Außenpolitik im 3. Reich

Anne

Neues Mitglied
Hallo!

Ich habe mir neulich einen Text durchgelesen, in dem es um die Außenpolitik unter Hitler ging. In diesem Text wurde geschrieben, dass Historiker sich nicht einig sind, ob hinter der Außenpolitik Hitlers ein richtiger handfester Plan stand, oder ob Hitler seine außenpolitischen Handlungen den (außen)politischen Konstellationen und Gegenbenheiten (anderer Länder) einfach anpasste.

Was meint ihr dazu?? (bitte auch begünden ;) )
 
Dazu sind sicherlich 2 Gegenfragen gestattet.

Zum einen, wer war der Autor des Textes (bzw. Titel des Buchs) und zum anderen, welche Argumente führte er an für seine Position.

Und wie siehts Du selber diese Punkte?

So wäre eine Dikussion wesentlich einfacher zu führen.
 
Der Titel des Buches ist - vermutlich vielen Geschichtsschülern bekannt - Kursbuch Geschichte.

Der Titel des Textes lautet Neue Bündnisse und Kriegsvorbereitung.

Der Autor bezieht dazu selbst keine Stellung.


Ich denke, dass Hitler eine grobe Vorstellung hatte, was seine Außenpolitik betraf. 2 Ziele hatte er meiner Meinung nach fest im Visir: nämlich die militärische Unabhängigkeit zu erreichen - durch den Austritt aus dem Völkerbund 1933, dieser Schritt war meines erachtens wirklich von ihm geplant und zum zweiten die Revisionspolitik und Appeasement.

Was denkst du?
 
Ian Kershaw anaysiert in seinem Buch - Der NS-Staat. Geschichtsinterpretationen und Kontroversen im Überblick - die NS-Aussenpolitik. Ich empfehle dir dieses Buch oder zumindest mal das Kapitel zu lesen:

6. Die nationalsozialistische Aussenpolitik: Hitlers Programm oder Expansion ohne Ziel?
S. 207 - 245
 
Der Titel des Buches ist - vermutlich vielen Geschichtsschülern bekannt - Kursbuch Geschichte.

Der Titel des Textes lautet Neue Bündnisse und Kriegsvorbereitung.


Hallo Änne,

ich habe das Buch vorliegen (jedenfalls eines, was sich ebenfalls "Kursbuch" nennt - Cornelsen 2000), kann aber den Text nicht finden. Kannst Du eine genaue Literaturangabe, zumindest eine Seitenzahl, angeben?
 
Hallo!

Ich habe mir neulich einen Text durchgelesen, in dem es um die Außenpolitik unter Hitler ging. In diesem Text wurde geschrieben, dass Historiker sich nicht einig sind, ob hinter der Außenpolitik Hitlers ein richtiger handfester Plan stand, oder ob Hitler seine außenpolitischen Handlungen den (außen)politischen Konstellationen und Gegenbenheiten (anderer Länder) einfach anpasste.

Was meint ihr dazu?? (bitte auch begünden ;) )

@Änne

Meine Mitdiskutanten haben Dich schon mit links und Literaturtipps versorgt.

Eine richtiggehende Planung der Außenpolitik wird es wohl nicht gegeben haben abgesehen von militärischen Operationsspielereien), sondern es wurde m.E. nach außenpolitischem Opportunitätsgründen durchaus situativ entschieden (z.B. Deutsch-Sowjetischer Nichtangriffsvertrag).

Allerdings gab es einen aus der ns-Ideologie erwachsenden Metaplan.

1. Revision des Versailler Vertrages
2. Wiederaufrüstung
3. Eroberung von "Lebensraum" im Osten
4. Wenn notwendig, dann auch Krieg im Westen und da gab es auf dem Kontinent nur einen ernsthaften Gegner, und zwar Frankreich.

Schau mal hier:

http://de.wikipedia.org/wiki/Ho%C3%9Fbach-Niederschrift

http://www.ns-archiv.de/krieg/1937/hossbach/



M. :winke:
 
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Anzumerken ist noch, dass der Austritt aus dem Völkerbund als erster Schritt Hitlers zu werten ist, sich aus den eine Aufrüstung und aggresiv-expansive Außenpolitik fesselnden Vertragswerken zu lösen.

Der Austritt erfolgte parallel zu den laufenden Abrüstungskonferenzen bzw. Abrüstungsbestrebungungen.
 
Aus einer Dokumentation von Spiegel TV (Die Blitzkrieg-Legende - 1940: Der deutsche Überfall auf Frankreich) folgendes: Die Wehrmacht war am Ende des Polen-Feldzuges 1939 mehr oder minder ihrer Munitionsreserven (zmindest für Offensiv-Operatioen). Ein sofortiges offensives Vorgehen gegen Frankreich nach dessen Kriegseintritt (+ GB) wäre demnach ausgeschlossen.

Dazu (praktisch identische Formulierungen lassen mich schließen, dass dies auch die Quelle für den Spiegel war):
Der glanzvolle „Blitzsieg“ gegen Polen verdeckt die Tatsache, daß damals auch die Wehrmacht am Rande eines Debakels stand. Die deutschen Streitkräfte wären nämlich nicht mehr in der Lage gewesen, den Kampf wesentlich länger fortzusetzen: Sie hatten ihr Pulver verschossen. Nur das rasche Ende dieses eigentlich schon nach 18 Tagen abgeschlossenen Feldzuges bewahrte die Wehrmacht vor dem logistischen Kollaps auf dem Munitionssektor.
aus: Blitzkrieg-legende: Der Westfeldzug 1940 von Karl-Heinz Frieser

... was sich im Netz finden lässt.

So dies richtig ist lässt es nicht auf einen langfristigen Plan schließen, zumindest für die deutsche Außenpolitik 1939. Hitler wollte langfristig den Krieg, dass gehörte zum Parteiprogramm der NSdAP von Anfang an. Nach Machtergreifung und Aufrüstung provozierte das Dt. Reich die Siegermächte des 1. Wk., wo es konnte: Anschluss des Sudetenlandes, Anschluss Österreichs, Zerschlagung der Tschechoslowakei.

All das ging "gut"; der Überfall auf Polen war zuviel, dies ließen sich die Westmächte nicht bieten. Nichts dokumentierte dies besser als die Rückberufung Winston Churchills ins Kabinett von GB, dem später die Übernahme des Premierminister-Postens folgte.

Ich bezweifle zutiefst, dass diese Entwicklung von deutscher Seite aus detailiert geplant war. Im Gegenteil, ähnlich wie Friedrich II im Vorfeld des Siebenjährigen Krieges stolperte ein Staat mit der Hauptstadt Berlin mehr oder minder blind in eine außenpolitisch-militärisch äußerst ungünstige Situation, weil der Herrscher von Augenblick zu Augenblick das "maximal Beste" für sich und seine Herrschaft herausholen wollte, ohne die langfristige Folgen zu bedenken bzw zu übersehen.
 
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Die Munitionskrise im Herbst 1939 zeigt eigentlich nur, dass der Krieg mit den westeuropäischen Mächten zu diesem Zeitpunkt nicht kalkuliert war, vgl.
http://www.ifz-muenchen.de/heftarchiv/1978_3.pdf

Davon ist die mittelfristige Planung Hitlers für die Kriegsbereitschaft und die Kriegsrüstung zu unterscheiden. Man kann da viel heranziehen, den Z-Plan mit Enddatum 1944/45, oder auch die Planungen der Luftrüstung mit dem "Schnellbomber" Ju88 oder der Jägerproduktion [Budraß]. Auch die Hoßbach-Niederschrift spricht nur von der Möglichkeit einer späteren militärischen Auseinandersetzung, und indirekt kann man aus Vierjahresplan und Autarkieprogramm den Herbst 1939 für die "große" Auseinandersetzung ausschließen.

Von daher ist sicher richtig, dass dieser Krieg zu diesem Zeitpunkt nicht detailliert geplant war. Das sagt aber wenig über das Programm an sich aus.

Der außenpolitische Vabanque-Spieler Hitler hatte auf das erneute Einknicken der Westmächte gerechnet, wie auch aus dem späteren Memorandum (Anfang Oktober 1939, parallel zum "Friedensangebot") und dem eher spontanen Entschluß zur Offensive im Westen, unter dem Eindruck der militärischen Erfolge im Polenfeldzug, hervorgeht. Um die Frage der Logistik, der ausreichenden Versorgung und rüstungswirtschaftlichen Autarkie, hat sich Hitler nicht gekümmert. Im Gegenteil, trotz "Munitionskrise" bestand er auf dem völlig unrealistischen Angriffstermin im Westen zum 15.11.1939. Das zeigt die Spannbreite zwischen Programm und Plan hinreichend auf.
 
Danke euch allen für die Antworten.

Ich habe mir fast alle Artikel durchgelsen, und bin zu dem Schluss gekommen, dass Hitler zumindest grobe außenpolitische Vorstellungen hatte. Hierzu gehören der Austritt aus dem Völkerbund und auch die Einnahme Österreichs und die Besetzung des Sudetengebiets. Allerdings wusste Hitler nicht, wie die anderen Länder (trotz Appeasementpolitik) auf die Verstöße gegen den Versailler Vertrag reagieren würden. Es war also ein spontaner Etappenplan, den er im voraus gar nicht hätte planen können.

@ floxx 78: Ich habe die Ausgabe von 2010 für Berlin, Brandenburg und Mecklenburg - Vorpommern. Der Text steht bei mir unter dem Kapitel "Der Weg in den Krieg" S. 443
 
Von daher ist sicher richtig, dass dieser Krieg zu diesem Zeitpunkt nicht detailliert geplant war. Das sagt aber wenig über das Programm an sich aus.

Das zeigt die Spannbreite zwischen Programm und Plan hinreichend auf.

@Änne: Deine Zusammenfassung entspricht so nicht der Sichtweise der Mehrheit der Historiker. Wenngleich es z.B. mit Broszat angesehene Historiker gibt, die eine andere Position vertreten.

Silesia hatte dich schon auf die Wichtigkeit der Unterscheidung zwischen Programm bzw. Zielsetzung auf der einen Seite und den konkreten politischen bzw. ökonomischen Planungen auf der anderen Seite hingewiesen.

Der rote Faden, der im Programm bzw. der Zielsetzung vorhanden war trat mehr oder minder deutlich ab 1937 in Erscheinung und läßt sich auf seine beiden Kampfschriften "Mein Kampf" und das "Zweite Buch" zurückführen.

Die konkreten Planungen lebten von der Anpassung von Hitler an die vorhandene außenpolitische Situation im Jahr 1939. Und an diesem Punkt war Hitler ausreichend flexibel, Chancen wahrzunehmen, die ihm kurzfristig geboten wurden. Auch wenn die ihm kurzfristig, wie der Hitler-Stalin-Pakt, unter ideologischen langfristigen Gesichtpunkten nicht gefallen haben.

Es bleibt also aufgrund der derzeitigen Quellen- bzw. Literaturlage als aktuelle akademische "Mehheitsmeinung" der Historiker festzuhalten, dass Hitler einer ideologisch begründeten Zielvorstellung gefolgt ist, die in den Angriff 1941 auf die UdSSR einmündete. So wie Melchior (in #7) es bereits als "Metaplan" bezeichnet hat.
 
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@ floxx 78: Ich habe die Ausgabe von 2010 für Berlin, Brandenburg und Mecklenburg - Vorpommern. Der Text steht bei mir unter dem Kapitel "Der Weg in den Krieg" S. 443

Danke Dir! Da scheinen sich die Ausgaben ja wieder einmal deutlich zu unterscheiden (ich habe den Band für NRW vorliegen, in dem die Passage nicht enthalten ist).
 
...und zum zweiten die Revisionspolitik und Appeasement.

Das hatte ich zunächst überlesen. Verwechselst Du da den Begriff?

Mit Appeasementpolitik wird üblicherweise die britische, zT auch die französische und US-amerikanische Haltung gegenüber dem Dritten Reich 1933/38 bezeichnet.

So ganz falsch ist das aber nicht. Man kann zB Hitlers kurzfristige Regelung mit Polen (Nichtangriffsvertrag 1934) oder einige diplomatische Vorstöße zur Tarnung der deutschen Aufrüstung durchaus als Beschwichtigungspolitik sehen.

Das war allerdings stets nur Mittel zum Zweck, nämlich zur Durchsetzung der eigentlichen (expansiven/aggressiven) Ziele.
 
Der rote Faden, der im Programm bzw. der Zielsetzung vorhanden war trat mehr oder minder deutlich ab 1937 in Erscheinung und läßt sich auf seine beiden Kampfschriften "Mein Kampf" und das "Zweite Buch" zurückführen.

Die konkreten Planungen lebten von der Anpassung von Hitler an die vorhandene außenpolitische Situation im Jahr 1939. Und an diesem Punkt war Hitler ausreichend flexibel, Chancen wahrzunehmen, die ihm kurzfristig geboten wurden. Auch wenn die ihm kurzfristig, wie der Hitler-Stalin-Pakt, unter ideologischen langfristigen Gesichtpunkten nicht gefallen haben.

Das sehe ich auch so. Die Grundrichtung war lange vorgegeben und es war Hitler sicher nicht angenehm, daß die anderen "Mitspieler" in der Weltpolitik (bei gründlicher Recherche) durchaus den "roten Faden" erkennen mußten (in diesem Kontext auch die Geheimhaltung des "zweiten Buches").

Was diesen Faden aber schwer erkennbar machte, ist das kurzfristige Reagieren der NS-Aussenpolitik* auf die aktuellen politischen und militärischen Situationen. Da vermutete manch ein Repräsentant anderer Staaten, daß sich Hitler doch auf die Vernunft, statt ideolgischer Spinnerei besonnen hätte. So ein kurzfristiges Umdenken, Reagieren auf aktuelle Situationen, um dabei eigentliche Überzeugungen zu verleugnen, ist ja noch heute bei Politikern an der Tagesordnung und daher eigentlich nicht ungewöhnlich.


*) Ich neige dazu, hier weniger von einer Staats-/Parteilinie zu sprechen, als von den Entscheidungen weniger. Es zeigt sich mir in vielen Bereichen, bei vielen Fragen der politischen Führung im 3.Reich, daß oftmals Einzelpersonen gewaltigen Einfluß hatten, je nachdem, wie "günstig grad der Wind" stand. Eine Nähe zu Hitler, eine "Hausmacht" hatte gewaltigen Einfluß.
 
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