deSilva:
Diese Frage suggeriert, dass ein Diktator wie Hitler schon nach viel kürzerer Zeit hätte verjagt werden müssen. Dazu müsste man Vergleichszeiten ähnlicher Situationen heranziehen.
Ich erlaube mir, den Blick in die gleiche Zeit, nür über den östlichen Zaun zu richten:
Ein gewisser Iossif Wissarionowitsch Dschughaschwili, besser bekannt als Stalin, herrschte mit nahezu identischen Methoden und - was gerne vergessen wird - noch viel mehr Toten auf dem Gewissen unangefochten gut 30 Jahre lang in der Sowjetunion. Zwar war er nominell nicht das Staatsoberhaupt, das wäre für die Zeit von 1922 bis 1946 ein gewisser Michail Kalinin als Vorsitzender des Präsidiums des obersten Sowjets (quasi Staatspräsident), aber Stalin hatte als "Woschd", also als "Führer", effektiv alle diktatorische Macht. (offiziell war er Generalsekretär der KPdSU)
Er hatte ebenfalls seine Konzentrationslager, einen gleichgeschalteten Staatsapparat, keinerlei politische Opposition (mehr...), eine brutale und äußerst effektive "Staatssicherheit" und eine ausgesprochen aggressive und expansionistische Außenpolitik. Wäre da nicht die unterschiedliche Ideologie, so könnte man ihn und Hitler für politische Zwillingsbrüder halten.
Stalin wiederum konnte sich nun, wie erwähnt, über 30 Jahre an der Macht halten, von 1922 bis zu seinem Tod 1953. Im Gegensatz zu Hitler kam und ging auch sein politisches System nicht automatisch mit ihm.
Man darf nun also tatsächlich fragen, ob 12 Jahre nicht wirklich etwas kurz sind. Potentiell, so der sowjetische Beweis, hätte sich Hitler noch viel länger an der Macht halten können ohne davongejagt zu werden. Er hätte dazu nur den Krieg nicht verlieren dürfen. Das allein ist wohl der Grund für seinen Abgang nach "schon" 12 Jahren. Ich denke nicht, dass die Deutschen irgendwann aufgewacht und seiner überdrüssig geworden wären. Und selbst wenn, wären sie durch die rigorose Überwachung und - bei Bedarf - Unterdrückung wohl nicht zu einem organisierten Aufstand in der Lage gewesen. Sie hatten, wie man so sagt, Geister gerufen, die sie nicht mehr loswurden.
Ich frage also weniger, warum Hitler sich
so lange halten konnte, sondern - nachdem das Kind mit der Machtergreifung schon in den Brunnen gefallen war - warum er sich
nur so kurz halten konnte.
Der Grund, weshalb Hitler und mit ihm die Nationalsozialisten nach schon 12 Jahren von der Bühne verschwanden - im Verhältnis zu seiner ursprünglichen Planung ist das ja tatsächlich wenig, gerade mal 12 Promille - ist wohl darin zu suchen, dass er es schaffte, den Westmächten bedrohlicher zu erscheinen als sein Kollege im Osten. (Es gab durchaus Kriegspläne bei den Franzosen und Briten gegen die Sowjetunion, Hitler drängte sich nur ungeschickterweise vor)
Warum er ihnen bedrohlicher schien, kann ich nicht erklären, nur vermuten. Aber selbst diese Vermutungen nähmen genug Platz in Anspruch, um einen extra Thread zu rechtfertigen.
PS
Barbarossa:
Und ich denke, diesem 5. Punkt kam gerade im 2. WK eine Schlüsselrolle zu, denn sowohl für die Generäle der Wehrmacht, als auch für die Soldaten war es völlig klar, dass alle Befehle - zumal in einem Krieg – unbedingt auszuführen sind.
Die Wehrmacht bemühte sich tatsächlich nach Kräften, unpolitisch zu sein und konzentrierte sich allein auf ihre militärische Aufgabe. Sie weigerte sich beharrlich, bis eben auf einen kleinen Kreis, aus dem dann auch die Verschwörer von 1944 hervorgingen, in die Politik einzugreifen. Nirgendwo wird das so deutlich wie an der bekannten Antwort Feldmarschall Erich von Mansteins auf den Versuch der Verschwörer, ihn mit ins Boot zu holen: "Preußische Generäle meutern nicht!" Zwar verriet er sie nicht, aber er lehnte kategorisch ab, mit ihnen gemeinsame Sache zu machen.
Von bitterer Ironie ist dabei, dass sich die Wehrmachtsführung geradezu vorbildlich unpolitisch verhielt, wie das heutzutage von einer demokratischen Armee erwartet wird...
Gruß,
Panzerreiter