Hallo,
ich bin Pole und habe Interesse an Geschichte.
Mich würde es sehr interessieren was die Deutschen über die Polen im Kaiserreich bis zum 2. Weltkrieg gedacht haben?
Im Internet habe ich bis jetzt nichts darüber gefunden.
Vielen Dank im Voraus.
Wie schon gesagt, ist Polen erst nach dem 1. Weltkrieg als Staat neu erstanden, und Deutschland musste im Versailler Vertrag den sogenannten Weichsel-Korridor (Westpreußen/Posen) und Ostoberschlesien an Polen abtreten und in der Freien Stadt Danzig Polen die freie Benutzung aller Wasserstraßen und das Zollrecht abtreten. Wie schon gesagt, hatte man im Deutschen Kaiserreich eine strikte Germanisierungspolitik durchgezogen. Dass Polen durch die Siegermächte sich auf Kosten des Deutschen Reiches ausgedehnt hatte, wurde von vielen Nationalkonservativen als ungeheurer Affront und Schmach empfunden. Hitler hatte für Pilsudski eine gewisse Bewunderung, und ursprünglich sollte Polen ein Bundesgenosse gegen die Sowjetunion werden, ähnlich wie später die Slowakei, Ungarn und Rumänien. Realpolitiker der Weimarer Republik wie Gustav Stresemann konnten die Annexion Elsass-Lothringens anerkennen, die neue Grenzziehung zu Polen anzuerkennen wäre allerdings einem politischen Selbstmord gleichgekommen. Als die Wehrmacht am 1. September 1939 Polen überfiel, wurde das von der Mehrheit der Deutschen begrüßt.
In Polen wurden aber schon 1939 "ethnische Säuberungen" durchgeführt und systematisch die Intelligenz, Adel, Lehrer, Studenten, Priester ermordet. Es wurden nicht nur Juden, sondern auch Polen zu Menschen zweiter Klasse erklärt, ermordet und verschleppt. Einsatzgruppen ermordeten in jedem Dorf den Pfarrer, den Lehrer, den Apotheker und den Arzt. Polen sollte ein Sklavenvolk werden. Das Verhalten der SS, aber auch mancher Soldaten missfiel allerdings einigen deutschen Militärs und Beamten. General Blaskowitz ließ SS-Leute verhaften und ein Mahnmal errichten. Die Gewaltexzesse wurden aber von Hitler legitimiert.
Die Besatzung des Generalgouvernements Polens unter Hans Frank. gehört zu einem der düstersten und unrühmlichsten Kapiteln deutsch-polnischer Geschichte, und man muss leider sagen, dass allzuviele Deutsche da mitmachten. Polen und Juden wurden systematisch ausgeplündert. Polen durften kein Radio besitzen, viele wurden zwangsrekrutiert als Arbeitskräfte in der Industrie und Landwirtschaft und in Gefangenenlagern sehr viel schlechter behandelt als Niederländer oder Franzosen. Sexuelle Kontakte zwischen Deutschen und Polen wurden als Rasseschande bestraft und kriminalisiert.
Dennoch gab es auch Deutsche, die dabei nicht mitmachten. In der Gegend, in der ich aufgewachsen bin, eine Region die landwirtschaftlich geprägt war und heute noch ist, genossen manche Polen größere Freiheit und erhielten auch reichlich Lebensmittel. Mein Urgroßvater hatte während des Krieges einen Franzosen und einen Polen als Arbeitskräfte auf seinem Hof. Die meisten polnischen Zwangsarbeiter hatten Erfahrung in der Landwirtschaft, und manche hatten ein relativ hohes Maß an Freiheit und durften einen Großteil der Zeit außerhalb des Gefangenenlagers verbringen und bekamen Lebensmittel, etwas Geld und Zigaretten. Mein Vater (Jahrgang 1942) erzählte, dass meine Urgroßeltern keine Bedenken hatten, die Kinder von polnischen Hilfskräften betreuen zu lassen und den Fremdarbeitern ein relativ hohes Maß an Freiheit zuzubilligen, was mit Sicherheit den Vorschriften widersprach. Ich muss dazusagen, dass einige Mitglieder meiner Familie durchaus dem NS zugeneigt waren und meine Heimatregion eine Nazihochburg war. In einem Dorf wurde eine junge Frau, die ein Verhältnis mit einem Polen einging, wegen Rassenschande in ein KZ geschickt und der Pole aufgehängt.
Allerdings respektierten die hessischen Bauern meiner Heimatregion tüchtige Landwirte, und es widersprach und widerspricht dem Ehrenkodex, Arbeitskräfte nicht angemessen zu verpflegen. Aus dem ehemaligen Gefangenenlager wurde nach dem Krieg ein Dorf, in dem sich Flüchtlinge aus Ostpreußen, Pommern und vor allem Schlesien niederließen.