mandi schrieb:
War für Stalin das Abkommen auch eine Möglichkeit, die außenpoltische Isolation, in die er wegen seines innenpolitischen Terrors geraten war, zu durchbrechen?
Die außenpolitische Isolation der Sowjetunion hatte relativ wenig damit zu tun, was innenpolitisch dort vor sich ging. Vielmehr ging es um den grundsätzlichen Systemgegensatz zwischen Sozialismus und Kapitalismus.
Erst Mitte der 30er Jahre gelang es der SU als gleichberechtigter Partner überhaupt akzeptiert und z.B. in den Völkerbund aufgenommen zu werden. Die Frage 1939 war darüberhinaus, ob die Westmächte überhaupt willens und in der Lage waren, Hitler irgendetwas entgegenzusetzen. In München hatten sie dies nicht getan, genausowenig ein halbes Jahr später, als Prag besetzt wurde. Die einzige Reaktion war eine sehr verklausulierte Beistandserklärung an Polen, die übrigens nur für den Fall eines deutschen Angriffs Anwendung finden sollte. Das war von daher konsequent, als man die Gebiete im Osten, die das Zusatzprotokoll in die sowjetische Einflußsphäre schlug, laut der berühmten Curzon-Linie eigentlich zur Sowjetunion gehören sollten und von den Polen Anfang der 20er Jahre erobert worden waren.
Stalins Motivation scheint tatsächlich viel eher die Sicherheit seines Landes gewesen zu sein:
1. Gab es nicht nur in Berlin ein Regime, dass nicht nur rhetorisch gegen die Sowjetunion hetzte, sondern auch massiv aufrüstete, sondern auch eine antikommunistische Regierung in Warschau.
2. War es relativ unwahrscheinlich, dass die Westmächte (oder gar die USA), der SU zu Hilfe kämen, sollte die angegriffen werden.
3. Hatte die SU gerade erst - unter enormen Opfern - einen gewissen Grad an Industrialisierung erfahren und war noch nicht bereit, aus eigener Kraft einen Angriff abzuwehren.
4. Benötigte die Rote Armee Zeit, um sich von dem Aderlass der Jahre 37/38 zu erholen.
Es ging nicht einfach nur um Landgewinn, sondern um massive Interessen, die den Bestand der Sowjetunion betrafen. Im Sommer 1941 stand die Sowjetunion kurz vor dem Zusammenbruch, nachdem die deutschen Truppen weit vorgestoßen waren. Hätte Hitler es geschafft, Polen in den Antikomintern-Pakt zu zwingen, wäre ein Angriff womöglich viel weiter östlich gestartet, und die Rote Armee hätte es wesentlich schwerer gehabt, diesen Angriff zu stoppen.
Da war es sicher die attraktivere Lösung, Polen zu opfern, die Gebiete, die einem sowieso zustanden, zu besetzen, sich etwas Luft zu verschaffen und sich auf das Unvermeidliche vorzubereiten.