Ereignisprotokoll einer Verhandlung vor dem Volksgerichtshof

G

Gregor23

Gast
Hallo,

Auf einer Website - es geht dabei um einen in den letzten Jahren gedrehten Film über Sophie Scholl - steht, daß von der Verhandlung vor dem Volksgerichtshof ein Ereignisprotokoll existiert, das Grundlage für die Verfilmung war.

Ich würde nun gerne wissen, ob und wie ich dieses Ereignisprotokoll einmal einsehen kann. Kann ich überhaupt irgendwie Primärquellen einsehen, also Originaldokumente, die vermutlich noch in keinem Buch reproduziert wurden? Falls mich z.B. auch die Ereignisprotokolle anderer Verhandlungen als dieser interessieren würde.

Ich würde mich freuen, wenn mir jemand diese Frage beantworten könnte.
 
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Ich würde nun gerne wissen, ob und wie ich dieses Ereignisprotokoll einmal einsehen kann. Kann ich überhaupt irgendwie Primärquellen einsehen, also Originaldokumente, die vermutlich noch in keinem Buch reproduziert wurden? Falls mich z.B. auch die Ereignisprotokolle anderer Verhandlungen als dieser interessieren würde.

Akten müssen in Archiven eingelagert werden, wobei die Archivare im Einzelfall entscheiden, ob Akten kassiert oder erhalten werden. Die Akten des Volksgerichtshofes dürften im Bundesarchiv liegen.
Ob Archivalien öffentlich zugänglich sind oder nicht, liegt an personenbezogenen Sperrfristen bzw. dem Umstand, ob es sich um Reposita oder Deposita handelt. Da Akten i.d.R. Reposita sind, sind sie nach Ablauf der Sperrfristen oder in Einzelfällen aufgrund eines wissenschaftlich gut begründeten Interesses auch schon vorher - im Falle der Prozessakten um die Weiße Rose könnte das der Fall sein, ansonsten laufen die Sperrfristen für Sophie Scholl nämlich erst 2021 ab - einsehbar.
Nun wirst du vermutlich, gerade was einen solch promimenten Prozess angeht, von dem jeder schon einmal gehört hat, zu dem es mindestens zwei Verfilmungen gibt, sicher nicht das Original sondern eine Reproduktion in die Hand bekommen, da das Interesse am Erhalt des Originals sehr hoch sein und höher als deine individuelle Neugier bewertet werden dürfte.

Akten dagegen die aus weniger prominenten Vorgängen stammen, wirst du nach Ablauf der Sperrfristen problemlos einsehen können - sofern nicht irgendwelche Gründe vorliegen, die dagegen sprechen.

Allerdings kostet die Benutzung von Archiven häufig eine Bearbeitungsgebühr, da der Benutzer ja eine Dienstleistung in Anspruch nimmt. Facharbeiten, Semesterarbeiten, Dissertationen und Habilitationen sind davon allerdings wiederum ausgenommen, allerdings ist dem benutzten Archiv eine Belegarbeit zu überreichen (was ggf. die Benutzungsgebühren des Archivs übersteigt - im Falle der Fach- oder Semesterarbeit allerdings i.d.R. nicht).
 
@Gregor23

Mein Mitdiskutant ElQ hat Dir bereits die Nutzungsbedingungen von Archiven erläutert. Bei einer Recherche zu Deiner Fragestellung würde ich hier starten, insbesondere Findbuch R 3017, "Akten des Oberreichsanwaltes beim Volksgerichtshof".

http://startext.net-build.de:8080/b...ndex.htm?kid=77D8679344C749748A519C2837AA47D1

Da Du auf einen sehr prominenten Fall abstellst, wird Dir der zuständige wissenschaftliche Archivar bei einer Nachfrage bestimmt sofort antorten können, ob im Bestand oder nicht, wenn nicht, dann wo etc.

M.
 
Ob Archivalien öffentlich zugänglich sind oder nicht, liegt an personenbezogenen Sperrfristen bzw. dem Umstand, ob es sich um Reposita oder Deposita handelt. Da Akten i.d.R. Reposita sind, sind sie nach Ablauf der Sperrfristen oder in Einzelfällen aufgrund eines wissenschaftlich gut begründeten Interesses auch schon vorher - im Falle der Prozessakten um die Weiße Rose könnte das der Fall sein, ansonsten laufen die Sperrfristen für Sophie Scholl nämlich erst 2021 ab - einsehbar.

Vielen Dank, auch an Melchior, für die beiden Antworten.

Ich kenne mich gar nicht aus, so wußte ich bis jetzt nicht, daß Akten einer Sperrfrist unterliegen. Ich habe mir den Wikipedia-Artikel zu Sperrfrist(Archivwesen) durchgelesen, aber verstehe noch nicht alles. Um was für eine Sperrfrist handelt es sich im Falle der Prozessakten aus dem Dritten Reich, warum gibt es sie und wie lang ist sie? Im auf Wikipedia zitierten §5 des Bundesarchivgesetzes steht ja etwas von einer personenbezogenen Sperrfrist von 30 Jahre nach Ableben des Betroffenen. Wäre diese Frist zumindest für den Teil, der sich auf die Hingerichteten bezieht, also nicht schon längst abgelaufen? Und warum gibt es die allgemeine Sperrfrist von 30 Jahren?

Und was sind Reposita und Deposita?
 
Im auf Wikipedia zitierten §5 des Bundesarchivgesetzes steht ja etwas von einer personenbezogenen Sperrfrist von 30 Jahre nach Ableben des Betroffenen. Wäre diese Frist zumindest für den Teil, der sich auf die Hingerichteten bezieht, also nicht schon längst abgelaufen?

Nach dem, was bei Wikipedia steht, ja. Ich habe etwas anderes gelernt, was aber nicht richtig sein muss.

Und warum gibt es die allgemeine Sperrfrist von 30 Jahren?
In Archivalien finden sich personenbezogene, teilweise sogar intime Details (Krankheiten, Lebenswandel etc.). Deshalb unterliegen diese Archivalien Sperrfristen, um die Person und Familienangehörige zu schützen.
Andere Schutzfristen sind solche, wo etwas der staatlichen Geheimhaltung unterliegt.

Und was sind Reposita und Deposita?
Reposita sind, bzw. ein Repositum ist eine Rücklage, also ein Aktenbestand, der archivalisch erhalten wird. Wie gesagt, jede Behörde ist verpflichtet ihre Akten an die zuständigen Archive abzugeben. Die Archive entscheiden dann, was kassiert und was erhalten wird. Dabei müssen die Archivare sich fragen, was auch in Zukunft noch für Historiker interessant sein könnte, was außergewöhnlich ist, aber auch, was gewöhnlich ist, damit zukünftige Historiker sich ein stimmiges Bild unserer Gegenwart machen können. Aber auch juristisch bedeutsames muss erhalten werden, damit Erbenermittler z.B. auch nach Generationen noch Erben ermitteln können.
Das Depositum ist ein Archivalienbestand, den ein Archiv im Auftrag einer Organisation, einer Familie, eines Unternehmens etc. aufbewahrt. Dazu wird zwischen dem Deponierenden und dem Archiv ein Vertrag abgeschlossen, der auch Sperrfristen und Zugänglichkeit regelt.
 
@Gregor23

In Ergänzung zu ElQ.

Bei Reposita ist ein juristischer Eigentumsübergang an das Archiv erfolgt (also z.B.: Behörde A gibt Unterlagen an das zuständige Archiv ab).

Bei Deposita erfolgt kein Eigentiumsübergang an das Archiv, der Einlagerer stellt aber so sicher, daß die Archivalien fachgerecht verwaltet und erschlossen werden; der Einlagerer kann auch Sperrfristen verlängern und muß bei Benutzung durch Historiker sein Einverständnis geben (z.B.: der Bestand der Stiftung "Parteien und Massenorganisationen der DDR").

Der Bestand R (siehe oben verlinktes Findbuch) unterliegt keinen Sperrfristen mehr. Sollte es da Ausnahmen geben, poste ich sie.

M.

P.S.: Für wissenschaftliche Arbeiten ist der gesamte Bestand "R" frei zugänglich.
 
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