ob er einen eigenen Entwurf vorgelegt hat.
 
Naja,es wurden ja verschiedene Entwürfe für die Notstandsverordnung vorgelegt und abgelehnt. Aber für einen muss man sich ja letztendlich entschieden haben? Ich wollte nur sichergehen, dass das der sog. Lücke-Entwurf war, wohl weil er von einem gewissen Lücke entworfen wurde
Der Innenminister wird auch als "Verfassungsminister" bezeichnet. Bei der Vorlage und Bearbeitung von Gesetzentwürfen ist immer das zuständige Ministerium "federführend", bei einer Verfassungsänderung, wie hier, also das Innenministerium. Wie es sich mit den verschiedenen Gesetzentwürfen verhält, kannst du da nachlesen:
Große Koalition und Außerparlamentarische Opposition - Informationen zur politischen Bildung (Heft 258)
 
Sagt mal, weshalb hatten eigentlich ausgerechnet die Studenten und Arbeitenden so ein massives Problem mit den Gesetzen? Die anderen betrifft das doch in gleichem Maße?
Falls das unverständlich sein sollte, formuliere ich die Frage mal um:
Wieso gingen die "großen" Demos und Proteste von den Studenten aus und nicht von den Eltern, Alten, Beamten? Immerhin würden deren Grundrechte ebenfalls eingeschränkt werden
 
Weil ein "revolutionärer" Habitus zumindest in der Vergangenheit an eine Reihe von Bedingungen geknüpft war und am ehesten im Begriff der "Intelligenzia"

Intelligenzija ? Wikipedia

seinen Ausdruck fand. Wie denn auch Goulnder seine historisches Subjekt in diesem Umfeld sucht.

http://books.google.de/books?id=PyG...ook_result&ct=result&resnum=5&ved=0CD8Q6AEwBA

Dieser Aspekt ist auch für den Historiker bedeutsam, weil er davon ausgeht, dass Geschicht auch das Ergebnis individueller oder kollektiver Verhaltensweisen ist, wie Greven es zutreffend analysiert.

Die Fünfziger Jahre: Beiträge zu ... - Google Bücher

Für die Studenten war es in diesem Sinne, die biologische Disposition aufgrund ihres jugendlichen Alters und die grundsätzliche Fähigkeit sich zu "Ereifern" oder zu "Empören", wenngleich es auch Gegenbeispiele für das Alter gibt:)

Indignez-vous! (Cry Out!), Hessel's Bestseller: English Translation

Diese Fähigkeit im Kontext einer sozialen Bewegung erklärt, warum die Studenten radikalisiert waren und ein wenig revoltierten.

Eien Veränderung findet diese historische Situation durch die Radikalität der älteren Bürger und findet seinen Ausruck in dem Begriff des "Wutbürgers". In diesem Sinne unterliegen die historisch gewachsenen Verhaltensweisen auch einer Anpassung an die veränderte Sicht über das Rollenverhalten von älteren Bürgern.

Vielleicht sind die "Neuen 68er" ja 68?
 
Zuletzt bearbeitet:
Dankesehr! Nicht, dass ich das nicht auch schlimm genug fände, aber außer den Grundrechten wird da doch nichts geändert oder eingeschränkt? Hab mich noch nicht damit befasst, mir den Thread aber durchgelesen und mich gewundert.
 
Die Notstandsgesetze waren von der großen Koalition auch u.a. mit der Absicht, eine größere Souveränität der BRD zu erreichen, in Angriff genommen worden. Man hatte für einen "Notstand" (eine "ernsthafte" Störung der inneren Sicherheit bzw. Ordnung) keine Regelungen und die Siegermächte behielten sich in so einem Notstand ein Eingreifen vor. Erst wenn man eine Regelung hatte, würden die Siegermächte eben auf ihre "Vorbehaltsrechte" weiter gehend verzichten (ein vorausgehender Schritt war ja schon der Deutschlandvertrag).
Soweit ich mich erinnere, ging die Initiative tatsächlich von der Regierung aus.
 
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