Hitler? Seine Verdienste

T

Tio Arnold

Gast
Gut, uns ist allen klar, dass der Mann krank war und Deutschland letztlich in die Katastrophe fuehrte.

Götz Aly schreibt in der FR/Berliner Zeitung über Hitlers Aufstieg zur Macht vor 80 Jahren:
Deutsches Reich: Hitlers Aufstieg zur Macht | Kultur- Frankfurter Rundschau

"Immer wieder wird gesagt, Hitler habe seine Macht nach dem 30. Januar 1933 mit den Mitteln des Terrors gefestigt. Das ist nicht falsch, aber nur die halbe Wahrheit. Nach kaum vierwöchiger Amtszeit senkte die NS-Regierung die Krankenscheingebühr von 50 auf 25 Pfennige. Im Dezember wurden zudem die Rezeptgebühr halbiert, Mindestlöhne für Heimarbeiter eingeführt und die Steuerlast für Ehepaare mit Kindern deutlich gemindert. Am 10. April 1933 erklärte die Regierung den 1. Mai zum Feiertag und erfüllte damit eine alte Forderung der Arbeiterbewegung."

Was meint Ihr?


Gruss Tio Arnold
 
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Anmerkung:

Götz Aly zielt nicht auf eine Bewertung von Hitlers "Leistungen", sondern auf die Fragestellung, ob solche Vergünstigungen bzw. Vorteile aus der Vorkriegsgeschichte des Dritten Reiches die Bildung von "Hitlers Volksstaat" befördert hat.
Hitlers Volksstaat ? Wikipedia

"Wie konnte ein im Nachhinein so offenkundig betrügerisches, größenwahnsinniges und verbrecherisches Unternehmen wie der Nationalsozialismus ein derart hohes, den Heutigen kaum erklärbares Maß an innenpolitischer Integration erreichen?"

Ein Ansatzpunkt sind nun die "Geschenke" in der Phase der Machtübernahme.
 
@Tio Arnold

Noch eine Anmerkung.

Natürlich war der Nationalsozialismus als Ideologie darauf angewiesen, zur Festigung seines totalitären Machtanspruches alle sozialen Schichten in das ns System zu integrieren, politisches Wohlverhalten vorausgesetzt (unter systematischer Ausgrenzung von politisch und rassistisch Verfolgten).

Daswaren keine "Geschenke" w.o. bereits angeführt, sondern Teil integrativen Politik zur Etablierung des ns Staates, w.z.B.:

Reichserbhofgesetz (1933)

Oder später zur Mobilisierung der Frauen in der Rüstungswirtschaft:

Haushaltstag ? Wikipedia

Unter dem Stichwort "Verdienste" kann man das m.E. nicht verbuchen.

M.
 
Gut, uns ist allen klar, dass der Mann krank war und Deutschland letztlich in die Katastrophe fuehrte.

1. Das ist "uns allen" sicherlich nicht klar. Und ich würde Dir bei der Sichtweise auch deutlich widersprechen.

Die einschlägigen Arbeiten von Kershaw und anderen sind keine klinischen Expertisen, sondern zeigen eine Person, die in ein komplexes Umfeld von Ideologien, Ereignissen und einer bestimmten Persönlichkeitsstruktur eingebunden sind. Vor diesem Hintergrund kann man sein Weltbild und seine Ziele erklären.

2. Obwohl er "der Führer" war, war es nicht Hitler alleine, der Deutschland in die Katastrophe führte, sondern eine sehr komplexe Interaktion gesellschaftlicher Strömungen und bestimmter Teile des Staates.

Die Rolle Hitlers kann man in diesem Sinne als den Impulsgeber beschreiben, der dann Entwicklungen beschleunigte oder entschleunigte.

Ansonsten lief vieles auch unkoordiniert und auch kontraproduktiv im Bereich der "Diadochen" des NS-Systems ab.

Am 10. April 1933 erklärte die Regierung den 1. Mai zum Feiertag und erfüllte damit eine alte Forderung der Arbeiterbewegung."

Ich kenne den Kontext dieser Aussage nicht, dennoch würde ich sie als sehr problematisch bezeichnen. Ich weiss nicht ob Aly ironisierend den Gedanken fortführte, dass dann Teile, inklusive der Spitzenfunktionäre, der Arbeiterbewegung aus SPD, KP und Gewerkschaften dann ich "Dachau" und anderen KZ`s ihre Umzüge hat durchführen können.

In diesem Sinne wurde das "Arbeitermilieu" zwar zwangsweise integriert und systemkonform gemacht. Aber es integrierte sich nicht durch die freiwillige Assoziation zur NS-Bewegung und war, wie wir auch schon anhand von Falter diskutiert haben, nicht der klassische Wähler der NSDAP.
 
Zuletzt bearbeitet:
Zunächst möchte ich Melchior zustimmen: Es ist schon ein merkwürdiges Verständnis des Begriffes "Verdienst", wenn darunter die erfolgreiche Errichtung einer (Zustimmungs-)Diktatur verstanden wird. Und selbst wenn man in den genannten Aspekten vordergründig Positives zu sehen vermeint, so muss man doch die langfristigen Folgen beachten: Die sozialpolitischen Maßnahmen des NS-Regimes wurde quasi "auf Pump" finanziert. Dass den Konsequenzen der massiven Staatsverschuldung nur durch einen Krieg ausgewichen werden könnte, war Teil der Logik des Regimes und, das wird man so allgemein sagen können, von Anfang an eingeplant.

Dann hierzu:

Gut, uns ist allen klar, dass der Mann krank war und Deutschland letztlich in die Katastrophe fuehrte.

Zunächst ist das angeblich "Kranke" differenziert zu betrachten. Ob Hitler "krank" war und was das für die Einschätzung der NS-Zeit bedeutet, haben wir z. B. hier diskutiert: http://www.geschichtsforum.de/f66/patient-hitler-7700/

Dann blendet die Fokussierung auf Hitler die Mitverantwortung anderer tendenziell aus, wobei der Verweis auf eine angebliche (Geistes)krankheit den Exkulpierungseffekt noch verstärkt.
 
Am 10. April 1933 erklärte die Regierung den 1. Mai zum Feiertag und erfüllte damit eine alte Forderung der Arbeiterbewegung."

Das müsste Aly eigentlich genauer erläutern.

Der NS-Führung war es wichtig die Arbeiter hinter sich zu wissen. Deshalb mussten sie auch die Arbeiterbewegung im Grunde ausschalten. Der 1. Mai wurde dazu instrumentalisiert. Nach der Machtergreifung wurden die Organisationen durch schein-legale Beschränkungen und offenen Terror ausgeschaltet. Gezielte politische Propaganda wurde der Arbeiterbewegung ihre Identität beraubt.

Wie sich die NS-Führung mit dem 1. Mai auseinandersetzte kann man sehr gut in den Tagebüchern von Goebbels nachlesen.

24. März 33 Eintrag im Tagebuch Goebbels:
„ Ich bringe als ersten Gesetzentwurf die Erklärung des 1. Mai zum nationalen Feiertag des deutschen Volkes durch und werde vom Kabinett mit seiner Durchführung betraut. Wir werden das in grösstem Rahmen aufziehen und ersten Mal das ganze deutsche Volk in einer einzigen Demonstration zusammenfassen. Von da ab beginnt dann die Auseinandersetzung mit den Gewerkschaften. Wir werden nicht eher Ruhe bekommen, bis sie restlos in unserer Hand sind.“ S. 785

Das Reichskabinett stimmte am 7. April 1933 dem Gesetzesentwurf zu und am 10 April tritt es das Gesetz in Kraft. Mit diesem Verordnungsakt (seit dem Ermächtigungsgesetz heisst das so) wurde der internationale Demonstrations- und Kampftag der sozialsten und kommunistischen Arbeiterbewegung zur Selbstdarstellung des NS-Regimes um funktioniert. Goebbels lies in allen nationalsozialistischen Zeitungen eine Appell veröffentlichen. Dabei verwendete er gezielt die sozialistische Rhetorik.

Die Gewerkschafter und andere Arbeiterführer begrüssten diese, aus ihrer Sicht, positive Entwicklung der NS-Führung. Mit andern Worten, sie vielen auf die Propaganda rein.

Der Allgemeine Deutsche Gewerkschaftsbund begrüsste die Feiertagsregelung und unterstützte die volksgemeinschaftliche Umdeutung der 1. Mai Feier.

Walther Pahl sagte: "Nun bekenne sich die Nation zum Arbeiter als ihre tragenden Gestalt und zum Sozialismus. Vom Nationalsozialismus unterschied uns keine andere Rangordnung der Werte Nation und Sozialismus, sondern lediglich eine andere Prioritätsordnung. Wir wollten erst den Sozialismus, um die Nation zu gestalten. Der Nationalsozialismus forderte und verwirklichte jetzt die Einheit der Nation, um auf diesem breiten und festen Fundament den deutschen Sozialismus aufzubauen.“

Quelle: Walther Pahl, Der Feiertag der Arbeit und die sozialistische Arbeiterschaft in Gewerkschafts-Zeitung Nr. 17 vom 29.4.1933

Christliche Gewerkschaften begrüssten den 1. Mai ebenfalls. Sie schrieben: „dass die Regierung Hitler zum sozialen deutschen Volkstum bekennt.“

Parallel zur den Vorbereitungen des 1. Mais, lief die Planung zur Übernahme der Gewerkschaften. Federführend war hier Robert Ley, Reichsorganisationsleiter der NSDAP.


2. Mai 1933

Am 2. Mai wurden mit einem Schlag alle wichtigen Gebäude des ADGB, des AfA-Bundes und der Einzelgewerkschaften von der SA- und SS-Truppen besetzt. Handstreichartig wurden die Redaktionsbüros der Gewerkschaftspresse, sowie die Büros der Bank der Arbeit, Angestellten und Beamten und der Volksführsorge sowie mehrerer Baugesellschaften eingenommen.

Leipart, Grassmann und Wilhelm Leuschner wurden zusammen mit den Vorsitzenden der Einzelgewerkschaften und den Direktoren der Bank, sowie den leitenden Funktionären der Gewerkschaften und die Redakteure der Gewerkschaftspresse in Schutzhaft genommen. Das gesamte Vermögen der Gewerkschaften wurden beschlagnahme und die Konten wurden gesperrt.

Es gab Verhaftungen, Folter und Mord. Offizielle Zahl der Verhaftungen: 50

In Wirklichkeit waren es Hunderte.

Die meisten Verhafteten wurden nach wenigen Tagen – bis Mitte Mai – freigelassen. Mussten sich aber von nun an wöchentlich bei der Polizei melden und wurden immer wieder verhaftet. Andere wurden ins KZ verschleppt. Michael Keck, Karl Fromme und Emil Pikard wurden in den Selbstmord getrieben. Hans Westermann und Hermann Basse starben aus ungeklärten Umständen im Sommer 1933.

Gleichschaltung der Gewerkschaften

Die Freien Gewerkschaften wurden dem Aktionskomitee zum Schutz der deutschen Arbeit unter der Führung von Robert Ley unterstellt.

Es war das Ende der unabhängigen Gewerkschaften. Nach und nach wurden alle Gewerkschaften gleichgeschaltet.

Aus der Sicht der Nationalsozialistischen Betriebszellen Organisation (NSBO) ging es am 2. Mai nicht um die Zerschlagung der Gewerkschaften sondern um die Gleichschaltung und Übernahme durch die NSBO.

Am 6. Mai 1933 kündigte Robert Ley die Gründung der Deutschen Arbeiterfront (DAF) an, deren erster Kongress bereits am 10. Mai – am Tag der Bücherverbrennung – in Berlin stattfand.

Ley wurde Führer der DAF. Mit der Gründung der DAF wurde ein weiterer Schritt auf dem Weg zum Aufbau der neuen Ordnung gemacht. Die Devise lautete: Überwindung des Klassenkampfes.
 
Es war für das NS-Regime wichtig, die Arbeiterschaft auf seine Seite zu ziehen, denn der mechanisierte und spezialisierte Teil des Millionenheeres der Wehrmacht würde für den geplanten Krieg, in der Hauptsache aus ihr rekrutiert werden müssen.
 
In diesem Sinne wurde das "Arbeitermilieu" zwar zwangsweise integriert und systemkonform gemacht. Aber es integrierte sich nicht durch die freiwillige Assoziation zur NS-Bewegung und war, wie wir auch schon anhand von Falter diskutiert haben, nicht der klassische Wähler der NSDAP.

Ist das so richtig dargestellt ?

Richtig ist, die von der NS - geführten Regierung abgeänderten Gesetze
und Verordnungen ordneten einige Lebensumstände neu - durchaus von
weiten Teilen auch des " Arbeitermilieus" als entlastend empfunden.
Die Autorität des Staates war sichtbar - wenn auch durch Ausschaltung
der politischen Konkurrenten ( SPD, KPD, Gewerkschaften).
Das sind gewiß "Zwangssituationen" - wurden sie aber auch als solche
erkannt und wurden sie abgelehnt ?

Was die NS-Politik demonstrierte, sehe ich als demonstrative "law and
oder" - Politik und vermutlich war eine solche nach den "Wirren" der
Weimarer Zeit auch im "Arbeitermilieu" willkommen?
Einher ging die Besserung der wirtschaftlichen Situation, Angebote
an Arbeitsplätzen oder auch die beginnende Einführung des
Reichsarbeitsdienstes.

Unterstützt von Goebbelsscher Propaganda muss das auf breite Akzeptanz
gestoßen sein
Anders sind die Ergebnisse der Wahlen 1936 und 1938 nicht erklärbar.
(auch wenn die Einheitsliste der NSADAP keine wirkliche Wahl zuliess)
Da muß es eine breite Zustimmung auch aus dem "Arbeitermilieu"
gegeben haben.
Oder wie anders erklärbar ?
 
Anders sind die Ergebnisse der Wahlen 1936 und 1938 nicht erklärbar.
(auch wenn die Einheitsliste der NSADAP keine wirkliche Wahl zuliess)
Da muß es eine breite Zustimmung auch aus dem "Arbeitermilieu"
gegeben haben.
Oder wie anders erklärbar?

Zunächst einmal die von dir erwähnte Einheitsliste - welche Alternative gab es also? - und zudem der Umstand, dass leere Wahlzettel als Zustimmung gewertet wurden.
 
"Immer wieder wird gesagt, Hitler habe seine Macht nach dem 30. Januar 1933 mit den Mitteln des Terrors gefestigt. Das ist nicht falsch, aber nur die halbe Wahrheit. Nach kaum vierwöchiger Amtszeit senkte die NS-Regierung die Krankenscheingebühr von 50 auf 25 Pfennige. Im Dezember wurden zudem die Rezeptgebühr halbiert, Mindestlöhne für Heimarbeiter eingeführt und die Steuerlast für Ehepaare mit Kindern deutlich gemindert. Am 10. April 1933 erklärte die Regierung den 1. Mai zum Feiertag und erfüllte damit eine alte Forderung der Arbeiterbewegung."

Was meint Ihr?


Gruss Tio Arnold

Du kannst noch hinzufügen, dass die Arbeitslosen durch Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen verschwanden, ferner durch eine Fülle neuer Arbeitsplätze in der Rüstungsindustrie, die sich durch die von Hitler betriebene Aufrüstung enorm aufblähte. Daneben gab es noch eine ganze Reihe weiterer "Wohltaten" für den deutschen Bürger, die aber leider alle nicht gegenfinanziert waren.

Die Kehrseite der Medaille war eine enorm steigende Staatsverschuldung. Ohne den Kriegsbeginn im Jahr 1939 wäre das Deutsche Reich wenig später pleite gewesen.
 
1. Ist das so richtig dargestellt ?

2. Da muß es eine breite Zustimmung auch aus dem "Arbeitermilieu"
gegeben haben.

zu 1. Ja, natürlich ist das korrekt dargestellt. Woher kommt der Zweifel?

zu.2 Natürlich wurde Hitler auch in Bezirken gewählt, in denen die SPD bis 1933 relativ stark war. Und natürlich haben Millionen von Arbeitern auch Hitler gwählt.

Diese Stimmem kamen aber nicht aus dem traditionellen Arbeitermilieu mit bis dahin noch relativ intakten Strukturen und nicht selten einem hohen Anteil für die KPD, sondern eher aus den "Rändern".

Nahezu keinen Stimmemzuwachs erhielt er von Bezirken mit einem hohen Anteil an KPD-Wählern.

Und insgesamt muss man bei den Formulierungen sehr vorsichtig sein, da immer die Gefahr eines "ökologischen Fehlschlusses" vorhanden ist, wie Falter gerne bei der Präsentation seiner Ergebnisse auf diesen Umstand hinwies!
 
Na ja, am Ende zählt nur das Ergebnis. Eines dieser Segnungen sah so aus:
berlin-1945.jpg

Ach so, man könnte auch sagen, der Weg war das Ziel. Das waren Vernichtungskrieg und Völkermord. Dagegen sind Arbeitsbeschaffung und Mindestlohn...
 
Zuletzt bearbeitet:
Soziale Erungenschaften für die Arbeiterschaft im Dritten Reich

Hallo,

ich muss demnächst eine Präsentation fürs Abitur halten und habe das Thema "Soziale Erungenschaften für die Arbeiterschaft im Dritten Reich"

Ein Aufgabenteil lautet:

Überprüfen Sie die Behauptung, bezüglich der Ziele und Methoden der Politik gegenüber der Arbeiterschaft lasse sich eine Traditionslinie zwischen Bismarck und dem Dritten Reich ziehen.

Kann mir dabei vielleicht jemand Tips geben? Danke schonmal!
 
Servus,

hast du bereits Sozialistengesetze gegoogelt?
https://de.wikipedia.org/wiki/Sozialistengesetz

Sozialgesetzgebung?
Sozialgesetzgebung ? Wikipedia

Ganz wichtig: Zuckerbrot und Peitsche - Absatz über Bismarck
Zuckerbrot und Peitsche ? Wikipedia

Lese dir die Artikel durch. Besorge dir entsprechend weitere Literatur, da Wiki als Quelle nicht optimal ist - eher was für die flotte Suche.

Du wirst erkennen, dass Bismarck als Nationaler die Linke verboten hat und deren Themen besetzte. Ähnliches Spiel bei Hitler: Auflösung des Reichstages, Verbot diverser Parteien und "soziale Wohltaten" für das Volk.
Beide handelten demnach frei nach dem Motto: "Wofür braucht ihr die Sozis ihr habt ja mich."
 
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