3. Reich: ...wie konnte es soweit kommen?

herr hase

Neues Mitglied
(ich habe mich zwar angemeldet, kann aber im unterforum "3.Reich" kein neues thema verfassen... )
aber macht nichts, stelle ich die frage eben hier, vielleicht waere es noch moeglich das thema in das andere forum zu verschieben...


nun zu meiner frage...

Ich wuerde gerne alle faktoren sammeln, die das entstehen/aufrechterhalten des dritten reiches ermoeglicht haben.
erklaerungsversuche fuer das verhalten der bevoelkerung, sprich, was ging in den koepfen der bevoelkerung vor?
warum gab es nur "so wenig" widerstand, haette es nicht mehr sein sollen? woran scheiterte der widerstand?
was war mit der bevoelkerung in der naehe von konzentrationslagern wie buchenwald oder bergen-belsen, konzentrationslager, die nicht sehr weit entfernt von staedten lagen? die bevoelkerung muss es doch gewusst haben, oder zumindest, es "gerochen" haben...
wie war dieses massenphaenomen moeglich,... wieso ist der mensch faehig zu all dem?wie kann man nur solche massen von menschen "manipulieren", btw. inwiefern war es eine manipulation?
...und wie sieht es mit der schuldzuweisung aus?

etc. etc.

fuer hilfe waere ich sehr dankbar!
 
Zuletzt bearbeitet:
Über deine Frage haben sich die Faschismustheoretiker und HistorikerInnen seit Jahrzehnten die Köpfe zerbrochen...

Bücher und Aufsätze u.a. (ohne Wertung!):

Wilhelm Reich: Massenpsychologie des Faschismus
Klaus Theweleit: Männerphantasien
Georges Bataille: Die psychologische Struktur des Faschismus
Adorno/Horkheimer: Dialektik der Aufklärung (Antisemitismus)
Hannah Arendt: Elemente und Ursprünge totaler Herrschaft
Pierre Ayçoberry: The Social History of the Third Reich, 1933-1945
Walter Benjamin: Theorien des deutschen Faschismus
Robert A. Brady: The Spirit and Structure of German Fascism
Daniel Goldhagen: Hitlers willige Vollstrecker
Viktor Klemperer: Lingua tertii imperii
Franz Neumann: Behemoth - Struktur und Praxis des Nationalsozialismus

Übersicht:

Bernd Weil: Faschismustheorien. Eine vergleichende Übersicht mit Bibliografie
 
Viele Frage, nicht alle kann ich beantworten aber ich tue mein Bestes:winke::

Zu der Frage:"wie kann man nur solche massen von menschen "manipulieren"?
Dazu sei gesagt, dass der Mensch ein Herdentier ist.
Da sind gruppendynamische Prozesse abgelaufen. Wenn einer anfängt, machen es ein paar nach.
Außerdem wird auch die Angst eine große Rolle gespielt haben.
Die Aussage: "Alle Deutschen waren Nazis", wie sie von manchen getätigt wird ist purer Unsinn.
Sicher, es gab einen prozentualen Anteil der dt.Bevölkerung die Nazis waren, aber nicht jeder.
Und noch etwas war wichtig: Propaganda.
Dass man den Leuten das Blaue vom Himmel herunter verspricht, gibts ja heute auch noch.


Zu der Frage: "was ging in den koepfen der bevoelkerung vor?"
Mit Sicherheit Wut und Frustration.
Die Lage von der Weimarer Republik war ja alles andere als rosig.
Insofern hat man sicher nach jedem Strohalm gegriffen, der Rettung und Erlösung aus diesem Elend bot.
In diesem Fall war das eben die NSDAP


Zu der Frage: "was war mit der bevoelkerung in der naehe von konzentrationslagern wie buchenwald oder bergen-belsen, konzentrationslager, die nicht sehr weit entfernt von staedten lagen? die bevoelkerung muss es doch gewusst haben, oder zumindest, es "gerochen" haben..?"
Natürlich gab es Leute, die davon gewusst haben oder es zumindest geahnt haben.
Aber auch hier waren wieder einmal die Lügen des NS-Regimes am Werk.
Ein Beispiel: Im KZ Auschwitz gab es mal einen Massenausbruch von sowjetischen Häftlingen.
Der Bevölkerung wurde eingeflüster, dass das Mörder, Verbrecher und was weiß ich noch alles wären.
Daraufhin griffe die Bevölkerung in Auschwitz zu den Waffen die man zu Hause hatte und jagte die Flüchtigen und tötete sie wo man sie gerade traf.
Dieser Vorfall hat einen besonderen Namen, den ich vergessen habe.
Irgendwas mit "Hasenjagd"


Zu der Frage:"woran scheiterte der widerstand?"
Auch hier spielt die Angst wieder eine große Rolle:
Jeder Widerständler wurde ja hingerichtet, oder zumindest in ein KZ gebracht, was in den meisten Fällen auf das selbe hinauslief.
Man musste garantiert viile Courage besitzen, um an einem Widerstand teilzunehmen.

Was meinst du mit "und wie sieht es mit der schuldzuweisung aus?"?
Schuld am Krieg?
Schuldzuweisungen untereinander?
Weiterreichen der Schuld?

Hoffe, ich konnte etwas helfen

EDIT: Eine Frechheit, El Qujote:D
Nur einem Minuten vor mir.
 
Grünau, das wars.
Schande über mein Haupt, dass ich das nciht mehr weiß.

Ich finde, dass das sehr eindrucksvoll (leider) schildert, wie man die Masse aufhetzen kann
 
Zu der Frage:"wie kann man nur solche massen von menschen "manipulieren"?

Götz Aly hat das in seinem Buch: Hitlers Volksstaat" versucht zu verdeutlichen.

http://www.amazon.de/exec/obidos/ASIN/3100004205/qid=1139653661/sr=2-1/ref=sr_2_11_1/303-8242435-6869826




Zu der Frage: "was war mit der bevoelkerung in der naehe von konzentrationslagern wie buchenwald oder bergen-belsen, konzentrationslager, die nicht sehr weit entfernt von staedten lagen? die bevoelkerung muss es doch gewusst haben, oder zumindest, es "gerochen" haben..?"

Gemäß Heidrichs Motto, der zusammen mit Best die Konzentrationslager aufbaute "Wenn mans weiß ist es gut,nur wissen muß mans!" und seiner Umsetzung "Lieber 10 Unschuldige ins KL, aber dafür mucken die anderen 90% nicht auf." wußte es die deutsche Bevölkerung schon, was in den KZs passierte. zumal auch Arbeiter aus der Bevölkerung dienstlich dort zu tun hatten und es auch für örtliche Parteigrößen KZ Begehungen gab.

Eugen Kogon hat das in seinem Buch "Der SS-Staat" trefflich beschrieben.
http://www.amazon.de/exec/obidos/ASIN/345302978X/qid=1139652942/sr=1-1/ref=sr_1_11_1/303-8242435-6869826

Selbst im Fall der vernichtungslager blieb dies kein Geheimnis, denn die Rauchwolke über Auschwitz war nicht zu übersehen und die Asche der Verbrannten wurde als Kunstdünger verkauft, zumal auch Wachmannschaften in den umliegenden Orten stolz ihr Raubgut vorzeigten und im suff manches ausplauderten. Auch den Eisenbahnern und vielen anderen blieb das nicht verborgen.
 
Also ich kann nur von Auschwitz sprechen, weil wir da letztes Jahr mit der Schule waren:
Wenn man sich das vorstellt, dann geht zu dieser "Festung" ein ziemlich steiler Berg hinauf.
Den müssten die Häftlinge zu Fuß hochgehen.

Und das sie dabei nicht gesehen wurden ist unwahrscheinlich.
Sogar sehr!

So ein Zug von 300-500 Menschen sieht ja jeder.
Aber entweder wurden sie als "Verbrecher" deklariert, oder man schloss lieber die Augen um nichts mitzibekommen
 
Es ist nun mal nicht jeder ein Held. Ich hätte auch den Mund gehalten und nachher gesagt, ich habe nichts gewusst. Da wollen wir uns doch gar nichts vormachen.
 
herr hase schrieb:
warum gab es nur "so wenig" widerstand, haette es nicht mehr sein sollen? woran scheiterte der widerstand?

Es gab nicht wenig Widerstand. Man muss hier unterscheiden zwischen einem Widerstand in einem besetzten Gebiet, wie zum Beispiel in Frankreich oder dem Widerstand innerhalb Deutschland.

Hier ein paar Beispiele:

Es gab einen Widerstand der Arbeiterbewegung (Sozialdemokraten, Gewerkschaften und Kommunisten) Alle drei haben aber nicht gemeinsam gegen das Regime gekämpft sondern alleine. Weil sich zum Beispiel die Sozialdemokraten und Kommunisten gegenseitig bis ca. 1935 angefeindet haben. Es gelang der Gestapo innerhalb von kurzer Zeit die gesamte Führung der Arbeiterbewegung auszuschalten, entweder durch Verhaftungen (viele sah man nie wieder) oder die Führer gingen ins Exil um von dort aus weiter Widerstand zu leisten. Die Kommunisten trafen sich innerhalb Deutschlands in kleinen Gruppen und verteilten Flugblätter oder halfen Verfolgten Freunden und deren Familien.

Dann gab es eine Widerstandsgruppe die war bis 1942 mehr als 8 Jahre tätig, das war die Rote Kapelle in Berlin. Die Gestapo machte aus ihnen eine kommunistische Spionagegruppe, was aber nicht stimmte wie wir heute wissen. Die Rote Kapelle (ist eigentlich ein falscher Ausdruck da es sich um verschiedene Freundeskreise handelte) hatte Kontakt zur Amerikanischen und Sowjetischen Botschaft, denen sie auch Informationen weitergaben. Die Haupttätigkeit war aber das Verteilen von Flugblättern und andere Aktionen, sie wollten die Bevölkerung aufmerksam machen was für ein verbrecherisches Regime Hitler Deutschland war.

Dann gab es verschiedene Jugendgruppen die Widerstand leisteten. Zum Beispiel die Edelweiss Piraten, weisse Rose, die Jugendorganisationen der Kommunistischen Partei.

Es gab auch Widerstand im Kleinen, das begann mit dem verweigern des Hitlergrusses bis zur Fluchhilfe von Zwangsarbeitern.

Die Schwierigkeit war und das hat Hans Mommsen sehr einleuchtend gesagt, es war ein Widerstand ohne Volk. Warum ohne Volk? Der Rückhalt innerhalb der Bevölkerung war nicht sehr gross. Der deutsche Widerstand war kein bewaffneter wie eben in den besetzen Gebieten weil die Voraussetzungen ganz anders waren. Es gab keinen gesamten Deutsche Widerstand, sondern einzelne Gruppen, die unabhängig von einander Opposition leisteten, es gab keine einheitliche Widerstandsführung und man darf nicht vergessen es war ein Terror Regime und die Gestapo verstand ihr Handwerk.

Hier gibt es Themen im Forum die sich mit dem Widerstand beschäftigen:

http://www.geschichtsforum.de/showthread.php?t=8471
http://212.227.62.226/geschichtsforum/showthread.php?t=1664
http://212.227.62.226/geschichtsforum/showthread.php?t=4129
http://212.227.62.226/geschichtsforum/showthread.php?t=3526
http://212.227.62.226/geschichtsforum/showthread.php?t=1078


Dann immer gut ist die Seite der Gedenkstätte Deutscher Widerstand:

http://www.gdw-berlin.de/

Oder auf Shoa.de
http://www.shoa.de/content/category/3/35/133/


Oder diese Literatur:

Der Widerstand gegen den Nationalsozialismus von Jürgen Schmädeke und Peter Steinbach, Piper Verlag

Widerstand im Dritten Reich von Hermann Graml, Fischer Verlag

Widerstand und Emigration von Hartmut Mehringer

Widerstand im Dritten Reich von Ger van Roon, Beck Verlag

Frauen gegen Hitler, von Martha Schad, Heyne Verlag

Frauen gegen die Diktatur von Christl Wickert, Gedenkstätte Deutscher Widerstand

Die Rote Kapelle von Hans Coppi, Gedenkstätte Deutscher Widerstand

Rote Kapellen - Kreisauer Kreise - Schwarze Kapellen, Neue Sichtweisen auf den Widerstand gegen die NS-Diktatur 1938 bis 1945 von Karl Heinz Roth (Hier hat es ein Kapitel über den Widerstand der kleinen Leute von Ludwig Eiber, ab Seite 279)
 
florian17160 schrieb:
Es ist nun mal nicht jeder ein Held. Ich hätte auch den Mund gehalten und nachher gesagt, ich habe nichts gewusst. Da wollen wir uns doch gar nichts vormachen.
Um Gottes Willen!

Ich wollte mit meinem Post nicht sagen, dass ich mich heldenhaft dagegen gestemmt hätte, und die Aufseher mit meinem nächstbesten Küchenmmesser attackiert hätte.:eek:

Nie im Leben!
Ich gebe dir Recht, ich hätte sehr wahrscheinlich auch nichts getan.

Nachher spricht es sich ja immer leichter: "Aber man hätte ja nur......."
Genau solche Zitate treiben mich immer in den Wahsinn.

Garantiert 99% in diesem Forum hätte auch die Augen verschlossen ( jetzt bitte nicht als persönlichen Angriff werten), und wären dafür immer noch frei geblieben anstatt im KZ zu schuften bis man stirbt.

Und genau deshalb bewundere ich jede Person, die den Mut hatte sich gegen diese Schreckensherrschaft zu stellen!
 
Kyros der Große schrieb:
[...] Auschwitz [...]
Wenn man sich das vorstellt, dann geht zu dieser "Festung" ein ziemlich steiler Berg hinauf.
Den müssten die Häftlinge zu Fuß hochgehen.
Welcher Berg? Ich hab in Auschwitz keinen gesehen, weder beim Stammlager, noch in Birkenau.
 
Noch eine Ergänzung zum Arbeiterwiderstand (danke Ingeborg für den Hinweis)

Neben den von mir bereits erwähnten Kommunisten, Sozialdemokraten usw.
gab es auch noch andere Organisationen die heute weniger bekannt sind. Dazu gehört die Gruppe der Freien Arbeiter-Union Deutschlands (Anarcho-Syndikalisten).

Die FAUD wurde 1919 als autonomer Zweig der Arbeiterbewegung gegründet, ihre Tradition reicht bis weit in das 19. Jahrhundert zurück. Die FAUD sieht sich als wirtschaftliche Kampforganisation und kulturradikale Bewegung, die sich gleichermassen von der KPD und SPD abgrenzt. Am Ende der Weimarer Republik hat die FAUD ca. 4 300 Mitglieder. Diese stellen sich bereits vor 1933 auf die Illegalität ein und bereiten ein konspiratives Verbindungsnetz, Fluchtwege und Möglichkeiten für illegale Grenzübertritte vor.

Mitte Februar 1933 löst sich die FAUD formell auf. Die Führung geht von Berlin nach Leipzig. Im Untergrund entstehen drei Zentren in Mitteldeutschland, im Rhein-Ruhr-Gebiet und in Südwestdeutschland. Weitere Gruppen gibt es in Bayern und Oberschlesien. Exilstützpunkte entstehen in Amsterdam, Paris, Barcelona und Stockholm

Sie verteilen aus dem Ausland eingeschmuggelte Literatur, verteilen Flugblätter und Zeitschriften und helfen Verfolgten.

Die Gestapo deckt in der Zeit zwischen 1934 und 38 die Netze auf, zuerst das in Südwestdeutschland später die beiden andern. 200 Anarcho Syndikalisten werden bis 1939 zu hohen Strafen verurteilt. Für viele ist das der beginn des Leidensweges durch die Konzentrationslager, andere kommen in Strafbataillone oder sie werden von der Gestapo überwacht.

Literatur zu dazu:

Andreas G. Graf
Anarchisten gegen Hitler, Anarchisten, Anarcho-Syndikalisten, Rätekommunisten im Widerstand und Exil, Berlin 2000


Wolfgang Haug
Eine Flamme erlischt
Die Freie Arbeiter Union Deutschlands von 1932 bis 1937, in: Internationale Wissenschaftliche Korrespondenz zur Geschichte der deutschen Arbeiterbewegung 1989 S. 359 ff.
 
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