Manipulation einer Jugend

Balduin

Gesperrt
Hallo,

eine Anfrage eines Schülers hat mich dazu motiviert mich zur Hitlerjugend zu äußern. Ich weiß, dass das nicht der erste Threat dazu ist, und ich schmücke ihn mit Absicht nicht mit Fakten, sondern möchte einen interessanten und hoffentlich guten Bericht dazu liefern.

Die Hitlerjugend war für die meisten Jungs ein großes Erlebnis. Die Jüngsten waren neidisch auf die Älteren, die schon dazugehörten und lebten nur darauf hin in diese Gemeinschaft aufgenommen zu werden. Aber wie kann man eine Jugend für eine Organisation so begeistern ?
Für mich ist dabei das schlagende Wort Gemeinschaft. Mein Opa erzählte mir öfters, wie er die HJ empfand. Man konnte sich von der Feldarbeit drücken, man musste mal nicht auf dem Hof helfen, die Tiere versorgen und vorallem konnte man mit seinen Freunden zusammensein und man wurde beachtet. Die Gemeinschaft begeisterte die meisten jungen Menschen, man kann es mit heutigen Pfadfindern vergleichen, zwar geht es um ganz andere Inhalte, aber der Kern, eine Gemeinschaft zu bilden, ist der gleiche.

Für die Jungs stand dabei auch weniger die Vorbereitung auf Krieg als das pure Zusammensein im Vordergrund. Den Meisten wird es aber auch Spaß gemacht haben, Krieg nachzuspielen, viele Jungs empfinden Krieg als spannend und abwechslungsreich. Dass untergründig noch Propaganda vermittelt wurde und bei den Kindern auf Begeisterung stieß war doch ein weiterer Vorteil für die Nationalsozialisten. Das lässt sich doch mit einem simplen Beispiel erklären: Der Vater ist Nazi, der Sohnemann verprügelt einen Judenbengel, weil der ihm nichts tat, aber hat der Filius Ärger zu erwarten ? Nein, er wird noch gelobt und dass es ja weiter so gemacht wird.

Eine wichtige Rolle spielen dabei vielleicht auch die Anführer der einzelnen HJ Verbände. Es waren ja meist nur ältere Jugendliche, die die Kleineren führten. Diese galten wohl auch als Vorbild, ihnen wurde nachgeeifert und so wurde die Begeisterung weiter geschürt

Ich denke, im Bund Deutscher Mädel verhielt es sich nicht anders, Gemeinschaft ist für mich ein schlagendes Wort um diese Manipulation einer Jugend erklären zu können und sie muss gewirkt haben. Noch heute erinnern sich manche gerne zurück an diese Zeit. Und das war vielleicht auch ein Problem der Nachkriegszeit, Kindern, denen 10 Jahre nur erzählt wurde "Arier sind das einzig wahre Volk, die Juden gehören ausgerottet" können doch das alles nicht aufeinmal ablegen, da hilft der allgemeine Ausspruch: "Es kann doch nicht alles falsch gewesen sein".

Dass sich aber nicht alle manipulieren liesen und willig Mitglieder im Nazi Apparat wurden, muss man auch sagen. So zum Beispiel am Beispiel von Hans Scholl, Mitglied der Weißen Rose. Auch er war begeisterter Anhänger der HJ, anfangs. Doch mit der Zeit geschah in seinem Denken ein Wandel und er wandte sich immer mehr von der Hitlerjugend ab.

Ich hoffe auf konstruktive Kritik, und hoffe, dass ihr mit meinem "Schlagwort" Gemeinschaft übereinstimmt, falls nicht, würde ich ganz gerne eure Meinung dazu hören
 
"Schlagwort" Gemeinschaft

Damit stimme ich überein. Allerdings muss man bedenken, dass andere Jugendorganisationen nach und nach aufgelöst bzw. verboten wurden, so dass keine wirkliche Wahl mehr blieb. Auch sollte man bedenken, dass Jugendliche, die nicht freiwillig den NS-Jugendorganisationen beitraten, einem oftmals enormen psychosozialen Druck ausgesetzt waren.
 
Zusätzlich: Die Hitlerjugend vermochte Freizeitaktivitäten zu bieten, die damals - immer noch Auswirkungen der Weltwirtschaftskrise und Arbeitslosigkeit - für viele Jugendliche sonst nicht möglich waren (Radtouren, Kraftradstaffel, sogar "echte" Fußbälle).
 
Stimmt.

Viele Jugendliche verstanden auch nicht, warum ihre jüdischen Freunde nicht in die HJ durften. Manche von ihnen wollten dann sicherlich auch nicht in die HJ. Da ist es ganz klar, dass in vielen Fällen psychologischer Druck ausgeübt wurde (das mit dem jüdischen Freund war jetzt nur ein Beispiel)

Es gab aber auch Fälle, da widersetzten sich Kinder dem Wunsch der Eltern sich nicht in der HJ zu engagieren, weil die Eltern nicht hinter dem Nazi Regime standen. Die Kinder waren so begeistert, dass sie den Wunsch der Erwachsenen einfach nicht verstanden...
 
In der Familiensoziologie geht man von einem fundamentalen Problem in der Jugendphase aus: der Jugendliche will sich einerseits von den Eltern ablösen, fällt aber andererseits dadurch in ein emotionales Loch. Hier treffen also widersprüchliche Funktionen aufeinander. Die Lösung wird üblicherweise darin gefunden, dass die Peer-Group einen neuen Halt gibt, der den obsolet gewordenen der Eltern ersetzt.

Diese beiden Funktionen - 1. Ablösung vom Elternhaus, 2. emotionaler Halt in der peer group - hat die HJ hervorragend bedient (wie schon vorher der Wandervogel zum Teil): einerseits wurde die Jugend von der Jugend geführt und nicht von Erwachsenen, andererseits gaben das Gemeinschaftsgefühl und die NS-Ideologie den erwähnten emotionalen Halt und ein Wertesystem. Die NS-Ideologie im ganzen beschwörte ja selbst die Gemeinschaft gegenüber der Gesellschaft, da passte das hervorragend, auf jeden Fall besser als individualistische Ideologien.

(Das ganze System erinnert auch ein wenig an die spartanische Agogé, mal nebenbei gesagt. Ein echter Vergleich zwischen beiden Systemen wäre interessant.)

Wenn man in geschickter Weise diese beiden Funktionen erfüllt, kann man IMO Jugendlichen nahezu jede beliebige Ideologie einimpfen - es sei denn, sie hätten andere moralische Werte schon frühzeitig eingetrichtert bekommen wie etwa im katholischen oder sozialistschen Milieu.
 
Die Enstehung solcher umgreifenden Jugendbewegungen muss vor allem im Kontext ihrer Zeit begriffen werden. Die Zerrüttung der Gesellschaft durch den 1. Weltkrieg und damit auch die Zerrissenheit der Jugend, förderten in besonderen Maße die, schon angesprochene, Suche nach Gemeinschaft.
Der Wunsch nach einer Volksgemeinschaft wurde immer größer und so kam es fast Zwangsläufig zu diesen Gruppenbildungen, bei denen die HJ ja anfangs nur eine von vielen war.
Da die damalige Jugend noch nicht in dem Maße vor dem FernseherPC/Playstation versumpfte :devil: gab es dadurch auch die Jugendmusikbewegung und die Laienspielbewegung, die regen Zulauf hatte. Anfangs nicht ideologishc geprägt, wurden natürlich auch diese Institutionen mehr und mehr ideologisch aufgeladen, da auch diese nichtbündischen Bewegungen einen Hang zur völkischen Überhöhung hatten, der damals noch als unproblematisch galt, was sich ja später als fataler Fehler herausstellen würde. So tauchen Lieder der Musikbewegung in NS-Liederbüchern und bei ihren Feiern auf.
Ein weiterer Punkt für den regen Zulauf der Jugend in HJ und ähnlich ausgerichtete Bünde ist die Ritualisierung, junge Menschen sind diesen in besonderem Maße zugetan, da sie im allgemeinen Sicherheit bieten und im besonderen natürlich zu dieser Zeit. Feuerrituale wie bei Wandervolgel, HJ etc. sind dabei noch ein weiterer besonderer Anziehungspunkt.
So wurde in diesen Gruppen auch im besonderen Maße die Volksgemeinschaft gefeiert, was dem allgemeinen Zeitgeist nur zu sehr entsprochen hatte.

Zu empfehlen sie da noch, wenn auch nicht speziell über die Jugend

Vondung, Klaus: Magie und Manipulation; Ideologischer Kult und politische Religion des Nationalsozialismus

Ähnlich ist es in der DDR bei den Pionieren zugegengen, da kam vor kurzer Zeit in den öff. rechtl. noch eine Sendung darüber, wo ehemalige Pioniere über ihrer Empfindungen geredet haben, die sie als Kinder bei den Pionieren damals gehabt haben.
Die Namen und Menschen sind austauschbar, das System bleibt im Grunde dasselbe, auch wenn ich die HJ und die Pioniere jetzt natürlich nicht gleichsetzten will, nur die Gruppendynamik und ihre Funktionsweisen.
 
OT

Wenn man in geschickter Weise diese beiden Funktionen erfüllt, kann man IMO Jugendlichen nahezu jede beliebige Ideologie einimpfen - es sei denn, sie hätten andere moralische Werte schon frühzeitig eingetrichtert bekommen wie etwa im katholischen oder sozialistschen Milieu.

Es ist mir jetzt schon öfter über den Weg gelaufen, dass der Protestantismus im Gegensatz zum Katholizismus, leichter ideologisch einzufangen war...
gibts so ein Thema schon? dann wäre das auch mal ne interessante Sache, ob es Anhaltspunkte für die Richtigkeit geben könnte.
 
Die Enstehung solcher umgreifenden Jugendbewegungen muss vor allem im Kontext ihrer Zeit begriffen werden. Die Zerrüttung der Gesellschaft durch den 1. Weltkrieg und damit auch die Zerrissenheit der Jugend, förderten in besonderen Maße die, schon angesprochene, Suche nach Gemeinschaft.
Der Wunsch nach einer Volksgemeinschaft wurde immer größer und so kam es fast Zwangsläufig zu diesen Gruppenbildungen, bei denen die HJ ja anfangs nur eine von vielen war.

Zerissenheit der Jugend ? Inwiefern ?
Diese Jugendliche haben doch den 1. WK gar nicht miterlebt und im allgemeinen war es den Kids doch eigentlich auch egal ob man mit der Schande der Niederlage lebte oder nicht...
Das mit der Volksgemeinschaft ist mir jetzt neu, kann sein, aber andere Ansätze gefallen mir besser.

Es ist mir jetzt schon öfter über den Weg gelaufen, dass der Protestantismus im Gegensatz zum Katholizismus, leichter ideologisch einzufangen war...
gibts so ein Thema schon? dann wäre das auch mal ne interessante Sache, ob es Anhaltspunkte für die Richtigkeit geben könnte.

Kannst da bitte paar Links posten ? Wär mal ganz interessant zu lesen, wobei Fanatisten gibts doch auf beiden Seiten, das wäre wie wenn man diskutieren würde, wer Nazifreundlicher war, RK oder EV.
 
Ich weiß nicht, ob man zu NS-Zeiten den Kirchen (ob nun RK oder EV) noch eine Steuerungsfunktion bei der Jugend zugestehen sollte/kann.
Ich kann nur das weitergeben, was mir mein Vater vermittelt (Jahrgang '43 sein Vater Jahrgang 1905, wenn ich nicht irre) , aber so wie ich das verstanden habe, hatte die Kirche schon zur Jahrhundertwende keine große Bedeutung mehr... man ging jeden Sonntag in die Kirche weil es sich so gehörte und die Nachbarn einen sonst schief ansahen, aber für den Alltag hatte sie keine große Bedeutung mehr.

Ich denke da ähnlich wie Balduin, die HJ hatte das große Etikett der "Gemeinschaft". Es war ein Vorwand, um sich zu drücken, noch dazu mit einem universellen Darfschein, denn wer in der HJ war... der war eben was. Zudem werden viele Jugendliche eingetreten sein eben WEIL die Eltern ein ungutes Gefühl dabei gehabt haben könnten (Es ist halt toll, einem Erwachsenen sagen zu können "Davon verstehst du nichts"). Dies dann auch noch mit Rückendeckung des Staatsapparates tun zu können, mag für Viele ein zusätzlicher Ansporn gewesen sein.

Die Gruppendynamik ist auch ein wichtiger Punkt. Ich weiß nicht, wie das bei den älteren Mitgliedern hier ist, aber wir fanden es damals in der 7/8. Klasse ganz toll, Clubs zu gründen und wenn man nicht dazu gehörte, war man "uncool" - oder wurde einfach nicht beachtet. Wenn nun ein Kind fünf Freunde hat.. vier sind in der HJ, einer ist jüdisch (oder sonstwie daran gehindert, in die HJ zu gehen)... wird das Kind wohl eher auf den einen Freund verzichten - wenn auch mit Bedauern - um die anderen vier nicht zu verlieren. Dazu die Aussicht, noch mehr Freunde zu finden durch eine Mitgliedschaft in diesem "Verein" und die staatliche und gesellschaftliche Rückendeckung, die die Eltern nachgerade dazu zwingt, auch ungebührliches Verhalten nach Verständnis des Christentums (Liebe deinen Nächsten wie dich selbst), sprich: Prügeleien mit Nicht-HJ-Mitgliedern, jüdischen Mitschülern, etc hinzunehmen und ggf. sogar zu befürworten und zu fördern... dies alles hat seinen unbestreitbaren Reiz.

Hat der Vater vor zwei Jahren nach der Prügelei mit dem jüdischen Nachbarsbuben noch den Gürtel gezückt, streichelt er nun Papas Sohnemann freundlich über den geraden Scheitel und sagt "Das hast du gut gemacht".

Gerade die vielen Freizeitaktivitäten dürften den meisten heute noch lebenden ehemaligen Mitgliedern der HJ in Erinnerung geblieben sein. Zeltlager im Sommer, Radtouren, Wanderungen und bei all dem viel Zeit und Möglichkeit, Blödsinn zu machen, denn Erwachsene sind ja nicht da und selbst wenn... sie sind die HJ, das ist ein halber Freifahrtschein. Hütten im Wald bauen, weils Spaß macht und man nebenbei noch etwas über Konstruktion lernt... wer hat früher nicht gern Baumhäuser etc. gebaut?

Dass dabei politische Indoktrination stattfand, dürfte den Jugendlichen erst klargeworden sein, als es schon zu spät war, um umzukehren... und warum hätten sie das denn auch tun sollen, die Eltern waren ja mittlerweile auch (fast) alle fanatisch. Wenn die Jugendlichen es überhaupt bemerkten.

Der Mensch an sich ist eine Mitläuferkreatur, aller Aufklärung und allem Individualismus zum Trotz. Es gibt immer mal welche, die aus der Reihe tanzen, aber der Großteil der Gemeinschaft wird immer hinter dem Gemeinsamen stehen, egal, wie es aussehen mag. Das mag seltsam klingen, es ist aber ein knallharter Fakt. Auch heutzutage noch, wer sich mal die ganzen Interessensgemeinschaften, Foren, religiösen Gruppierungen und Vereine ansieht, wird das feststellen. Jeder Mensch sucht Anerkennung und die bekommt er von Gleichgesinnten, egal, worum genau es sich jetzt handelt. So war das auch in der HJ. Man wollte Spaß haben, man wollte sich vor der harten Arbeit drücken, man wollte den Eltern ein Schnippchen schlagen.

Um vielleicht die Gruppendynamik unter Jugendlichen besser verstehen zu lernen möchte ich doch einmal auf das Buch/den Film "Die Welle" verweisen, sowie auf William Goldings "Herr der Fliegen". In den meisten Fällen WILL man sich gar nicht der Frage stellen, ob es richtig ist, was man da tut. Neben einem stehen zehn Andere, die es genauso machen, es kann also nicht falsch sein, oder zumindest ist man nicht allein, wenn es doch falsch ist. ;) Ist wie beim Schule schwänzen. Fehlt einer in Mathe, redet die ganze Klasse drüber... fehlt die halbe Klasse, fragt sich der Rest warum sie nicht auch daheim geblieben sind.
 
@FoxP2gen: Die Gruppendynamik, die von den Jugendlichen selbst hervorgeht, kann aber nicht als Manipulation bezeichnet werden. Aus eigenen Erfahrung habe ich diese Manipulation der Jugend und sogar der Kinder erfahren. In der DDR gab es mit Schulbeginn für die Kinder die Jungpionier, später die Thälmannpioniere und als Jugendlicher die FDJ, die ähnliche Züge in der Struktur der Jugendbewegung hatten, wie im dritten Reich. Die politische Zielrichtung war natürlich eine ganz andere, darum betone ich hier auhc keinen Vergleich der Jugendbewegungen anzustellen. Viellmehr ist festzuhalten, das die Strukturen innerhalb solcher Jugendbewegungen die von Staatswegen angeordnet waren, ein ganz anderes Potenzial freisetzen, als eine coole Gruppe von Jugendlichen.
Diese Verordneten Bewegungen sind in meinen Augen mehr ein staatliches Erziehen der Jugend, denn die Diktaturen in damaligen Deutschland erkannten, wie wichtig die Jugend für den Staatsaufbau ist, denn sie werden die jeweiligen Ideologien weitertragen, sie sind die Wurzel eines Staates. Somit mußte die Zukunft gesichert werden, indem man die Kinder und Jugendlichen so formt, wie der Staat sie braucht. Damit stellt man auch den "Gehorsam" sicher. Somit war es wohl auch eine manipulation der Jugend, denn diese kann noch nicht selbst über Recht und Unrecht entscheiden, was dazu führt, die jeweilige Ideologie der Jugend einer Nation als Rechtens darzustellen. Anders wird sich dies Verhalten, wenn die Gruppenbewegung nicht von Staatswegen kommt, so z.B. mit Vereinen für Sport, Kirchenvereine oder Pfandfinder, dort ist es das alleinige Interesse der Kinder und Jugendlichen selbst, kein Zwang von oben.
 
it stellt man auch den "Gehorsam" sicher. Somit war es wohl auch eine manipulation der Jugend, denn diese kann noch nicht selbst über Recht und Unrecht entscheiden, was dazu führt, die jeweilige Ideologie der Jugend einer Nation als Rechtens darzustellen

Da fallen mir spontan manch Aussprüche älterer Herren ein: "Früher kann doch auch nicht alles falsch gewesen sein". Man konnte eine geimpfte Ideologie nicht einfach so aus dem Gehirn bekommen.
Fox2Gen, schöner Beitrag, fasst so zusammen, was einem im Kopf umherschwirrt, das man aber nicht aufs Blatt bringt ;)
 
@FoxP2gen: Die Gruppendynamik, die von den Jugendlichen selbst hervorgeht, kann aber nicht als Manipulation bezeichnet werden. Aus eigenen Erfahrung habe ich diese Manipulation der Jugend und sogar der Kinder erfahren. In der DDR gab es mit Schulbeginn für die Kinder die Jungpionier, später die Thälmannpioniere und als Jugendlicher die FDJ, die ähnliche Züge in der Struktur der Jugendbewegung hatten, wie im dritten Reich. Die politische Zielrichtung war natürlich eine ganz andere, darum betone ich hier auhc keinen Vergleich der Jugendbewegungen anzustellen. Viellmehr ist festzuhalten, das die Strukturen innerhalb solcher Jugendbewegungen die von Staatswegen angeordnet waren, ein ganz anderes Potenzial freisetzen, als eine coole Gruppe von Jugendlichen.
Diese Verordneten Bewegungen sind in meinen Augen mehr ein staatliches Erziehen der Jugend, denn die Diktaturen in damaligen Deutschland erkannten, wie wichtig die Jugend für den Staatsaufbau ist, denn sie werden die jeweiligen Ideologien weitertragen, sie sind die Wurzel eines Staates. Somit mußte die Zukunft gesichert werden, indem man die Kinder und Jugendlichen so formt, wie der Staat sie braucht. Damit stellt man auch den "Gehorsam" sicher. Somit war es wohl auch eine manipulation der Jugend, denn diese kann noch nicht selbst über Recht und Unrecht entscheiden, was dazu führt, die jeweilige Ideologie der Jugend einer Nation als Rechtens darzustellen. Anders wird sich dies Verhalten, wenn die Gruppenbewegung nicht von Staatswegen kommt, so z.B. mit Vereinen für Sport, Kirchenvereine oder Pfandfinder, dort ist es das alleinige Interesse der Kinder und Jugendlichen selbst, kein Zwang von oben.


Nun, meiner Ansicht nach ist es sehr wohl eine Manipulation der Jugend, wenn man sich die falschen "Ziele" auf die Fahnen schreibt, um Jugendliche in die HJ zu locken. Es war ja nicht so, dass direkt gesagt wurde: tretet in die HJ ein und werdet in ein paar Jahren Kindersoldaten! Ich denke die HJ war sehr wohl von Anfang an zielgerichtet von oben, nur war der Deckmantel des "wir wollen eine Gemeinschaft sein" eben noch vorhanden. Warum hätten sie denn auch die Kinder von Anfang an in die HJ und den BDM zwingen sollen, wo es doch so viel freiwilligen Zulauf gab? Warum den negativen Eindruck des Zwangs von staatlicher Seite hervorrufen, wenn der psychologische Gruppenzwang der Jugendlichen untereinander die Arbeit selbst erledigte?

Für viele der Jugendlichen wird bei Beitritt in die HJ bzw. den BDM gar nicht schlüssig gewesen sein, dass das durchaus politische Organisationen sind. Für sie war es eben sowas wie die Pfadfinder. Etwas, was man freiwillig tat und auf das man dementsprechend erst recht stolz sein durfte. Natürlich übernahm der Staat hier das Formen genauso wie in der späteren (jetzt ehemaligen) DDR, nur eben nicht offen einsehbar. Wenn Jungs Krieg spielen, machen sich die Eltern selten Gedanken. Warum auch? Als sie Kinder waren haben sie doch auch Krieg oder Räuber und Gendarm gespielt, ganz unabhängig davon, dass da schoneinmal ein Weltkrieg gewesen ist, der viele Opfer gefordert hatte. Es sind eben die Spiele von kleinen Jungs und Jugendlichen. Dass sich die Nazis darn bedient haben udn es für sich ausgenutzt haben ist doch logisch, weil so einfach. Die Jugendlichen waren begeistert, man musste sie nur noch in die "richtige" Richtung schubsen, angesichts der Tatsache, dass sie alle zu ihren Anführern aufsahen und die Partei, die so viel für sie tat fast vergötterten.

Mal ehrlich: stellt euch mal vor, ihr seid 13, ihr müsst jeden Tag auf dem Hof helfen (oder euren Eltern im Haushalt oder bei der Arbeit). Und dann kommt euer bester Kumpel an und erzählt euch von einer Gruppe, wo regelmäßig Radtouren und Zeltlager veranstaltet werden, wo sie Krieg spielen dürfen und sich prügeln dürfen, ohne dass jemand mit ihnen schimpft und die Erwachsenen können nichts dagegen sagen, weil auch der Führer diese Gruppe fördert. Glaubt ihr wirklich, ihr würdet die Gelegenheit nicht ergreifen? Wer jetzt nein sagt, hat vergessen, wie es ist, Kind zu sein *anm.*

Manipulation WAR Realität. Das bedeutet aber nicht, dass sie die freiwillige Gruppendynamik ungenutzt gelassen haben. Natürlich gab es eine strenge Ordnung innerhalb der HJ, aber welches Kind würde schon darauf achten, wenn es nur weg kann von den Erwachsenen und mit den anderen toben kann? Diese Art der Disziplin und Organisation mag vielleicht sogar als Teil des Spiels angesehen worden sein: wer Krieg spielen will, braucht eine Armee - wer eine Armee sein will, muss sich organisieren.
 
Nun, meiner Ansicht nach ist es sehr wohl eine Manipulation der Jugend, wenn man sich die falschen "Ziele" auf die Fahnen schreibt, um Jugendliche in die HJ zu locken.(...)

Nun, ich habe auch nichts anderes behauptet, allerdings hast Du recht, was den Betritt der Jugend bei der HJ angeht, dass dies in den Dreißigern mehr freiwillig war , als die staatlich Verordneten Jugendgruppen der DDR.

Allerdings waren bei der HJ die Ziele in einer anfänglichen Jugendgruppe mit der Naziideologie schon politisch ausgerichtet, bevor diese Organisation vom Staat verordnet wurde. Oh, jetzt muß ich alledings fragen, gab es den einen "Zwang", dieser Jugendorganisation beitreten zu müssen?
 
Na ja, fast alle anderen Jugendbewegungen wurden schon 1933/34 verboten und die HJ 1936 zur einzigen Staatsjugendorganisation erklärt. 1939 wurde die Mitgliedschaft in der HJ zum Pflichtprogramm. Der Eintritt erfolgte mit 10 Jahren jeweils zum 20. April, zu "Führers Geburtstag". Ein HJ Veteran erinnerte sich später, dass in der Zeitung gestanden habe, "dem Führer wurde ein Jahrgang von Jungmannen und Pimpfen" geschenkt."


Kann es ein perverseres Geburtstagsgeschenk geben?
 
Na ja, fast alle anderen Jugendbewegungen wurden schon 1933/34 verboten und die HJ 1936 zur einzigen Staatsjugendorganisation erklärt. 1939 wurde die Mitgliedschaft in der HJ zum Pflichtprogramm. Der Eintritt erfolgte mit 10 Jahren jeweils zum 20. April, zu "Führers Geburtstag". Ein HJ Veteran erinnerte sich später, dass in der Zeitung gestanden habe, "dem Führer wurde ein Jahrgang von Jungmannen und Pimpfen" geschenkt."


Kann es ein perverseres Geburtstagsgeschenk geben?

Also wurde die Jugend hier ideologisch und nazipolitisch Weltanschaulich "Geschult", sowie auf ihr Soldatensein vorbereitet. Eine reine Jugen Organisation. Interessant, warum um Himmelswillen teilte man die Organisation nach Geschlechtern auf, weil es damals so war, oder hatte es einen anderen Grund?
 
Also wurde die Jugend hier ideologisch und nazipolitisch Weltanschaulich "Geschult", sowie auf ihr Soldatensein vorbereitet. Eine reine Jugen Organisation. Interessant, warum um Himmelswillen teilte man die Organisation nach Geschlechtern auf, weil es damals so war, oder hatte es einen anderen Grund?

Die Jungs wurden für das Militär erzogen. Die Mädchen sollten zum NS-Frauenideal erzogen werden.

Bund Deutscher Mädel

NS-Frauenpolitik und NS-Frauenorganisationen
 
Gut, klar. Aber die geschlechtliche Trennung war nur deshalb von nöten, weil die späteren Aufgaben der Männer und der Frauen verschieden sein sollten, ideologisch sollten beide gleich geformt sein. In der Jugendorganisation der FDJ gab es die geschlechtliche Trennung nicht, dennoch wurde diese Organisation genutzt, die Jugend ideologisch zu Formen. Wobei die Jungs innerhalb der FDJ ebenfalls militärisch erzogen wurden, da auch in der DDR alles in Richtung Militär ausgelegt war. Vielleicht nicht mit dem selben Ziel, als Aggresor aufzutreten.

Hm, hatte also die Jugendorganisation wie HJ oder FDJ auch die Funktion die Jugend in der Gesellschaftsform zu prägen?..Etwa das, was eigendlich das Elternhaus den Kindern mit auf den Weg gibt.
So gab es im Dritten Reich noch die Geschlechtertrennung, in der DDR gab es diese im Gesamtem System nicht mehr.
 
Ich weiß nicht, ob man zu NS-Zeiten den Kirchen (ob nun RK oder EV) noch eine Steuerungsfunktion bei der Jugend zugestehen sollte/kann.
Muß man aber. Bei RK ausgeprägter als bei EV.
Ich kann nur das weitergeben, was mir mein Vater vermittelt (Jahrgang '43 sein Vater Jahrgang 1905, wenn ich nicht irre) , aber so wie ich das verstanden habe, hatte die Kirche schon zur Jahrhundertwende keine große Bedeutung mehr... man ging jeden Sonntag in die Kirche weil es sich so gehörte und die Nachbarn einen sonst schief ansahen, aber für den Alltag hatte sie keine große Bedeutung mehr.
Das ist regional sehr unterschiedlich. In dezidiert katholischen Regionen trifft das auf jeden Fall nicht zu.
Warum wohl hatte die HJ soviel Schwierigkeiten mit den Katholen? Sie hatten all das, was die HJ kopierte.
 
so hatte in letzer Zeit sehr wenig Zeit...

ein Link zur Kirche
Bekennende Kirche:
Das Dokument der kath. Kirche mit dem ausgesagt wurde, den Nazis die Treue zu halten, ist ohne Absprachen mit dem Papst getroffen worden, wie Vatikanaufzeichnungne belegen. (War in meiner Vorlesung letzte Woche, deswegen kann ich da grad keine Quelle angeben kann.

ein sehr gutes Buch für einen ersten Eindruck über das Leben der Jugend und der Deutschen allgemein unter den Nazis
Focke / Reimer: Alltag untern Hakenkreuz, wie die Nazs das Leben der deutschen veränderten. rororo aktuell

darin kommen damalige jugendliche zu Wort und eigentlich ist der Konsens, das die meisten die Hj anfangs gut fanden, dann aber bitter über die Sinnlosigkeit der Treffen enttäuscht waren, bzw. auch viel Angst hatten wegen dem harten Drill. Einige genossen es mal Macht über andere zu haben, sogar Lehrer, die nicht spuren wollten aus dem Dienst fliegen zu lassen...
Die Ernüchterung kam bei den meisten aber spätestens beim Krieg, bzw. solange man nicht viel davon gesehen hatte war man heiß drauf, aber wer dann den Krieg wirklich gesehen hatte, der fand das alles schrecklich.

was auch erwähnt wird ist verdeckter "widerstand" ehemaliger Pfadfinder etc. die sich durch geheime Zeichen verständigten und die HJ für sich instrumentalisierten, um sich als Pfadis zu treffen...
ein bißchen zu kurz kommt allerdings die Seite derer, die das Ganze total toll fanden... oder es gibt sie schlichtweg nicht, aber das kann ich mir irgendwie nicht vorstellen..

jedenfalls für den Anfang ein sehr interessantes Buch
 
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