Eure Meinung?

louisa

Gesperrt
Hallo zusammen:winke:,

ich habe mich in Letzter Zeit mit Goldhagen beschäftigt und würde gerne eure Meinungen dazu hören?:)

Stimmt ihr ihm zu oder doch eher, dass er sich zu sehr auf dem Bsp. mit der Polizeibetailliione bezieht...?!

LG

Louisa
 
"Zu sehr" auf das Polizeibatallion bezieht er sich sicher nicht - wie auch? - er zieht vielmehr aus dem Sachverhalt die falschen Schlussfolgerungen. Eigentlich muss man Goldhagen mit Browning (Ordinary men) parallel lesen, da wird dann besonders der Fehler bei Goldhagen deutlich.
 
Danke, werde später mal recherchieren, was Browning dazu sagt, hatte davon bisher keine Ahnung. Ich dachte an Hannah Arendt?
Sie hatte alles doch auch sozusagen wie Goldhagen dargestellt... mit banalem Bösen etc.?!

Bin auf euere Meinungen gespannt!
 
Arendt hatte festgestellt, dass die Monster keine Monster waren, sondern im Grunde kleinbürgerliche Spießer, wenn man ihre These von der Banalität des Bösen so reduzieren darf. Goldhagen hat dagegen geradezu eine Gesetzmäßigkeit konstruiert, dass die deutsche Geschichte gewissermaßen in den Holocaust führen musste (auch dies ist stark reduziert dargestellt, Goldhagen würde sich sicher gegen diese Reduktion wehren). Dies aber passt eigentlich nicht mit Brownings Ergebnissen zusammen, der eben zeigte, dass man kein Antisemit sein musste, um im Holocaust Täter zu werden. Im Grunde ist das, was Browning herausgearbeitet hat, eine sehr wichtige Erkenntnis. Es reicht eben nicht den Antisemitismus auszurotten, man muss die Menschen zu starken/selbstbewussten und gleichzeitig sensiblen und kritischen Persönlichkeiten erziehen, die schon kleines Unrecht erkennen und sich dem verweigern um schließlich nicht in den Sog hineingezogen zu werden und beim großen Verbrechen nicht mehr Nein sagen zu können.
 
Danke für Deine Antwort!
Dann war Browning auf jeden Fall nicht der gleichen Meinung wie Goldhagen ;)

Und ja... also ich sehe es wie Browning.
Natürlich gab es schon damals auch früher.. Antisemitismus.
Aber es konnte nur soweit kommen unter anderem einfach aus dem Kontext heraus....
Viele wollten natürlich Karriere und die Propaganda förderte die damaligen Menschen geradezu und in einer gewissen Denkweise.....
 
Arendt hatte festgestellt, dass die Monster keine Monster waren, sondern im Grunde kleinbürgerliche Spießer, wenn man ihre These von der Banalität des Bösen so reduzieren darf. Goldhagen hat dagegen geradezu eine Gesetzmäßigkeit konstruiert, dass die deutsche Geschichte gewissermaßen in den Holocaust führen musste (auch dies ist stark reduziert dargestellt, Goldhagen würde sich sicher gegen diese Reduktion wehren). Dies aber passt eigentlich nicht mit Brownings Ergebnissen zusammen, der eben zeigte, dass man kein Antisemit sein musste, um im Holocaust Täter zu werden. Im Grunde ist das, was Browning herausgearbeitet hat, eine sehr wichtige Erkenntnis. Es reicht eben nicht den Antisemitismus auszurotten, man muss die Menschen zu starken/selbstbewussten und gleichzeitig sensiblen und kritischen Persönlichkeiten erziehen, die schon kleines Unrecht erkennen und sich dem verweigern um schließlich nicht in den Sog hineingezogen zu werden und beim großen Verbrechen nicht mehr Nein sagen zu können.
Sehr guter Beitrag. In der Tat hat Goldhagen versucht einen roten Faden durch die Geschichte der Deutschen zu ziehen, der direkt auf den Holocaust hinführt, quasi als ob es ein Antisemiten-Gen bei Deutschen gibt. Es empfiehlt sich auch die deutsche und die englische Version zu lesen. Es scheint er schielte schon auf den Umsatz, als er einige Passagen in der deutschen Ausgabe abschwächte bz. abschwächen lies.
 
zum Gruße

Hierzu empfehlenswert -
Wilhelm Reich: Massenpsychologie des Faschismus
Conne Island - CEE IEH #123, review-corner: Massenpsychologie des Faschismus.
Reich zeigt dass der Schlüssel zum Antisemitismus
in der Tiefe einer autoritär-repressiven Erziehung
preussisch-deutsccher Tradition folgend zu finden ist.
Der Grad der Repression, welcher einem heranwachsenden
Leben bereits im Säuglingsstadium zugefügt wird,
setzt letztlich auch das Aggressionspotenzial
dieses endlich 'erwachsenen' Menschen,
welcher dann gefügig zur Obrigkeit seine Agggressivität
an vorgegebenen Hass-Objekten ausagiert:
Juden, Bolschewisten, Schwule, , ,
und selbstredend bei kriegerischen Handlungen
gegen 'Iwans', 'Tommies', 'Franzmänner', , ,

D
 
Zuletzt bearbeitet:
Reich zeigt dass der Schlüssel zum Antisemitismus
in der Tiefe einer autoritär-repressiven Erziehung
preussisch-deutsccher Tradition folgend zu finden ist.
da fragt man sich dann doch, warum Emile Zolas´ flammendes "j´accuse" sich nicht an Preussen, sondern an Franzosen richtete...

und man fragt sich, warum warum Artur Rubinstein während seiner Teilnahme am Tschaikowski-Wettbewerb nicht in der Stadt, sondern außerhalb untergebracht sein musste (vgl. Rubinstein "meine jungen Jahre")

es ist irgendwie unseriös, pauschal allem, was "deutsch" oder "preussisch" ist, eine Art prädestinierten unausweichlichen und zum Holocaust zwangsläufig führenden Antisemitismus zu unterstellen. Theodor Fontane war "preussisch" und "deutsch" genug, ich wüsste aber nicht, welche Schuld er am Holocaust haben sollte (um das mal nur an einem prominenten Exempel anzusprechen, mag es dafür auch Legionen von Rotbommeln hageln: ich bin gegen unkritische Verallgemeinerungen und Pauschalisierungen)
 
es ist irgendwie unseriös, pauschal allem, was "deutsch" oder "preussisch" ist, eine Art prädestinierten unausweichlichen und zum Holocaust zwangsläufig führenden Antisemitismus zu unterstellen. Theodor Fontane war "preussisch" und "deutsch" genug, ich wüsste aber nicht, welche Schuld er am Holocaust haben sollte (um das mal nur an einem prominenten Exempel anzusprechen, mag es dafür auch Legionen von Rotbommeln hageln: ich bin gegen unkritische Verallgemeinerungen und Pauschalisierungen)

Fontane war, zumindest in späten Jahren, von antisemitischem Gedankengut durchdrungen (vgl. dazu Hanna Delft von Wolzhogen, 2000) und natürlich kam die shoha ncht von irgendwo her, sondern bediente sich der bereits tief verwurzelten antisemitischen Grundstimmung im Volk. Gänzlich freisprechen kann man Fontane wohl kaum, denn der Antisemitismus war in der Gesellschaft verwurzelt und ohne das, wäre eine solche Aufwiegelung und ein solcher Massenmord nicht möglich gewesen, da eine entmenschlichung in dem Stil nur möglich ist, wenn massive Vorurteile bestehen. Es wäre aber auch in jedem anderen europäischen Land möglich gewesen, da dort der Antisemitismus ähnlich verwurzelt war.
 
Wenn es Antisemitismus in anderen europäischen Ländern auch gab, wovon man meines Wissens nach ausgehen kann, kann der Schlüssel zum Antisemitismus wohl kaum in der preußisch-deutschen Tradition gefunden werden, oder?

Antisemitismus entstand meiner Ansicht nach aus einer Kombination christlicher Vorurteile, plumper Fremdenfeindlichkeit und einer sozialdarwinistisch-rassistischen Denkschule, die Ende des 19 Jhds. recht verbreitet war, nicht nur im Deutschen Reich.
 
Reich zeigt dass der Schlüssel zum Antisemitismus
in der Tiefe einer autoritär-repressiven Erziehung
preussisch-deutsccher Tradition folgend zu finden ist.

Antisemitismus ist nicht abhängig von einer autoritären Erziehung und schon gar nicht von einer "preußisch-deutschen". Er findet sich bei Menschen ganz unterschiedlicher Sozialisation und ist unabhängig von demokratischen oder autoritären Systemen und Erziehungsmustern.
Allerdings zeigt sich Antisemitismus in aufgeklärt-demokratischen Gesellschaften in versteckterer und subtilerer Form.
 
Reich zeigt dass der Schlüssel zum Antisemitismus
in der Tiefe einer autoritär-repressiven Erziehung
preussisch-deutsccher Tradition folgend zu finden ist.
Der Grad der Repression, welcher einem heranwachsenden
Leben bereits im Säuglingsstadium zugefügt wird,
setzt letztlich auch das Aggressionspotenzial
dieses endlich 'erwachsenen' Menschen,
welcher dann gefügig zur Obrigkeit seine Agggressivität
an vorgegebenen Hass-Objekten ausagiert:
Juden, Bolschewisten, Schwule, , ,
und selbstredend bei kriegerischen Handlungen
gegen 'Iwans', 'Tommies', 'Franzmänner', , ,

Bei diesen psychoanalytischen Thesen, die die Ursachen für alles mögliche in der Unterdrückung der frühkindlichen Sexualität sehen, bin ich immer erstmal sehr skeptisch. Mag sein das die typisch preussisch-deutsche Obrigkeitshörigkeit evtl. (zumindest teilweise) etwas damit zu tun haben könnte. Beweisen lässt sich das, wie auch die meisten anderen psychoanalytischen Thesen, wohl nur schwerlich.
Wie der Antisemitismus damit ursächlich zusammenhängen soll erschliesst sich aber auch mir nicht. :confused:
 
Wenn es Antisemitismus in anderen europäischen Ländern auch gab, wovon man meines Wissens nach ausgehen kann, kann der Schlüssel zum Antisemitismus wohl kaum in der preußisch-deutschen Tradition gefunden werden, oder?
Es waren eher preußisch-deutsche Traditionen, sowie die Ereignisse der Zwischenkriegszeit, die die Machtergreifung eines sicherlich außergewöhnlich schrecklichen Antisemiten wie Hitler begünstigten. Die Ideologie der NSDAP fand grade in Deutschland, in dem sich die traditionellen antidemokratischen, ländlichen und industriellen Eliten, die zum ständischen Staat hingezogen fühlten (Ergebnisse solcher agrarisch-antiprogressiven Diktaturen waren der Klerikalfaschismus in Österreich oder Hortys Regime in Ungarn) und faschistische Massenbewegungen mit Anleihen in der Arbeiterbewegung, mit Anziehung auf die absteigenden Kleinbürger (auf die sich der Faschismus auch in Italien stützte) einen fruchtbaren Nährboden und schaffte es diese beiden Gruppen gegen einene gemeinsamen, traditionellen "Feind", eine Gruppe, gegen die man seit Jahrhunderten Vorurteile hegte zu einen. Dem konnte man auch leicht weitere pseudowissenschaftliche Argumente hinzu fügen, was die Nazi-Prpaganda recht effizient erledigte, sobald die Filmindustrie einmal gleich gechaltet war. Darüber hinaus war es grade der Krieg und die fortfahrende Entmenschlichung, die die Gewalt gegen die jüdische Bevölkerung immer fataler werden lies. Von allt bekanntem, wie Ausschreitungen gegen das jüdische Leben in Progromen entwickelte sich der staatliche Antisemitismus zu einem umfassenden Vernichtungsprogramm gegen die jüdische Bevölkerung, wie man es noch nie gesehen hatte und hoffentlich nie mehr sehen wird.
 
eine Befürwortung totalitärer Herrschaft (Führer, Faschisten etc.) ganz ohne psychologisierend als ursächlich angenommene "preussische Tugenden" hat es in verschiedenen Kulturen des frühen 20. Jhs. gegeben: Spanien, Italien, Russland/UDSSR, deutsches Reich - man sollte angesichts der pauschalen Psychothesen :)) mal salopp formuliert) doch eher meinen, dass solche Regimes den Nährboden der "autoritären preussisch-deutschen Pädagogik" hätten haben müssen; hatten sie aber nicht... Und damit fällt die Psychothesen-Vermutung.

nicht anders ist es um die Kombination Totalitarismus-Rassismus bestellt, egal welcher Couleur: sie basiert nicht zwangsläufig auf "preussischen Tugenden". Und wenn man schon im ausgehenden 19. Jh. fündig werden will, dann ist es lohnend, sich mit der (schon zuvor erwähnten -> Zola "j´accuse!") Dreyfus-Affäre zu befassen, die sich außerhalb des deutschen Reichs abspielte: nämlich in Frankreich.
 
Zuletzt bearbeitet:
Eigentlich waren zu einem bestimmten Zeitpunkt die Mehrheit der europäischen Regierungen Authoritär: Pilsudski, Dollfuss, Horthy, Metaxas, Antonescu, Mussolini, Franco, Salazar, Petain, Pavelic...
 
Es waren eher preußisch-deutsche Traditionen, sowie die Ereignisse der Zwischenkriegszeit, die die Machtergreifung eines sicherlich außergewöhnlich schrecklichen Antisemiten wie Hitler begünstigten.

Dass altpreußische Traditionen den Antisemitismus begünstigten, ist wissenschaftlich nicht belegbar. Diese Behauptung will eine Verbindung schaffen zwischen preußisch-deutscher Gehorsamstradition und dem Dritten Reich. Es gibt aber keine typisch deutsche Traditionslinie, die vom Preußen Friedrichs des Großen über das wilhelminische Kaiserreich zu Hitler führt. Oder gar von Luther nach Auschwitz, wie Daniel Goldhagen das behauptet.

Judenfeindlichkeit und Antisemitismus sind Strömungen, die bei nahezu allen europäischen Staaten zu finden sind. So zeigt die Dreyfus-Affäre einen Höhepunkt des Antisemitismus in Frankreich und Pogrome in Russland sind ebenso virulent wie die Diskriminierung von Juden in Österreich, Italien oder der Schweiz. Spanien hatte sein "Judenproblem" bereits im Mittelalter gelöst.
 
da fragt man sich dann doch, warum Emile Zolas´ flammendes "j´accuse" sich nicht an Preussen, sondern an Franzosen richtete...

und man fragt sich, warum warum Artur Rubinstein während seiner Teilnahme am Tschaikowski-Wettbewerb nicht in der Stadt, sondern außerhalb untergebracht sein musste (vgl. Rubinstein "meine jungen Jahre")

es ist irgendwie unseriös, pauschal allem, was "deutsch" oder "preussisch" ist, eine Art prädestinierten unausweichlichen und zum Holocaust zwangsläufig führenden Antisemitismus zu unterstellen. Theodor Fontane war "preussisch" und "deutsch" genug, ich wüsste aber nicht, welche Schuld er am Holocaust haben sollte (um das mal nur an einem prominenten Exempel anzusprechen, mag es dafür auch Legionen von Rotbommeln hageln: ich bin gegen unkritische Verallgemeinerungen und Pauschalisierungen)

Die These aus Beitrag7 ist,
dass die Verbindung von Aggressionserzeugung und Unterwürfigkeit, mit der Vorgabe der Obrigkeit des entsprechenden Feindbildes, den Effekt des Antisemitismus hervorbringt.
Weder eine Unausweichlichkeit noch eine Exclusivität des Vorgangs kann ich finden.
 
Vielen Dank für den interessanten Faden, der hier gesponnen wird.

Ich möchte nicht näher auf "Kadavergehorsam" (der nicht nur dem Preußentum nachgesagt wird, sondern auch bei Ignatius von Loyola zu finden ist) versus Toleranz (was in seiner Bedeutung noch nicht Gleichberechtigung heißt) in Preußen eingehen, da mir das angesichts des Themas - wie von anderen Unsern bereits dargelegt - nicht zielführend zu sein scheint.

Vielmehr möchte ich den Blick auf Alfred Rosenberg richten, der Bolschewismus mit Judentum gleichsetzte, die Protokolle der Weisen von Zion erfolgreich verteidigte und mit dem Völkischen Beobachter über ein massenwirksames Instrument zur Verbreitung der gefährlichen braunen Stinkebrühe verfügte. Er forderte bereits sehr früh, Juden nicht nur die Bürgerrechte, sondern die Menschenrechte zu entziehen - wenn ich mich richtig entsinne.
 
Hier wurde offensichtlich aus meinem obigen Text herausgelesen:
Preussische Tradition = autoritäre Erziehung = Antisemitismus s. # 8, 10, 11, 12, 14
tatsächlich liegt die Betonung auf >Tiefe [Schärfe] der autoritären Erziehung<
Ihr solltet meine Texte genauer lesen. . .


Der Antisemitismus, der letztlich eine Sonderform der Xenophobie darstellt,
unterscheidet sich seinem Wesen nach nur wenig vom Antibolschewismus,
Antiziganismus, Homophobie, , ,


Die Disposition für aggressive Xenophobie, also auch Antisemitus wächst
mit dem Grad der frühkindlichen Repression wie oben beschrieben.
Dass es gerade im Dtr zum Holokaust kam, lag in der bedingungslosen
Unterwerfung wesentlicher Teile der Bevölkerung unter den Befehl
einer einzigen Führerfigur (einer Art sado-masochistischem Exzess
autoritärer Charaktere), dessen Wille als unbedingtes Gesetz galt.


>> ohne eine vorausgegangene massenweise Deformierung der Menschen
durch autoritäre und sexualfeindliche Strukturen hätte die Massenpropaganda
des Faschismus und auchdie Gestalt des „Führer“ keinen derartigen Resonanzboden
in der Bevölkerung finden können << (W.Reich)


Zum Vergleich:
der italienische Faschismus kostete bis zum Krieg
nur einen Bruchteil an Opfern wie der deutsche.


D

https://archive.org/stream/Reich_1933_Massenpsychologie_k#page/n7/mode/2up
 
Zuletzt bearbeitet:
Preußische Traditionen!?
Mir ist dieser Begriff schon häufig in Diskussionen begegnet.
Was ist denn das? Ich habe mehrere Familienzweige, die in Preußen Zuflucht fanden, als sie in anderen Ländern mit Tod und Verfolgung bedroht waren, Schweizer Täufer, Niederländische Mennoniten, Salzburger Exulanten, französische Hugenotten. Sind das die preußischen Tugenden die nach Auschwitz führten?
 
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