Albert Speer: Wirkung des Bombenkriegs

T 34

Mitglied
Hallo habe gelesen, dass Albert Speer nach dem Krieg meinte das aufgrund der Bombardements 30 Prozent weniger Panzer und 40 Prozent weniger Flugzeuge produziertworden sind. Was haltet ihr von dieser Einschätzung ? Ist sie realistisch?
 
Im Prinzip ist diese Aussage wohl nicht ganz verkehrt, wenngleich auch irreführend, da es die Bereitstellung sehr knapper strategischer Rohstoffe (Kautschuk etc.) als gewährleistet ansah. Und dieses war faktisch nicht der Fall.

Ähnliches gilt für die Frage der Bereitstellung der notwendigen Mengen an Treibstoff für die Benutzung des Materials.

Und letzlich übersieht er, dass kompetentes Personal nicht mehr ausreichend zur Verfügung gestellt hätte werden können, die zusätzlichen 40 % zu bedienen.

Insofern ist diese Aussage sehr verkürzt und betrifft lediglich eine isolierte Betrachtung eines sehr hypothetischen maximalen Outputs an Material.

Vor diesem Hintergrund ist der Aussage insgesamt deshalb dennoch zu widersprechen.

Die Diskussion wurde hier sehr faktenreich bereits geführt.

http://www.geschichtsforum.de/f68/l...chland-1944-45-a-30113/index4.html#post589683
 
Zuletzt bearbeitet:
Insofern ist diese Aussage sehr verkürzt und betrifft lediglich eine isolierte Betrachtung eines sehr hypothetischen maximalen Outputs an Material.

Vor diesem Hintergrund ist der Aussage insgesamt deshalb dennoch zu widersprechen.

Die Diskussion wurde hier sehr faktenreich bereits geführt.

http://www.geschichtsforum.de/f68/l...chland-1944-45-a-30113/index4.html#post589683

Sehe ich auch so.

Flugzeuge und Panzer setzten zunächst einmal Munition, Treibstoffe und Ersatzteile (und ausgebildetes Personal) voraus, wenn die Lebensdauer nicht in Tagen bemessen sein soll. Die "Endprodukte", mit dem Maximalausstoss 1944, haben die ältere Literatur als "Rüstungswunder" (übrigens auch die Alliierten nach dem Krieg) stark beeindruckt, was eben genauer betrachtet zu relativieren ist.

Beachtenswert ist aber eine Unterteilung:

1. Die "Totalisierung" der Rüstung des Dritten Reiches setzte erst nach 1942/43 ein, die erste Kriegshälfte blieb unter den industriellen Möglichkeiten.

2. Bereits die drohende Verschärfung des strategischen Bombenkrieges 1941/42 bewirkte eine gewaltige Welle an Verlagerungs- und Verteilungsmassnahmen. Diese "kosteten" 1942/43 industrielle Kapazitätsausfälle und Ressourcenverbrauch in großem Umfang, sorgten aber 1944 für eine gewisse "Imunisierung" der rüstungsrelevanten Industrie gegen Schwerpunktangriffe. Im Prinzip wirkte das, weil die Kriegswende bereits eingetreten war, nur kriegsverlängernd.

Man sollte sich daher bei Betrachtung von solchen "Endprodukten" nicht von Quantitäten beeindrucken lassen, sondern eine Gesamtbetrachtung vornehmen.
 
Also erfolgten 44 keine nennenswerten Produktionseinbussen bei Panzern, Flugzeugen etc? Weil die Ruestungskomplexe schon verlagert wurden?
 
Also erfolgten 44 keine nennenswerten Produktionseinbussen bei Panzern, Flugzeugen etc? Weil die Ruestungskomplexe schon verlagert wurden?

1944 waren die meisten kriegswichtigen Industrien (soweit möglich) bereits verlagert (siehe dazu auch den vorhergehenden Post von silesia). Desweiteren sah man ab 1943 die massiven Einsatz von Zwangsarbeitern in der deutschen Rüstungsindustrie, der zum einen Arbeitskräfte für die Front freistellte und trotzdem das Produktionsniveau sogar noch anheben konnte. Zudem war Speer ein relativ begabter Manager, was die Abläufe und Effizienzsteigerung der Rüstungsproduktion betrifft.
 
Es ist auch die Frage, was man mit dieser Behauptung weiter sagen will. M.W. fehlten zu Kriegsende nicht so sehr Panzer und Flugzeuge, sondern ausgebildete Mannschaften und Piloten und vor allem Treibstoff.

Mein Vater wohnte damals am Fliegerhorst Manching und erzählt, dass es dort zahlreiche Düsenmaschinen gab, die getarnt im Umfeld herumstanden und nacheinander, so wie sie von den Jabos gefunden wurden, zerstört worden sind. Geflogen sind die meisten wegen fehlender Piloten und Treibstoff nicht ein einziges mal.

Mehr als Panzer und Flugzeugen fehlte es zum Ende hin an Infanteriewaffen, vor allem an gewöhnlichen Gewehren. Und das lag weniger an zu geringer Produktion als an den enormen Mengen die bei den Rückzugen verloren gegangen sind.
 
Ein weiteres Problem der Luftangriffe war die Zerstörung der Infrastruktur. Die fehlenden Dinge waren teilweise sogar noch vorhanden, es gab lediglich keine vernünftigen Möglichkeiten mehr, sie an den Ort zu bringen, wo sie am (dringendsten) gebraucht wurden. Irgendwo in meiner Erinnerung schwirrt der Kommentar herum, dass es am Ende des Krieges Fliegerhorste gab, die hatten Munition aber keinen Sprit, auf dem nächsten war dann Sprit aber keine Munition usw. vorhanden. Mal wieder: Die Decke war einfach überall zu kurz.

Interessant wäre, was Speer damit eigentlich aussagen oder rechtfertigen will. Ich kenne den Zusammenhang nicht, in dem er diese Aussage getätigt hat. Versucht er damit etwas zu relativieren?
 
Ein weiteres Problem der Luftangriffe war die Zerstörung der Infrastruktur.
Das gelang allerdings erst Ende 1944, eigentlich erst 1945. Die USSBS weisen zB die Rückgänge an Tonnenkilometer bei der Reichsbahn detailliert nach (Statistiken bei Bedarf), außerdem brach die auf dem Straßenverkehr basierende Logistik an Benzinmangel zusammen. Die Binnenschifffahrt wurde 1945 ebenfalls gezielt unterbrochen.

Der totale Zusammenbruch des Transportwesens im Deutschen Reich ist außerdem ein wichtiger Kontext für die Versorgungsengpässe in der unmittelbaren Nachkriegszeit 1945/46.

Interessant wäre, was Speer damit eigentlich aussagen oder rechtfertigen will. Ich kenne den Zusammenhang nicht, in dem er diese Aussage getätigt hat. Versucht er damit etwas zu relativieren?
Das frage ich mich auch. Mglw. hat er sein "Rüstungswunder" in der alliierten Wahrnehmung hochtreiben wollen.
 
Der totale Zusammenbruch des Transportwesens im Deutschen Reich ist außerdem ein wichtiger Kontext für die Versorgungsengpässe in der unmittelbaren Nachkriegszeit 1945/46.

Dazu habe ich noch eine kleine Anekdote. Mein Großvater ging Ende April 1945 in amerikanische Kriegsgefangenschaft. Er berichtete immer wieder davon, dass die Gefangenen (in diesem Fall alles Sanitätssoldaten, die weiterhin gebraucht wurden) anfangs mit den gleichen Nahrungsmitteln wie die US Army versorgt wurden. Er sprach immer wieder von dem opulenten Frühstück aus Rührei und Speck. Für einen Sohn von kleinen Bauern ein unglaublicher Luxus. Aber schon nach wenigen Tagen verschlechterte sich die Versorgungslage erheblich. Er vermutete, dass dies mit der großen Anzahl an Menschen, die man versorgen musste und mit dem Nachschubproblemen zu tun hatte.

ME hatte er damit recht. Die Siegermächte alle überfordert mit der großen Zahl an Menschen (POWs und Zivilisten) die sie auf einmal versorgen mussten. Dabei stellten sie auch fest, dass so gut wie kein Verkehrsweg noch vernünftig zu gebrauchen war.

Das frage ich mich auch. Mglw. hat er sein "Rüstungswunder" in der alliierten Wahrnehmung hochtreiben wollen.

So etwas hatte ich auch schon vermutet. Vielleicht wollte er damit auch ausdrücken, dass es auf keinen Fall an ihm selbst gelegen hatte, dass der Krieg verloren ging. Deshalb wäre der Zusammenhang wichtig.
 
Kein geringerer als General Alfred Jodl vertrat nach dem Krieg die Ansicht, dass die Bombardements den Krieg entscheidend beeinflusst hätten. Diesbezüglich ließ er 1945 seine Aussage zu Papier bringen, dass die "vollkommene Luftüberlegenheit" der Alliierten "den Kriegt entschieden hat." Am "effektivsten" wären die "strategischen Bombardierungen des Heimatgebietes" gewesen, der "entscheidende Faktor" wäre "die Zerstörung des Heimatlandes, fast ohne Widerstand" gewesen. Explizit zum Thema des "psychologischen Effekts" der Bombardierung deutscher Städte auf die Soldaten an der Front (und damit auf die Kampfkraft/Moral) gab Jodl an:

"Zunächst einmal waren die psychologischen Auswirkungen auf die Frontsoldaten sehr groß. Das wird häufig übersehen, aber meiner Meinung nach war es von überragender Bedeutung. Während der Soldat vorher glaubte, dass er durch den Kampf an der Front seine Heimat, seine Frau und seine Kinder beschützte, wurde dieser Faktor völlig eliminiert und durch die Erkenntnis ersetzt, 'Ich kann so viel durchhalten wie ich will, aber meine Frau und meine Kinder gehen trotzdem vor die Hunde.'" (1)
Und: "Dies unterminiert auch die Kampfkraft der Soldaten im Allgemeinen, so dass diese zunehmend 'unruhig' wurden, diese nicht mehr 'so enthusiastisch' kämpften, die deutschen Soldaten sich daher zunehmend fragten: 'Wofür kämpfe ich? Ich kann noch so tapfer sein und trotzdem wird zu Hause alles in Stücke geschlagen.' Dies war mit Sicherheit eine starke Reaktion auf den Kampfgeist der Truppen. Parallel dazu hatte es Einfluss auf die Arbeitskraft der Arbeiter in der Rüstungsindustrie ..." (2)

Albert Speer meinte nach dem Krieg sogar, dass Aufgrund der Bombardements 35 Prozent weniger Panzer, 31 Prozent weniger Flugzeuge und 42 Prozent weniger Transportflugzeuge produziert worden seien...

Quellen:
zu (1): Overy, Richard: Verhöre. Die NS-Elite in den Händen der Alliierten 1945. Seite 278. Econ Ullstein List Verlag 2002.
zu (2): Overy, Richard: Interrogations: The Nazi Elite in Allied Hands 1945. S. 283ff. Penguin Books, 2002.


 
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Kein geringerer als General Alfred Jodl vertrat nach dem Krieg die Ansicht, dass die Bombardements den Krieg entscheidend beeinflusst hätten. Diesbezüglich ließ er 1945 seine Aussage zu Papier bringen, dass die "vollkommene Luftüberlegenheit" der Alliierten "den Kriegt entschieden hat." Am "effektivsten" wären die "strategischen Bombardierungen des Heimatgebietes" gewesen, der "entscheidende Faktor" wäre "die Zerstörung des Heimatlandes, fast ohne Widerstand" gewesen. Explizit zum Thema des "psychologischen Effekts" der Bombardierung deutscher Städte auf die Soldaten an der Front (und damit auf die Kampfkraft/Moral) gab Jodl an:

"Zunächst einmal waren die psychologischen Auswirkungen auf die Frontsoldaten sehr groß. Das wird häufig übersehen, aber meiner Meinung nach war es von überragender Bedeutung. Während der Soldat vorher glaubte, dass er durch den Kampf an der Front seine Heimat, seine Frau und seine Kinder beschützte, wurde dieser Faktor völlig eliminiert und durch die Erkenntnis ersetzt, 'Ich kann so viel durchhalten wie ich will, aber meine Frau und meine Kinder gehen trotzdem vor die Hunde.'" (1)
Und: "Dies unterminiert auch die Kampfkraft der Soldaten im Allgemeinen, so dass diese zunehmend 'unruhig' wurden, diese nicht mehr 'so enthusiastisch' kämpften, die deutschen Soldaten sich daher zunehmend fragten: 'Wofür kämpfe ich? Ich kann noch so tapfer sein und trotzdem wird zu Hause alles in Stücke geschlagen.' Dies war mit Sicherheit eine starke Reaktion auf den Kampfgeist der Truppen. Parallel dazu hatte es Einfluss auf die Arbeitskraft der Arbeiter in der Rüstungsindustrie ..." (2)

Albert Speer meinte nach dem Krieg sogar, dass Aufgrund der Bombardements 35 Prozent weniger Panzer, 31 Prozent weniger Flugzeuge und 42 Prozent weniger Transportflugzeuge produziert worden seien...

Quellen:
zu (1): Overy, Richard: Verhöre. Die NS-Elite in den Händen der Alliierten 1945. Seite 278. Econ Ullstein List Verlag 2002.
zu (2): Overy, Richard: Interrogations: The Nazi Elite in Allied Hands 1945. S. 283ff. Penguin Books, 2002.



@Rodriguez

Dein Beitrag läßt m.E. Ambivalenzen zu. Jodl hat an entscheidender Stelle den Krieg mitgeplant und beeinflußt und trug somit als "Entscheider" ein hohes Maß an Verantwortung.

Hier findet sich bereits ein Teil der individuellen Exculpationsstrategie; die wirtschaftshistorischen Daten widersprechen den Aussagen von Jodl in der zitierten Befragung. Bis Sommer 1944 stieg der sog. "Produktionsausstoß" der Kriegswirtschaft an und erreichte seinen Höhepunkt. Ob es eine "moralische" Auswirkung auf die Truppe gab, vllt., belegbar m.E. nur aus Autobiographien.

M. :winke:
 
Hier findet sich bereits ein Teil der individuellen Exculpationsstrategie; die wirtschaftshistorischen Daten widersprechen den Aussagen von Jodl in der zitierten Befragung. Bis Sommer 1944 stieg der sog. "Produktionsausstoß" der Kriegswirtschaft an und erreichte seinen Höhepunkt.

Würde ich ebenfalls kritisch sehen.

Jodl übersieht ausserdem völlig das gewaltige Zwangsarbeitersystem des Dritten Reiches und seine "Auswirkungen" auf die Moral und Produktivität.

Ob die "moralische Widerstandskraft" der Wehrmachtssoldaten bzw. die Einflüsse des Bombenkrieges darauf wirklich Auswirkungen auf die Wendepunkte des Krieges und die rückzugsgefechte hatten, kann man kritisch hinterfragen. Dass das Thema die Front beschäftigte, steht außer Zweifel, aber ob das entscheidende Einflüsse hatte?
 
Zu gewissen Einbussen in der Rüstungsindustrie haben die Flächenbombardements mit Sicherheit auch 44 noch geführt. Viele potentielle Arbeiter wurden für Wiederaufbau und Flugabwehr benötigt.Des Weiteren meint Speer das im Ganzen Krieg aufgrund der Allierten Luftangriffe 35 Prozent weniger Panzer und 30 Prozent weniger Flugzeuge gebaut wurden und nicht 44. Durch die Verlagerungen der Industrie in den Jahren 41-43 kam die Produktion ins stocken und konte Ende 43 und 44 wieder hochgefahren werden. Aber selbst 44 konnte nie das Höchstmaß erreicht werden , da zu viele Arbeiter aufgrund kriegswichtiger Tätigkeiten ausfielen.
 
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