Fragebogen zur NS-Diktatur

B

Bonifazius

Gast
Hallo liebe Community,

ich möchte einen Fragebogen bezüglich der Aufarbeitung von Diktaturen erstellen. Mit diesem Fragebogen möchte ich feststellen ob Schüler die Zusammenhänge verschiedener Aspekte einer Diktatur (Ideologie, Zeitgeist, Personenkult, Feindbild) richtig verstehen bzw. ein Bild Lebenssituation der Bevölkerung vermittelt bekommen haben.

Ich habe schon diverse Frage formuliert bin aber insgesamt recht unzufrieden.
Hier ein Beispiel

Glauben Sie, dass das Definieren eines Feindbildes notwendig für eine Diktatur ist?

1 2 3 4
vollkommen gar nicht

Eine recht gute und simple Frage ist z.b.
Wie viele Mitglieder hatte die NSDAP im Jahre 1939?
1 2 3 4
>75% 50-75% 25-50% <25%

Und das schöne an der man kann bei der Auswertung schön viel dazu schreiben und vor allem die Fehleinschätzung der Schüler wird hier wohl stark hervorstechen. Ich möchte mit den Fragebogen kein Geschichtswissen abfragen mit so vorgegeben Antworten, sondern Einschätzfragen erstellen.
Das Dilemma was sich mir dabei bietet ist, ich möchte sehr komplexe Themen abfragen die eine äußerst abstrakte Fragestellung benötigt aber gleichzeitig verständlich für die Schüler sein muss und auswertbare Ergebnisse liefern muss.

Vielleicht hättet ihr ein paar Denkanstöße für mich.

Danke schon mal vielmals.
 
Insbesondere die Auswertbarkeit sowie die Aussagekraft der Ergebnisse dürften hier die Herausforderung sein. Eine wissenschaftliche Erhebung hat grundsätzlich drei Gütekriterien zu erfüllen um verwertbar und damit eben auch aussagekräftig zu sein, die Objektivität, die Reliabilität und die Validität.

Objektiv ist eine Erhebung, wenn die Erhebung unabhängig von den Rahmenbedingungen immer zu den gleichen Ergebnissen kommt. Reliabel ist eine Erhebung wenn die Erhebung möglichst frei von Zufallsfehlern ist und valide ist eine Erhebung, wenn sie das misst, was sie zum einen messen soll und zum anderen aufzeigt, welche Variablen sich wie beeinflussen.

Als Einstieg zu wissenschaftlichen Erhebungen kann ich Bortz "Forschungsmethoden und Evaluation für Human- und Sozialwissenschaftler" empfehlen. Darin findest du auch einen Abschnitt zur Formulierung von Fragebögen und Interviews, so dass die Gütekriterien erfüllt sind. Die von dir exemplarisch genannten Fragen entsprechen in dieser Form nämlich nicht den Anforderungen und verfälschen damit das Messergebnis.

Glauben Sie, dass das Definieren eines Feindbildes notwendig für eine Diktatur ist?

1 2 3 4
vollkommen gar nicht
Nicht objektiv, weil du mit der Formulierung eine Subjektivierung vornimmst ("Glauben Sie..."), besser: "Ist das definieren...". Zudem handelt es sich hierbei um eine Entscheidungsfrage, die Skalierung passt also nicht (Validität, Reliabilität), du wirst sehr wahrscheinlich nur Extremwerte erhalten.

Eine recht gute und simple Frage ist z.b.
Wie viele Mitglieder hatte die NSDAP im Jahre 1939?
1 2 3 4
>75% 50-75% 25-50% <25%
% wovon? zudem fragst du nach "Wie viele", also nach einem Absolutwert, als Antwortalternativen lässt du aber nur Relativwerte zu. Hier ist ebenfalls keines der Gütekriterien erfüllt.

Wie lauten denn deine Forschungshypothesen auf denen du deine Befragung aufbauen möchtest? Dann ginge es leichter, dich bei der Fragebogenerstellung zu unterstützen.
 
...ob Schüler die Zusammenhänge verschiedener Aspekte einer Diktatur (Ideologie, Zeitgeist, Personenkult, Feindbild) richtig verstehen
...
Glauben Sie, dass das Definieren eines Feindbildes notwendig für eine Diktatur ist?

Wenn Du überprüfen willst, ob die Schüler etwas richtig verstanden haben, muss es ja auch eine richtige Antwort geben.

Ist es denn so ? Muss "eine Diktatur" ein Feindbild haben um als Diktatur zu gelten? Oder ist die Frage, ob es in der NS-Diktatur ein Feindbild hatte ?
 
Wie lauten denn deine Forschungshypothesen auf denen du deine Befragung aufbauen möchtest? Dann ginge es leichter, dich bei der Fragebogenerstellung zu unterstützen.

Der Hinweis von Lili öffnet den Weg in den richtigen Einstieg zu einer Studie

Zudem ist es notwendig für den Fragebogen die entsprechenden Konstrukte zu definieren, die für die Untersuchung relevant sind. Diese leiten sich aus den Hypothesen ab.

Und diese Konstukte werden durch entsprechende Fragen operationalisiert.

Durchaus sinnvoll ist es, einen Bezug zu bereits vorhandenen Hypothesen, Konstrukten und Skalen etc. vorzunehmen. Das Skalenhandbuch ist dabei eine sinnvolle Hilfe.

GESIS:ZUMA-Skalenhandbuch
 
Also, ich glaube wir schießen hier mit Kanonen auf Spatzen.
Es soll ja keine Arbeit für die Uni werden, sondern ne Facharbeit fürs Abitur mit einem Umfang von insgesamt 15-20 Seiten. Davon sollen 60% Praxis Anteil sein und der Rest Theorie.
Themenstellung lautet: Implementierung der NS-Diktatur und deren Auswirkungen auf die Bevölkerung. Mir ist klar, dass ich mit dieser Themenstellung allein 20 Seiten schreiben müsste für die Einleitung. Thema wurde in meiner Einleitung entsprechend eingeschränkt.
Der Fragebogen soll nur dazu dienen die zentralen Punkte die ich mir bei einer Diktatur rausgesucht habe (Personenkult, Ideologie, Zeitgeist, Feindbild), bei Schülern "abzufragen" und aufgrund der Ergebnisse Rückschlüsse zu ziehen ob die Aufarbeitung Erfolg hatte oder nicht.
Der Fragebogen sollte meiner Meinung nach auch nur 6-8 Fragen beinhalten, denn wenn ich schon ne Frage stell muss ich sie auch auswerten. Geplant für die Auswertung sind ca. 4-5 Seiten. Was bei zb. 7 Fragen schon relativ knapp bemessen ist.

Und womit ich jetzt Schwierigkeiten habe ist die komplexe Themenstellung in Fragen zu verpacken die auswertbar, leicht verständlich und die von mir rausgesuchten Aspekte beinhalten.
 
Auch eine Facharbeit an einer Schule hat einen wissenschaftlichen Anspruch und soll insbesondere auf das wissenschaftliche Arbeiten an Universitäten heranführen. Wenn du empirisch Arbeiten möchtest, dann ist es auch in einer Facharbeit notwendig zumindest die grundlegenden Standards einzuhalten. Siehst du dich dafür nicht im Stande, wäre es vermutlich sinnvoller eine literaturbasierte Arbeit in Erwägung zu ziehen. Dir ist sicher auch nicht damit geholfen wenn die 60% die die Empirie in deiner Arbeit ausmachen soll, komplett am Thema vorbei gehen.

Geplant für die Auswertung sind ca. 4-5 Seiten. Was bei zb. 7 Fragen schon relativ knapp bemessen ist.
Wenn du 4-5 Textseiten für die Auswertung planst brauchst du in etwa das zehnfache für die Testkonstruktion, die du natürlich auch in den Anhang schieben kannst.

Und womit ich jetzt Schwierigkeiten habe ist die komplexe Themenstellung in Fragen zu verpacken die auswertbar, leicht verständlich und die von mir rausgesuchten Aspekte beinhalten.
Deshalb frage ich dich ja nach deinen Hypothesen :winke: Aus den Forschungshypothesen werden die Testitems, also die Fragestellungen des Frasgebogens, abgeleitet.
 
Ergänzend zu den allgemeinen Hinweisen zur Methodik, die hier gefallen sind, möchte ich darauf hinweisen, dass eine Umfrage auch fachlich fundiert sein muss. Ein Beispiel:

Eine recht gute und simple Frage ist z.b.
Wie viele Mitglieder hatte die NSDAP im Jahre 1939?
1 2 3 4
>75% 50-75% 25-50% <25%

Die Frage ist absolut keine gute Frage! Grund: Die Anzahl der Mitglieder in der NSDAP sagt nichts über "die Zusammenhänge verschiedener Aspekte einer Diktatur" aus.

Hintergrund: Tatsächlich bestand zwischen 1933 und 1939 eine nach und nach gelockerte Beitrittssperre zur NSDAP.

Vgl.: Mitglieder-Aufnahmesperre der NSDAP ? Wikipedia
 
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